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Tel.: 030 300 65-200 Fax: 030 300 65-390 www.familienunternehmer.eu E-Mail: [email protected] KOMMENTAR AUS BERLIN Berlin, 22. Mai 2009 DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU e.V. Prof. Dr. Gerd Habermann Tuteur Haus I Charlottenstraße 24 10117 Berlin Hat sich das Grundgesetz wirklich bewährt? Dies hängt von den Kriterien der Bewährung ab. Eine Verfassung ist ein Instrument zur Fest- legung der politischen Entscheidungsmechanismen und zur Abgrenzung der staatlichen Kom- petenzen. Ein erstes Kriterium ist gewiß, dass sie Freiheit und Eigentum der Bürger und den inneren Frieden sichert. Ferner nach außen hin: die Stellung eines Volkes in der Welt bewahrt. Es gibt schließlich auch einen globalen Systemwettbewerb um die beste politische Verfassung. Dem muss sich jedes Land stellen. Im Falle des Grundgesetzes kann man nur von einer Teilbewährung sprechen. Warum? 1. So ist das bescheidene Adjektiv „sozial“ etwa in Artikel 20, 1: „sozialer Bundesstaat“ zum Einfallstor für praktisch beliebige Umverteilung und Bevormundung, mit Abgaben und Staatsquoten zwischen 50 und 60 Prozent (in den Fünfzigern Mitte 30 Prozent), geworden. 2. Hinzu kommen die weitgehenden Einschränkungen der Vertragsfreiheit (Sozialversicherung, Arbeitsrecht, Antidiskriminierungsgesetz etc.). Auch diese hat das Grundgesetz nicht ver- hindert. 3. Die Ausschaltung des Volkes von Entscheidungen in Sachfragen und von politischer Initiati- ve (trotz Artikel 20, 2, wo nicht nur von Wahlen, sondern auch von „Abstimmungen“ die Re- de ist) gab den Parteien einen Freibrief für politische Selbstherrlichkeit und Selbstbedie- nung. Selbst links- und rechtsradikale Parteien erhalten bei uns Millionen Staatsgelder! Wie schon Karl Jaspers in seiner Zeit feststellte, ist es zur Etablierung einer Parteienoligarchie gekommen. 4. Die Staatsverschuldung wurde trotz Artikel 115 nicht verhindert; sie ist so hoch wie noch nie, abgesehen von Kriegszeiten. 5. Die Eigentumsgarantien des Artikels 14 laufen leer, wenn doch vielfach zwei Drittel des Einkommens über Steuern und Sozialabgaben legal „konfisziert“ werden können. 6. Wir haben immer noch den antiquierten Sozialisierungsartikel Artikel 15 im Grundgesetz, in dem es heißt: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel (also die ganze Wirtschaft! GH) können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz … in Ge- meineigentum … überführt werden“. Spätestens nach der Wiedervereinigung und dem En- de des Staatssozialismus hätte dieser Artikel verschwinden müssen, aber es wurde nicht einmal darüber diskutiert! 7. Was ist aus unserem Bundesstaat geworden? Eher ein dezentralisierter Einheitsstaat, in- dem weder Länder noch Kommunen Steuerautonomie besitzen und der nützliche Wettbe- werb um Standortattraktivität durch Mischfinanzierung, Finanzausgleich und politische Ab- sprachen aller Art fast aufgehoben ist. Kurzum: Das Grundgesetz bietet äußerlich noch eine bürgerlich-liberale Fassade, namentlich durch die eindrucksvoll formulierten Grundrechte. In der Praxis ist es durch den Versorgungs- und Bevormundungsstaat ausgehöhlt. Aus dieser Bewertung ergibt sich das liberale Programm für den zukünftigen Verfassungsgesetzgeber. Dies reicht von Mitentscheidungsrechten des Vol- kes in Existenzfragen auf Bundesebene, bis zu einer Präzisierung des Ausdrucks „sozial“, der nicht als purer Umverteilungsauftrag definiert werden darf; dann die Wiederherstellung eines echten Wettbewerbsföderalismus; schließlich strenge Verschuldungsgrenzen und besonders Grenzen für den fiskalischen Zugriff im Sinne von Kirchhofs leider nicht durchgedrungener Initia- tive („Halbteilungsgrundsatz“). Die Familienunternehmer – ASU haben schon vor Jahren ein um- fassendes Verfassungs-Reformkonzept vorgelegt (in der Bundesgeschäftsstelle zu beziehen). 5/2009

60 Jahre Grundgesetz

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KOMMENTAR AUS BERLIN

Berlin, 22. Mai 2009

DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU e.V. Prof. Dr. Gerd Habermann Tuteur Haus I Charlottenstraße 24 10117 Berlin

Hat sich das Grundgesetz wirklich bewährt?

