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Das Pariser Vietnam-Abkommen-ein verfehlter Friede? DR . HERMANN WEBER Vielleicht ist der internationale Vietnam-Krieg beendet. Sicher ist das nicht. Das Pariser Abkommen enthält viele Unklarhei- ten, und außerdem sitzt auch hier der Teufel im Detail, näm- lich in der Ausführung der Bestimmungen in Vietnam selbst. Es ist kaum denkbar, daß die USA Südvietnam fallen lassen und sich ganz und gar aus ihm zurückziehen. Nach eigenen Angaben haben sie dort rund 8500 zivile Berater belassen. Sie werden das Regime Thieu unterstützen. Die USA werden vielleicht keine Bodentruppen mehr einsetzen, aber mit der Wiederaufnahme der Bombardierungen, wie sie noch in Kam- bodscha in unverminderter Heftigkeit weitergehen, wird ge- droht. Nordvietnam und die Provisorische Revolutionsregie- rung in Südvietnam (GPR) werden ihrerseits nicht von dem Ziel, für das sie 30 Jahre gekämpft haben, ablassen: sie wer- den die Wiedervereinigung des Landes zu erreichen suchen. Nach dem Pariser Abkommen ist ihnen das auf friedlichem Wege erlaubt. Was aber, wenn dieser friedliche Weg nicht zum Ziel führt? Die innervietnamesische Auseinandersetzung geht weiter. Die entscheidende Frage ist, was werden die USA tun oder nicht tun, wenn sich zeigt, daß sich die Waage zugunsten der GPR, und das bedeutet zugunsten auch Nordvietnams und der Wiedervereinigung des Landes unter kommunistischen Vorzeichen, neigt? Wird der Präsident Nixon von 1973 trotz oder aufgrund fast 20jähriger Erfahrungen noch die gleiche Meinung haben wie der Vizepräsident Nixon vom 16. April 1954, der erklärte, die USA könnten keinen weiteren Rückzug aus Asien hinnehmen? Der Vizepräsident erklärte auch, soll- ten die USA keine Alternative haben, müßten sie auch Trup- pen zum Einsatz bringen; die USA müßten den Schutz Asiens garantieren. Es war die Zeit vor der Genfer Indochina-Kon- ferenz. Das damalige Ergebnis zielte auf freie Wahlen, for- mell wurden sie von den USA gewünscht oder hingenom- men, praktisch wegen des damals zu erwartenden nordviet- namesischen Wahlsieges hintertrieben. Die Situation ist heute so offen wie seiner Zeit, und man fragt sich, was für die USA mit 46 000 Toten, einigen hunderttausend Verwundeten, einer gespaltenen Nation, einer schlechten Zahlungsbilanz und einem weltweit anrollenden Antiamerikanismus nun Positives herausgekommen ist, von der Gegenseite zu schweigen. Der nachstehende Beitrag untersucht diese Frage. Der Autor ver- gleicht die Genfer Vereinbarungen von 1954 mit dem Pariser Abkommen von 1973. (S. auch die Beiträge des Verfassers iDer Krieg in Vietnam Nationalismus? Kommunismus? Imperia- lismus?< (3/68), >Die Genfer Konferenz 1954 und die amerika- nische Ostasienpolitiki (4/68), >Die Frage der Wahlen zur Wie- derherstellung der Einheit Vietnams< (5/68) sowie seine Unter- suchung >Der Vietnam-Konflikt Bellum legale?<, 1970). Die Vereinigten Staaten, die Republik Vietnam (Regierung in Saigon), die Demokratische Republik Vietnam (Regierung in Hanoi) und die Provisorische Revolutionsregierung Südviet- nams (Befreiungsfront FNL) haben am 27. Januar 1973 in Pa- ris in einer protokollarisch höchst ungewöhnlichen Weise 1 das >Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wieder- herstellung des Friedens in Vietnam< geschlossen 2 . Vier Zu- satzprotokolle regeln die mit der Durchführung dieses Abkom- mens zusammenhängenden Fragen der Errichtung einer Inter- nationalen Uberwachungskommission, der Bildung einer Ge- mischten Militärkommission, der Rückführung der Kriegsge- fangenen sowie der Beseitigung der Minen in den Territorial- gewässern, Häfen und Wasserläufen Nordvietnams 3 . Ohne völ- kerrechtliche Anerkennungen zu vollziehen, wo sie auch bis- her nicht ausgesprochen wurden, ist es den Kriegführenden gelungen, die seit 1946 noch unter der Ägide der Franzosen begonnenen, dann 1954 durch die Genfer Abmachungen zu- nächst beendeten und Ende der fünfziger Jahre unter Betei- ligung der USA wiederaufgelebten kriegerischen Auseinan- dersetzungen in Vietnam vorläufig zu beenden 4 . Das Vietnam-Abkommen und die vier Zusatzprotokolle be- handeln, wie schon die Bezeichnung des Abkommens deutlich macht, die Einstellung der Feindseligkeiten und alle damit zu- sammenhängenden Fragen ihrer technischen Durchführung. Darüber hinaus regeln sie eine Reihe von entscheidenden Fra- gen für d i e Gestaltung der politischen Zukunft Vietnams, die den Vereinbarungen eine Bedeutung verleihen, die sie weit über den Charakter eines bloßen Waffenstillstandsabkommens hinausheben. Die getroffenen Abmachungen lassen sich darum kennzeichnen als vorläufiges Schlußglied in der Kette der un- zähligen einseitigen, bilateralen und multilateralen Rechts- akte, die insgesamt seit 1946 den Rechtsstatus Indochinas und im besonderen Vietnams nicht in einer den Erfordernissen der nachkolonialen Epoche angepaßten Weise festigen konnten. Weder die Unabhängigkeitserklärung Ho Chi Minhs vom Sep- tember 1945, noch die zwischen ihm und dem französischen Unterhändler Sainteny 1946 geschlossene Convention prelimi- naire, noch die Konferenzen von Dalat und Fontainebleau (Modus Vivendi, 1946), noch die 1948 abgegebene und auf der französischen Verfassung von 1946 basierende Erklärung von Along und das nachfolgende Elysee-Abkommen von 1949 5 und schon gar nicht das Genfer Vietnam-Abkommen von 1954" vermochten die Emanzipation Indochinas zu vollenden. Waren den einen die alten Kolonialprivilegien zu abrupt und ein- schneidend beseitigt und die machtpolitischen Gegebenheiten zu stark zum Nachteil der etablierten Mächte verändert, so hiel- ten die anderen die eingeleitete Emanzipation für nicht weit- gehend genug, zumal die von ihnen als negativ bewerteten tradierten gesellschaftlichen und politischen Konstellationen allzusehr in den neuen Formen bewahrt und durch die enge Liaison mit den ehemaligen Kolonialmächten und ihren Ver- bündeten perpetuiert zu sein schienen 7 . So knüpfen sich die Hoffnungen der Beteiligten und der übrigen Welt an das Pa- riser Abkommen, das dazu führen soll, Vietnam innerhalb der Völkergemeinschaft die Stellung zu verschaffen, die es aufgrund der jahrzehntelangen und unter unglaublichen Opfern geführten Auseinandersetzung mit Recht beanspru- chen darf. Ob sich diese Hoffnungen erfüllen werden, hängt von den ver- schiedensten Faktoren ab, nicht zuletzt auch von der Frage, welche substantiellen Verbesserungen das Pariser Abkommen gegenüber seinem Vorläufer, dem Genfer Abkommen von 1954, erbracht hat, ob es den Rechtsstatus Vietnams verändert hat und welche Garantien e s für die Einhaltung der getroffe- nen Vereinbarungen enthält. Im folgenden soll diesen Fragen nachgegangen werden. Unterschiedliche politisch-militärische Ausgangslage Vergleicht man den Text des Pariser Abkommens mit dem des Genfer Abkommens, zeigt sich, daß zahlreiche Aussagen der beiden Abkommen im Inhalt und zum Teil auch im Wortlaut weitgehend identisch sind, so daß man geneigt sein könnte zu fragen, wofür denn nun eigentlich 20 Jahre gekämpft wurde. Dies gilt für d i e Einstellung der Feindseligkeiten, den Trup- penrückzug innerhalb bestimmter Fristen, das Verbot der Ein- fuhr von Militärpersonal und Kriegsmaterial, das Verbot mili- tärischer Allianzen, die Feststellung der politischen und terri- torialen Einheit Vietnams und ihrer Erhaltung durch Wieder- vereinigung der beiden Zonen, die Einrichtung gemischter Mi- litärkommissionen und einer Internationalen Überwachungs- kommission und anderes mehr. Bei näherer Betrachtung zei- gen sich jedoch erhebliche inhaltliche Unterschiede zwischen beiden Abkommen, die deutlich machen, daß d i e Ausgangs- lage für das Zustandekommen des Pariser Abkommens in der Vereinte Nationen 2/73 37

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Das Pariser Vietnam-Abkommen-ein verfehlter Friede? D R. H E R M A N N W E B E R

