1
8 I KEP aktuell 4 · 22. November 2013 +++ Bd KEP informiert +++ Bd KEP informiert +++ Bd KEP informiert +++ Internet als Prüfstein für KEP-Dienste KEP-Unternehmen sind »Verbraucherversteher« Vernetzung als Chance Sinn und Unsinn paralleler Logistikstrukturen S eit einer Woche ist Bettina Schreiber krank ans Bett gefesselt. Sie braucht eini- ges aus der Apotheke und fri- sche Lebensmittel müssen auch her. Guter Rat ist teuer: Sie ist neu in der Stadt. Freunde, Be- kannte und Verwandte sind weit weg. Da fällt ihr das Inter- netportal Bringbee.ch ein. Beim Mitbringservice kann man sich den Einkaufsweg sparen. Inner- halb weniger Minuten ist der Einkaufszettel eingetippt. Bis zum Abend sind alle Einkaufs- wünsche gebracht. Solche Logistik-Start-ups schießen wie Pilze aus dem Bo- den. Den Treibstoff dazu liefert der boomende E-Commerce. Inzwischen treibt er auch die Logistikbranche vor sich her. Etablierte KEP-Unternehmen tun sich schwer damit. Kosten- druck, Besitzstandswahrung, Angst vor Veränderung, interner Wettbewerb sowie lokales Den- ken verhindern Innovationen. Andere Branchen erleben das seit vielen Jahren. Passen sich Unternehmen nicht im notwen- digen Maß an, kann der digitale Wandel sie töten. Die Liste der Opfer ist ebenso prominent wie lang: Quelle, Neckermann, Arcandor, Financial Times Deutschland sind nur einige der Verlierer. Andere vermeint- lich unsinkbare Schlachtschiffe haben Schlagseite und kämpfen um ihr Überleben. Sie alle haben die Veränderungen durch das Internet zuerst ignoriert, danach belächelt, später bekämpft und sind am Ende gescheitert. KEP-Unternehmen als »Verbraucherversteher« Neben den sich radikal ver- ändernden Anforderungen an die Logistikprozesse stehen KEP-Unternehmen vor einer zweiten, noch größeren Heraus- forderung. Sie müssen sich auf neue Kunden ausrichten: auf die Verbraucher als Empfänger von Warensendungen. Bislang kennen Logistikunternehmen vorrangig nur eine Kunden- gruppe: Unternehmen als Ver- sender von Waren. Mit ihnen werden Verträge geschlossen. Sie zahlen die Vergütung für Transportdienstleistungen und das Transportrecht rich- tet sich an dieser Partnerschaft aus. Verbraucher als Empfän- ger der Sendungen kamen in diesem B2B-Geschäft gar nicht vor oder hatten im Zusammen- hang mit der Zustellung von Briefen und Paketen wenig zu melden. Für KEP-Unternehmen sind sie bislang eher störend, da sie mehr Kosten als Einnah- men und im Zweifel zusätz- lich Ärger bringen. Der ideale Empfänger hat einen möglichst großen, gut erreichbaren Brief- kasten und ist bei der Zustel- lung von Paketsendungen am besten im Zeitfenster von 8 bis 18 Uhr zu Hause. Doch das Internet hat in vielen Branchen die Beziehung zwischen Unternehmen und Verbrauchern radikal verän- dert. Erfolgreich werden E- Commerce-Plattformen nur, wenn sie sich konsequent an den Nutzerbedürfnissen aus- richten. Diese Entwicklung erfasst mittlerweile auch die Logistikbranche. Die extreme Nutzerorientierung bezieht sich nun auch auf die Zustel- lung von Warensendungen beim Verbraucher und die Rückführung von Retouren. Verbraucher werden zum »Di- rigenten« der Logistikkette. Diejenigen Dienstleister, die ihn dabei am besten verstehen, haben die größten Chancen auf erfolgreiche Geschäfte. Doch KEP-Unternehmen als »Ver- braucherversteher«? Das zählt bisher nicht zu ihren Kernkom- petenzen. Prominentes Beispiel dafür sind die schmerzlichen Erfahrungen der Deutschen Post aus der Einführung des E- Postbriefs. Trotz eines dreistel- ligen Millionenaufwands wur- de das Produkt bisher von der Masse der Verbraucher nicht angenommen. Vernetzung als Chance Erfolgreich sind Unterneh- men wie Amazon, Ebay, Airbnp und Facebook. Sie verstehen Wünsche und Bedürfnisse der Verbraucher. Zu ihren wesent- lichen Erfolgsfaktoren zählen ihre offenen Plattformen, die Anbieter und Kunden, Sender und Empfänger auf neue Art und Weise vernetzen. So sind zum Beispiel Han- delsplattformen auf der einen Seite offen für Händler mit unterschiedlichsten Produkten. Diese Offenheit bietet vielfälti- ge Vorteile: Die Händler haben Zugriff auf eine größere