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Tel.: 030 300 65-200 Fax: 030 300 65-390 www.familienunternehmer.eu E-Mail: [email protected] KOMMENTAR AUS BERLIN Berlin, 16. Februar 2010 DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU e.V. Prof. Dr. Gerd Habermann Tuteur Haus I Charlottenstraße 24 10117 Berlin Gut gebrüllt, Löwe! Guido Westerwelle hat mit Recht darauf hingewiesen, dass es nicht Ziel der Staatspolitik sein könne, immer mehr erwerbsfähige Personen auf Kosten ihrer arbeitenden Mitbürger leben zu lassen. Er vergleicht dieses Phänomen der ca. 5 Millionen Empfänger von „Hartz IV“ mit spätrömischer Dekadenz. Tatsache ist, dass für viele von ihnen es sich nicht lohnt, von der Staatskrippe in eine bezahlte Arbeitsstelle zu wechseln, wie z. B. in die Gastronomie, Gebäudebetreuung, Pflegeheime oder den Einzelhandel. Diese anhaltende und ausgedehnte Staatsfütterung von Millionen erinnert in der Tat an das späte Römische Reich. Hier wurden in allen großen Städten des Landes Hunderttausende Menschen na- tural vom Staat versorgt und dazu auch noch gratis amüsiert („panem et circenses“). In Städten wie Rom, Konstantinopel, Alexandria, Karthago, Antiochia, ließ sich auf allgemeine Kosten bequem le- ben. Es wurde schließlich nicht nur Korn, sondern sogar fertiges Brot gereicht, von öffentlichen Öfen gebacken und gegen Anweisungszettel ausgeteilt. Hinzu kamen Fleisch, Speck, Wein und Öl. Es fehlte gerade noch, schreibt ein Schriftsteller des 4. Jahrhunderts, dass Hühner und Gänse ge- liefert werden. Diese Massen lungerten tagsüber in den großartigen Palästen der Bäder (entspre- chend unseren „Wellnesszentren“) herum oder verbrachten ihre Zeit mit dem Besuch von Zirkus und Arena. Auf der anderen Seite wuchs die Steuerlast auf die noch erwerbstätige Bevölkerung bis zu dem Punkt, dass es uninteressant wurde, „legal“ für den Markt zu produzieren. Mit der übermäßigen Besteuerung, die vor allem die bürgerlich-unternehmerischen Schichten belastete, ging die ökono- mische Initiative zurück. Schließlich wurde es interessanter, nach einer niedrigeren Steuerklasse, als nach Gewinn und ökonomischen Aufstieg zu streben. So wandte sich die erfinderische Energie auch damals den vielfältigen Wegen der Steuervermeidung zu. Selbst die organisierte Steuerdenun- ziation, der Gebrauch von Folter und Prügelstrafe führten nicht zur Erhöhung des Steuerertrags, sondern nur zu Bemühungen, diesem staatlichen Raubsystem zu entkommen. So über den Aufstieg ins privilegierte höhere Staatsbeamtentum (Steuerfreiheit!), die Stadtflucht und Selbstversorgung auf dem Lande, die Desertion ins nichtrömische Ausland, die Flucht in die Wälder („Bagauden“) oder den „Ausstieg“ in stoische oder urchristliche Bedürfnislosigkeit. Richtig und notwendig ist es, die „Hartz IV“-Empfänger für den Arbeitsmarkt zu reaktivieren. Aber dazu müsste es einen dynamischen Arbeitsmarkt geben, den wir, bedingt durch Arbeitsrecht und gesetzliche Mindestlöhne (also Arbeitsverboten) nicht haben. Offiziell werden derzeit nur 0,5 Millio- nen Arbeitsplätze angeboten! Ohne Arbeitsmarktfreiheit geht die Kritik an den Staatsversorg- ten ins Leere. Das Bild wäre düsterer, wenn nicht die Arbeitsmarktstatistik dermaßen manipuliert würde (so ähnlich wie der Begriff der „Armut“). Es gibt eigentlich keine „wahre“ Zahl der Arbeitslosen. Je nach Belieben können folgende Personen als arbeitslos gelten (oder offiziell nicht): die ein bestimmtes Alter überschritten haben (ab 58); die eine Qualifizierungsmaßnahme machen; die einen 1-Euro-Job angenommen haben; die erst kurze Zeit oder lange Zeit „arbeitslos“ sind; die sich nicht beim Ar- beitsamt gemeldet haben, aber einen Job suchen; die noch nicht gearbeitet haben, z. B. nach dem Schulbesuch. Da sich kontinuierlich die Parameter der Arbeitslosenstatistik ändern, gibt es kaum einen aussagefähigen überzeitlichen Vergleich. So werden seit Mai 2009 Arbeitslose, die von priva- ten Vermittlern betreut werden, in der Statistik nicht mehr mitgezählt (macht minus130.000 – wichtig vor den Wahlen!). Tatsächlich dürften wir über 6 Millionen Arbeitslose haben. Es genügt also nicht, die Empfänger von „Lohnersatzleistungen“ pauschal anzugreifen, wenn man nicht gleichzeitig einen Zugang zu einem liberalisierten Arbeitsmarkt schafft und die Versorgungssätze nicht so hoch bemisst, dass sich Arbeiten nicht mehr lohnt oder die Nichtarbeit direkt prämiert wird. Wir brauchen einen „Neuanfang für den Sozialstaat“, sagte Westerwelle. In der Tat und das umfassend! 2/2010