Dies hängt von den Kriterien der Bewährung ab. Eine Verfassung ist ein Instrument zur Fest-legung der politischen Entscheidungsmechanismen und zur Abgrenzung der staatlichen Kom-petenzen. Ein erstes Kriterium ist gewiß, dass sie Freiheit und Eigentum der Bürger und den inneren Frieden sichert. Ferner nach außen hin: die Stellung eines Volkes in der Welt bewahrt. Es gibt schließlich auch einen globalen Systemwettbewerb um die beste politische Verfassung. Dem muss sich jedes Land stellen. Im Falle des Grundgesetzes kann man nur von einer Teilbewährung sprechen. Warum? 1. So ist das bescheidene Adjektiv „sozial“ etwa in Artikel 20, 1: „sozialer Bundesstaat“ zum

Einfallstor für praktisch beliebige Umverteilung und Bevormundung, mit Abgaben und Staatsquoten zwischen 50 und 60 Prozent (in den Fünfzigern Mitte 30 Prozent), geworden.

2. Hinzu kommen die weitgehenden Einschränkungen der Vertragsfreiheit (Sozialversicherung, Arbeitsrecht, Antidiskriminierungsgesetz etc.). Auch diese hat das Grundgesetz nicht ver-hindert.

3. Die Ausschaltung des Volkes von Entscheidungen in Sachfragen und von politischer Initiati-ve (trotz Artikel 20, 2, wo nicht nur von Wahlen, sondern auch von „Abstimmungen“ die Re-de ist) gab den Parteien einen Freibrief für politische Selbstherrlichkeit und Selbstbedie-nung. Selbst links- und rechtsradikale Parteien erhalten bei uns Millionen Staatsgelder! Wie schon Karl Jaspers in seiner Zeit feststellte, ist es zur Etablierung einer Parteienoligarchie gekommen.

4. Die Staatsverschuldung wurde trotz Artikel 115 nicht verhindert; sie ist so hoch wie noch nie, abgesehen von Kriegszeiten.

5. Die Eigentumsgarantien des Artikels 14 laufen leer, wenn doch vielfach zwei Drittel des Einkommens über Steuern und Sozialabgaben legal „konfisziert“ werden können.

6. Wir haben immer noch den antiquierten Sozialisierungsartikel Artikel 15 im Grundgesetz, in dem es heißt: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel (also die ganze Wirtschaft! GH) können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz … in Ge-meineigentum … überführt werden“. Spätestens nach der Wiedervereinigung und dem En-de des Staatssozialismus hätte dieser Artikel verschwinden müssen, aber es wurde nicht einmal darüber diskutiert!

7. Was ist aus unserem Bundesstaat geworden? Eher ein dezentralisierter Einheitsstaat, in-dem weder Länder noch Kommunen Steuerautonomie besitzen und der nützliche Wettbe-werb um Standortattraktivität durch Mischfinanzierung, Finanzausgleich und politische Ab-sprachen aller Art fast aufgehoben ist.

Kurzum: Das Grundgesetz bietet äußerlich noch eine bürgerlich-liberale Fassade, namentlich durch die eindrucksvoll formulierten Grundrechte. In der Praxis ist es durch den Versorgungs- und Bevormundungsstaat ausgehöhlt. Aus dieser Bewertung ergibt sich das liberale Programm für den zukünftigen Verfassungsgesetzgeber. Dies reicht von Mitentscheidungsrechten des Vol-kes in Existenzfragen auf Bundesebene, bis zu einer Präzisierung des Ausdrucks „sozial“, der nicht als purer Umverteilungsauftrag definiert werden darf; dann die Wiederherstellung eines echten Wettbewerbsföderalismus; schließlich strenge Verschuldungsgrenzen und besonders Grenzen für den fiskalischen Zugriff im Sinne von Kirchhofs leider nicht durchgedrungener Initia-tive („Halbteilungsgrundsatz“). Die Familienunternehmer – ASU haben schon vor Jahren ein um-fassendes Verfassungs-Reformkonzept vorgelegt (in der Bundesgeschäftsstelle zu beziehen).

5/2009