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22 @ ANALYSE ICT IN FINANCE I NR. 3 I SEPTEMBER 2011 tensicherheit, der Rechtslage und all- gemein der Verlässlichkeit. Da die Zahl der Serviceprovider stetig wächst und häufig kaum Erfahrungswerte vorhan- den sind, ist mit dem Verband Euro- cloud Swiss (ECS) eine Initiative ent- standen, die genau an diesen Punkten ansetzen möchte. Der mittlerweile 110 Mitglieder zählende Verband ECS hat sich zum Ziel gesetzt, die Anwendung von Cloud-Computing-Technologien in der Schweiz zu fördern. Gemäss Statu- ten dient ECS als «Informationsdreh- scheibe, unterstützt den Erfahrungs- austausch unter den Mitgliedern und unterstützt die Kooperation von Firmen und akademischen Instituten.» Den Mit- gliedern sollen gleichfalls auch wissen- schaftliche Erkenntnisse sowie Erfah- rungen aus der Praxis durch ECS zu- gänglich gemacht und Erfahrungen bei der Anwendung neuer Methoden und Hilfsmittel weitergegeben werden. ECS entstand aus der Zusammenarbeit von Cloud Swiss und dem Schweizer Verband für Internet-Wirtschaft (sim- sa). Er repräsentiert das paneuropäi- sche Eurocloud-Netzwerk mit 27 Mit- gliedstaaten in der Schweiz. Inhaltlich fokussiert sich ECS zum Beispiel auf Aspekte wie Qualitätssicherung für SaaS-, PaaS- und IaaS-Dienste, rechtli- che Fragen, Security, Compliance, Governance und auf Fragen der Inter- operabilität. An einem Freitag Ende Mai lud MSM Reasearch AG im Renaissance Hotel in Glattbrugg zum Cloud-Computing- Frühjahrs-Update ein. Das Unterneh- men stellte die neuesten Umfrage- Ergebnisse vor: Einerseits legt der ICT- Markt wieder zu und andererseits wer- den sich für Unternehmen immer mehr Möglichkeiten ergeben, weitere Einspa- rungen bei den IT-Kosten zu erreichen. Laut MSM werden der harte Wettbe- werb unter den ICT-Anbietern und die zunehmende Standardisierung die Prei- serosion fördern. Das sei der Einfluss von Cloud Computing, so Corinne Jost von MSM. Es ist also Zeit, sich als Unterneh- men mit Cloud Computing auseinan- derzusetzen. Leider scheitert dies bei KMU schon oft nur an einem Mangel an Zeit, denn das Informationsdickicht ist gross und das Feld weit. STARTHILFE Entscheiden sich Unternehmensver- antwortliche aber, den Weg in die Cloud anzutreten, dann stellen sich sofort ver- schiedene Fragen hinsichtlich der Da- EIN GÜTESIEGEL UND EIN CLOUD GUIDE SOLLEN DEN EINSTIEG ERLEICHTERN Kein Buch mit sieben Siegeln FILIP ZIRIN DAS ANGEBOT IM CLOUD COMPUTING WIRD ZUSEHENDS GRÖSSER UND UNÜBERSICHTLICHER. VOR ALLEM KMU BETRETEN NEULAND UND SIND VERUNSICHERT. WELCHE ENTSCHEIDUNGSHILFEN GIBT ES UND WORAUF SOLLTE BEIM UMSTIEG AUF DIE CLOUD GEACHTET WERDEN? Vor allem bei Finanzdienstleistern steckt der Teufel im Detail, weil gewisse Kunden- daten in den Büchern der Banken die Landesgrenzen nicht verlassen dürfen.

Cloud Computing - Kein Buch mit sieben Siegeln

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Beitrag in ICT in Finance 03/2011 mit Statements von mir.

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@ ANALYSE

ICT IN FINANCE I NR. 3 I SEPTEMBER 2011

tensicherheit, der Rechtslage und all-

gemein der Verlässlichkeit. Da die Zahl

der Serviceprovider stetig wächst und

häufig kaum Erfahrungswerte vorhan-

den sind, ist mit dem Verband Euro-

cloud Swiss (ECS) eine Initiative ent-

standen, die genau an diesen Punkten

ansetzen möchte. Der mittlerweile 110

Mitglieder zählende Verband ECS hat

sich zum Ziel gesetzt, die Anwendung

von Cloud-Computing-Technologien in

der Schweiz zu fördern. Gemäss Statu-

ten dient ECS als «Informationsdreh-

scheibe, unterstützt den Erfahrungs-

austausch unter den Mitgliedern und

unterstützt die Kooperation von Firmen

und akademischen Instituten.» Den Mit-

gliedern sollen gleichfalls auch wissen-

schaftliche Erkenntnisse sowie Erfah-

rungen aus der Praxis durch ECS zu-

gänglich gemacht und Erfahrungen bei

der Anwendung neuer Methoden und

Hilfsmittel weitergegeben werden.