Kun- denbasis. Einheitliche Stamm- datenverwaltung, Warenkorb- funktionen und Bezahlsysteme nehmen ihnen den aufwendi- gen Betrieb eigener Systeme ab. Durch neue Marketingop- tionen erschließen sie sich neue Kundensegmente. Allerdings setzt sie diese Offenheit auch Fotos: Fotolia in starken Wettbewerb: Plötzlich fin- den sie sich in unmittel- barer Nach- barschaft von Wettbe- werbern wieder und Kunden kön- nen mit weni- gen Mausklicks den Anbieter wechseln. Das erfordert konsequente Kundenorien- tierung, die durch zufriedene Kunden do- kumentiert wird. Auf der anderen Seite ver- netzt Amazon die Verbraucher: Mit ihren Einkäufen steuern sie direkt die angebotenen Waren und Dienstleistungen. Über öf- fentliche Produkt- und Verkäu- ferbewertungen sind sie zum Meinungsbildner geworden und bestimmen maßgeblich über Er- folg und Misserfolg von Händ- lern und Produkten. Händler können auf der Basis dieser Bewertungen ihre Services und Produktangebote optimieren. Solche Plattformen ermögli- chen einen permanenten Dialog zwischen allen Teilnehmergrup- pen. Der einstmals mächtige klassische Versand- oder Ein- zelhandel kann hier nicht mit- halten und verliert erhebliche Marktanteile. Blaupause für KEP-Unternehmen Diese Vernetzung kann Blau- pause für die KEP-Branche sein. Doch wie müssen Platt- formen aussehen, mit denen es gelingt, eine kritische Masse an Verbrauchern zu erreichen und zu vernetzen? Wie kön- nen Verbraucher dort Logis- tikdienstleistungen bewerten und Verbesserungsvorschläge einbringen? Wie können sie möglichst einfach ihre Waren- sendungen, Track & Trace- Informationen und Kontakt- daten verwalten sowie mit KEP-Unternehmen kommuni- zieren? Das ganze Arsenal von Social-Media-Prinzipien von aktiver Teilnahme, kollektiver Zusammenarbeit, Transparenz und Unabhängigkeit bis hin zur Eigendynamik steht dafür bereit. Bisherige Erfolgsfak- toren von KEP-Unternehmen wie einseitige Machtausübung, Monolog, Intransparenz, Ab- schottung und Silodenken gehören in diesen Systemen zur Vergangenheit und führen in die Sackgasse, statt in die Zukunft. Von Sinn und Unsinn paralleler Logistikstrukturen In der KEP-Branche begin- nen besonders die Paketdienste, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Regional agierende Kuriere und Postunternehmen zeigen von einzelnen Ausnah- men abgesehen wenig Innova- tionsdrang. Sie überlassen eher Start-ups wie Tiramizoo und Mytaxi delivery das Geschäft. Die Paketdienste setzen auf sehr ähnliche Strategien: 1. Aufbau neuer Paketshops besonders im städtischen Bereich 2. Aufbau von Paketboxen und Paketbriefkästen (nur Deut- sche Post) 3. Aufbau von Internetplatt- formen für Verbraucher zur Steuerung von Paketzustel- lungen 4. Aufbau von Same-Day-Lie- ferstrukturen besonders im städtischen Bereich 5. Vorankündigung von Zu- stellzeiten und wählbare Zeitfenster. Jedes Unternehmen baut dabei zum vermeintlich eige- nen Vorteil sein eigenes in sich geschlossenes Ökosystem auf und aus. Aus Sicht der Emp- fänger ist das eine unsinnige Entwicklung. Es entsteht ein unübersichtliches Nebeneinan- der von Internetplattformen, Paketshops, Retourenprozessen und Kommunikationswegen. Verbraucher lieben es einfach: Ein-Klick-Bestellung, ein Login für alles, einheitliche Stamm- datenverwaltung und Kommu- nikationswege – das sind Ent- wicklungen, die zeigen, wohin die Reise eigentlich geht. Für Amazon & Co. ist es durch eine geringfügige Erwei- terung der Stammdatenverwal- tung ein Leichtes, die Hoheit über die Empfängerpräferenzen zu bekommen. Die Paketdiens- te werden dann diese Daten- hoheit nicht erlangen und zum austauschbaren Erfüllungsge- hilfen der Versender. Der eine setzt auf Marktmacht, die anderen auf Risiko Einer zumindest gewissen Logik folgt der massive Ausbau des eigenen Systems aus Sicht der Deutschen Post. Sie geht davon aus, dass sie ihr System aufgrund ihrer Marktmacht und Kapitalkraft durchsetzen kann und am Ende der Herr über alle Empfängerpräferen- zen und die einzige flächende- ckende Infrastruktur auf der letzten Meile ist. