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Spritzgiessbarer thermisch hochleitfähiger Faserverundkunststoff. Quelle: GAK Fachmagazin für die Polymerindustrie

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Page 1: Spritzgiessbarer thermisch hochleitfähiger Faserverundkunststoff. Quelle: GAK Fachmagazin für die Polymerindustrie

50 GAK 1/2014 – Jahrgang 67

Bericht

1. Erhöhte Marktchancen

Thermisch leitfähige Kunststoffe stellen nach wie vor Nischenprodukte dar, da sie vielfach bestehende Werkstoffe aufgrund zu niedriger Leitfähigkeit und/oder zu hohem Preis nicht zu substituieren vermögen. Die Werkstoffi nnovation Hot Polymer CF 273 öffnet den Markt, da sich seine in Praxistests nachgewiesene Leitfähigkeit auf dem Niveau von Aluminium bewegt und es gleichzeitig eine kostengünstigere Alternative zu dem Leichtmetall darstellt. Im Vergleich zu den bestehenden Kunststoffsystemen weist Hot Polymer CF 273 entweder eine höhere Leit-fähigkeit auf oder ist preislich signifi kant günstiger.

2. Ist-Zustand spornte zum Handeln an

Wie elektrische amorphe Isolatoren, so sind auch Kunststoffe schlechte Wärmelei-ter. Die Wärmeleitfähigkeit von Kunststof-fen im ungefüllten Zustand liegt im Bereich von 0,1 – 0,5 W/mK und ist im Vergleich zu Metallen (10 – 400 W/mK) um ein Vielfa-ches niedriger. Kunststoffe sind elektrische Isolatoren mit Leitfähigkeiten im Bereich

von 10 – 16 S. Sie sind somit im ungefüllten Zustand gleichzeitig schlechte Wärmeleiter und elektrische Isolatoren. Das Einmischen von elektrisch leitfähigen Füllstoffen in die Kunststoffmatrix ermöglicht eine Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit. Durch Zuga-

be von leitfähigen Füllstoffen nimmt die thermische und elektrische Leitfähigkeit gemeinsam zu. Viele technische Anwen-dungen erfordern jedoch eine hohe Wär-meableitung bei gleichzeitiger elektrischer Isolation.

3. Vom Diamant- zum Gold-Standard

Damit ein Werkstoff Strom leiten kann, muss er über bewegliche Elektronen verfü-gen. Bei den Metallen bewerkstelligen dies deren äußere Elektronen. Diese Elektronen verfügen über keine klar zugeordnete Atom-zugehörigkeit und können sich deswegen im Metallgitter frei in alle Raumrichtungen bewegen. Im Gegensatz zu den Metallen sit-zen bei Isolatoren oder Nichtleitern, wie Dia-mant und vielen Kunststoffen, die Elektronen in Einfachbindungen zwischen benachbarten Atomen fest.

Werkstoffi nnovation:

Spritzgießbarer thermisch hoch-leitfähiger Faserverbund kunststoffL. Rominger

Das Schweizerische Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement EVD, Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT, Förderagentur für Innovation KTI, hat der Romin-ger Kunststofftechnik GmbH einen Innovationsscheck für die Weiterentwicklung des thermisch leitfähigen und spritzgießbaren Faserverbundkunststoffes „Hot Polymer CF 273“ ausgestellt. Nach fünfjähriger Forschung ergaben aktuelle Messungen, dass sich die Leitfähigkeit des innovativen Werkstoffs im Bereich von Aluminium bewegt (Abb. 1).

Lars Rominger

[email protected]

Geschäftsführer

Rominger Kunststofftechnik GmbH, Edlibach,

Schweiz

Abb. 1: Vier-Punkt-Nadelprober-Mikroskop für die Leitfä-higkeitsmessungen (In-terstaatliche Hochschule für Technik NTB Buchs)

Vormischung50 % C273 + 50 % F273

Spritzgussteil I50 % C273 + 50 % F273

Spritzgussteil I30 % C273 + 70 % F273

Spritzgussteil II20 % C273 + 80 % F273

Compound I30 % C273 + 70 % F273

Compound II20 % C273 + 80 % F273

Spritzgiessen

Compoundextruder

B

CA

Abb. 2: Schematische Darstellung einer der Compoundier- und Spritzgießversuche (C273 = C-Matrix; F273=Füllstoff)

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GAK 1/2014 – Jahrgang 67 51

Eine Mittelstellung nimmt Grafi t ein – ein enger Verwandter des Diamanten. Beim Grafi t sind innerhalb einer Schicht bestimmte Elek-tronen frei beweglich. Dieser Effekt kann mit dem molekularen Aufbau des Grafi ts begrün-det werden. Von den vier Valenzelektronen des Kohlenstoffs werden nur drei genutzt, um kovalent verknüpfte Sechsecke analog einem bienenwabenartigen ebenen Gerüst zu bilden. Die p-Orbitale (hantelförmige Aufenthalts-räume) des vierten Elektrons ragen beim Gra-fi t zu beiden Seiten aus der Schicht heraus und überlappen sich so zu einem halb gefüll-ten Leitungsband. Dies ermöglicht eine Bewe-gung in zwei Dimensionen (anisotrop), somit exakt innerhalb der Schichten.