ECS entstand aus der Zusammenarbeit

von Cloud Swiss und dem Schweizer

Verband für Internet-Wirtschaft (sim-

sa). Er repräsentiert das paneuropäi-

sche Eurocloud-Netzwerk mit 27 Mit-

gliedstaaten in der Schweiz. Inhaltlich

fokussiert sich ECS zum Beispiel auf

Aspekte wie Qualitätssicherung für

SaaS-, PaaS- und IaaS-Dienste, rechtli-

che Fragen, Security, Compliance,

Governance und auf Fragen der Inter-

operabilität.

An einem Freitag Ende Mai lud MSM

Reasearch AG im Renaissance Hotel in

Glattbrugg zum Cloud-Computing-

Frühjahrs-Update ein. Das Unterneh-

men stellte die neuesten Umfrage-

Ergebnisse vor: Einerseits legt der ICT-

Markt wieder zu und andererseits wer-

den sich für Unternehmen immer mehr

Möglichkeiten ergeben, weitere Einspa-

rungen bei den IT-Kosten zu erreichen.

Laut MSM werden der harte Wettbe-

werb unter den ICT-Anbietern und die

zunehmende Standardisierung die Prei-

serosion fördern. Das sei der Einfluss

von Cloud Computing, so Corinne Jost

von MSM.

Es ist also Zeit, sich als Unterneh-

men mit Cloud Computing auseinan-

derzusetzen. Leider scheitert dies bei

KMU schon oft nur an einem Mangel an

Zeit, denn das Informationsdickicht ist

gross und das Feld weit.

STARTHILFE

Entscheiden sich Unternehmensver-

antwortliche aber, den Weg in die Cloud

anzutreten, dann stellen sich sofort ver-

schiedene Fragen hinsichtlich der Da-

EIN GÜTESIEGEL UND EIN CLOUD GUIDE SOLLEN DEN EINSTIEG ERLEICHTERN

Kein Buch mit sieben SiegelnFILIP ZIRIN

DAS ANGEBOT IM CLOUD COMPUTING WIRD ZUSEHENDS GRÖSSER UND UNÜBERSICHTLICHER. VOR ALLEM

KMU BETRETEN NEULAND UND SIND VERUNSICHERT. WELCHE ENTSCHEIDUNGSHILFEN GIBT ES UND WORAUF

SOLLTE BEIM UMSTIEG AUF DIE CLOUD GEACHTET WERDEN?

Vor allem bei Finanzdienstleistern steckt der Teufel im Detail, weil gewisse Kunden-

daten in den Büchern der Banken die Landesgrenzen nicht verlassen dürfen.

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BANKING & INSURANCE

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ICT IN FINANCE I NR. 2 I JUNI 2010

@ ANALYSE

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ICT IN FINANCE I NR. 3 I SEPTEMBER 2011

RATGEBER FÜR DIE CLOUD

Eurocloud Swiss, als Landesverband

von Eurocloud Europe, hat neben In-

formations- und Weiterbildungsveran-

staltungen in diesem Jahr zwei Ar-

beitsgruppen für an Cloud Computing

interessierte Unternehmen initiiert.

«Die eine Arbeitsgruppe arbeitet an ei-

nem Guide, der vor allem rechtliche

Fragen, Datenschutz und Fragen zur

Compliance beinhaltet. Damit soll den

Unternehmen gezeigt werden, wel-

chen Punkten bei der Planung und

Umsetzung von Cloud-Projekten be-

sondere Aufmerksamkeit gewidmet

werden sollte», so Heinz Dill, Präsident

von Eurocloud Swiss.

Dieser Ratgeber ist noch im Entste-

hen. Es kann aber davon ausgegangen

werden, dass auch er auf eine Tatsa-

che hinweist: Die Arbeit an einem

Cloud-Projekt beginnt schon, bevor

das Branchenbuch auf der Suche nach

einem Cloud-Service-Anbieter zum

ersten Mal aufgeklappt wird. Dies un-

terstreicht auch Michael Gisiger, On-

line Communication und Marketing

Manager bei Parx: «Wenn ein Unter-

nehmen einen solchen Change-Ma-

nagement-Prozess in Angriff nimmt,

sollte sich das Management zuerst klar

machen, welche Bedürfnisse das Un-

ternehmen hat und welchen Teil seiner

IT-Struktur es mit gutem Gewissen in

fremde Hände geben kann.»

