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Az. RO 2 K 18.33013
Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache 1. ***** 2. ***** zu 1 und 2 wohnhaft: ***** - Kläger - zu 1 und 2 bevollmächtigt: *****
gegen Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Rothenburger Str. 29, 90513 Zirndorf - Beklagte - beteiligt: Regierung von Niederbayern als Vertreter des öffentlichen Interesses Postfach, 84023 Landshut
wegen Flüchtlingsanerkennung (Äthiopien) erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 2. Kammer, durch den Richter Zeiser als Einzelrichter aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Februar 2019
am 20. Februar 2019 folgendes
U r t e i l :
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Ge-
richtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstre-
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ckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicher-
heit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Kläger, äthiopischer Staatsangehörigkeit, wenden sich gegen einen ablehnenden Be-
scheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und begehren die Zuer-
kennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und
wiederum hilfsweise die Feststellung des Vorliegens von Abschiebeverboten nach § 60 Abs.
5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge am ***** 1982 geboren, die Klägerin ihren Angaben
zufolge am ***** 1983. Beide geben an, miteinander verheiratet zu sein. Die Klägerin gebar
am ***** 2014 in C***** das erste gemeinsame Kind. Dieses klagt im Verfahren RO 2 K
16.31475 ebenfalls gegen die Ablehnung seines Asylantrags.
Die Kläger reisten am 24. August 2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland
ein und beantragten am 12. September desselben Jahres Asyl. Die persönliche Anhörung
beim Bundesamt erfolgte am 9. Juni 2014.
Bei ihrer Asylantragstellung legten beide einen jeweils am 27. Juni 2011 ausgestellten UN-
HCR Flüchtlingsausweis vor.
Am 5. September 2013 wurden beide Kläger zur Klärung ihrer Identität bei der Regierung
von Mittelfranken befragt.
Der Kläger gab hierbei an, Amharisch und ein bisschen Oromo, Tigrinya und Englisch zu
sprechen. Seine Mutter sei Amhara, sein Vater sei Oromo. Einen äthiopischen Reisepass
habe er nie besessen. Papiere habe er nicht dabei. Seinen Personalausweis habe er im
Mittelmeer weggeschmissen. Seine Schulzeugnisse habe ihm im Oktober 2010 der Geheim-
dienst in Äthiopien abgenommen, er habe keine Geburtsurkunde besessen. Er könne keine
Personalpapiere besorgen. Er wolle nicht nach Äthiopien telefonieren. In Äthiopien habe er
im Stadtteil Bole, Wereda Kebele ***** gewohnt. Vom 20. September 2010 bis zum 20. April
2012 habe er sich in einem Camp im Sudan aufgehalten, dann sei er über Libyen und einen
unbekannten Mittelmeerstaat nach Europa gekommen. Er sei seit dem 12. September 2007
mit der am ***** 1983 in Addis Abeba geborenen Klägerin verheiratet. Sein Vater sei 1957
geboren, seine Mutter sei im Alter von 38 Jahren verstorben. Er habe einen Bruder und zwei
Schwestern, diese lebten in Äthiopien. Bis zur 10. Klasse sei er in Goba in die Schule ge-
gangen. Wehrdienst habe er nicht geleistet. Er sei Mitglied der Arbegnoca Ginbbar Partei.
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Die Klägerin gab bei der Regierung von Mittelfranken an, nur Amharisch zu sprechen. Sie sei
Amhara. Einen äthiopischen Reisepass habe sie nie besessen. Papiere habe sie nicht dabei.
Ihren Personalausweis habe sie im Mittelmeer am 20. August 2013 weggeschmissen. Auch
ihre Schulzeugnisse habe sie an diesem Tag im Mittelmeer weggeschmissen. Sie habe eine
Geburtsurkunde besessen. Personalpapiere könne sie nicht besorgen, sie wolle nicht mit
ihrer Familie in Äthiopien telefonieren. Als letzte Adresse im Heimatland gab sie die gleiche
Adresse wie der Kläger an. Sie habe sich vom 7. Januar 2011 bis 20. April 2012 im gleichen
Camp wie der Kläger im Sudan aufgehalten und sei mit ihm über Libyen und einen unbe-
kannten Mittelmeerstaat nach Europa gekommen. Sie sei seit dem 12. September 2007 mit
dem Kläger verheiratet. Ihr Vater sei 55 Jahre, ihre Mutter 53 Jahre alt. Sie habe fünf Brüder
und eine Schwester, die Geschwister lebten bei den Eltern in Wello. Sie habe bis zur 10.