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass der Erfolg dieser Strate- gie fraglich ist. Bisher hatte die Deutsche Post mit inter- netbasierten Angeboten für Endkunden allerdings keinen Erfolg: Die E-Commerce-Platt- form Evita und die lebenslan- ge E-Mail @epost.de wurden verkauft oder eingestellt. Der E-Postbrief wird vom Verbrau- cher bisher kaum angenommen. Der Aufbau paralleler Infra- strukturen von DPD, UPS, GLS und TNT ist eine extrem riskante und teure Strategie, da sie zusammen in der B2C- Zustellung nur über einen ver- schwindend kleinen Markt- anteil von rund zehn Prozent verfügen. In der Wahrnehmung der Verbraucher tauchen sie kaum auf. Es ist nicht zu er- warten, dass einer von ihnen eine kritische Menge an Emp- fängerpräferenzen auf seiner Plattform einsammeln kann. Die jeweils eigenen Paketshop- netze werden im städtischen Bereich denen von Hermes und der Deutschen Post unter- legen sein. Die Zustellung im ländlichen Bereich wird kaum kostendeckend möglich sein. Das alles sind Wettbewerbs- nachteile, die Versender sehen und kennen. Ausblick Im KEP-Bereich sind somit folgende Entwicklungsszena- rien denkbar: A) Der Deutschen Post gelingt es, die Datenhoheit über Empfängerpräferenzen zu erlangen. Dazu hat sie die bes- te Infrastruktur auf der letzten Meile und die niedrigsten Pro- zesskosten. Ihr gelingt es, die Wettbewerber nach Belieben zu dominieren. Diese wiederum werden dann nur noch von den Versendern am Leben erhalten, damit sie nicht allein auf die Deutsche Post angewiesen sind. B) Einigen wenigen E-Com- merce-Plattformen gelingt es, die Empfängerpräferenzen ein- zusammeln. Da sie nun auch diese Datenhoheit haben, kön- nen sie damit beliebige Logis- tikpartner steuern. Eine wichti- ge Kernkompetenz, nämlich das Wissen über die Erreichbarkeit von Empfängern, verschiebt sich von Logistikdienstleistern zu Versendern. E-Commerce- Plattformen ohne Zugang zu Empfängerpräferenzen haben erhebliche Wettbewerbsnach- teile. Der Markteintritt für neue Teilnehmer wird schwieriger. C) Regionale Kurierdienste übernehmen mehr und mehr B2C-Zustellungen. Sie sind je- doch Erfüllungsgehilfen von bundesweit agierenden Plattfor- men, die entweder von Paket- diensten aufgebaut werden oder unabhängig von ihnen sind. D) Es entsteht eine Art »Social-Media-Plattform für Pakete«. Das Start-up www. pakete-umleiten.de zeigt, wie eine solches Portal aussehen kann. Es vernetzt offen Ver- braucher, KEP-Unternehmen und Versender und richtet sich an den Empfänger-, nicht den Unternehmensinteressen aus. Verbraucher verwalten hier KEP-Dienst-übergreifend ihre Stammdaten, Track & Trace- Informationen, Ersatzzustel- lungen und Kommunikations- wege. Sie können Bewertungen abgeben, Paketshops vorschla- gen, Retouren abwickeln und Verbesserungsvorschläge sowie Beschwerden einstellen. Diese Informationen sind Versendern wie KEP-Unternehmen offen und diskriminierungsfrei zu- gänglich. Sie fördern dadurch den Wettbewerb. Die Plattform wird von vielen Versendern und KEP-Unternehmen gefördert oder von ihnen initiiert, da sie sonst keinen Zugang zu diesen Informationen hätten und die jeweiligen Marktführer ihren Wettbewerbsvorsprung dras- tisch ausbauen würden. Andreas Schumann Anbieterwechsel mit wenigen Klicks: Verbrau- cher werden zu Dirigenten der Logistikkette. Seit genau zwölf Jahren ist die KEP aktuell auch so etwas wie eine Mitgliederzeitung. Entwickelt vom ETM Verlag Stuttgart mit Unterstützung des BdKEP stand dem BdKEP die letzte Seite zur freien Verfügung. Zum Jahresende nun beenden der ETM Verlag und der BdKEP ihre Zusammenarbeit. Eine Ära und eine sehr gute Zusammenarbeit gehen zu Ende und damit auch der kostenlose Versand der KEP aktuell an alle Mitglieder und inte- ressierten Stellen. Wir werden in Zukunft also auf andere Weise unseren Mitgliedern Informationen zukommen lassen. gez.RudolfPfeiffer,Vorsitzender ENDE EINER ÄRA Verantwortlich für diese Seite: BdKEP, Bundesverband Kurier-Express-Post-Dienste e. V. Friedrichstraße 95 10117 Berlin Telefon: 0 30/20 07 62 07 Fax: 0 30/20 07 62 08 E-Mail: [email protected] Internet: www.bdkep.de Rudolf Pfeiffer, Vorsitzender INFOS