Vielleicht ist der i n t e r n a t i o n a l e Vietnam-Krieg beendet. Sicher ist das nicht. Das Pariser Abkommen enthält viele Unklarhei­ten, und außerdem sitzt auch hier der Teufel im Detail, näm­lich in der Ausführung der Bestimmungen in Vietnam selbst. Es ist kaum denkbar, daß die USA Südvietnam fallen lassen und sich ganz und gar aus ihm zurückziehen. Nach eigenen Angaben haben sie dort rund 8500 zivile Berater belassen. Sie werden das Regime Thieu unterstützen. Die USA werden vielleicht keine Bodentruppen mehr einsetzen, aber mit der Wiederaufnahme der Bombardierungen, wie sie noch in Kam­bodscha in unverminderter Heftigkeit weitergehen, wird ge­droht. Nordvietnam und die Provisorische Revolutionsregie­rung in Südvietnam (GPR) werden ihrerseits nicht von dem Ziel, für das sie 30 Jahre gekämpft haben, ablassen: sie wer­den die Wiedervereinigung des Landes zu erreichen suchen. Nach dem Pariser Abkommen ist ihnen das auf friedlichem Wege erlaubt. Was aber, wenn dieser friedliche Weg nicht zum Ziel führt? Die innervietnamesische Auseinandersetzung geht weiter. Die entscheidende Frage ist, was werden die USA tun oder nicht tun, wenn sich zeigt, daß sich die Waage zugunsten der GPR, und das bedeutet zugunsten auch Nordvietnams und der Wiedervereinigung des Landes unter kommunistischen Vorzeichen, neigt? Wird der Präsident Nixon von 1973 trotz oder aufgrund fast 20jähriger Erfahrungen noch die gleiche Meinung haben wie der Vizepräsident Nixon vom 16. April 1954, der erklärte, die USA könnten keinen weiteren Rückzug aus Asien hinnehmen? Der Vizepräsident erklärte auch, soll­ten die USA keine Alternative haben, müßten sie auch Trup­pen zum Einsatz bringen; die USA müßten den Schutz Asiens garantieren. Es war die Zeit vor der Genfer Indochina-Kon-ferenz. Das damalige Ergebnis zielte auf freie Wahlen, for­mell wurden sie von den USA gewünscht oder hingenom­men, praktisch wegen des damals zu erwartenden nordviet­namesischen Wahlsieges hintertrieben. Die Situation ist heute so offen wie seiner Zeit, und man fragt sich, was für die USA mit 46 000 Toten, einigen hunderttausend Verwundeten, einer gespaltenen Nation, einer schlechten Zahlungsbilanz und einem weltweit anrollenden Antiamerikanismus nun Positives herausgekommen ist, von der Gegenseite zu schweigen. — Der nachstehende Beitrag untersucht diese Frage. Der Autor ver­gleicht die Genfer Vereinbarungen von 1954 mit dem Pariser Abkommen von 1973. (S. auch die Beiträge des Verfassers iDer Krieg in Vietnam — Nationalismus? Kommunismus? Imperia-lismus?< (3/68), >Die Genfer Konferenz 1954 und die amerika­nische Ostasienpolitiki (4/68), >Die Frage der Wahlen zur Wie­derherstellung der Einheit Vietnams< (5/68) sowie seine Unter­suchung >Der Vietnam-Konflikt — Bellum legale?<, 1970).

Die Vere in ig ten S t aa t en , die Repub l ik V i e t n a m (Regierung in Saigon), die Demokra t i s che Repub l ik V i e t n a m (Regierung in Hanoi) u n d die Provisor i sche Revo lu t ions reg ie rung Südviet­n a m s (Befreiungsfront FNL) h a b e n a m 27. J a n u a r 1973 in P a ­r is in e iner protokol lar isch höchst ungewöhnlichen Weise 1 da s >Abkommen über die Beend igung des Kr ieges u n d die W i e d e r ­he r s t e l l ung des F r i e d e n s in Vietnam< geschlossen2 . V ie r Z u ­sa tzprotokol le rege ln die m i t d e r Durchführung dieses A b k o m ­m e n s zusammenhängenden F r a g e n d e r E r r i c h t u n g e iner I n t e r ­na t iona len Uberwachungskommiss ion , d e r B i ldung e iner G e ­misch ten Militärkommission, d e r Rückführung d e r K r i e g s g e ­fangenen sowie d e r Bese i t igung de r Minen in d e n T e r r i t o r i a l ­gewässern, Häfen u n d Wasserläufen Nordv ie tnams 3 . O h n e völ­kerrecht l iche A n e r k e n n u n g e n zu vol lz iehen, w o sie auch b i s ­h e r nicht ausgesprochen w u r d e n , ist es d e n Kriegführenden gelungen , die seit 1946 noch u n t e r d e r Ägide d e r F r a n z o s e n begonnenen , d a n n 1954 durch d ie Genfe r A b m a c h u n g e n z u ­nächst b e e n d e t e n u n d E n d e d e r fünfziger J a h r e u n t e r B e t e i ­

l igung d e r U S A wiede rau fge l eb t en k r ieger i schen A u s e i n a n ­de r se t zungen in V i e t n a m vorläufig zu beenden 4 . Das V i e t n a m - A b k o m m e n u n d d ie v ie r Zusa tzpro toko l l e b e ­h a n d e l n , w ie schon die Beze ichnung des A b k o m m e n s deut l ich macht , die E ins te l lung de r Fe indse l igke i t en u n d al le d a m i t z u ­sammenhängenden F r a g e n i h r e r technischen Durchführung. Darüber h i n a u s rege ln sie e ine Re ihe von en t sche idenden F r a ­gen für d ie G e s t a l t u n g de r pol i t ischen Zukunf t V ie tnams , d ie den V e r e i n b a r u n g e n e ine B e d e u t u n g ver le ihen , d ie sie we i t über d e n C h a r a k t e r e ines bloßen Waf fens t i l l s t andsabkommens h i n a u s h e b e n . Die ge t rof fenen A b m a c h u n g e n lassen sich d a r u m kennze ichnen als vorläufiges Schlußglied in d e r K e t t e d e r u n ­zähligen einsei t igen, b i l a t e r a l en u n d m u l t i l a t e r a l e n R e c h t s ­ak te , d ie in sgesamt seit 1946 den Rech t s s t a tus Indoch inas u n d i m besonde ren V i e t n a m s nicht in e iner d e n Er fo rde rn i s sen de r nachkolon ia len Epoche angepaßten Weise fest igen k o n n t e n . W e d e r d ie Unabhängigkeitserklärung H o Chi M i n h s v o m S e p ­t e m b e r 1945, noch d ie zwischen i h m u n d d e m französischen Unterhändler S a i n t e n y 1946 geschlossene Conven t ion p r e l i m i -na i re , noch die Konfe renzen von Da la t u n d F o n t a i n e b l e a u (Modus Vivendi , 1946), noch die 1948 abgegebene u n d auf d e r französischen Ver fassung von 1946 b a s i e r e n d e Erklärung von Along u n d das nachfolgende E l y s e e - A b k o m m e n von 19495 u n d schon g a r nicht da s Genfe r V i e t n a m - A b k o m m e n v o n 1954" ve rmoch ten d ie E m a n z i p a t i o n Indochinas zu vol lenden . W a r e n d e n e inen die a l t en Kolonia lpr iv i leg ien zu a b r u p t u n d e i n ­schneidend besei t ig t u n d die machtpol i t i schen Gegebenhe i t en zu s t a r k z u m Nachte i l de r e t ab l i e r t en Mächte verändert, so h i e l ­t e n die a n d e r e n d ie e inge le i te te E m a n z i p a t i o n für nicht w e i t ­gehend genug, z u m a l d ie von i h n e n als n e g a t i v b e w e r t e t e n t r a d i e r t e n gesellschaft l ichen u n d poli t ischen Kons t e l l a t i onen a l l zusehr in den n e u e n F o r m e n b e w a h r t u n d durch die enge Lia ison m i t den ehema l igen Kolonialmächten u n d i h r e n V e r ­bündeten p e r p e t u i e r t zu sein schienen7 . So knüpfen sich die Hoffnungen d e r Bete i l ig ten u n d de r übrigen Welt a n das P a ­r i se r A b k o m m e n , das dazu führen soll, V i e t n a m i n n e r h a l b d e r Völkergemeinschaft d ie S te l lung zu verschaffen, d ie es a u f g r u n d d e r j a h r z e h n t e l a n g e n u n d u n t e r ung laub l i chen Opfern geführten A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t Recht b e a n s p r u ­chen darf. Ob sich diese Hoffnungen erfüllen w e r d e n , hängt von d e n v e r ­sch iedens ten F a k t o r e n ab , nicht zule tz t auch von d e r F r a g e , welche subs tan t i e l l en V e r b e s s e r u n g e n das P a r i s e r A b k o m m e n gegenüber se inem Vorläufer, d e m Genfe r A b k o m m e n v o n 1954, e rb rach t ha t , ob es d e n Rech t s s t a tus V i e t n a m s verändert h a t u n d welche G a r a n t i e n es für d ie E i n h a l t u n g d e r ge t rof fe ­n e n V e r e i n b a r u n g e n enthält. I m folgenden soll d iesen F r a g e n nachgegangen w e r d e n . Unterschiedliche politisch-militärische Ausgangslage Vergleicht m a n d e n T e x t des P a r i s e r A b k o m m e n s m i t d e m des Genfe r A b k o m m e n s , zeigt sich, daß zahl re iche Aussagen d e r be iden A b k o m m e n i m I n h a l t u n d z u m Teil auch i m W o r t l a u t we i tgehend ident isch sind, so daß m a n geneigt sein könnte zu fragen, wofür d e n n n u n eigent l ich 20 J a h r e gekämpft w u r d e . Dies gil t für die E ins t e l lung d e r Fe indse l igke i ten , d e n T r u p ­penrückzug i n n e r h a l b b e s t i m m t e r F r i s t en , da s Verbo t d e r E i n ­fuhr v o n Militärpersonal u n d Kr i egsma te r i a l , das Verbo t m i l i ­tärischer All ianzen, d ie Fes t s t e l lung de r pol i t ischen u n d t e r r i ­to r i a l en E inhe i t V i e t n a m s u n d i h r e r E r h a l t u n g durch W i e d e r ­ve re in igung d e r be iden Zonen , d i e E in r i ch tung gemisch te r M i ­litärkommissionen u n d e ine r I n t e r n a t i o n a l e n Überwachungs­kommiss ion u n d a n d e r e s m e h r . Be i näherer B e t r a c h t u n g ze i ­gen sich jedoch e rhebl iche inha l t l iche Unte r sch iede zwischen be iden A b k o m m e n , d ie deut l ich machen , daß die A u s g a n g s ­lage für da s Z u s t a n d e k o m m e n des P a r i s e r A b k o m m e n s in d e r

