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peilung FORSCHUNG UND TECHNIK/67

Mittwoch. 18. Juni 1986 Nr. 138 67

Katzen und Klee

Charles Darwin beobachtete, dass Hummelneine wichtige Rolle bei der Bestäubung vonRotklee spielen. Er wusste ferner, dass Mäuseoft Hummelnester zerstören, und er nahm an,dass die Zahl der Mäuse von der Häufigkeit derKatzen abhängt. Daraus schloss er, dass dasVorkommen von Klee im wesentlichen durchKatzen kontrolliert wird. Das ist eine hübscheGeschichte, und Biologen und andere Leute ha-ben sie über die Jahre weiter ausgeschmückt. Inspäteren Versionen beginnt die Kette bei allein-

Abb. 1. Viele Hummelarten besitzen Mundwerkzeuge, die vor allem durch eine lange Zunge ausgezeichnet sind.Mit dieser Ausstattung sind sie in der Lage, e i ne Vielzahl von Blüten auszubeuten. (Photo: J.-F. Boudinot)

Die Hummel und das britische WeltreichVon Felix Baerlocher

Hummeln spielen eine wichtige Rolle bei der Bestäubung vieler Kultur- und Wild-pflanzen. Ein ausgeklügelter Wärmehaushalt erlaubt ihnen, auch bei tiefen Lufttempera-turen aktiv zu bleiben. Nektar und Pollen bilden die Nahrungsquellen einer Hummelko-lonie. Die Entscheidung, welche Blumen besucht werden, trifft jede Hummelarbeiterinnach selbständiger Beurteilung des gegenwärtigen Angebotes.

kaum aktiv bei Temperaturen unter 15 °C. Aus-serdem ist sie weniger geeignet für Blumen mittiefen, engen Kronen (wie Rotklee) oder mit«explosiven» Bestäubungsmechanismen (wieLuzerne). Diese werden zuverlässiger durch diegrösseren, kräftigeren Hummeln mit ihren lan-gen Rüsseln bestäubt. In Neuseeland erhöhtesich denn auch die Produktion von Kleesamenmerklich nach der Einführung und Freisetzungvon Hummeln im Jahre 1885.

Ganz abgesehen von ihrer ökologischen undwirtschaftlichen Bedeutung sind Hummeln fas-zinierende Lebewesen, die es geschafft haben,sich unter schwierigen äusseren Bedingungen zubehaupten. Unsere Kenntnisse über ihre Biolo-gie sind vor allem durch die Untersuchungen

von Bernd Heinrich (University of Vermont,USA) entscheidend vertieft worden. Seine Er-gebnisse hat er in mehreren Büchern und Arti-keln beschrieben, die auch dem Laien leicht zu-gänglich sind (z. B. B. Heinrich. 1984. In a Patchof Fireweed. Harvard University Press).

Lebenszyklus

Hummeln leben vorwiegend in arktischenund gemässigten Zonen. Ihr Lebenszyklus be-ginnt im Frühling mit einer befruchteten Köni-gin, die im Boden überwintert hat. In einemgeeigneten Loch (häufig ein verlassenes Maus-nest) beginnt sie ihre Kolonie aufzubauen. Dazusammelt sie Nektar (für Energie) und Pollen (alsNahrung für ihre Nachkommen) von verschie-denen Blumen. Ihr erstes Gelege besteht aus 8

bis 10 Eiern. In 2 bis 3 Wochen schlüpfen dieersten Arbeiterinnen, die in ein paar Tagen beider Nahrungssuche und Pflege des nächsten Ei-geleges mithelfen. Die Kolonie wird allmählichgrosser, und die Königin kann sich mehr undmehr auf das Eierlegen beschränken. Gegen

Ende einer Saison entwickeln sich aus den Ei-ern Königinnen und Drohnen. Befruchtung fin-det statt, und die neuen Königinnen verkrie-chen sich im Boden, um dort zu überwintern.Der Zyklus kann von vorne beginnen. Eine Ko-lonie (und damit ihre Königin) ist um so erfolg-reicher, je mehr Königinnen sie im Laufe einesSommers produzieren kann. Die dabei geleistete

Arbeit ist eindrücklich. Hummeln besuchen un-gefähr doppelt so viele Blumen pro Zeiteinheitwie andere Bienen. Sie fliegen von Sonnenauf-gang bis Abenddämmerung und sind, im Ge-gensatz zu den meisten anderen Insekten, häu-fig auch bei Temperaturen nahe bei 0 °C nochaktiv. Dies ist nur möglich wegen ihres ausge-klügelten Wärmehaushaltes.