Internet als Prüfstein für KEP-Dienste - KEP aktuell 11/ 2013

Embed Size (px)

Citation preview

8 i KEP aktuell 4 · 22. November 2013

+ + + B d K E P i n f o r m i e r t + + + B d K E P i n f o r m i e r t + + + B d K E P i n f o r m i e r t + + +

Internet als Prüfstein für KEP-DiensteKEP-Unternehmen sind »Verbraucherversteher« – Vernetzung als Chance – Sinn und Unsinn paralleler Logistikstrukturen

Seit einer Woche ist Bettina Schreiber krank ans Bett gefesselt. Sie braucht eini-

ges aus der Apotheke und fri-sche Lebensmittel müssen auch her. Guter Rat ist teuer: Sie ist neu in der Stadt. Freunde, Be-kannte und Verwandte sind weit weg. Da fällt ihr das Inter-netportal Bringbee.ch ein. Beim Mitbringservice kann man sich den Einkaufsweg sparen. Inner-halb weniger Minuten ist der Einkaufszettel eingetippt. Bis zum Abend sind alle Einkaufs-wünsche gebracht.

Solche Logistik-Start-ups schießen wie Pilze aus dem Bo-den. Den Treibstoff dazu liefert der boomende E-Commerce. Inzwischen treibt er auch die Logistikbranche vor sich her. Etablierte KEP-Unternehmen tun sich schwer damit. Kosten-druck, Besitzstandswahrung, Angst vor Veränderung, interner Wettbewerb sowie lokales Den-ken verhindern Innovationen.

Andere Branchen erleben das seit vielen Jahren. Passen sich Unternehmen nicht im notwen-digen Maß an, kann der digitale Wandel sie töten. Die Liste der Opfer ist ebenso prominent wie lang: Quelle, Neckermann, Arcandor, Financial Times Deutschland sind nur einige der Verlierer. Andere vermeint-lich unsinkbare Schlachtschiffe haben Schlagseite und kämpfen um ihr Überleben. Sie alle haben die Veränderungen durch das Internet zuerst ignoriert, danach belächelt, später bekämpft und sind am Ende gescheitert.