Gut gebrüllt Löwe

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Tel.: 030 300 65-200 Fax: 030 300 65-390 www.familienunternehmer.eu E-Mail: [email protected]

KOMMENTAR AUS BERLIN

Berlin, 16. Februar 2010

DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU e.V. Prof. Dr. Gerd Habermann Tuteur Haus I Charlottenstraße 24 10117 Berlin

Gut gebrüllt, Löwe! Guido Westerwelle hat mit Recht darauf hingewiesen, dass es nicht Ziel der Staatspolitik sein könne, immer mehr erwerbsfähige Personen auf Kosten ihrer arbeitenden Mitbürger leben zu lassen. Er vergleicht dieses Phänomen der ca. 5 Millionen Empfänger von „Hartz IV“ mit spätrömischer Dekadenz. Tatsache ist, dass für viele von ihnen es sich nicht lohnt, von der Staatskrippe in eine bezahlte Arbeitsstelle zu wechseln, wie z. B. in die Gastronomie, Gebäudebetreuung, Pflegeheime oder den Einzelhandel. Diese anhaltende und ausgedehnte Staatsfütterung von Millionen erinnert in der Tat an das späte Römische Reich. Hier wurden in allen großen Städten des Landes Hunderttausende Menschen na-tural vom Staat versorgt und dazu auch noch gratis amüsiert („panem et circenses“). In Städten wie Rom, Konstantinopel, Alexandria, Karthago, Antiochia, ließ sich auf allgemeine Kosten bequem le-ben. Es wurde schließlich nicht nur Korn, sondern sogar fertiges Brot gereicht, von öffentlichen Öfen gebacken und gegen Anweisungszettel ausgeteilt. Hinzu kamen Fleisch, Speck, Wein und Öl. Es fehlte gerade noch, schreibt ein Schriftsteller des 4. Jahrhunderts, dass Hühner und Gänse ge-liefert werden. Diese Massen lungerten tagsüber in den großartigen Palästen der Bäder (entspre-chend unseren „Wellnesszentren“) herum oder verbrachten ihre Zeit mit dem Besuch von Zirkus und Arena. Auf der anderen Seite wuchs die Steuerlast auf die noch erwerbstätige Bevölkerung bis zu dem Punkt, dass es uninteressant wurde, „legal“ für den Markt zu produzieren. Mit der übermäßigen Besteuerung, die vor allem die bürgerlich-unternehmerischen Schichten belastete, ging die ökono-mische Initiative zurück. Schließlich wurde es interessanter, nach einer niedrigeren Steuerklasse, als nach Gewinn und ökonomischen Aufstieg zu streben. So wandte sich die erfinderische Energie auch damals den vielfältigen Wegen der Steuervermeidung zu. Selbst die organisierte Steuerdenun-ziation, der Gebrauch von Folter und Prügelstrafe führten nicht zur Erhöhung des Steuerertrags, sondern nur zu Bemühungen, diesem staatlichen Raubsystem zu entkommen. So über den Aufstieg ins privilegierte höhere Staatsbeamtentum (Steuerfreiheit!), die Stadtflucht und Selbstversorgung auf dem Lande, die Desertion ins nichtrömische Ausland, die Flucht in die Wälder („Bagauden“) oder den „Ausstieg“ in stoische oder urchristliche Bedürfnislosigkeit. Richtig und notwendig ist es, die „Hartz IV“-Empfänger für den Arbeitsmarkt zu reaktivieren. Aber dazu müsste es einen dynamischen Arbeitsmarkt geben, den wir, bedingt durch Arbeitsrecht und gesetzliche Mindestlöhne (also Arbeitsverboten) nicht haben. Offiziell werden derzeit nur 0,5 Millio-nen Arbeitsplätze angeboten! Ohne Arbeitsmarktfreiheit geht die Kritik an den Staatsversorg-ten ins Leere. Das Bild wäre düsterer, wenn nicht die Arbeitsmarktstatistik dermaßen manipuliert würde (so ähnlich wie der Begriff der „Armut“). Es gibt eigentlich keine „wahre“ Zahl der Arbeitslosen. Je nach Belieben können folgende Personen als arbeitslos gelten (oder offiziell nicht): die ein bestimmtes Alter überschritten haben (ab 58); die eine Qualifizierungsmaßnahme machen; die einen 1-Euro-Job angenommen haben; die erst kurze Zeit oder lange Zeit „arbeitslos“ sind; die sich nicht beim Ar-beitsamt gemeldet haben, aber einen Job suchen; die noch nicht gearbeitet haben, z. B. nach dem Schulbesuch. Da sich kontinuierlich die Parameter der Arbeitslosenstatistik ändern, gibt es kaum einen aussagefähigen überzeitlichen Vergleich. So werden seit Mai 2009 Arbeitslose, die von priva-ten Vermittlern betreut werden, in der Statistik nicht mehr mitgezählt (macht minus130.000 – wichtig vor den Wahlen!). Tatsächlich dürften wir über 6 Millionen Arbeitslose haben. Es genügt also nicht, die Empfänger von „Lohnersatzleistungen“ pauschal anzugreifen, wenn man nicht gleichzeitig einen Zugang zu einem liberalisierten Arbeitsmarkt schafft und die Versorgungssätze nicht so hoch bemisst, dass sich Arbeiten nicht mehr lohnt oder die Nichtarbeit direkt prämiert wird. Wir brauchen einen „Neuanfang für den Sozialstaat“, sagte Westerwelle. In der Tat und das umfassend!

2/2010