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J a h r e s w e n d e 1972/73 e ine g r u n d l e g e n d a n d e r e w a r , a ls s ie es für da s Z u s t a n d e k o m m e n des Genfe r A b k o m m e n s i m S o m m e r 1954 gewesen i s t : Während es den V i e t m i n h d a m a l s noch g e ­l u n g e n w a r , u n m i t t e l b a r vo r Beg inn d e r Genfe r Indoch ina -Konfe renz d e n F r a n z o s e n d ie militärisch nicht s eh r b e d e u t ­same , in d e r Weltöffentlichkeit a b e r u n g e m e i n beach te t e N i e ­de r l age bei Dien B ien P h u be izubr ingen 8 , k o n n t e n ih re N a c h ­folger, die F N L u n d d ie R e g i e r u n g in Hanoi , d iesen Sieg g e ­genüber d e n A m e r i k a n e r n nicht w iede rho len . Dies gil t für die Te t -Offens ive Hano i s Anfang 1968 in gle ichem Maße wie für dessen Frühjahrsoffensive 1972. G e r a d e das mass ive B o m b a r ­d e m e n t d e r U S A auf N o r d v i e t n a m nach d e m anfänglichen Sche i te rn d e r G e h e i m v e r h a n d l u n g e n zwischen d e n be iden U n ­terhändlern H e n r y Kiss inger u n d L e Due T h o E n d e des v e r ­g a n g e n e n J a h r e s h a t of fenbar w e r d e n lassen, daß sich die U S A nicht in e ine r m i t d e r L a g e d e r F r a n z o s e n ve rg le i chba ren S i tua t ion b e f u n d e n h a b e n u n d sich d a h e r auch u n t e r k e i n e n Umständen bere i t f anden , e inen F r i e d e n o h n e Gegen le i s tungen zu schließen. Die U S A faßten diese i h r e F o r d e r u n g in d ie F o r ­m e l v o n d e r Notwend igke i t , zu e inem >ehrenhaf ten Frieden< (honorab le peace) zu ge langen ' , z u s a m m e n . Bei e inem Vergleich d e r be iden A b k o m m e n fällt w e i t e r da s Bemühen d e r be iden ' h a u p t v e r a n t w o r t l i c h e n Kriegführenden, d e r Vere in ig ten S t a a t e n u n d N o r d v i e t n a m s , auf, d e n W o r t l a u t u n d I n h a l t d e r P a r i s e r A b m a c h u n g e n stärker zu präzisieren, insbesonde re im Bereich d e r pol i t ischen V e r e i n b a r u n g e n — e ine u n m i t t e l b a r e Folge des auf be iden Se i ten m i t d e r D a u e r d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g ges t iegenen E n g a g e m e n t s u n d d e r g e ­s t i egenen Z a h l d e r Enttäuschungen, Opfer u n d Kos ten . Auf d e r a n d e r e n Se i te e r re ich t da s P a r i s e r A b k o m m e n ke ineswegs d e n G r a d von Präzision, d e r er forder l ich gewesen wäre, u m die A b m a c h u n g schon h e u t e a ls G r u n d s t e i n e ine r d a u e r h a f t e n F r i e d e n s o r d n u n g zu bezeichnen. A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n v o n d e r A r t des V i e t n a m - K o n f l i k t s lassen sich nicht u n o ac tu b e ­enden , wei l d ie G e w i n n u n g des V e r t r a u e n s d e r Gegense i te in d ie Ehr l i chke i t d e r e igenen Abs ich ten — eine en t sche idende Vorausse t zung für e ine d a u e r h a f t e Friedenslösung — lange Zeiträume er forder t . Die P a r i s e r V e r t r a g s p a r t e i e n selbst w a ­r e n sich d ieser P r o b l e m a t i k voll bewußt, a ls sie e inen N a t i o ­n a l e n Versöhnungsrat< schufen u n d d e n P a s s u s in i h r e V e r e i n ­b a r u n g a u f n a h m e n , daß das A b k o m m e n d e n A u f t a k t b i lden w i r d für e in >Zeitalter d e r Aussöhnung«10. So s ind die V e r e i n b a r u n g e n von P a r i s n icht in ve rsch le ie r t e r F o r m Sieg auf d e r e inen u n d Nieder lage auf d e r a n d e r e n Se i ­te , sonde rn d e r Kompromiß zwe ie r Gegner , d ie da s pol i t i sch­militärische P a t t , d e m sie gegenüberstanden, e r k a n n t e n u n d desha lb i h r en Vorte i l e h e r in de r Beend igung a ls in d e r F o r t ­se tzung des j a h r z e h n t e l a n g e n K a m p f e s sahen . Die geänderten I n t e r e s s e n d e r Großmächte als Resu l t a t d e r sich z u n e h m e n d e n t s p a n n e n d e n amer ikan i sch-sowje t i schen Bez iehungen u n d d e r amer ikan isch-ch ines i schen Wiederannäherung h a b e n d a z u be ige t ragen , daß sich d ie P a r i s e r V e r t r a g s p a r t n e r dazu b e r e i t ­fanden , auf zuvor a ls u n a b d i n g b a r erklärte F o r d e r u n g e n zu verzichten1 1 . W a s das P a r i s e r A b k o m m e n darüber h i n a u s v o r d e m Genfe r A b k o m m e n auszeichnet , ist d ie Ta tsache , daß es über d e n R a h m e n e ines bloßen Kompromis se s h i n a u s w e i s t u n d d e n ehr l ichen Wil len z u r Versöhnung d e r b i s h e r m i t e i n ­a n d e r ve r fe inde ten G r u p p e n u n d Völker b e k u n d e t .

Das Prinzip der Unteilbarkeit Vietnams 1954 h a t t e n d ie Genfe r V e r t r a g s p a r t e i e n d ie T r e n n u n g d e r militärischen K o n t r a h e n t e n a ls vo r r ang igs t e Aufgabe a n g e s e ­h e n u n d in Ar t . 1 des A b k o m m e n s d ie B i l d u n g einer , w e n n ­gleich n u r a ls >provisorisch< bezeichneten , militärischen D e ­m a r k a t i o n s l i n i e e n t l a n g des 17. B r e i t e n g r a d e s festgelegt . Die A u s s a g e d e r P r inz ip ien d e r Souveränität, Unabhängigkeit, Einhe i t u n d t e r r i t o r i a l en Integrität V i e t n a m s w u r d e n d a g e ­gen in d ie in i h r e r recht l ichen B i n d u n g s w i r k u n g höchst u m ­s t r i t t e n e " Schlußerklärung« verwiesen 1 8 . Auch d ie z u r nähe­