Wärmeregulation

Das Fliegen, wie jede Muskeltätigkeit, benö-tigt Energie. Es entsteht Wärme, und in derHummel macht dies etwa 90 Prozent der umge-setzten Energie aus. Wegen der hohen Umsatz-rate kann sich die Körpertemperatur innert Se-kunden um mehrere Grade erhöhen. Bei tiefenLufttemperaturen ist dies erwünscht, da Flugnur möglich ist, wenn die Muskeln mindestens30 °C warm sind. Bei hohen Lufttemperaturenbesteht jedoch die Gefahr der Überhitzung; dieFlugmuskeln funktionieren nur unterhalb44 °C. Die Hummel muss also je nach Lufttem-peratur in der Lage sein, den Wärmeverlust ein-zuschränken oder überschüssige Wärme loszu-werden.

Diese Doppelfunktion ist mit dem Blutzirku-lationssystem verknüpft. Der Hummelkörper ist

Abb. 2. Kopf (mit Auge), Brust und Hinterleib einerHummel (von links nach rechts). Von oben nach unten:Bei liefen Lufttemperaturen fliessen kalles Hinterleib-und warmes Brustblut gleichzeitig, aber in entgegenge-

setzter Richtung, durch e i ne enge Taille, getrennt durchdie dünne Wand der Aorta. Wärmeaustausch findetstatt. Bei höheren Lufttemperaturen wird dieser Aus-tausch verhindert und dadurch der Wärmeverlust er-höht, indem die beiden Blutströme abwechselnd anstattgleichzeitig durch den Engpass geschickt werden. Aus-ser der Bauchseite des Hinterleibes ist der ganze Körper

durch einen dichten Pelz gegen Wärmeverlust isoliert.

stehenden Frauen, die Katzen als Gesellschafthalten. Der Klee seinerseits dient als Futter fürRinder, und getrocknetes oder gepökeltes Rind-fleisch war eine wichtige Nahrungsgrundlagefür britische Seeleute. Kurz, alleinstehendeFrauen mit ihren Katzen trugen entscheidendzur Errichtung des britischen Weltreiches bei.

Wohl kaum ein Ökologe würde an diestrenge Gesetzmässigkeit der obigen Geschichteglauben. Es steht jedoch ausser Zweifel, dassBienen eine zentrale Rolle in der Befruchtungvieler Pflanzen spielen. Für Kulturpflanzen istvor allem die Honigbiene von Bedeutung. We-gen ihres tropischen Ursprungs ist sie jedoch

Der Stachelseestern als Korallenparasittr. Die sogenannte Dornenkrone (oder Sta-

chelseestern, Acanthaster plana) hat 9 bis 23Arme, erreicht einen Durchmesser von 60 cmund ist mit Stacheln von 4 bis 5 cm Länge be-wehrt. Im Aquarium wird sie bis zu acht Jahrealt. Als Bewohner von Lagunen und Korallen-riffen des indo-pazifischen Raumes wurde sieerstmals 1705 beschrieben. Bis 1957 betrachteteman den Stachelseestern als relativ selten; injenem Jahr ereignete sich die erste «Bevölke-rungsexplosion» in der Nähe der Ryukyu-In-seln zwischen Japan und Taiwan, als die Tiereplötzlich zu Zehntausenden auftraten. Sie «gra-sten» die Korallenriffe ab und verschwandendann wieder ebenso geheimnisvoll, wie sie ge-kommen waren. Zur Nahrungsaufnahme stülptder Stachelseestern seinen Magen über die Ko-rallenpolypen und löst sie mittels Enzymen auf;er nimmt dann die so produzierte Flüssigkeitauf. Er verrichtet seine Arbeit sehr gründlichund hinterlässt nur die nackten, von den Koral-lenpolypen aufgebauten Kalkformationen.«Freundlicherweise» bevorzugt er jene Koral-lenarten, die am schnellsten wachsen und amweitesten verbreitet sind. Dennoch dauert esfünfzehn Jahre, bis das kahlgefressene Riff wie-der mit Korallenpolypen bevölkert ist; die frü-here Artenvielfalt wird jedoch nicht mehr er-reicht.