Klasse in Addis Abeba die Schule besucht.
Am 18. September 2013 erfolgte eine Befragung zur Vorbereitung der persönlichen Anhö-
rung vor dem Bundesamt. Der Kläger gab hierbei an, außer Amharisch noch etwas Tigrinya
zu sprechen. Er gehöre zur Volksgruppe der Oromo. Sein Vater sei Oromo, seine Mutter
Amhara. Er habe einen Kebeleausweis gehabt, der ihm vor ca. 5 Jahren in Addis Abeba
ausgestellt worden sei. Auf der Flucht habe er diesen Ausweis verloren. Eine Geburtsurkun-
de habe er sich nie ausstellen lassen. Die Zeugnisse und seine Heiratsurkunde seien wäh-
rend seiner Flucht, beim Kentern eines Schlauchbootes, abhandengekommen. Er habe sei-
nen Wehrpass im Sudan, beim UNHCR abgegeben. Eine Kopie dieses Wehrpasses habe er
auf der Flucht in Libyen zerrissen und weggeschmissen. Er habe in zwei Flüchtlingslagern im
Sudan gelebt, am 20. September 2010 sei er in Gelebat im Sudan eingetroffen. Er habe sich
einen Monat lang in einem Lager in Gedarif aufgehalten. Vom 27. Juni 2011 bis zum 20.
April 2012 habe er sich in einem weiteren Flüchtlingscamp in Shagerab aufgehalten. Mit
seiner Frau sei er nach Landesrecht traditionell kirchlich verheiratet. Er habe 10 Jahre die
Schule in Bale-Goba besucht und 1998 die Schule abgeschlossen. Von Mai 1999 bis 7. Feb-
ruar 2002 sei er in der äthiopischen Armee als einfacher Soldat gewesen. Er sei am 16. Au-
gust 2013 mit seiner Frau und weiteren 96 Flüchtlingen von Tripolis aus mit einem
Schlauchboot losgefahren. Angesichts der vielen Flüchtlinge seien am vierten Tag der Über-
fahrt die Holzplanken des Bootes gebrochen, daraufhin hätten die Schleuser gefordert, dass
das Gepäck über Bord geworfen werde. Am 22. August 2013 seien sie in der Nacht in der
Nähe einer europäischen Hafenstadt angekommen. Am 24. Mai 2010 sei er von Addis Abe-
ba aus nach Debre Markos auf einem Pick-up gefahren. Dort habe er ca. 3 Monate bei ei-
nem Freund gewohnt. Mit einem Pick-up sei er am 18. August 2010 nach Gondor gekommen
und habe anschließend die Grenzstadt Metema erreicht. Zu Fuß habe er die Grenze zum
Sudan überquert, am 20. September sei er in Gelebat angekommen.
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Auf die Frage, weshalb er nach Deutschland gekommen sei, gab er an, in Äthiopien politisch
verfolgt zu werden. Er sei in der Oppositionspartei und habe sich dort politisch engagiert. Die
Partei heiße UDJ. 2002 sei er ein Jahr lang im Gefängnis gesessen, als er beim Versuch aus
der Armee zu desertieren erwischt worden sei. 2005 sei er erneut eingesperrt worden, da er
in der Kinigit Partei tätig gewesen sei. Nach der verlorenen Wahl sei er über ein Jahr lang
eingesperrt worden. Er sei im Gefängnis in Shewa-Robit gesessen. 2010 sei er wegen sei-
nes politischen Engagements zwei Tage lang eingesperrt gewesen.