r e n K o n k r e t i s i e r u n g d e r g e n a n n t e n P r i n z i p i e n v o r g e s e h e n e n W a h l e n w a r e n do r t geregel t . Sie w u r d e n n i ema l s d u r c h g e ­führt, nicht zu le tz t desha lb , wei l d ie U S A als einflußreichste Macht in d ieser Region in e iner b e s o n d e r e n Erklärung sich m e h r oder w e n i g e r unverblümt v o n d iesen W a h l e n d i s t a n ­z ier t h a t t e n 1 4 . Aus d iesem G r u n d e b e s t i m m t n u n das P a r i s e r A b k o m m e n in se inem Ar t . 1 quas i als obers te Verpf l ich tung für die V e r e i n i g ­t e n S t a a t e n u n d a l le a n d e r e n Länder die R e s p e k t i e r u n g d e r Unabhängigkeit, Souveränität, E inhe i t u n d t e r r i t o r i a l en U n ­ver le tz l ichkei t V ie tnams , w ie sie im Genfe r A b k o m m e n v o n 1954 ( w o r u n t e r auch die Schlußerklärung begr i f fen wi rd) a n ­e r k a n n t w u r d e n . Das P a r i s e r A b k o m m e n s icher t d iese P r i n z i ­p ien durch B e s t i m m u n g e n , nach d e n e n d ie T r u p p e n d e r V e r ­e in ig ten S t a a t e n u n d i h r e r Verbündeten b i n n e n e i n e r F r i s t v o n 60 T a g e n nach Unte rze ichnung des A b k o m m e n s das L a n d ve r l a s sen müssen. Dies gil t für das g e s a m t e Militärpersonal, untersch ieds los eingeschlossen technische M i t a r b e i t e r u n d M i ­litärangehörige, die in V e r b i n d u n g m i t d e m Paz i f i z i e rungsp ro -g r a m m s tehen , a b e r auch für jegl iches K r i e g s m a t e r i a l (Art . 5). Die U S A h a b e n die Pflicht, ih r militärisches E n g a g e m e n t vo l l ­ständig zu b e e n d e n u n d sich nicht in d ie i n n e r e n A n g e l e g e n ­he i t en Südvietnams einzumischen (Art . 4), sowie d ie Pflicht, sich j e d e r Bee inf lussung d e r pol i t i schen Z u k u n f t zu e n t h a l t e n (Art . 9 c). Noch das Genfe r A b k o m m e n h a t t e F r a n k r e i c h w e d e r solchen Abzugsf r i s ten noch ve rg le i chba ren Einschränkungen s e i n e r pol i t ischen Bewegungsf re ihe i t u n t e r w o r f e n . Die F r a g e des A b ­zugs d e r F ranzosen soll te v i e l m e h r d e r En t sche idung d e r R e ­g i e rung v o r b e h a l t e n sein, d ie a u s d e n a b z u h a l t e n d e n W a h l e n hätte h e r v o r g e h e n s o l l e n M i n d e s t e n s b is zu den W a h l e n sol l te F r a n k r e i c h die Macht b le iben , d i e in d e r südlichen Zone , d e m späteren Südvietnam, d ie »Ziviladministration zu g e ­währleisten« h a t t e 1 ' u n d »zuständige Autorität« w a r (Auto r i t e r e p r e s e n t a t i v e competente1 7) . F r a n k r e i c h k o n n t e d a h e r s e l b ­ständig in die i n n e r e n A n g e l e g e n h e i t e n eingreifen. Von d i e ­sem Recht h a t es z u m Schaden für d a s P r inz ip d e r U n t e i l b a r ­ke i t V i e t n a m s auch Geb rauch gemach t , a ls es vo r Ablauf d e r Z w e i - J a h r e s f r i s t se ine Zuständigkeiten auf d ie b i s d a h i n gänzlich von i h m abhängige R e g i e r u n g in Saigon übertrug. Diese w i e d e r u m rief die A m e r i k a n e r ins Land , d e r e n a b l e h ­n e n d e H a l t u n g in d e r F r a g e d e r Wiede rve re in igung k e i n e n Zweife ln u n t e r l a g . Die E r h a l t u n g des P r i nz ip s d e r Un te i l ba rke i t V i e t n a m s , w i e es in d e n Aussagen d e r Unabhängigkeit, Souveränität, E i n h e i t u n d t e r r i t o r i a l en Integrität V i e t n a m s zum Ausd ruck k o m m t , w a r desha lb das v o r r a n g i g s t e Ziel de r poli t ischen u n d militä­r ischen Führung in Hano i , u n d sie w a r i h r so wichtig, daß sie i h r e I n t e r v e n t i o n in d e n Süden zuguns t en de r F N L auch d a n n noch in A b r e d e s te l l te , a ls sie längst offen zu Tage lag, a l l e in a u s d e m G r u n d , u m nicht d e r amer ikan i schen These v o n d e r >ausländischen Aggression« Recht zu geben. N o r d v i e t n a m h a t sich d a h e r auch in d e n P a r i s e r V e r h a n d l u n g e n mi t den A m e r i ­k a n e r n en t sch ieden gegen d ie F o r d e r u n g e n des südvietnamesi­schen Präsidenten T h i e u g e w a n d t , der , ausgehend von d e r These d e r Ex i s t enz zwe ie r souveräner S t a a t e n auf dem Boden V i e t n a m s , d a r a u f d r a n g , d ie D e m a r k a t i o n s l i n i e a m 17. B r e i ­t e n g r a d a ls legale i n t e r n a t i o n a l e S t a a t s g r e n z e a n z u e r k e n n e n , u n d d a m i t die F o r d e r u n g ve rband , daß sich d ie n o r d v i e t n a m e ­sischen I n t e r v e n t i o n s t r u p p e n h i n t e r d iese Grenze zurückzie­hen1 8 . Die in P a r i s a u s g e h a n d e l t e F o r m e l ve rmi t t e l t zwischen d iesen be iden in d e r Souveränitätsfrage u n v e r e i n b a r e n Pos i t ionen . D e r These N o r d v i e t n a m s Rechnung t r a g e n d ble ib t d ie Q u a l i ­tät d e r D e m a r k a t i o n s l i n i e a ls de r e iner provisor ischen militä­r ischen u n d nicht pol i t ischen u n d t e r r i to r i a l en G r e n z e z w i ­schen d e n be iden >Zonen< zunächst e rha l t en . Die W i e d e r v e r ­e in igung u n d ih r Z e i t p u n k t sollen Schr i t t für Schr i t t zwischen N o r d - u n d Südvietnam o h n e Z w a n g oder A n n e x i o n u n d o h n e

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f r e m d e E inmischung a u s g e h a n d e l t w e r d e n (Art . 15). N o r d v i e t ­n a m erhält z w a r ke in d i r ek t e s Mi t sp racherech t in südvietna­mesischen Ange legenhe i t en . Durch die Be te i l igung de r F N L a n d e m sogenann t en >Rat d e r n a t i o n a l e n Versöhnung u n d E i n -tracht<, dessen Aufgabe es sein wi rd , da s A b k o m m e n m i t durchzuführen u n d d ie für Südvietnam vorgesehenen W a h l e n vorzubere i t en , ist sein Mi t sp racherech t in Südvietnam dennoch s ichergestel l t . Auch d ie Ta tsache , daß N o r d v i e t n a m , a n d e r s a ls d ie USA, se ine T r u p p e n nicht a u s d e m Süden zurückziehen muß, verschaff t N o r d v i e t n a m gewicht igen Einfluß in d e n A n ­ge legenhe i ten Südvietnams19. Das Recht des südvietnamesischen Volkes auf Selbstbestimmung und die Souveränität Südvietnams Die Souveränitätsformel d e r no rdv ie tnames i schen Reg i e rung v o n d e r U n t e i l b a r k e i t V i e t n a m s ist a b e r z u g u n s t e n des S t a n d ­p u n k t e s des südvietnamesischen Präsidenten u n d d e r U S A i n ­sowei t s t a r k eingeschränkt w o r d e n , a ls d e m südvietnamesi­schen Volk das Recht auf S e l b s t b e s t i m m u n g durch A b h a l t u n g wi rk l i ch f re ier u n d demokra t i s che r a l lgemeine r W a h l e n u n t e r i n t e r n a t i o n a l e r Kon t ro l l e bestätigt w o r d e n ist, ohne daß zuvor d ie Reg i e rung Th ieu durch e ine Koa l i t i ons reg ie rung u n t e r B e ­te i l igung d e r Bef re iungsf ront abgelöst zu w e r d e n b r a u c h t (Art . 9). Die P a r i s e r F o r m e l für die Durchführung d e r W a h l e n s te l l t e inen echten For t sch r i t t in d e r j a h r e l a n g geführten A u s ­e i n a n d e r s e t z u n g u m die F r a g e dar , ob W a h l e n in V i e t n a m u n ­t e r Aufsicht d e r be t rof fenen v ie tnames i schen P a r t e i e n se lbs t (so d e r S t a n d p u n k t Hanois) oder u n t e r i n t e r n a t i o n a l e r K o n ­t ro l le (so d e r S t a n d p u n k t de r USA) durchzuführen seien20 . Auch d e r Verzicht N o r d v i e t n a m s auf se ine F o r d e r u n g , noch vor den W a h l e n e ine Koa l i t i ons reg ie rung zu bi lden, u n d sei es auch n u r in d e r versch le ie r ten F o r m d e r A u s s t a t t u n g des N a ­t iona len Versöhnungsrates m i t a d m i n i s t r a t i v e n F u n k t i o n e n — auch das w a r ein S t r e i t p u n k t während d e r P a r i s e r V e r h a n d ­lungen 2 1 — ist e in unzwe ideu t ige r A k t z u g u n s t e n d e r vorläufi­gen E r h a l t u n g d e r südvietnamesischen Staa t l ichkei t . I n d iesem Verzicht k o m m t auch d ie A n e r k e n n u n g d e r N o t w e n d i g k e i t z u m Ausdruck , für Südvietnam eine poli t ische Lösung zu s u ­chen, die auf d e m Konsens a l le r b e d e u t e n d e n pol i t ischen G r u p p i e r u n g e n Südvietnams b e r u h t u n d d ie nicht lediglich auf e ine v e r k a p p t e A n n e x i o n des Südens durch d e n N o r d e n hinausläuft. Un te r s t r i chen w i r d d ie Aussage von de r po l i t i ­