KEP-Unternehmen als »Verbraucherversteher«

Neben den sich radikal ver-ändernden Anforderungen an die Logistikprozesse stehen KEP-Unternehmen vor einer zweiten, noch größeren Heraus-forderung. Sie müssen sich auf neue Kunden ausrichten: auf die Verbraucher als Empfänger von Warensendungen. Bislang kennen Logistikunternehmen vorrangig nur eine Kunden-gruppe: Unternehmen als Ver-sender von Waren. Mit ihnen werden Verträge geschlossen. Sie zahlen die Vergütung für Transportdienstleistungen und das Transportrecht rich-tet sich an dieser Partnerschaft aus. Verbraucher als Empfän-ger der Sendungen kamen in diesem B2B-Geschäft gar nicht vor oder hatten im Zusammen-hang mit der Zustellung von Briefen und Paketen wenig zu melden. Für KEP-Unternehmen sind sie bislang eher störend, da sie mehr Kosten als Einnah-men und im Zweifel zusätz-lich Ärger bringen. Der ideale Empfänger hat einen möglichst großen, gut erreichbaren Brief-kasten und ist bei der Zustel-lung von Paketsendungen am besten im Zeitfenster von 8 bis 18 Uhr zu Hause.

Doch das Internet hat in vielen Branchen die Beziehung zwischen Unternehmen und Verbrauchern radikal verän-dert. Erfolgreich werden E-Commerce-Plattformen nur, wenn sie sich konsequent an den Nutzerbedürfnissen aus-

richten. Diese Entwicklung erfasst mittlerweile auch die Logistikbranche. Die extreme Nutzerorientierung bezieht sich nun auch auf die Zustel-lung von Warensendungen beim Verbraucher und die Rückführung von Retouren. Verbraucher werden zum »Di-rigenten« der Logistikkette. Diejenigen Dienstleister, die ihn dabei am besten verstehen, haben die größten Chancen auf erfolgreiche Geschäfte. Doch KEP-Unternehmen als »Ver-braucherversteher«? Das zählt bisher nicht zu ihren Kernkom-petenzen. Prominentes Beispiel dafür sind die schmerzlichen Erfahrungen der Deutschen Post aus der Einführung des E-Postbriefs. Trotz eines dreistel-ligen Millionenaufwands wur-de das Produkt bisher von der Masse der Verbraucher nicht angenommen.

Vernetzung als Chance

Erfolgreich sind Unterneh-men wie Amazon, Ebay, Airbnp und Facebook. Sie verstehen Wünsche und Bedürfnisse der Verbraucher. Zu ihren wesent-lichen Erfolgsfaktoren zählen ihre offenen Plattformen, die Anbieter und Kunden, Sender und Empfänger auf neue Art und Weise vernetzen.

So sind zum Beispiel Han-delsplattformen auf der einen Seite offen für Händler mit unterschiedlichsten Produkten. Diese Offenheit bietet vielfälti-ge Vorteile: Die Händler haben Zugriff auf eine größere Kun-denbasis. Einheitliche Stamm-datenverwaltung, Warenkorb-funktionen und Bezahlsysteme nehmen ihnen den aufwendi-gen Betrieb eigener Systeme ab. Durch neue Marketingop-tionen erschließen sie sich neue Kundensegmente. Allerdings setzt sie diese Offenheit auch

Foto

s: F

oto

lia

in starken Wettbewerb: Plötzlich fin-den sie sich in unmittel-barer Nach-b a r s c h a f t von Wettbe-werbern wieder und Kunden kön-nen mit weni-gen Mausklicks den Anbieter wechseln. Das e r f o r d e r t konsequente Kundenorien-tierung, die durch zufriedene Kunden do-kumentiert wird.

Auf der anderen Seite ver-netzt Amazon die Verbraucher: Mit ihren Einkäufen steuern sie direkt die angebotenen Waren und Dienstleistungen. Über öf-fentliche Produkt- und Verkäu-ferbewertungen sind sie zum Meinungsbildner geworden und bestimmen maßgeblich über Er-folg und Misserfolg von Händ-lern und Produkten. Händler können auf der Basis dieser Bewertungen ihre Services und Produktangebote optimieren.

Solche Plattformen ermögli-chen einen permanenten Dialog zwischen allen Teilnehmergrup-pen. Der einstmals mächtige klassische Versand- oder Ein-zelhandel kann hier nicht mit-halten und verliert erhebliche Marktanteile.

