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Chemnitzer in Vietnam von Geschäftspartner ausgebootet - Freie Presse Montag, 13.04.2015 Nachrichten Top-Thema Chemnitzer in Vietnam von Geschäftspartner ausgebootet Deutsche Manager schwärmen von dem asiatischen Land - trotz der Korruption. Ein Investor aus Chemnitz warnt jetzt aber. Er ist um seine Firmenbeteiligung betrogen worden. Doch die Polizei ermittelt nicht einmal. Chemnitz. Heiko Grimm verkauft erlebbare Träume. Der 49-jährige Reisespezialist setzt für Individualtouristen Urlaubspuzzle zusammen, die Vietnam in den schönsten Farben leuchten lassen. Auch mehr als 300 deutsche Unternehmen haben das Land schon für sich entdeckt. Manager schwärmen von der dreijährigen Steuerfreiheit, von den Löhnen, die halb so hoch wie in China sind, vom Pragmatismus und der Klarheit der Vorgaben des kommunistischen Regimes. Grimm selbst ist ernüchtert. Der Chef des Chemnitzer Online-Reiseveranstalters ITI-Holiday ist betrogen worden. Vietnam hat sich verändert. Die Wirtschaft wächst seit Jahren mit Raten von mindestens fünf Prozent, bis 2018 sollen es im Schnitt 6,4 Prozent sein. 1993 galten noch fast 60 Prozent der Vietnamesen als arm, heute sind es weniger als zwölf Prozent. "Aber die Gesetze und Verträge, die Sie dort abschließen, sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind", sagt Grimm. Im August 2012 hatte sich der Chemnitzer bei einem kleinen Reiseveranstalter in Ho-Chi-Minh-Stadt eingekauft, um die Vorortbetreuung seiner Kunden zu verbessern. 30.000 Euro war ihm die 40-prozentige Beteiligung an AP Travel wert. Mit dieser Firma hatte er zuvor bereits lange kooperiert. Im Vorfeld hatte er deren Bilanzen, Arbeitsabläufe und Verträge genau studiert. "AP Travel verfügte über eine solide wirtschaftliche Basis, war damals fast zehn Jahre am Markt", sagt Grimm. Die Investitionsbehörde trug ihn als Partner ein. Doch schon bald nach dem Transfer der 30.000 Euro forderte der Mehrheitseigner mehr Geld: für die Renovierung eines Hotels, das angeblich AP Travel gehörte, von dem Grimm aber gar nichts wusste, oder für eine Lizenz, die die Firma allerdings bereits hatte. Monatsabrechnungen waren auf Grimms Drängen hin erst nicht verfügbar. Dann wiesen sie zehnmal weniger Gewinn als vor seinem Einstieg aus. Schließlich präsentierte der Geschäftsführer ihm sogar einen Verlust in Höhe von 8000 US-Dollar. Einblick in die Unterlagen wurde Grimm verwehrt - selbst als er dafür extra nach Ho-Chi-Minh-Stadt flog. Grimm schaltete deshalb Anwälte ein. Die staunten nicht schlecht, als sie Anfang 2014 entdeckten, dass die ITI-Holiday auf dem Papier gar nicht mehr an AP Travel beteiligt war. Schon im April 2013 habe der Mehrheitsinhaber den Chemnitzer bei der Investitionsbehörde als Anteilseigner aus- und stattdessen seine Ehefrau eintragen lassen, hieß es plötzlich. Offensichtlich war dazu Grimms Unterschrift gefälscht worden. Seit mehr als einem Jahr versucht der Chemnitzer nun, seinen ehemaligen Partner in Vietnam anzuzeigen - vergeblich. Unbehelligt von den Behörden hatte Grimms Ex-Partner die gemeinsame Firma im September 2013 abwickeln können, nur um ein paar Blöcke weiter unter ähnlichem Namen die Geschäfte fortzusetzen. Der betrogene Investor: Heiko Grimm. Foto: Kristin Schmidt "Firma aufgelöst, Standort nicht vorhanden, Fall abgeschlossen", erklärte die Finanzbehörde dazu im März 2014 lapidar. Auch die Kripo wies die auf vietnamesisch verfasste Anzeige zurück. Es fehle die deutsche Übersetzung. Die müsse im übrigen durch deutsche Behörden beglaubigt und von der vietnamesischen Botschaft legalisiert sein. Grimm besserte nach. Dennoch ließ die Kripo die Anzeige fallen. Auf mehrere Schreiben hat die vietnamesische Botschaft in Berlin bis heute nicht geantwortet. Nach einem Treffen mit den stellvertretenden Leitern der Kriminalpolizei ist der Fall jetzt aber an die örtliche Polizei zurückverwiesen worden. Die ließ Grimm wissen, dass die Beamten die neue Adresse des Ex-Geschäftspartners nicht gefunden hätten. Der Chemnitzer solle nun selbst die neue Anschrift herausfinden, die Anzeige entsprechend korrigieren und bei der Investitionsbehörde ermitteln, wie es möglich war, ohne rechtskräftige Unterschrift die Firmenanteile zu übertragen. Grimm ärgert sich. "Während ITI-Holiday ums Überleben kämpfen muss, hat sich unser Ex-Geschäftspartner ein neues großes Appartement geleistet, ein Hotel modernisiert, sich Autos gekauft und gibt auf Partys mit seinen Freunden das Geld aus, um das er uns betrogen hat", schimpft er. Eine schriftliche Anfrage der "Freien Presse" zu den Vorwürfen hat der Ex-Chef der AP Travel bislang unbeantwortet gelassen. Im Ranking von Transparency International, das den Grad der bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommenen Korruption misst, rangiert Vietnam unter 176 Ländern auf Platz 116 - noch hinter Staaten wie Ägypten, Niger oder Gabun. Für deutsche Investoren gebe es ausreichend Rechtssicherheit, sagt indes Marko Walde, Chef der deutschen Auslandshandelskammer in Vietnam. "Seine unternehmerischen Ziele kann man hier auch ohne Korruption erreichen." Deshalb wäre es ratsam gewesen, wenn sich Grimm vor seiner Firmenbeteiligung an die Kammer gewandt hätte. Inzwischen hat sich der deutsche Generalkonsul Hans-Dieter Stell eingeschaltet, um sich ein Bild zu machen. Die Anzeige könne aber nur Grimms Vertreter selbst erstatten, teilt er mit. AHK-Chef Walde will ihn unterstützen. erschienen am 16.07.2014 (Von Jürgen Becker) © Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG KOMMENTARE 16.07.2014 Soundnichtanders: Das hätte ich in diesem Land nun eben nicht erwartet. Wie man sich in den Menschen irren kann. 0 1 16:45 Uhr Ironie aus. 16.07.2014 klapp: Das ist Schade. Viel Lehrgeld bezahlt. 0 1 12:09 Uhr Bitte beachten Sie die Hinweise zum Urheberrecht und zu Nachdrucken unter www.freiepresse.de/copyright 1 von 1 14.04.2015 13:26