schen Eigenständigkeit Südvietnams durch d ie B e s t i m m u n g , daß der Na t iona l e Versöhnungsrat, d e m d re i g le ichberecht ig te südvietnamesische G r u p p e n angehören sollen, se ine En t sche i ­d u n g e n e ins t immig trifft (Art . 12a), so daß d e r R e g i e r u n g Süd­v i e t n a m s ein echtes Vetorech t in d e r F r a g e d e r G e s t a l t u n g d e r pol i t i schen Z u k u n f t Südvietnams eingeräumt w o r d e n ist . W a s auch i m m e r die V e r t r a g s p a r t e i e n sich v o n d e r E i n s t i m m i g ­ke i t s rege l erhoffen, sie ist j edenfa l l s auch ju r i s t i scher A u s ­d ruck dessen, daß die Sa igoner R e g i e r u n g e in legales V e r t r e ­t u n g s o r g a n Südvietnams ist, u n d sie bekräftigt die völker­recht l iche Eigenständigkeit Südvietnams. Die Souveränität Südvietnams findet auch in Ar t . 15 b des P a r i s e r A b k o m m e n s i h r e n Ausdruck , in d e m es heißt, daß bis z u m Z e i t p u n k t d e r W i e d e r v e r e i n i g u n g d ie Demi l i t a r i s i e r t e Zone be ide rse i t s des 17. B r e i t e n g r a d e s von N o r d - u n d Süd­v i e t n a m en t sp rechend d e n Genfe r V e r e i n b a r u n g e n v o n 1954 zu r e s p e k t i e r e n ist. Dies w i r d d a d u r c h un te r s t r i chen , daß das Recht , beschädigtes u n d v e r b r a u c h t e s K r i e g s m a t e r i a l Stück u m Stück zu e rse tzen — einzige A u s n a h m e des E i n f u h r v e r ­bo tes für Kriegsgerät — n u r d e n be iden südvietnamesischen V e r t r a g s p a r t n e r n zuges t anden w o r d e n is t (Art . 7). D e r R e g i e ­r u n g in Hano i ist so d ie Ergänzung i h r e r T r u p p e n u n d ih res K r i e g s m a t e r i a l s i m Süden, d e r e n Präsenz das P a r i s e r A b k o m ­m e n n icht erwähnt u n d d a m i t auch n ich t legal is ier t , p rak t i sch n u r durch Bruch des A b k o m m e n s möglich. Obgleich es d a m i t d e n Ansche in ha t , a ls sei es d e n U S A in d e n V e r h a n d l u n g e n m i t H a n o i ge lungen , d ie Souveränität u n d E igens taa t l i chke i t Südvietnams m i n d e s t e n s für die nähere Z u k u n f t fest zu v e r a n k e r n , b le ib t d ie Unschar fe des A b k o m ­m e n s in d ieser Hins icht u n v e r k e n n b a r . D a s P r i n z i p d e r po l i ­t i schen u n d t e r r i t o r i a l en U n t e i l b a r k e i t V i e t n a m s , d ie da s P a ­r i s e r A b k o m m e n m i t so großer Intensität u n d Verb ind l ichke i t ausspr ich t , verträgt die A u f r e c h t e r h a l t u n g d e r s taa t l ichen Selbständigkeit Südvietnams nicht . D a s P a r i s e r A b k o m m e n sucht d iesem Konf l ik t a u s d e m Wege zu gehen , i n d e m es für be ide südvietnamesischen V e r t r a g s p a r t e i e n d ie Pflicht begrün­det , g e m e i n s a m die Voraus se t zungen für die A b h a l t u n g a l l ­gemeiner , f re ier u n d demokra t i s che r W a h l e n in Südvietnam zu schaffen, d ie z u r B i ldung e ine r Reg i e rung führen sollen, m i t d e r d ie Reg i e rung in H a n o i über die W i e d e r v e r e i n i g u n g v e r h a n d e l n k a n n . Das d e r gegenwärtigen Sa igoner Reg i e rung i m A b k o m m e n eingeräumte Vetorech t r e l a t i v i e r t jedoch

Blick auf die Eröffnungssit­zung der Friedenskonferenz für Vietnam in Paris. Die Konferenz dauerte vom 26. Februar bis 2. März. An ih­rem Ende wurde eine Schluß­akte unterzeichnet. Sie gilt vor allem der Beachtung und Durchführung des Waffen­stillstandsabkommens vom 27. Januar. Am runden Tisch saßen der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Dr. Kurt Waldheim, und die Au­ßenminister der zwölf teil­nehmenden Regierungen. Die Schlußakte wurde zwar »in Anwesenheit des General­sekretärs der Vereinten Na­tionen« unterzeichnet, die UNO gehörte aber nicht zu den Unterzeichnern, sondern nur die Außenminister. Waldheim erklärte hierzu, die UNO sei keine Regie­rung und durch seine Unter­schrift würden alle UN-Mit­gliedstaaten (ohne entspre­chenden Auftrag an ihn) ge­bunden. (Siehe die neben­stehenden Beiträge auf den Seiten 37—48.)

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diese Pflicht u n d überläßt es letztl ich d e m pol i t ischen Kräfte­spiel, ob d ie Eigens taa t l i chke i t Südvietnams h i n t e r das P r i n ­zip v o n d e r pol i t ischen u n d t e r r i t o r i a l en Un te i l ba rke i t V ie t ­n a m s zurücktreten oder sich w e i t e r ver fes t igen w i rd . D a r i n ist ke ine Schwäche des P a r i s e r A b k o m m e n s zu sehen. D e n n w e n n d ie poli t ische Lösung d e r V i e t n a m - F r a g e d e n u n m i t t e l ­b a r be t ro f fenen südvietnamesischen G r u p p e n überlassen b l e i ­b e n soll, d a n n k a n n d ie F r a g e d e r Wiede rve re in igung nicht u n t e r V e r w e i g e r u n g d ieser A u t o n o m i e du rch D r i t t e v o r w e g en t sch ieden w e r d e n . Dennoch h a t da s P a r i s e r A b k o m m e n in d e r F r a g e des R e c h t s ­s t a t u s für V i e t n a m eine echte Ve rbes se rung gebracht . Sie k o m m t d a r i n z u m Ausdruck , daß die Vere in igung d e r be iden Zonen, wie sie da s Genfe r A b k o m m e n vorgesehen ha t t e , n ich t n u r w i e d e r in den Bereich des Möglichen gerückt, sonde rn als v o n a l l en Bete i l ig ten k o n k r e t anzus t r ebendes Ziel rechtl ich f ix ier t w o r d e n ist. Z u d e m legt da s A b k o m m e n die P r o z e ­d u r e n fest, in d e n e n d ie Wiede rve re in igung vo rbe re i t e t w e r ­d e n soll. I n s g e s a m t ist da s nicht wenig , w e n n m a n sich v e r ­gegenwärtigt, welchen Weg des s taa t l ichen Ause inande r l ebens die be iden Zonen V i e t n a m s seit d e m Abschluß des Genfe r A b k o m m e n s v o n 1954 gegangen sind, u n d w e n n m a n bedenk t , we lchen Schwier igke i ten a n d e r e gete i l te S t a a t e n bei de r E r ­h a l t u n g oder W i e d e r g e w i n n u n g d e r s taa t l ichen E inhe i t a u s g e ­setzt s ind. Die Durchführung, Überwachung und Garantie des Waffenstillstandsabkommens Die Durchführung, Überwachung u n d G a r a n t i e des in P a r i s geschlossenen A b k o m m e n s w i r d von Anfang a n durch d e n U m s t a n d e rschwer t , daß in P a r i s nicht , wie 1954 in Genf, e ine D e m a r k a t i o n s l i n i e gezogen w o r d e n ist, h i n t e r d ie sich die militärischen Verbände d e r jewei l igen K o n t r a h e n t e n zurück­zuziehen hätten. Nach d e m P a r i s e r A b k o m m e n h a b e n v ie l ­m e h r a l le regulären u n d irregulären Streitkräfte im Z e i t p u n k t des E in t r i t t s des Waffens t i l l s tands a n i h r e n S t a n d o r t e n zu verb le iben , während eine Zweie rkommiss ion , gebi lde t a u s V e r t r e t e r n d e r be iden südvietnamesischen V e r t r a g s p a r t n e r , die von j e d e r d e r be iden Se i ten kon t ro l l i e r t en Gebie te defi­n i e r en u n d d ie Modalitäten d e r S t a t i o n i e r u n g fes t legen soll (Art . 3). Da d ie größeren Bevölkerungszentren sich in d e r H a n d d e r Sa igoner Reg i e rung befinden, während das offene L a n d überwiegend von d e r Bef re iungsf ront behe r r sch t wi rd , es a b e r d a n e b e n auch noch zahl re iche Gebie te gibt, in denen ungeklärt ist, w e m die a d m i n i s t r a t i v e G e w a l t z u k o m m t , ist d iese B e s t i m m u n g d ie eigentl ich kr i t i sche des g e s a m t e n A b ­k o m m e n s ; hängt doch von d e r künftigen V e r h i n d e r u n g w e i ­t e r e r Fe indse l igke i t en d ie Rea l i s i e rung a l le r a n d e r e n B e s t i m ­m u n g e n des A b k o m m e n s über die Wiede rhe r s t e l l ung des F r i e ­dens in V i e t n a m u n d die G e s t a l t u n g se iner pol i t ischen Zukunf t ab . D a s P a r i s e r A b k o m m e n h a t v ie r I n s t i t u t i onen u n d O r g a n e geschaffen, d e n e n d ie Aufgaben d e r Durchführung, Über­w a c h u n g u n d Gewährleistung d e r Waf fens t i l l s t andsvere in ­b a r u n g e n übertragen w o r d e n sind. Es s ind dies i m e inze lnen : 1. Die Gemeinsame Militärkommission mit Sitz in Saigon, der

3 300 Mitglieder der vier hauptkriegführenden Parteien ange­hören. Aus ihnen werden sieben regionale und 26 örtliche Kommissionen gebildet mit der Möglichkeit, weitere Unter­kommissionen, Gruppen und Equipen zu schaffen (Art. 16 des Abkommens i. V. m. Art. 10 und 11 des Zusatzprotokolls über die Militärkommissionen).

2. Die Gemeinsame Militärkommission aus Ver t re tern der beiden südvietnamesischen Vertragspar tner mit Sitz in Saigon (Art. 17 des Abkommens i. V. m. Art . 12 des Zusatzprotokolls über die Militärkommissionen).

