1 Wahrscheinlichkeits- rechnung Eine Einführung nach der Historie

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Wahrscheinlichkeits-rechnung

Eine Einführung nach der Historie

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Der große Plan

Der anrüchige StartLaplace-Wahrscheinlichkeiten

6 aus 49Das Geburtstagsproblem

Bedingte WahrscheinlichkeitenKolmogoroffs Befreiungsschlag

Was ist Zufall?Würfeln und ZufallWir stoppen nach spätestens 90 Minuten, wir werden weiter über das Thema reden

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Worüber Sie nichts erfahren

• Gausssche Normalverteilung

• Dichtefunktion

2x

21

f(x) = e2

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Der Start: Würfeln

Würfeln mit einem „fairen“ Würfel

Problem A: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit,eine 6 zu würfeln?

Problem B: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, eine6 oder eine 1 zu würfeln?

Problem C:Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, keine 6 zu würfeln?

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Einige Bezeichnungen

Zufallsexperiment: WürfelnErgebnismenge M: {1,2,3,4,5,6}Zufälliges Ereignis: A = {6}

B = {6,1}Wahrscheinlichkeit: P(A) =1/6

P(B) =2/6

6

Noch einige Bezeichnungen

Gegenereignis zu A:

Anzahl der Elementeeiner Menge X: |X|, z.B.

|A| = 1

|B|= 2

A, z.B. {6} = {1, 2, 3, 4, 5}

5P(A) = 1 - P(A) =

6

7

Pierre Simon Laplace

1749 – 1827

Physiker und Mathematiker

Mechanik, Kosmologie

1812: Théorie analytique des probabilités

8

Laplace-Wahrscheinlichkeiten

günstig für A | A |P(A) = ,

Gesamtzahl | M |

ein einfaches und plausibles Konzept!

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Voraussetzungen:

„Faire Würfel“

Man kann schmerzfrei dividieren, also M ist endlich

Sie hatten bis jetzt sicher keine Probleme!

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Eine wichtige Eigenschaft

P({keine 6}) =

1 – P({eine 6}) = 5/6

Allgemein: P(A) = 1 - P(A)

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Eine neue Aufgabe

Zweimal würfeln, natürlich fair.

A = {mindestens eine 6}

P(A) = 2/6?

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Lösung

M = {(1,1), (1,2), ….., (6,5), (6,6)}

|M| = 36

A = {(1,6), (2,6), …, (6,6), (6,5), … , (6,1)}, also:|A| = 11 und damit:P(A) = 11/36 < 2/6

Kennen Sie eine andere richtige Lösungsmethode?

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Eine Alternative

|A|P(A) = 1 - P(A) = 1 -

|M|

25 111 - =

36 36

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Laplace-WahrscheinlichkeitenEinfaches KonzeptStrikte Voraussetzungen

Probleme:Wie ermittelt man |M|?Wie ermittelt man |A|?

Da fängt der Ärger an, damit fing es an!

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Antoine de Gomband,Chevalier de Méré

Ein Zocker, weit besser als sein Ruf Kein Bild verfügbar

Er hatte ein Problem (Wette 1, Wette 2)Damit wandte er sich an Pascal, dieserkonsultierte Fermat, beide lösten das Problem

Dies wurde zur Geburtsstunde der WR.

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Pascal

1623 – 1662

Theologe, Philosoph,Mathematiker, Physiker

Einer der Riesen, auf dessen Schultern wir stehen

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Pierre de Fermat

1601 – 1665

First Class Mathematiker, ein Superstar

Zahlentheorie, ohne ihn gäbe es

keine asymmetrischen Verfahren in der Kryptologie

Der große Fermat: Ende der 80ger Jahre bewiesen

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Wette 1

De Méré: Viermal würfeln.A = {mindestens eine

6}

Darauf setze ich.

Und dies tat er mit Erfolg!

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Wette 1: Die Lösung

|M| = 6·6·6·6 = 64

A ist kompliziert.

Besser:

4

4

4

A = {keine 6}

|A| = 5 5 5 5 5 und daher

5P(A) = 1 - P(A) = 1- 0,5177

6

20

Wette 2

De Méré: 24-mal würfeln mit zwei WürfelnB = {mindestens eine Doppelsechs}

Darauf setze ich.

Und dabei verlor er!

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De Mérés Argument

Würfeln mit einem Würfel:C = {eine Sechs}, P(C) = 1/6

Würfeln mit 2 WürfelnD = {Doppelsechs}, P(D) =1/36P(D) = 1/6∙P(C).Bei C genügen vier Würfe zum Gewinnen,bei D genügen dann 6∙4 = 24 Würfe.

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Wette 2: Die Lösung

|M| = 3624

B ist kompliziert.

Besser:

24

24

24

B = {keine Doppelsechs}

|B| = 35 und daher

35P(B) = 1 - P(B) = 1- 0,4914

36

23

Eine Verallgemeinerung

Zweimal Würfeln.