Die Klägerin brachte bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 18. September
2013 vor, dass sie alle ihre Unterlagen auf dem Mittelmeer über Bord habe werfen müssen,
weil das Schlauchboot geleckt habe. Sie sei am 11. Januar 2011 im Sudan im Flüchtlingsla-
ger Shegerab angekommen. Am 26. April 2012 sei sie zusammen mit ihrem Mann nach
Libyen weiter. Sie habe in Äthiopien 10 Jahre die Mittelschule in Addis Abeba besucht und
diese abgeschlossen. Ein Jahr habe sie eine Berufsschule besucht und Hotelfach-
/Servicekraft gelernt. Zuletzt habe sie in einer Stofffabrik gearbeitet und 800 äthiopische Birr
verdient. Am 5. Januar 2011 sei sie von Addis Abeba mit einem Reisebus nach Gondor und
von dort mit einem Pick-up nach Hamdayit in den Sudan. Über eine weitere Stadt sei sie in
das Flüchtlingslager Shegerab gekommen, wo sie wieder ihren Mann getroffen habe. Am 20.
April 2012 hätten sie den Sudan verlassen und seien 6 Tage später in der Stadt Igidabia in
Libyen angekommen. Dort sei ihr Mann eingesperrt worden und sie in ein Flüchtlingslager
des Roten Mondes gebracht worden. Später sei auch ihr Mann in das Flüchtlingslager ge-
kommen, sie hätten ca. ein Jahr in Bengasi verbracht. Dann seien sie nach Tripolis, wo sie 3
Monate in einem Auffanglager verbracht hätten. Sie sei mit ihrem Mann aus diesem Lager
geflohen und habe 3 Monate als Hausmädchen in einem Privathaushalt gearbeitet. Sie wolle
nach Deutschland, weil sie in ihrem Land nicht leben könne. Sie sei nicht Mitglied einer poli-
tischen Partei. Sie unterstütze die Tätigkeit ihres Mannes. Er sei Mitglied in der Einheit für
Demokratie und Gerechtigkeit (Andenet). Ihr Mann sei verfolgt worden und habe deshalb das
Land verlassen. Später habe auch sie ihr Heimatland verlassen. Nachdem sie sich kennen-
gelernt hätten, sei er nur 2 Tage bei Propagandaarbeiten verhaftet worden. Von anderen
Festnahmen wisse sie nichts. Dass er für Freiheit und Demokratie kämpfe, habe sie aus
ihren Medien entnehmen können. Nachdem er geflohen sei, sei sie für 2 Monate und 6 Tage
verhaftet worden. Sie sei im Zentralgefängnis in der Nähe von Makelawi inhaftiert gewesen.
Der Kläger trug bei seiner persönlichen Anhörung am 9. Juli 2014 vor, er sei zunächst von
Addis Abeba nach Debre Markos gegangen und habe sich dort 3 Monate aufgehalten, bevor
er Äthiopien verlassen habe. Äthiopien habe er am 18. September 2010 verlassen. Er sei im
äthiopischen Jahr 2002 (gemeint ist wohl 2003) im Meskerem ausgereist. Er wisse aber den
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äthiopischen Kalender nicht mehr. Es sei ihm lieber alle Zeitangaben nicht umzurechnen. Er
sei 27 oder 28 Jahre alt gewesen, als er seine Heimat verlassen habe. In Äthiopien sei er
zuerst Soldat gewesen, dann in Haft und habe danach Gelegenheitsarbeiten ausgeübt. Am
Schluss habe er in einem Fotogeschäft gearbeitet. Seine Frau habe er im Jahr 1999 äthiopi-
scher Zeit (gregorianisch 2006/2007) kennengelernt. Sie hätten in der gleichen Gegend ge-
wohnt und im Jahr 2000 äthiopischer Zeit geheiratet. Er könne Tigrinya sprechen, weil er als
Soldat in dieser Gegend gewesen sei und dabei die Sprache gelernt habe.