3. Die Internationale Kontrol l- und Überwachungskommission (ICC) mit Sitz in Saigon, bestehend aus 1160 Mitgliedern, die von den Staaten Kanada, Polen, Ungarn und Indonesien ge­stellt werden. Zehn regionale (davon 3 für Saigon) und 26 ört­liche Equipen werden allgemein die Einhaltung der Verein­barungen überwachen. Zwölf Spezialequipen werden an Punk­

ten stationiert, an denen Kriegsmaterial legal eingeführt wer ­den darf, sieben Equipen überwachen diese Einfuhr an nicht spezifizierten Punkten und sieben Equipen bekümmern sich um die Freilassung der Gefangenen (Art. 18 a, b, d des Abkom­mens i. V. m. dem Zusatzprotokoll über die ICC).

4. Die Internat ionale (Vietnam-)Konferenz, die binnen 30 Tagen nach Unterzeichnung des Abkommens von den Vereinigten Staaten und Nordvietnam einberufen wird und an der neben den Ver t re tern der vier hauptkriegführenden Par te ien Ver­t re ter der Volksrepublik China, der Sowjetunion, Großbritan­niens, der vier Mitgliedstaaten der ICC (Kanada, Polen, Un­garn, Indonesien) und des UN-Generalsekretärs tei lnehmen sollen (Art. 19).

D e r d i f ferenzier ten organisa tor i schen F o r m , m i t d e r d ie V e r ­t r a g s p a r t e i e n d ie Durchführung d e r ge t rof fenen V e r e i n b a ­r u n g e n g l a u b t e n a m wi rkungsvo l l s t en s ichern zu können, e n t ­spr ich t e ine ebenso di f ferenzier te A u f g a b e n v e r t e i l u n g . I m einze lnen w u r d e n folgende Aufgaben fes tgelegt : a) Viererkommission: Einhaltung des Waffenstillstands in Süd-

v i e t n a m längstens 120 Tage, Abbau des amerikanischen Engagements — Verbündete inbegriffen — (Truppenrückzug, Räumung von Militärstützpunkten) und Rückführung der Kriegsgefangenen und ausländischen Zivilgefangenen inner­halb einer Frist von 60 Tagen (Art. 16 a und c).

b) Zweierkommission: Einhaltung des Waffenstillstands in Süd­v i e t n a m nach Beendigung der Tätigkeit der Viererkommis­sion, Sicherung des Einfuhrverbots für Militärpersonal und Kriegsmaterial , Rückführung der in Südvietnam gefangen ge­nommenen oder inhaftierten Zivilpersonen und, soweit eine Einigung erzielt wird, Maßnahmen zur Demobilisierung und Truppenreduzierung (Art. 17).

c) Internat ionale Kontrollkommission: Bevor die vorgesehene Vietnamkonferenz zu konkreten Vereinbarungen gelangt ist, aa) Überwachung der Einhaltung des Waffenstillstands in ganz

V i e t n a m sowie des Waffenstillstands in Südvietnam, soweit die USA und ihre nichtvietnamesischen Verbünde­ten davon betroffen sind, ferner Überwachung des T r u p ­penabzugs, der Räumung der Militärstützpunkte und der Rückführung der Kriegsgefangenen und ausländischen Zi­vilgefangenen, mit Berichtspflicht gegenüber den vier Ver­tragsparteien. Die ICC beendet ihre Tätigkeit, sobald die genannten Aufgaben erfüllt sind (Art. 18 a und g).

bb) Überwachung der Einhaltung des Waffenstillstands in Südvietnam, soweit die beiden südvietnamesischen Vertragsparteien betroffen sind, sowie des Waffenstill­stands ganz allgemein, sobald die Viererkommission ihre Tätigkeit eingestellt hat, ferner Überwachung des Einfuhr­verbotes für Militärpersonal und Kriegsmaterial, der Rück­führung des in Südvietnam festgehaltenen Zivilpersonals, der Durchführung der für Südvietnam vorgesehenen Wah­len sowie der Maßnahmen zur Demobilisierung und Truppen­reduzierung für den Fall einer entsprechenden Einigung, mit Berichtspflicht gegenüber den beiden südvietnamesi­schen Ver t ragspar tnern . Die ICC beendet diese Tätigkeit auf Verlangen der Regierung, die aus den für Südvietnam vorgesehenen Wahlen hervorgehen wird (Art. 18 c und g).

d) Internat ionale Vietnam-Konferenz (sie ist inzwischen für den 26. Februar 1973 nach Par is einberufen worden): Bestätigung der getroffenen Vereinbarungen, Sicherstellung der Beendi ­gung des Krieges, Aufrechterhaltung des Friedens, Respekt ie­rung der nationalen Grundrechte des vietnamesischen Volkes und des Rechts des südvietnamesischen Volkes auf Selbstbe­st immung sowie Förderung und Garantie des Friedens in Indo­china (Art. 19). Die Bezieaungen zwischen der Internat ionalen Vietnam-Konferenz und der ICC werden in einem Ubere in­kommen geregelt (Art. 18 h).

Die g e n a n n t e n In s t i t u t i onen u n d Aufgaben beschre ib t d a s P a ­r i se r A b k o m m e n in d e m Bemühen, eine möglichst lückenlose Durchführung d e r Waf fens t i l l s t andsbes t immungen in räum­licher w i e in zei t l icher Hins icht zu erre ichen. Es knüpft i n s o ­w e i t a n das Genfe r A b k o m m e n von 1954 an , das e ine d r e i ­tei l ige G l i e d e r u n g d e r Überwachungs- u n d G a r a n t i e o r g a n e k a n n t e (Zweie rkommiss ion : französisches O b e r k o m m a n d o u n d Vie tminh , I n t e r n a t i o n a l e Kon t ro l lkommiss ion : K a n a d a , Ind ien , Po len , sowie I n t e r n a t i o n a l e Indoch ina-Konfe renz) , fügt d ieser G l i ede rung jedoch ein v ie r tes O r g a n h inzu , d ie G e m e i n s a m e Vie re rkommiss ion . Die Schaffung d e r V i e r e r ­kommiss ion trägt e i n m a l d e r Ta tsache Rechnung , daß in V i e t ­n a m zwei K r i e g e geführt w u r d e n , e in Bürgerkrieg zwischen d e r Sa igoner Reg ie rung u n d d e r F N L u n d ein d iesen Bürger­kr ieg überlagernder S t a a t e n k r i e g zwischen N o r d v i e t n a m u n d

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d e n USA2 2 — Kr iege , d ie be ide un te rsch ied l iche V e r a n t w o r t ­l ichkei ten begründet h a b e n u n d i n n e r h a l b unterschied l icher F r i s t en l iqu id ie r t w e r d e n sollen. Z u m a n d e r e n stel l t die V ie ­r e rkommiss ion e ine zusätzliche Sicherung des Waffens t i l l ­s t ands in Südvietnam dar , wei l sie dessen Durchführung in d e r wich t igen A n f a n g s p h a s e nicht a l le in d e n be iden südviet­names i schen V e r t r a g s p a r t n e r n überläßt. Die en t sp rechenden B e s t i m m u n g e n des Genfe r A b k o m m e n s von 1954 über die Durchführung des Waffens t i l l s tands 2 3 s ind aus d e m be re i t s g e n a n n t e n G r u n d e des vorze i t igen Rück­zugs F r a n k r e i c h s aus Indoch ina w e i t g e h e n d ineffekt iv geb l i e ­ben . Auch d ie Überwachung des Genfer Waffenst i l l s tands 2 4 k o n n t e nicht funk t ion ie ren , wei l die Wirkungsmöglichkeiten d e r Kon t ro l l kommiss ion w e g e n des v o n de r Sa igoner Reg ie ­r u n g b e t r i e b e n e n u n d v o n d e n U S A geförderten Boykot t s d e r Genfer V e r e i n b a r u n g e n s t a r k eingeschränkt w a r e n . Dazu k a m , daß die Kon t ro l lkommiss ion wegen i h r e r Z u s a m m e n s e t ­zung aus V e r t r e t e r n K a n a d a s , Ind iens u n d Po lens seh r ba ld u n t e r d e n lähmenden Einfluß des Os t -Wes t -Gegensa t ze s g e ­riet , d e m sich dieses O r g a n nicht zu en tz iehen ve rmoch te , nicht zule tz t auf G r u n d d e r H a l t u n g Ind iens , da s u n t e r d e n Ka tegor i en d e r dama l igen Nehru ' schen Außenpolitik in Vie t ­n a m ke ineswegs s t r i k t e Neutralität wahr te 2 5 . I n d i e n ist d e s ­h a l b in d e m n e u e n P a r i s e r A b k o m m e n nicht in die ICC b e ­ru fen u n d auch nicht als e ine r d e r T e i l n e h m e r s t a a t e n für die vo rgesehene I n t e r n a t i o n a l e Konferenz in P a r i s g e n a n n t w o r ­den2«. Das P a r i s e r A b k o m m e n könnte auch desha lb erfolgreicher w e r d e n als sein Genfe r Vorgänger, wei l sich d ie V e r t r a g s ­p a r t e i e n d a r i n geeinigt haben , die ge t rof fenen Waffens t i l l ­s t a n d s v e r e i n b a r u n g e n auf e ine r V i e t n a m - K o n f e r e n z zu b e ­kräftigen u n d zu g a r a n t i e r e n . Obwoh l in m a n c h e m enger a ls noch das Genfe r A b k o m m e n — das P a r i s e r A b k o m m e n b e ­greift w e d e r d ie be iden a n d e r e n indochines ischsn Konf l ik t ­s taa ten , Laos u n d Kambodscha , in d ie Rege lung m i t ein27, noch bete i l ig t es d ie me i s t en de r as ia t i schen A n r a i n e r s t a a ­ten, obgleich von j e d e r F r i e d e n s r e g e l u n g in V i e t n a m m i t ­t e l ba r betroffen, a n d e r I n t e r n a t i o n a l e n Konfe renz — geht das P a r i s e r A b k o m m e n doch in d e r F r a g e d e r Gewährleistung deut l ich über die Genfe r V e r e i n b a r u n g e n h i n a u s . Ar t . 19 des P a r i s e r A b k o m m e n s erschöpft sich nicht in e inem u n v e r b i n d ­l ichen gegensei t igen Konsu l t a t i onsve r sp rechen d e r K o n f e r e n z ­te i lnehmer 2 8 , s onde rn ist v o n d e m fes ten Wil len de r h a u p t ­kriegführenden Par t e i en , N o r d v i e t n a m s u n d de r USA, g e ­t r agen , durch g e m e i n s a m e In i t i a t i ven u n d Maßnahmen d e n F r i e d e n in d ieser Region s icherzustel len. Me inungsve r sch ie ­denhe i t en , w ie sie auf d e r Eröffnungssitzung d e r a m 26. F e ­b r u a r 1973 b e g o n n e n e n Konferenz in d e r F r a g e de r E in r i ch ­t u n g e ine r ständigen Überwachungsinstanz aufge t r e t en sind29, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß jedenfa l l s sämt­liche d e r i m V i e t n a m - K o n f l i k t d i r ek t oder i nd i r ek t ve r s t r i ck ­t e n Großmächte a u f g r u n d de r inzwischen e inge t r e t enen po l i ­t ischen Veränderungen i m Weltmaßstab a n e iner schnel len u n d def in i t iven Rege lung d e r V i e t n a m - F r a g e , w e n n auch aus d e n ve rsch iedens ten Mot iven , in gleicher Intensität i n t e r ­ess ier t s ind.