Das Grosse Barriereriff an der Ostküste Au-straliens suchten die Dornenkronen erstmals ge-gen Ende der sechziger Jahre heim; damals wardie Besorgnis gross, dass das Riff zu einer Wü-ste werden konnte. In der Zwischenzeit hat mangelernt, mit den Tieren zu leben. Keine der Hy-pothesen, wonach ihr massenweises Auftretendirekt oder indirekt auf Wirkungen des Men-schen zurückzuführen wäre, konnte bestätigt

werden. Man nimmt heute an, dass die Dornen-

kronen zu den anscheinend brutalen, aber wirk-samen Massnahmen der Natur gehören, umdem Ökosystem des Korallenriffes die Chancezu einem völligen Neubeginn zu geben. Ver-suche, ihre Zahl zu kontrollieren, schlugendurchwegs fehl. Eine Zeitlang wurden Taucherangestellt, um den Stachelseesternen Kupfersul-

fat einzuspritzen und sie auf diese Weise abzu-töten. Ein gut trainierter Mann kann pro Stundeetwa 150 Tiere erlegen. Mit diesem sehr kost-spieligen Verfahren wurden in Okinawa innertzehn Jahren etwa zehn Millionen Dornenkro-nen zerstört. Dies hatte aber nur kurzfristigeWirkungen auf die Population, da man durchAbtöten der adulten Tiere ökologische Nischenfür Jungtiere schaffte, die sonst zugrunde ge-gangen wären. Auch ohne menschliche Inter-vention verlassen die Seesterne ein gegebenesRiff, sobald es keine Nahrung mehr bietet.

Merkwürdigerweise werden gewisse Riffeimmer wieder heimgesucht, sobald sich eineneue Polypenpopulation darauf etabliert hat;andere werden verschont. Es ist auch völlig un-bekannt, wie die Tiere von Riff zu Riff migrie-ren: bisher fehlte ein verlässliches Verfahren,um sie zu markieren. Man kann sie nämlichnicht anfärben, Ringe oder Drahte werfen sieab, Arme oder Stacheln, die abgeschnitten wur-den, wachsen in kurzer Zeit nach. Mitarbeiterdes Australian Institute of Marine Science(AIMS) bei Townsville (Queensland) haben nuneinen miniaturisierten Transponder entwickelt,der injiziert wird und auch langfristig im Kör-per verbleibt. Das System wirkt als aktives Echo,sobald es die von einem speziellen Radiosenderabgestrahlten Signale empfängt. Die nun mög-lich gewordenen Migrationsstudien haben abererst begonnen.

in Kopf, Brust und Hinterleib unterteilt (sieheAbb. 2). Die Flugmuskeln, welche die Wärmeproduzieren, befinden sich in der Brust, diedurch einen dichten «Pelz» gut gegen Wärme-verlust geschützt ist. Das Herz im Hinterleib, dernicht durch Muskeln erwärmt wird und wenigergut abgedichtet ist, pumpt durch eine am Endeoffene Aorta relativ kaltes Blut in die Brust. DasBlut fliesst frei durch die Gewebe, erwärmt sichund gelangt schliesslich in den Hinterleib zu-rück. Mit anderen Worten, warmes Brustblutund kaltes Hinterleibblut fliessen in entgegenge-setzter Richtung durch die enge Taille, nurdurch die dünne Wand der Aorta getrennt Na-türlich findet Wärmeaustausch statt, und zumin-dest ein Teil der Wärme wird in die Brust zu-rücktransportiert. Bei kalten Lufttemperaturenverringert dieser Mechanismus den Wärmever-lust.

Mit einer geringfügigen Änderung kanndiese Funktion ausser Kraft gesetzt und derWärmeverlust vergrössert werden. Dies wird er-reicht, indem die beiden Blutströme nicht mehrgleichzeitig, sondern abwechselnd durch denEngpass geschickt werden (siehe Abb. 2). Da-durch verringert sich der Kontakt zwischenwarmem und kaltem Blut. Dieser regulierbareMechanismus erlaubt der Hummel, bei Luft-temperaturen zwischen 0 und 35 °C zu fliegen.Über diesen Bereich bleibt die Brusttemperaturannähernd gleich, und die Hinterleibtemperaturerhöht sich mit der Lufttemperatur.

Natürlich muss bei tiefen Lufttemperaturendie Muskulatur zuerst aufgewärmt werden, 6e-vor die Hummel losfliegen kann. Dazu werdenFlügel und Muskeln entkoppelt. Die Muskeln vi-brieren und produzieren Wärme, ohne dass sichdas Tier bewegt. Der gleiche Mechanismus wirdauch für die Wärmehaltung des Nestes ausge-nützt. Besonders im Frühling, wenn die Aussen-temperaturen niedrig sind, sitzt die Königinhäufig die ganze Nacht auf ihrem Gelege undbebrütet es. Die Wärme wird durch die entkop-pelte Flugmuskulatur erzeugt und in den Hin-terleib kanalisiert, dessen haarlose Unterseite andas Gelege gepresst wird.