Im europäischen Jahr 2010 seien Wahlen in Äthiopien gewesen. Er sei als Wahlbeobachter
für Andinet in Wereda 28 aktiv gewesen. Sie hätten 110 Wahlbezirke gehabt und er habe
überall hin gehen müssen und die Wahlen beobachten und an die Leitung berichten. Ein
Wahlbeobachter habe ihn am 15.9.2002 (äthiopische Zeit, 23. Mai 2010 gregorianisch) ange-
rufen und von Unregelmäßigkeiten berichtet. Er habe so schnell wie möglich vorbeikommen
sollen, weil es einen Stimmenbetrug gegeben habe. Tagsüber habe er die Wahlen beobach-
tet und er habe schon damals viele Streitigkeiten sehen können. Auf dem Weg zum Wahlbe-
zirk sei er von zwei Männern überfallen und geschlagen worden. Am 22. Mai hätten alle
Wahlbeobachter ihren Lohn bekommen. Dies hätten zwei Männer fotografiert. Das habe er
gemerkt und diese angesprochen, warum sie jetzt von ihm Bilder machten. Er habe ihnen
gesagt, dass er die Polizei darüber informieren werde. Er habe Polizei auf der Straße gese-
hen und dieser gesagt, dass diese zwei Männer ihn fotografierten. Einer der Männer, der das
Bild gemacht habe, habe das Bild dem anderen angegeben. Der andere sei mit dem Bild
weggerannt. Der Polizist habe den, der geblieben sei, gefragt, weshalb er Bilder vom Kläger
gemacht habe. Dieser habe alles verneint. Am Tag darauf, nachdem er ein Telefonat über
den Betrug bekommen habe, sei er von diesen zwei Leuten überfallen und verprügelt wor-
den. Sie hätten Tigrinya gesprochen. Nachdem sie ihn geschlagen hätten, sei er auf den
Boden gefallen. Auf dem Boden liegend habe er einen Stein gefunden und diesen in Rich-
tung eines Mannes geworfen. Es sei dunkel gewesen, aber er habe ihn voll ins Gesicht ge-
troffen. Dieser habe geschrien und der andere habe versucht, diesem zu helfen. Es sei ein
Auto gekommen, so dass er aufgestanden und von dort weggelaufen sei. In dieser Gegend
gebe es Bäume und einen Wald, wo er sich eine Stunde versteckt habe. Er habe Angst ge-
habt, dass sie ihn suchten. Danach sei er in den Stadtteil Kebena gelaufen, dort habe er eine
gute Freundin, die mit ihm in dem Fotoladen gearbeitet habe und dort gewohnt hätte. Er sei
zu ihr gegangen und nicht zurück nach Hause gelaufen, weil sie nach ihm gesucht hätten. Er
wolle hier klarstellen, dass er seit 2001 äthiopischer Zeit für die patriotische Front arbeite und
seit 2002 äthiopischer Zeit für Andinet tätig sei. Zuhause habe er alle Unterlagen der patrioti-
schen Front, wie beispielsweise Flugblätter, die er nachts in den Kirchen verteilt habe.
Gleichzeitig sei er auch für Andinet tätig gewesen. Bei der Schlägerei hätten ihm diese Män-
ner immer wieder gesagt, dass er für eine andere oppositionelle Partei und nicht für Andinet
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arbeite, ihnen sei bekannt, dass er für die patriotische Front tätig sei. Als er bei der guten
Freundin übernachtet habe, habe er seinen Freund in Debre Markos angerufen, der ihn für
die patriotische Front angeworben habe. Dieser habe ihm gesagt, dass sie hinter ihm her
seien. Er habe gesagt, dass der Kläger sofort nach Debre Markos kommen solle, dort werde
man schon eine Lösung finden.
Eine Woche vorher seien sie in Feche in einer Nachbarstadt Addis Abebas gewesen. Sie
seien dort am 13./14. Mai wegen Wahlpropaganda gewesen. In dem Hotel, in dem sie unter-
gebracht gewesen seien, sei nachts das Zimmer von Sicherheitsmännern aufgebrochen
worden, die sie später mit Gewalt mitgenommen hätten. Ihre Kebeleausweise seien ihnen
abgenommen worden und sie hätten später eine Auflage unterschreiben müssen und seien
freigelassen worden. Sie seien gegen nachmittags in die Stadt gekommen, essen gegangen
und hätten für die Frau, die dort kandidiert habe, Propaganda machen wollen. Ihr Fahrer sei
im Auto gesessen und von anderen eingeschüchtert worden. Dieser habe Angst gehabt, weil
er Kinder gehabt habe und den Kläger und die anderen dort alleingelassen. In der Stadt
hätten sie Wahlzettel für die Kandidaten verteilen wollen. Laut Gesetz sei Propaganda nach
18:00 Uhr verboten. Sie seien beschuldigt worden, nach 18:00 Uhr propagiert zu haben und
gefragt worden, weshalb sie gekommen seien. Die Frau habe hier genügend Leute, dass sie
das auch ohne sie tun könnte. Sie seien beschuldigt worden, Menschen zur Unruhe anzustif-
ten. Sie seien zwölf Leute gewesen, die später in einem Zimmer eingesperrt worden seien.