Die Rolle der Vereinten Nationen bei der Wiederherstellung des Friedens in Vietnam Wie schon 1954 ist d ie U N O in d e n Prozeß d e r i n t e r n a t i o n a ­len Bemühungen u m eine F r i e d e n s r e g e l u n g für V i e t n a m nicht e ingeschal te t worden , u n d z w a r w e d e r be i d e r A u s h a n d ­lung des Waffens t i l l s tands noch in d e r F r a g e d e r pol i t ischen Zukunf t sges t a l tung . Die in P a r i s get roffene Rege lung ist m i t d e n Mi t te ln d e r k lass ischen Dip lomat ie gefunden worden , die von den USA in de r e r s t en Hälfte dieses J a h r h u n d e r t s i m m e r als e in besonders per f ides I n s t r u m e n t d e r G e s t a l t u n g z w i ­schens taa t l icher Bez iehungen a n g e p r a n g e r t w o r d e n ist30. Die U N O w i r d desha lb , obgleich sie nach d e m Wil len d e r S t a a t e n -

Konfrontation der Großen

1972 in Mrd. $

SOZIAL­PRODUKT!

*Tf EXPORT

WÄHRUNGSr: 13 ,3} ! 1.56,1. R E S E R V E N

{Ende 1972}

*ohne Binnenhandel Es muß nicht zu einem Wirtschaftskrieg zwischen den USA und der EWG kommen, aber die bevorstehenden Verhandlungen werden schwierig sein. Die Amerikaner betrachten die Wirtschaftszahlen der EWG mit besorgten Blicken. Auf die Dauer wird die wirtschaftliche Konfrontation der beiden Blöcke USA und EWG zunehmen.

gemeinschaf t da s z u r Lösung i n t e r n a t i o n a l e r bewaf fne t e r Konf l ik t e b e r u f e n e O r g a n ist, auch bei d e n künftigen i n t e r ­na t iona len A n s t r e n g u n g e n zur Wiede rhe r s t e l l ung des F r i e d e n s in V i e t n a m n u r e ine u n t e r g e o r d n e t e Rol le spielen. I m m e r h i n w i r k t s ie in P a r i s du rch d ie g le ichberecht ig te T e i l n a h m e des UN-Generalsekretärs a n d e n V e r h a n d l u n g e n bei d e r Suche nach e iner def in i t iven V i e t n a m - R e g e l u n g mi t . Die U N O ist in d e r V e r g a n g e n h e i t ke ineswegs n u r aus d e m fo rma len G r u n d d e r Nichtmitgl iedschaf t d e r be iden v i e t n a ­mes ischen S t a a t e n in d e r Organ i sa t ion d e r Ve re in t en N a t i o ­n e n bei de r Suche nach e iner Friedenslösung nicht e ingescha l ­te t w o r d e n . D e n n es h a t sich gezeigt, daß die U N O i h r e r K o n ­s t r u k t i o n nach nicht gee ignet ist, Konf l ik te zu lösen, an d e ­n e n die Großmächte selbst bete i l ig t sind. Die R e g i e r u n g in H a n o i l e h n t e desha lb seit j e h e r d ie A n r u f u n g des U N - S i c h e r ­he i t s r a t e s ab u n d fo rde r t e d ie Wiede re inbe ru fung de r Genfer Indoch ina -Konfe renz , die sie für al le in zuständig in d ieser Ange legenhe i t erklärte31. Die U S A w i e d e r u m g ingen d e r A n ­ru fung des UN-S iche rhe i t s r a t e s aus d e m Wege, wei l sie d a m i t die Besorgnis v e r b a n d e n , daß es zu e iner Versch iebung des S t a t u s quo z u u n g u n s t e n Südvietnams u n d d e r Vere in ig t en S t a a t e n u n d z u g u n s t e n N o r d v i e n a m s u n d Ch inas k o m m e n würde32. Die in P a r i s z u s a m m e n t r e t e n d e I n t e r n a t i o n a l e Vie t ­n a m - K o n f e r e n z ist de sha lb d ie Ins t i tu t ion , d ie von i h r e r Z u ­s a m m e n s e t z u n g u n d i h r e r Aufgabens t e l lung h e r noch a m ehes tens gee igne t ist, zu k o n k r e t e n V e r e i n b a r u n g e n in d e r V i e t n a m - F r a g e zu k o m m e n . Anmerkungen 1 In einer gemeinsamen Vormittagssitzung unterzeichneten alle vier Delegationen das Abkommen sowie drei Zusatzprotokolle. Süd­vietnam und die Provisorische Revolutionsregierung setzten dabei ihre Unterschriften auf getrennte Dokumente. In der Nachmittags­sitzung des gleichen Tages unterschrieben dann die Delegierten Nordvietnams und der USA die genannten vier Dokumente aber­mals und ein weiteres Zusatzprotokoll.

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2 In gleicher Weise authentisch ist der vietnamesische und der eng­lische Vertragstext. Der Text des Abkommens findet sich u. a. im Archiv der Gegenwart, 17624 ff. vom 27.1.1973. 3 Die vier Zusatzprotokolle sind in Auszügen abgedruckt ebenfalls im Archiv der Gegenwart 17627 (s. Anm. 2). 4 Aus der Fülle des Schrifttums s. u. a. Ph. Devillers, Histoire du Vi§t-Nam de 1940 ä 1952, 3me 6d., Paris 1952, J. Lacouture/Ph. Devillers, La Fin d'une Guerre, Indochine 1954, Paris 1960, B. B. Fall, Street without Joy, Indochina at War, 1946-54, Harrisburg/Pa. 1961, J. Lacouture, Le Vietnam entre deux Paix, Paris 1965, W. G. Burchett, Vietnam Inside Story of the Guerilla War, 2nd ed. New York 1965,und R. Shaplen, The Lost Revolution, The Story of 20 Years of Neglected Opportunities in Vietnam and of America's Failure to Foster Democracy there, New York 1965, G. McTurnon, Kahin/J. W. Lewis, The United States in Vietnam, New York 1967. Zur völkerrechtlichen Bewertung des Vietnam-Konflikts s. R. H. Hull/J. C. Novogrod, Law and Vietnam, Dobbs Ferry/N. Y. 1968, The Vietnam War and International Law, ed. by R. A. Falk, Princeton/ N. J. 1968, und H. Weber, Der Vietnam-Konflikt — Bellum legale? Die Rechtspflichten der Staaten unter dem Gewaltverbot der UN-Charta, Hamburg 1970. 5 Ausführlich hierzu Ph. Devillers, Histoire du Vietnam 1940—1952 (s. Anm. 4). 6 Documentation Francaise, Notes et Etudes, Documentaires No. 1909 sowie L'Annee Politique 1954, S. 574 ff. Vgl. hierzu J. Lacouture/Ph. Devillers, La Fin d'une Guerre, Paris 1960. 7 Einen guten Überblick über die konträren Auffassungen in der Vietnamfrage in der ersten Phase des Konflikts vermittelt: The Vietnam Reader, Articles and Documents on American Foreign Policy and the Vietnam Crisis, ed. by M. G. Raskin and B. B. Fall, New York 1965, dort insbesondere S. 137—261. 8 J. Roy, La Bataille de Dien Bien Phu, Paris 1963 und C. Catroux, Deux Actes du Drame Indochinois, Hanoi: Juin 1940, Dien Bien Phu: Mars—Mai 1954, Paris 1959. 9 So Verteidigungsminister Laird, International Herald Tribune vom 9.1. 1973, und zuletzt in aller Deutlichkeit Präsident Nixon in seiner Botschaft an das amerikanische Volk, in der er die Beendigung des Vietnamkrieges ankündigte, International Herald Tribune vom 25. 1. 1973. Daß beide Seiten darüber hinaus den Abschluß des Vietnamabkommens als Sieg feierten, vgl. die Berichte von S. Fox und J. Goldsborough in International Herald Tribune v. 25. 1. 1973, gehört heute mit zum Ritual bei der Beendigung bewaffneter Kon­flikte. 10 Vgl. Art. 21 des Abkommens. 11 Vgl. hierzu M. Gräfin Dönhoff, An der Schwelle zum Frieden, Sie­gen Interessen über Ideologien in Asien?, in Die Zeit v. 23. 2. 1973. 12 Ausführlich F. B. Weinstein, Vietnam's Unheld Elections: The Failure to Carry Out the 1956 Reunification Elections and the Effect on Hanoi's Present Outlook, New York 1966. S. auch R. A. Falk, The Six Legal Dimensions of Vietnam War, Princeton 1968, S. 21 ff. 13 Ziff. 6, 7 und 12 der Schlußerklärung der Genfer Konferenz, L'An­nee Politique, 1954, S. 590. 14 La Documentation Francaise, Notes et Etudes, No. 1901. S. auch die Erklärung Eisenhowers auf seiner Pressekonferenz vom 21. 7.1954, American Foreign Policy 1950—1955, 2 Bde. Washington 1957, Bd. 2, S. 2397 f., und die Erklärung Außenminister Dulles' vom 28. 6. 1955, aaO, S. 2404.