Auch dem Aspekt der Sicherheit

und dem Vertrauen in den neuen Pro-

vider wird von Anfang an grosse Auf-

merksamkeit gewidmet, denn die Ab-

hängigkeit vom Provider ist gross: «Die

Sicherheitsfrage kommt im Dialog mit

unseren Kunden immer sehr früh. Aber

selten scheitert ein Projekt, weil dem

Kunden nicht das gewünschte Sicher-

heitsniveau geboten werden kann»,

weiss Gisiger aus Erfahrung.

RECHTLICHES NEULAND

Ganz so einfach scheint es aber nicht

zu sein – gerade in der Finanzbranche.

Christian Laux, Rechtsanwalt von Brat-

schi, Wiederkehr & Buob, unterschei-

det da in erster Linie, ob die betreffen-

de Firma dem Bankkundengeheimnis

oder anderen, ähnlich strengen Regu-

larien unterstellt ist. «Ist das der Fall,

kommen gewisse Anbieter und einige

Services nicht in Frage, da bei Cloud

Computing meistens die Daten das

Land verlassen.» Hingegen ist aber

festzuhalten: «Diese Beschränkung

sollte ein Unternehmen nicht davon

abhalten, unkritische Geschäftspro-

zesse in die Cloud zu verlagern.»

Er hält ausserdem eine frühe Kon-

sultation eines Rechtsberaters für

sinnvoll: «Wenn der mit einem Cloud-

Anbieter über längere Zeit ausgearbei-

tete Vertrag einmal fertig ist und dann

erst einem Anwalt vorgelegt wird, ist

es schwer, noch Änderungen anzubrin-

gen.» Eine frühe Konsultation kann

also beiden Seiten viel Zeit und Geld

ersparen.

DAS STAR AUDIT FÜR

CLOUD-ANBIETER

Ausserdem rät der Anwalt: «Für die

Zeit nach Vertragsbeendigung muss

sichergestellt sein, dass der Anbieter

den Kunden beim Wechsel unter-

stützt.» Für die Überführung der Kun-

dendaten sollten die Prozesse und Mit-

wirkungspflichten, so Laux, klar aus-

gearbeitet und festgehalten werden.

«Ausserdem sollte der Kunde darauf

achten, dass stets standardisierte Da-

tenformate und möglichst flexible Da-

tenstrukturen zum Einsatz kommen.

Migrationsarbeiten können sonst teuer

werden.» Die andere Arbeitsgruppe

des ECS beschäftigt sich mit einem

Gütesiegel für SaaS-Provider. Im Zer-

tifikat werden Richtlinien für die The-

men Service Level Agreement, Ver-

tragsgestaltung, Handhabung der

Nutzerdaten und Wechselmöglichkei-

ten festgelegt. Darin ist auch eine de-

taillierte Beurteilung der Sicherheit

der beteiligten Rechenzentren enthal-

ten. Das Eurocloud-Gütesiegel, das in

Deutschland vor dem Rollout steht, soll

im dritten Quartal dieses Jahres ein

«swiss finish» erhalten. Dabei wird auf

die landesspezifischen Regularien ein-

gegangen.

DER DURCHBRUCH SOLL

NOCH KOMMEN

Das Zertifikat von Eurocloud Swiss ist

also auf dem Weg und wird auf den

Markt kommen. Die Anbieter und die

Kunden reagieren zur Zeit darauf noch

sehr unterschiedlich. Aus vielen Ge-

sprächen hat Dill den Eindruck gewon-

nen: «Bei den Providern scheint die

Zurückhaltung mehr an dem eigentli-

chen Restrukturierungszwang zu lie-

gen, der für sie mit Cloud Computing

einhergeht. Diese Änderung im Ge-

schäftsmodell wird nicht von allen be-

grüsst.» Anders sieht es bei den Kun-

den aus. Transparenz ist aus ihrer Sicht

zwar zu begrüssen, doch momentan ist

ihnen der Benefit der Cloud noch nicht

so ganz klar und Cloud Computing be-

deutet auch für sie nicht nur eine Um-

stellung, sondern auch ein Umdenken

zu Lean IT.

Die Kunden sind nicht nur aufgrund

der Veränderungen skeptisch, son-

dern weil in diesem Bereich noch viele

Vorurteile bestehen. Gegen Vorurteile

hilft nur die Arbeit mit Fakten. Ausser-

dem würde es Heinz Dill begrüs-

sen, wenn in Zusammenarbeit mit der

europäischen Organisation sich auch

in der Schweiz rasch eine breite Trä-

gerschaft mit Beteiligung des Bundes

bilden würde. Damit würde ein starkes

Signal gesetzt. Bis dahin bleibt den

Unternehmen noch Zeit, sich zu über-

legen, wie sehr sie sich auf die Cloud

einlassen wollen.

Mit diesem Gütesiegel soll auf dem

Markt mehr Transparenz geschaffen

werden.