Wie oft muss man mindestenswürfeln, um mit einer Wahrscheinlichkeit p =0,69mindestens eine Doppelsechs zuerhalten?

24

Lösung

n

n

n n

n

n

n sei die gesuchte Zahl.

A {n mal zweifach würfeln}

P(A ) 0,69

P(A ) 1 P(A ) 0,31.

35P(A ) 0,31.

36

Lösung durch Probieren oder anders.

25

P(An)

Frage:

Warum die vielen Fehleinschätzungen?

n P

19 0,38

20 0,41

21 0,44

22 0,48

23 0,51

24 0,54

25 0,57

26 0,60

27 0,63

26

P(An) allgemein

0,00

0,50

1,00

1 11 21 31 41 51

P(An)

27

P(An)

De Méré war naheam Gewinnpunkt

n P(An)

20 0,431

21 0,447

22 0,462

23 0,477

24 0,491

25 0,506

26 0,519

27 0,533

28 0,546

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Historische Note:

Samuel Pepys1633 – 1705

Berühmter Tagebuch-schreiber

Wandte sich 1693 mit de Mérés Problem anNewton

War mit der richtigenAntwort unzufrieden

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Eine Frage am Ende des Würfelns: Nichtunterscheidbare Würfel

Zweimal würfeln.

Unterscheidbare Würfel:|M| = 6·6 = 36P(Doppelsechs) = 1/36

Nicht unterscheidbar:|M| = 21 P(Doppelsechs) = 1/21

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Das Problem:

Gibt es nicht unter-scheidbare Würfel?

Und wie entscheidetman, welche Annahmerichtig ist?

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Das Geburtstagsparadoxon

Ein erstaunliches Ergebnis.

Vereinfachende Annahmen:

Es gibt keine Schaltjahre.Jeder Tag hat als Geburtstag die gleiche Wahrscheinlichkeit.

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Ein einfaches Problem

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeitp, dass jemand am 1. Januar Geburtstag hat?

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit q, dass jemand nicht am 1. Januar Geburtstag hat?

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Lösung

p = 1/365 = 0,0027

Im zweiten Fall:

q = 364/365 = 1-p = 0,9973

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Eine Verallgemeinerung

Gegeben sind n Personen.

An = {mindestens einer hat am 1.

Januar Geburtstag}

Gesucht: P(An)

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Lösung

Es ist günstig, das Gegenereignis zubetrachten:Ān = {keiner hat am 1.1. Geburtstag}

|M| = 365n, |Ān| = 364n

Man erhält:

P(An) =1-P(Ān) = 1-(364/365)n

36

Frage:

Ab welcher Personenzahl würden Sie darauf wetten, dass mindestenseine Person am 1.1. Geburtstag hat?

37

P(An)

0,00

0,50

1,00

1 6 11 16 21 26 31 36

38

Geburtstagsproblem

5 Personen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens zwei am gleichenTag Geburtstag haben?

39

Lösung

Es ist günstig, das Gegenereignis zubetrachten:Ā = {keine zwei haben am gleichenTag Geburtstag}

|M| = 3655

| Ā | = 365∙364 ∙363 ∙362∙361Man erhält: P(A) =1-P(Ā) = 0,027

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Das allgemeine Problem:

n PersonenAn ={mindestens zwei haben am

gleichen Tag Geburtstag}

Wie groß muss n sein, damitP(An) > ½?

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Berechnung von P(An)

n nP(A ) 1 P(A )

365 364 363 ....(365 n 1)1

365 365 365 .................365

42

P(An)

0,00

0,50

1,00

1 11 21 31 41

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Geburtstagsparadox in der Kryptologie

Wichtig bei Man in the Middle-Angriffen,

wichtig für die Länge von Hashfunktionen bei digitaler Signatur

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Eine Prosavariante des ParadoxonsLincoln-Kennedy-Misterium

Erstaunliche Parallelen im Leben

Verschwörung?

Erklärung:

In jeder genügendgroßen Personengruppegibt es überraschendeÜbereinstimmungen

Hinweis: Ockhams Messer

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Ockham

1280-1349

Prinzip der einfachstenErklärung

Entia non sunt multiplicanda praeternecessitatem (Eine spätere Formulierung)

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Ziehung der Lottozahlen

A = {mindestens 4 Richtige}

B = {1. gezogene Zahl ist falsch}

P(A) ≈ 0,001

47

Lotto:

A = {mindestens 4 Richtige}

B = {1. gezogene Zahl ist falsch}

P(A) ≈ 0,001

P(A|B) =Wahrscheinlichkeitfür A, wenn B eingetreten ist.