Chemnitzer in Vietnam von Geschäftspartner ausgebootet - Freie Presse

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Chemnitzer in Vietnam von Geschäftspartner ausgebootet - Freie Presse

Montag, 13.04.2015

Nachrichten Top-Thema Chemnitzer in Vietnam von Geschäftspartner ausgebootet Deutsche Manager schwärmen von dem asiatischen Land - trotz der Korruption. Ein Investor aus Chemnitz warnt jetzt aber. Er ist um seine Firmenbeteiligung betrogen worden. Doch die Polizei ermittelt nicht einmal. Chemnitz. Heiko Grimm verkauft erlebbare Träume. Der 49-jährige Reisespezialist setzt für Individualtouristen Urlaubspuzzle zusammen, die Vietnam in den schönsten Farben leuchten lassen. Auch mehr als 300 deutsche Unternehmen haben das Land schon für sich entdeckt. Manager schwärmen von der dreijährigen Steuerfreiheit, von den Löhnen, die halb so hoch wie in China sind, vom Pragmatismus und der Klarheit der Vorgaben des kommunistischen Regimes. Grimm selbst ist ernüchtert. Der Chef des Chemnitzer Online-Reiseveranstalters ITI-Holiday ist betrogen worden. Vietnam hat sich verändert. Die Wirtschaft wächst seit Jahren mit Raten von mindestens fünf Prozent, bis 2018 sollen es im Schnitt 6,4 Prozent sein. 1993 galten noch fast 60 Prozent der Vietnamesen als arm, heute sind es weniger als zwölf Prozent. "Aber die Gesetze und Verträge, die Sie dort abschließen, sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind", sagt Grimm. Im August 2012 hatte sich der Chemnitzer bei einem kleinen Reiseveranstalter in Ho-Chi-Minh-Stadt eingekauft, um die