15 Erklärung der französischen Regierung zu Ziff. 10 der Genfer Schlußerklärung, L'Annee Politique 1954, S. 592. 16 Art. 14 a des Genfer Abkommens. 17 Ziff. 8 und 9 der Genfer Schlußerklärung. 18 Vgl. hierzu J. Reston in: International Herald Tribune v. 15.1.1973. Nordvietnam argumentierte allerdings nicht immer konsequent. Während der Frühjahrsoffensive 1972 gegen südvietnamesische Be­zirksstädte hat der amtliche Rundfunksender Hanoi die territo­riale und nationale Einheit Vietnams zur Rechtfertigung der Über­schreitung der Demarkationslinie mit Panzern, Artillerie und Trup­pen zur »Bekämpfung der amerikanischen Aggression« herangezo­gen, vgl. Süddeutsche Zeitung v. 2. 5. 1972. 19 Der amerikanische Unterhändler H. Kissinger meinte allerdings auf einer Pressekonferenz in Paris am 24.1.1973, daß für Nordvietnam keine Möglichkeit bestehe, dem Abkommen gerecht zu werden, wenn nicht die in Südvietnam stehenden nordvietnamesischen Streitkräfte reduziert würden. Dies jedenfalls sei die »Erwartung« der Vereinigten Staaten, vgl. The Times v. 25. 1. 1973. 20 Vgl. hierzu Programme und Erklärungen der beiden Seiten in Archiv der Gegenwart, 14719 A, 16113 C und 16392 A. 21 Vgl. die Pressekonferenz H. Kissingers am 24.1.1973, International Herald Tribune v. 25.1.1973 und The Times vom selben Tage. 22 Vgl. hierzu ausführlich H. Weber, aaO (Anm. 4), S. 43 ff. und S. 146 ff. 23 Art. 28, 30—34. 24 Art. 29, 35—46. 25 Vgl. die am 31.3.1955 in Peking abgegebene Erklärung Nehrus sowie das Kommunique v. 10.4.1955 anläßlich des Besuches des von Nehru eingeladenen nordvietnamesischen Außenministers Pham Van Dong in Delhi, in: Conflict in Indochina, aaO (Anm. 5), S. 234 ff. 26 Times V. 26. 1. 1973. 27 Art. 20 enthält nur allgemeine und weitgehend ungenau formulierte Respektierungspflichten, die nicht den Schluß erlauben, als sei es bezüglich Laos und Kambodscha zu verbindlichen Abmachungen gekommen. Vgl. auch H. Kissingers Erklärung v. 24.1. 1973, Inter­national Herald Tribune v. 25.1.1973. 28 Ziff. 13 der Genfer Schlußerklärung. 29 Dieser Vorschlag war von Kanada mit Unterstützung der USA ein­gebracht, von Nordvietnam und der FNL aber abgelehnt worden. Nach einem Korrespondentenbericht der Süddeutschen Zeitung v. 27. 2.1973 aus Paris sollen sich allerdings die Delegationen Hanois und der FNL keineswegs dem Prinzip der Kontrolle und Überwa­chung widersetzt haben, sondern ihre Haltung war übereinstim­mend mit Peking von der Sorge getragen, die Vereinigten Staaten könnten sich ihrer unmittelbaren Verantwortung für die Einhal­tung des Abkommens entziehen und Vietnam dem Einfluß einer neuen internationalen Behörde öffnen, die weitere fremde Mächte in Vietnam engagieren würde. 30 Punkt 1 der 14 Punkte Präsident Wilsons lautete »Abolition of secret diplomacy*. Vgl. hierzu Th. A. Baily, A Diplomatie History of the American People, 14. Aufl. New York 1950, S. 657. 31 So beispielsweise die nordvietnamesische Regierung in einer Erklä­rung am 9. 8.1964, in der sie die Einladung des UN-Sicherheitsrates ausschlug, an einer Debatte über den Zwischenfall im Golf von Tonking teilzunehmen, Archiv der Gegenwart 11372 A. 32 Besonders deutlich die Erklärung des Unterstaatssekretärs E. Ro-stow, Department of State Bulletin, Bd. 59 (1968 II), S. 506.

Bestandsaufnahme in Südostasien nach dem Indochina-Krieg V O N A S I A T I C U S

I Zwe i Dinge lassen sich k u r z u n d ax iomat i sch über d e n v o r ­läufigen A u s g a n g des Indoch ina -Kr ieges sagen : > Insowei t e r a ls K r a f t p r o b e über die B e s t i m m u n g de r künf­

t igen Geschicke O s t - u n d Südostasiens geführt w u r d e , h a t e r d e r Wel t d e n d r i t t e n Wel tk r i eg e r s p a r t ;

> insowei t d ie Le i t l in ien des provisor ischen F r i edenssch lus ­ses bet roffen sind, hätte A m e r i k a gleiche B e d i n g u n g e n b e ­re i t s 1965 d a v o n t r a g e n können.

Gegen e ine so s u m m a r i s c h e B e u r t e i l u n g läßt sich e inwenden , daß die P a r i s e r A b k o m m e n in d e r T a t im wesen t l i chen p r o v i ­sorische N a t u r h a b e n u n d sich d e r e ine de r be iden P r o t a g o n i ­s ten , die USA, n u r formal , noch nicht a b e r subs tan t i e l l zu r Herauslösung aus d e m Konf l ik t entschlossen u n d verpf l ichte t h a b e n . Kiss inger konzed ie r t e z w a r mehr fach u n d in formel ler Weise, w a s die amer ikan i schen R e g i e r u n g e n von 1961 bis 1972 b e s t r i t t e n ha t t en , daß es sich in e r s t e r L in ie u m e inen Bürger­kr ieg hande l t e , doch d ie U S A b e h a l t e n sich m e h r e r e Mi t te l u n d Kanäle d e r I n t e r v e n t i o n v o r : E t w a 5 bis 10 000 >zivile B e ­r a t e n w e r d e n w e i t e r h i n d e r A r m e e G e n e r a l Th ieus zu r Se i te s t ehen ; amer ikan i sche Luftstreitkräfte b le iben in T h a i l a n d in

i h r e n b i she r igen I n t e r v e n t i o n s b a s e n s ta t ion ie r t ; e ine u m zwei Flugzeugträger g r u p p i e r t e Sees t re i tk ra f t verb le ib t in d e r Süd­china -See zwischen Mani la , S a t t a h i p u n d S i n g a p u r ; d ie v e r ­b l i ebenen d re i B-52-Geschwader in G u a m , Luzon u n d T h a i ­l a n d b le iben ebenfa l l s a m Pla tze . Auf den e r s t en Blick b e ­sehen, s t e h t a lso die Tür z u r e r n e u t e n A u s w e i t u n g des K o n ­flikts, zu r E r n e u e r u n g de r Großmachtintervention u n d d a m i t zu r In f rages te l lung d e r in P a r i s f ix ier ten R e s u l t a t e w e i t e r offen. Diese H y p o t h e k auf den P a r i s e r Vorf r ieden w i r d a b e r auf­gewogen v o n m e h r e r e n pol i t ischen F a k t o r e n , de ren wich t ig ­s te r die abso lu te u n d n icht m e h r ignor i e rba re I n t e r v e n t i o n s ­müdigkeit d e r amer ikan i schen Öffentlichkeit ist. E i n e s t a r k e F r a k t i o n i m Kongreß s t r eb t zudem d e n vordr ing l ichen Erlaß e ine r Gese tzgebung — d e r Church -Case Bil l — an, gemäß d e r e r d e m Präsidenten das Recht entzogen w e r d e n soll, o h n e Z u s t i m m u n g des Kongresses militärische A k t i o n e n i m A u s ­l a n d zu in i t i ie ren . E in Wiedere ingre i fen in d e n I n d o c h i n a -Konf l ik t soll ausdrücklich u n t e r s a g t w e r d e n . Z w e i t e n s wären die U S A s t ra tegisch n u r u n t e r Schwier igke i ten in d e r Lage , e ine w i r k s a m e R e - I n t e r v e n t i o n zu organ is ie ren , v o r a l l e m nicht m e h r aus d e r Luft, w e n n sie nicht zu A t o m w a f f e n g r e i -

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