Das Fliegen, das Aufwärmen der Muskula-tur und das Bebrüten sind energetisch aufwen-dige Prozesse. Als einziger «Treibstoff» stehtder Hummel Nektar zur Verfügung, der in win-zigen Portionen über unzählige Blumen zer-streut ist. Es überrascht nicht, dass sich dieHummel oft am Rande einer Energiekrise befin-det und dass ein möglichst optimales Einsam-meln von höchster Bedeutung ist.

Einzelinitiative führt zum Gesamtwohl

Wie kann eine Kolonie von sozialen Insek-ten Qualität und Menge der Nahrung, die durchviele verschiedene Arbeiterinnen gesammeltwird, optimieren? Der Begriff «Ameisenstaat»hat einen abschätzigen Beigeschmack und wirdetwa als Analogie zu einem kommunistischenStaat verwendet, wo das Individuum durch einestarke, zentralisierte Autorität gesteuert wird.Oder ein Insektenstaat wird mit einer absolutenMonarchie verglichen, mit der Königin als Al-leinherrscherin. Letzterer Vergleich hat eine ge-wisse Gültigkeit, was die Fortpflanzung anbe-trifft. Die Kolonie enthält in der Regel eine ein-zige Königin, die sich bei einigen Arten ihreStellung mit Gewalt erobern muss. Die Entste-hung solcher Dominanzordnungen wurde vorrund 180 Jahren zum erstenmal bei Hummelnbeschrieben, durch den Schweizer Pierre Huberund den Österreicher Eduard Hoffer. Erst indiesem Jahrhundert wurden ähnliche Beobach-tungen an Hühnern gemacht und sind unter dem

Begriff «Hackordnung» in die Alltagsspracheeingegangen.

Wie jedoch Bernd Heinrich zeigen konnte,beruht das Einsammeln von Nektar und Pollen,zumindest bei Hummeln, ausschliesslich aufEinzelinitiative. Auf ihren ersten paar Flügenbesucht eine frisch geschlüpfte Hummelarbeite-rin eine Anzahl verschiedener Blüten und lerntso das momentane Angebot kennen. Sie spezia-

lisiert sich dann auf die zurzeit profitabelste Blu-me. In der Regel besucht sie zusätzlich einezweite, seltener eine dritte Blume. Fällt der Er-trag der ersten Blume unter einen bestimmtenWert, weicht die Hummel auf die anderen Blu-men aus. Während ihres kurzen Lebens (2-4Wochen) konzentriert sich also eine individuelleHummel auf ein paar wenige Blumen. Dadurcherhöht sich natürlich ihre Ausbeute; jede Blumeist etwas verschieden gebaut, und rationellesAusbeuten des Nektars erfordert eine gewisseÜbung.

Die nächste Hummel, die ein paar Tage spä-ter schlüpft, findet möglicherweise ein leicht ver-ändertes Angebot (ein paar Blüten sind ver-welkt, die Gesamtheit der nektarsuchenden In-sekten hat das Angebot beeinflusst). Sie wirdwieder die momentan ergiebigsten Blüten be-vorzugen. Dieser Vorgang wiederholt sich wäh-rend des ganzen Sommers und erlaubt einerKolonie, eine grosse Vielfalt verschiedener Blu-mentypen auszubeuten, ohne dabei auf die Vor-teile der Arbeitsteilung zu verachten. Die mehroder weniger kontinuierliche Produktion neuerArbeiterinnen, die selbständig das gegenwärtigeAngebot überprüfen, gewährleistet eine Anpas-sung der Gesamtkolonie an das sich verän-dernde Nahrungsangebot.

Nicht alle sozialen Insekten verhalten sichso. Wie Karl von Frisch gezeigt hat, besitzen Ho-nigbienen ein hochentwickeltes System des In-formationsaustausches. Kundschafterbienen tei-len der Kolonie mit, wo sie eine neue Futter-quelle entdeckt haben. Ist diese ergiebig, kon-zentriert sich bald ein beträchtlicher Teil derKolonie auf deren Ausbeutung. Dieser Unter-schied zu den Hummeln hängt möglicherweise

mit der tropischen Herkunft der Honigbienen zu-sammen. In den Tropen ist das Nahrungsange-

bot reicher und häufig konzentrierter, zum Bei-spiel auf Bäumen mit Tausenden von Blüten.Hier scheint es vorteilhaft, wenn der Standort

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JANSENNeue Zürcher Zeitung vom 18.06.1986

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