Blaupause für KEP-Unternehmen

Diese Vernetzung kann Blau-pause für die KEP-Branche sein. Doch wie müssen Platt-formen aussehen, mit denen es gelingt, eine kritische Masse an Verbrauchern zu erreichen und zu vernetzen? Wie kön-nen Verbraucher dort Logis-tikdienstleistungen bewerten und Verbesserungsvorschläge einbringen? Wie können sie möglichst einfach ihre Waren-sendungen, Track & Trace-Informationen und Kontakt-daten verwalten sowie mit KEP-Unternehmen kommuni-zieren? Das ganze Arsenal von Social-Media-Prinzipien von aktiver Teilnahme, kollektiver Zusammenarbeit, Transparenz und Unabhängigkeit bis hin zur Eigendynamik steht dafür bereit. Bisherige Erfolgsfak-toren von KEP-Unternehmen wie einseitige Machtausübung,

Monolog, Intransparenz, Ab-schottung und Silodenken gehören in diesen Systemen zur Vergangenheit und führen in die Sackgasse, statt in die Zukunft.

Von Sinn und Unsinn paralleler Logistikstrukturen

In der KEP-Branche begin-nen besonders die Paketdienste, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Regional agierende Kuriere und Postunternehmen zeigen von einzelnen Ausnah-men abgesehen wenig Innova-tionsdrang. Sie überlassen eher Start-ups wie Tiramizoo und Mytaxi delivery das Geschäft.

Die Paketdienste setzen auf sehr ähnliche Strategien: 1. Aufbau neuer Paketshops

besonders im städtischen Bereich

2. Aufbau von Paketboxen und Paketbriefkästen (nur Deut-sche Post)

3. Aufbau von Internetplatt-formen für Verbraucher zur Steuerung von Paketzustel-lungen

4. Aufbau von Same-Day-Lie-ferstrukturen besonders im städtischen Bereich

5. Vorankündigung von Zu-stellzeiten und wählbare Zeitfenster.

Jedes Unternehmen baut dabei zum vermeintlich eige-nen Vorteil sein eigenes in sich geschlossenes Ökosystem auf und aus. Aus Sicht der Emp-fänger ist das eine unsinnige Entwicklung. Es entsteht ein unübersichtliches Nebeneinan-der von Internetplattformen, Paketshops, Retourenprozessen und Kommunikationswegen. Verbraucher lieben es einfach: Ein-Klick-Bestellung, ein Login

für alles, einheitliche Stamm-datenverwaltung und Kommu-nikationswege – das sind Ent-wicklungen, die zeigen, wohin die Reise eigentlich geht.

Für Amazon & Co. ist es durch eine geringfügige Erwei-terung der Stammdatenverwal-tung ein Leichtes, die Hoheit über die Empfängerpräferenzen zu bekommen. Die Paketdiens-te werden dann diese Daten-hoheit nicht erlangen und zum austauschbaren Erfüllungs ge-hilfen der Versender.

Der eine setzt auf Marktmacht, die anderen auf Risiko

Einer zumindest gewissen Logik folgt der massive Ausbau des eigenen Systems aus Sicht der Deutschen Post. Sie geht davon aus, dass sie ihr System aufgrund ihrer Marktmacht und Kapitalkraft durchsetzen kann und am Ende der Herr über alle Empfängerpräferen-zen und die einzige flächende-ckende Infrastruktur auf der letzten Meile ist. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass der Erfolg dieser Strate-gie fraglich ist. Bisher hatte die Deutsche Post mit inter-netbasierten Angeboten für Endkunden allerdings keinen Erfolg: Die E-Commerce-Platt-form Evita und die lebenslan-ge E-Mail @epost.de wurden verkauft oder eingestellt. Der E-Postbrief wird vom Verbrau-cher bisher kaum angenommen.