Die anderen seien sehr gewalttätig gewesen und hätten ihnen eine Auflage vorgelegt, dass
sie zu Unruhen aufgerufen und die Uhrzeit nicht beachtet hätten. Es seien keine Polizisten
sondern besondere Sicherheitskräfte gewesen. Sie seien zu zwölft für Propaganda in der
Stadt vorgesehen gewesen. Sechs seien in einem Hotel und die anderen Sechs in einem
anderen Hotel untergebracht gewesen. Zwei seien geflohen. Sie hätten nach Addis Abeba
telefoniert und am nächsten Tag sei Dr. M***** G***** gekommen, der von Medrek gewesen
sei, und habe für sie die Freilassung besorgt. Dann seien sie nach Addis Abeba zurückge-
fahren.
Er sei zum Wahlhelfer gewählt worden, weil viele Menschen wegen der Wahlen im Jahr
1997 äthiopischer Zeit kein Vertrauen mehr gehabt hätten. Weil er für die patriotische Front
gearbeitet habe, habe er sich für Andinet wählen lassen. So habe er verdeckt für die patrioti-
sche Front bei Andinet arbeiten können. Er habe mit allen friedlichen Mitteln versucht, die
jetzige Regierung abwählen zu lassen. Die leitenden Personen von Andinet hätten nicht
gewusst, dass er für die patriotische Front arbeite. Er habe aber ein paar Leute für die patrio-
tische Front angeworben. Der Kläger legte hierzu eine Bestätigung der EPPF aus dem Su-
dan vor. Die Stimmabgabe sei von früh morgens 6:00 bis 18:00 Uhr abends. Die Stimmen
seien nachts gezählt worden. Der Anruf wegen des Stimmenbetrugs sei nachts gekommen.
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Die Stimmzettel seien falsch gezählt worden, und sie hätten gewollt, dass er das unter-
schreibe. Er sei zu den Wahlbezirken gegangen und habe alles beobachtet. Es habe 110
Wahlbezirke gegeben und zu manchen sei er mit dem Taxi gefahren oder zu Fuß gelaufen.
Er habe seinen Ausweis an der Tür gezeigt und später habe er beobachtet, ob alles richtig
laufe. Er sei auch zu Wahlbeobachtern gegangen und habe sich angeschaut, ob die Stimm-
zettel richtig abgegeben wurden. Die Leute hätten zwei Zettel bekommen, diese ausfüllen
müssen und später zusammengefaltet in eine Wahlurne reinwerfen. Die Leute der EPRDF
bekämen anstatt einem Zettel zwei Zettel und würfen diese zusammen ein. Als er das Tele-
fonat erhalten habe, sei er zu Hause gewesen, es sei kurz vor Mitternacht gewesen. Er habe
zur Wereda 28, das sei seine Wereda, laufen müssen. Diese sei ca. 20 Minuten entfernt. Sie
seien fünf bewegliche Beobachter von Andinet gewesen. Der Wahlbeobachter, der ihn ange-
rufen habe, sei ein freiwilliger Beobachter gewesen.
In Fecha seien sie zwei Nächte eingesperrt gewesen. Die zwei Geflohenen hätte erst her-
ausfinden müssen, wo sie seien und hätten erst am Tag danach Herrn M***** G***** erreicht.
Die zwei hätten fliehen können, weil sie durchs Fenster geflüchtet seien. Nachdem er zu
seinem Freund gegangen sei, habe er keinen direkten Kontakt zu seiner Frau gehabt, son-
dern nur zu seiner Tante in Addis Abeba, die er immer angerufen habe. Seine Frau sei be-
lästigt worden. Bei seinem Freund habe er drei Monate gewartet, bis sich alles beruhigte.