Vorortbetreuung seiner Kunden zu verbessern. 30.000 Euro war ihm die 40-prozentige Beteiligung an AP Travel wert. Mit

dieser Firma hatte er zuvor bereits lange kooperiert. Im Vorfeld hatte er deren Bilanzen, Arbeitsabläufe und Verträge genau studiert. "AP Travel verfügte über eine solide wirtschaftliche Basis, war damals fast zehn Jahre am Markt",

sagt Grimm. Die Investitionsbehörde trug ihn als Partner ein. Doch schon bald nach dem Transfer der 30.000 Euro forderte der Mehrheitseigner mehr Geld: für die Renovierung eines Hotels, das angeblich AP Travel gehörte, von dem Grimm aber gar nichts wusste, oder für eine Lizenz, die die Firma allerdings bereits hatte. Monatsabrechnungen waren auf Grimms Drängen hin erst nicht verfügbar. Dann wiesen sie zehnmal weniger Gewinn als vor seinem Einstieg aus. Schließlich präsentierte der Geschäftsführer ihm sogar einen Verlust in Höhe von 8000 US-Dollar. Einblick in die Unterlagen wurde Grimm verwehrt - selbst als er dafür extra nach Ho-Chi-Minh-Stadt flog. Grimm schaltete deshalb Anwälte ein. Die staunten nicht schlecht, als sie Anfang 2014 entdeckten, dass die ITI-Holiday auf dem Papier gar nicht mehr an AP Travel beteiligt war. Schon im April 2013 habe der Mehrheitsinhaber den Chemnitzer bei der Investitionsbehörde als Anteilseigner aus- und stattdessen seine Ehefrau eintragen lassen, hieß es plötzlich. Offensichtlich war dazu Grimms Unterschrift gefälscht worden. Seit mehr als einem Jahr versucht der Chemnitzer nun, seinen ehemaligen Partner in Vietnam anzuzeigen - vergeblich. Unbehelligt von den Behörden hatte Grimms Ex-Partner die gemeinsame Firma im September 2013 abwickeln können, nur um ein paar Blöcke weiter unter ähnlichem Namen die Geschäfte fortzusetzen.

Der betrogene Investor: Heiko Grimm. Foto: Kristin Schmidt

"Firma aufgelöst, Standort nicht vorhanden, Fall abgeschlossen", erklärte die Finanzbehörde dazu im März 2014 lapidar.

Auch die Kripo wies die auf vietnamesisch verfasste Anzeige zurück. Es fehle die deutsche Übersetzung. Die müsse im übrigen durch deutsche Behörden beglaubigt und von der vietnamesischen Botschaft legalisiert sein. Grimm besserte nach. Dennoch ließ die Kripo die Anzeige fallen. Auf mehrere Schreiben hat die vietnamesische Botschaft in Berlin bis heute nicht geantwortet. Nach einem Treffen mit den stellvertretenden Leitern der Kriminalpolizei ist der Fall jetzt aber an die örtliche Polizei zurückverwiesen worden. Die ließ Grimm wissen, dass die Beamten die neue Adresse des Ex-Geschäftspartners nicht gefunden hätten. Der Chemnitzer solle nun selbst die neue Anschrift herausfinden, die Anzeige entsprechend korrigieren und bei der Investitionsbehörde ermitteln, wie es möglich war, ohne rechtskräftige Unterschrift die Firmenanteile zu übertragen. Grimm ärgert sich. "Während ITI-Holiday ums Überleben kämpfen muss, hat sich unser Ex-Geschäftspartner ein neues großes Appartement geleistet, ein Hotel modernisiert, sich Autos gekauft und gibt auf Partys mit seinen Freunden das Geld aus, um das er uns betrogen hat", schimpft er. Eine schriftliche Anfrage der "Freien Presse" zu den Vorwürfen hat der Ex-Chef der AP Travel bislang unbeantwortet gelassen. Im Ranking von Transparency International, das den Grad der bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommenen Korruption misst, rangiert Vietnam unter 176 Ländern auf Platz 116 - noch hinter Staaten wie Ägypten, Niger oder Gabun. Für deutsche Investoren gebe es ausreichend Rechtssicherheit, sagt indes Marko Walde, Chef der deutschen Auslandshandelskammer in Vietnam. "Seine unternehmerischen Ziele kann man hier auch ohne Korruption erreichen." Deshalb wäre es ratsam gewesen, wenn sich Grimm vor seiner Firmenbeteiligung an die Kammer gewandt hätte. Inzwischen hat sich der deutsche Generalkonsul Hans-Dieter Stell eingeschaltet, um sich ein Bild zu machen. Die Anzeige könne aber nur Grimms Vertreter selbst erstatten, teilt er mit. AHK-Chef Walde will ihn unterstützen.

erschienen am 16.07.2014 (Von Jürgen Becker) © Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG KOMMENTARE 16.07.2014 Soundnichtanders: Das hätte ich in diesem Land nun eben nicht erwartet. Wie man sich in den Menschen irren kann. 0 1 16:45 Uhr Ironie aus.

16.07.2014 klapp: Das ist Schade. Viel Lehrgeld bezahlt. 0 1 12:09 Uhr

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