Der Aufbau paralleler Infra-strukturen von DPD, UPS, GLS und TNT ist eine extrem riskante und teure Strategie, da sie zusammen in der B2C-Zustellung nur über einen ver-schwindend kleinen Markt-anteil von rund zehn Prozent verfügen. In der Wahrnehmung der Verbraucher tauchen sie

kaum auf. Es ist nicht zu er-warten, dass einer von ihnen eine kritische Menge an Emp-fängerpräferenzen auf seiner Plattform einsammeln kann. Die jeweils eigenen Paketshop-netze werden im städtischen Bereich denen von Hermes und der Deutschen Post unter-legen sein. Die Zustellung im ländlichen Bereich wird kaum kosten deckend möglich sein. Das alles sind Wettbewerbs-nachteile, die Versender sehen und kennen.

Ausblick

Im KEP-Bereich sind somit folgende Entwicklungsszena-rien denkbar: A) Der Deutschen Post gelingt es, die Datenhoheit über Empfängerpräferenzen zu erlangen. Dazu hat sie die bes-te Infrastruktur auf der letzten Meile und die niedrigsten Pro-zesskosten. Ihr gelingt es, die Wettbewerber nach Belieben zu dominieren. Diese wiederum werden dann nur noch von den Versendern am Leben erhalten, damit sie nicht allein auf die Deutsche Post angewiesen sind.

B) Einigen wenigen E-Com-merce-Plattformen gelingt es, die Empfängerpräferenzen ein-zusammeln. Da sie nun auch diese Datenhoheit haben, kön-nen sie damit beliebige Logis-tikpartner steuern. Eine wichti-ge Kernkompetenz, nämlich das Wissen über die Erreichbarkeit von Empfängern, verschiebt sich von Logistikdienstleistern zu Versendern. E-Commerce-Plattformen ohne Zugang zu Empfängerpräferenzen haben erhebliche Wettbewerbsnach-teile. Der Markteintritt für neue Teilnehmer wird schwieriger.

C) Regionale Kurierdienste übernehmen mehr und mehr B2C-Zustellungen. Sie sind je-doch Erfüllungsgehilfen von bundesweit agierenden Plattfor-men, die entweder von Paket-diensten aufgebaut werden oder unabhängig von ihnen sind.

D) Es entsteht eine Art »Social-Media-Plattform für Pakete«. Das Start-up www.pakete-umleiten.de zeigt, wie eine solches Portal aussehen kann. Es vernetzt offen Ver-braucher, KEP-Unternehmen und Versender und richtet sich an den Empfänger-, nicht den Unternehmensinteressen aus. Verbraucher verwalten hier KEP-Dienst-übergreifend ihre Stammdaten, Track & Trace-Informationen, Ersatzzustel-lungen und Kommunikations-wege. Sie können Bewertungen abgeben, Paketshops vorschla-gen, Retouren abwickeln und Verbesserungsvorschläge sowie Beschwerden einstellen. Diese Informationen sind Versendern wie KEP-Unternehmen offen und diskriminierungsfrei zu-gänglich. Sie fördern dadurch den Wettbewerb. Die Plattform wird von vielen Versendern und KEP-Unternehmen gefördert oder von ihnen initiiert, da sie sonst keinen Zugang zu diesen Informationen hätten und die jeweiligen Marktführer ihren Wettbewerbsvorsprung dras-tisch ausbauen würden.

Andreas Schumann

Anbieterwechsel mit wenigen Klicks: Verbrau-cher werden zu Dirigenten der Logistikkette.

Seit genau zwölf Jahren ist die KEP aktuell auch so etwas wie eine Mitgliederzeitung. Entwickelt vom ETM Verlag Stuttgart mit Unterstützung des BdKEP stand dem BdKEP die letzte Seite zur freien Verfügung. Zum Jahresende nun beenden der ETM Verlag und der BdKEP ihre Zusammenarbeit. Eine Ära und eine sehr gute Zusammenarbeit gehen zu Ende und damit auch der kostenlose Versand der KEP aktuell an alle Mitglieder und inte-ressierten Stellen. Wir werden in Zukunft also auf andere Weise unseren Mitgliedern Informationen zukommen lassen. � gez.�Rudolf�Pfeiffer,�Vorsitzender

EndE EinEr ÄraVerantwortlich für diese Seite:BdKEP, Bundesverband Kurier-Express-Post-dienste e. V.Friedrichstraße 9510117 BerlinTelefon: 0 30/20 07 62 07Fax: 0 30/20 07 62 08E-Mail: [email protected]: www.bdkep.deRudolf Pfeiffer, Vorsitzender

inFOS