„BedingteWahrscheinlichkeit“

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Lotto:

A = {mindestens 4 Richtige}

B = {1. gezogene Zahl ist falsch}

P(A) ≈ 0,001

P(A|B)≈0,0004P(A|nicht B) ≈0,005

„BedingteWahrscheinlichkeit“

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Bedingte Wahrscheinlichkeiten

P(A|B) = Wahrscheinlichkeit für A, wenn B eingetreten ist.

Berechnung:

P(A B)P(A|B) =

P(B)

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Eine Aufgabe:

Zwei Urnen: U1 und U2.

U1: 6 rote Kugeln, 6 blaue Kugeln

U2: 4 rote Kugeln, 8 blaue Kugeln

Eine Urne wird zufällig ausgewählt:P(U1) =1/3, P(U2) = 2/3

Aus der gewählten Urne wird eine Kugel entnommen.

P(blau) = ?

51

Lösung1

2

1A = {U wird gewählt}, P(A) =

32

A = {U wird gewählt},P(A) =3

B {gezogene Kugel ist blau}

1 6 2 8 22 11P(B) =

P(B) P(A)

3 12 3 12 36 18

Satz von der totalen Wahr

P(B | A) P(A) P(B

s

| A

i

)

che

nlichkeit

52

Eine Baumdarstellung:

53

Die berühmte Umkehrung

Thomas Bayes1702 – 1761

1764Essay towardssolving a problem in the doctrine ofchances

54

P(A|B) = ?

55

Satz von Bayes

1 6 33 12P(A|B)=

P

11 1118

(A) P(B|A)P(A|B)=

P(B)

56

Peter Gauweiler

Kantiger Politiker,

empfahl Anfang in denachtziger Jahren einenflächendeckenden Aidstest

57

Eine Anwendung

A = positivB = Test sagt positivP(A) =0,0001P(B|A)=0,999P(B|Ā)=0,01

P(A|B) =?

58

Überrascht?

P(A) P(B|A)P(A|B)=

P(A) P(B|A)+P(A) P(B|A)

0,0001 0,999

0,0001 0,999 0,9990,01

9 0,01

59

Die Grenzen der Laplace-Methode:

Voraussetzungen:

1. „Fairness“2. |M| < ∞

|A|P(A)=

|M|

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Kolmogoroffs neue Sicht

Andrey N. Kolmogoroff1903 – 1987

1933:Grundbegriffe derWahrscheinlichkeits-rechnung

61

Axiome für WahrscheinlichkeitenGegeben ist ein Zufallsexperimentmit der Ergebnismenge M.

E sei die Menge aller zufälligenEreignisse.

Eine Wahrscheinlichkeit P ist eine AbbildungP: E→R mit:

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Axiome:

(W1): P(A) 0 für alle A E ("positiv")

(W2): P(M) = 1 ("normiert")

(W3): Aus A B= folgt: P(A B)=P(A)+P(B)

("additiv")

u And

naloges für unendlich viele Mengen

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Bedeutung:

Beginn der modernen Wahrscheinlichkeits-rechnung

Beginn dermodernen Statistik

Einige Protagonisten:

Richard von Mises,Paul Lévy,Boris Gnedenko,William Feller,

64

Neue Probleme:

Mathematisch:– Was sind zufällige Ereignisse?– Oder welche Mengen sind messbar?– Stochastische Prozesse (zeitliche

Zufallsabläufe)?

65

Neue Probleme:

K‘s Axiome sagen, wie man mitWahrscheinlichkeiten rechnet, wenn man sie hat.

Sie sagen nicht, wie man siebestimmt.

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Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten:

Die a-priori-Methode

Die statistische Methode

Die Methode der subjektiven Wahr-scheinlichkeiten

67

Viele offene Fragen

Grundsätzlich: Was ist Zufall?Grundsätzlich: Was macht Würfelnzufällig?

Psychologisch: Woher die vielenFehleinschätzungen, die Paradoxa?

Und: Warum ist die Glockenkurve so wichtig?

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Haben Sie noch Fragen?

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Es gibt noch viel zu berichten:

Wie ist es beim Lotto? (Kombinatorik)

Wie erzeugt man Zufallszahlen?

Und was hat es mit dem Ziegenproblem auf sich?

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LiteraturtippsVon Randow: Das Ziegenproblemrororo 2004 7,90 €

Monk u.a.: Gewinnen mit Wahrscheinlichkeitrororo 2002 Vergriffen

Basieux: Die Welt als Rouletterororo 1995 8,50 €

Büchter/Henn Elementare StochastikSpringer 2005 24,95 €

Szekely: ParadoxaHarri Deutsch 2001 24,80 €

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Wenn Sie mehr wissen wollen

www.wickipedia.de: Da werden Sie geholfen.

Geschichte der Mathematik:http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/~history/

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Weiter im September:

Mit Kombinatorik

Für die Lange Nacht suchen wir Mitstreiter

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Zum Ende eine CD-Rom

Mit den Tholeyer Vorträgen

Mit nützlichen Programmen

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