Hot Polymer CF 273 verfügt aufgrund sei-nes hohen Metallanteils über delokalisierte Elektronen in allen Raumrichtungen (isotrop), kann jedoch im Gegensatz zu reinen Metallen wie ein thermoplastischer Kunststoff spritz-gegossen werden und bietet dadurch im Ver-gleich zu Kunststoffsystemen von Mitbewer-bern eine signifi kant höhere Leitfähigkeit. Der Nachweis der Spritzgießbarkeit bei minima-ler Abrasivität trotz des sehr hohen Füllgra-des konnte über die Diplomarbeit von Silvio Gächter im Jahr 2011 nachgewiesen werden. Die dafür erforderlichen Versuche wurden in enger Zusammenarbeit mit der Semade-ni AG und deren Spritzgießmaschinen durch-geführt. Die vorgeschalteten Compoundie-rungen fanden bei der Bruno Peter AG statt (Abb. 2). Die nun abgeschlossenen Studien hinsichtlich der Leitfähigkeiten und der an-fallenden Kosten, ergaben im Vergleich zu

den Mitbewerbern, dass Hot Polymer CF 273 eine signifi kant bessere technisch-wirtschaft-liche Wertigkeit aufweist.

4. Füllstoffeigenschaften und Mischungsverhältnis sind ausschlaggebend

Bei magnetischen, thermischen und elek-trischen Eigenschaften der Kunststoffe unterscheiden sich die Abhängigkeiten vom Füllstoffgehalt grundlegend und entschei-dend. Die thermischen und magnetischen Eigenschaften hängen überproportional vom Füllstoffvolumengehalt ab. Auf der anderen Seite zeigt die elektrische Leitfähigkeit bezüglich Füllstoffvolumengehalt eine ausge-prägte Schwelle (Perkolationsschwelle). Beim Füllen eines Kunststoffes, z. B. mit Kupfer, ist der Einfl uss auf die thermische Eigenschaft nahezu linear (Abb. 3). Bei der elektrischen Leitfähigkeit hingegen, stellt sich bei einer bestimmten Füllstoffmenge ein sprunghafter Anstieg (Perkolationsschwelle) ein. Die Ursa-che für die Perkolationsschwelle liegt primär darin begründet, dass sich ein durchgehen-des Netzwerk gebildet hat. Es entstehen so-genannte Leitpfade, in denen sich die Füll-stoffpartikel berühren bzw. sich bis bis auf ca. 10 nm oder kleiner annähern, wodurch Elektronen transportiert werden können.

Ebenfalls einen Einfl uss auf die Perkolati-onsschwelle und den Plateauwert haben ne-ben den Füllstoffen und deren Abstand auch die Form der Füllstoffpartikel und deren Nei-

gung zu Agglomeration von Netzwerken, die statistische Füllstoffverteilung sowie die Füll-stoffausrichtung (Abb. 4). Weitere Einfl üsse üben die Konstruktion des Angusses und des Bauteils sowie die Prozessführung der Verar-beitung aus. Die Werkstoffi nnovation umgeht u. a. die Problematik der Perkolationsschwel-le indem die Randfasern des hochleitfähigen Füllstoffs mittels eines patentierten Verfahrens behandelt werden. Somit entsteht ein Kunst-stoff mit neuen Eigenschaften: Ein spritzgieß-barer thermoplastischer Kunststoff, der einer-seits Wärme leicht ableitet, andererseits aber, bei Bedarf, elektrisch isolierend wirkt. Eine ideale Kombination für PCs und insbesondere Laptops, die sich heute noch zu sehr erwär-men bzw. deswegen gekühlt werden müssen. Generell kommen sämtliche bestehenden Kunststoffanwendungen, die über eine ver-besserte Wärmeabfuhr bei gleichzeitiger elek-trischer Isolation verfügen müssen, in Frage – u. a. in der Medizintechnik für Gehäusever-schalungen wie z. B. Pumpengehäuse für die Absaugung von Blut und Sekret, Kunststoff-wannen für Lichttherapien, wärmeleitfähige Tubes für Laboranalysen, u. v. a. m.

Der neue Faserverbundkunststoff Hot Polymer CF 273 bietet drei grundsätzliche Vorteile bei der Substitution bestehender Aluminium-Applikationen:

• Zeitersparnis (CNC-Fräsen vs. vollautoma-tische Spritzgießtechnologie),

• signifikante Kosteneinsparung, da ein wesentlich günstigeres Herstellungsver-fahren ohne Rohmaterialverlust ange-wandt werden kann,

• keine Oxidationsprobleme wie bei Alumi-nium.

Abb. 3: Schematische Darstellung der magnetischen Eigenschaften, der elektrischen und thermischen Leitfähig-keit sowie der mechanischen Eigenschaften vom Füllstoffgehalt. Die Werkstoffi nnovation umgeht mit der patentierten Randfaserbehandlung die Perkolationsschwelle.

20 µm

Abb. 4: Chemisch geätzter Anschliff eines thermisch leitfähig modifi zierten Kunststoffes mit Kupferzusatz. Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme der Kunststoffstruktur und der Füllstoff–Matrix–Anbindung.

Festigkeit(abhänging von

Anbindung Füllstoff,...)

elektrischeLeitfähigkeit

Bruchdehnung Zielbereichelektrischleitfähige

Compounds

Zielbereichmagnetisierbare /therm. leitfähige

Compounds

magnetische EigenschaftenE-Modul

Wärmeleitfähigkeit

Leit

fähi

gkei

t m

agn.

/mec

h. E

igen

scha

ften

Füllgehalt