Bevor er nach Debre Markos gegangen sei, habe er kurz seine Frau angerufen und ihr ge-
sagt, dass er für kurze Zeit untertauchen müsse. Sie habe über alles Bescheid gewusst.
Der Kläger gab an, dass auf einem der übergebenen Belege bestehe, dass er am 21.9.2002
(äthiopische Zeit, gregorianisch 29. Mai 2010) in Addis Abeba im Stadtteil Urael Geld für
Andinet eingezahlt habe. Auf den Vorhalt, dass er an diesem Tag bereits in Debre Markos
gewesen sei, erwiderte er, dass er nicht zurück nach Addis Abeba gekommen sei, um das
Geld in dem Büro abzugeben. Er habe das kurz vor der Wahl bezahlt.
Er sei zweimal in Haft gewesen, zweimal für ein Jahr. Das erste Mal weil er versucht habe,
zu desertieren. Das zweite Mal drei Jahre später. Er sei damals sehr misshandelt worden, so
dass er selbst urologische Probleme habe. Hierzu legte er ein Attest vor. Er sei in der Wahl-
zeit verhaftet und auf die Hoden geschlagen worden. Anschließend sei er ins Krankenhaus
gebracht und dort operiert worden. Nach der Operation sei er in die Haft nach Shawe Robit
gebracht worden. In einer Nacht hätten sie 30 Leute auf einen Lkw geladen und sie nach
Addis Abeba gefahren und dort auf der Straße freigelassen. Man habe seine Rechte verletzt
und ihn ohne Gerichtsurteil eingesperrt und misshandelt. Auf die Frage, warum er nicht 2005
nach der zweiten Haft ausgereist sei, gab er an, er habe nicht ausreisen wollen. Die Regie-
rung habe ein Terrorismusgesetz veröffentlicht und er habe diverse Unterlagen zu Hause
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gehabt, wenn sie in die Hände der Regierung gekommen wären, wäre er sicher noch einmal
verhaftet worden. Auf ein drittes Mal habe er nicht warten wollen. Auf den Vorhalt, dass er
fünf Jahre gewartet habe, bis er geflüchtet sei, gab er an, im Untergrund gekämpft zu haben,
um die Regierung zu stürzen. Außerdem sei er auch wegen seiner Oromo-
Volkszugehörigkeit unterdrückt worden.
Auf die Frage, woher die zwei Leute, die ihn angegriffen hätten, wissen hätten sollen, dass er
die patriotische Front unterstütze, gab er an, die angeworbenen Mitglieder hätten ihn verra-
ten. Es gebe sehr viele Spione, die sich verdeckt bei Andinet aufhielten und sie beobachte-
ten. Er sei auch öfters telefonisch bedroht worden. Es sei nicht früher ausgereist, weil er bis
zum bitteren Ende, bzw. bis zu seinem Tod habe kämpfen wollen. Zum Schluss habe er
Angst bekommen, weil ihm seine menschliche Seite empfohlen habe, das Land zu verlas-
sen.
In Deutschland sei er exilpolitisch tätig. Er sei bei der EPPF-Germany. Hierzu legte er einen
Ausweis dieser Organisation und einer weiteren Organisation namens EPCOU, sowie Teil-
nahmebestätigungen von Versammlungen und Bilder vor. Bis vor kurzem habe er an einem
Ort gewohnt, der sehr weit entfernt gewesen sei und habe nicht regelmäßigen Kontakt zu der
Organisation gehabt. Seit zwei Monaten wohne er aber in einem anderen Camp und enga-
giere sich mehr für die Partei.
Es sei nicht im Sudan geblieben, weil es eine Vereinbarung zwischen der sudanesischen
und der äthiopischen Regierung gegeben habe, wonach alle sich illegal im Sudan aufhalten-
de Leute nach Äthiopien zurückgebracht werden müssten. Danach sei er in einem Flücht-
lingslager gewesen, er habe Unterlagen vom UNHCR. Im Sudan gebe es keine Sicherheit.
Sie würden von Sicherheitskräften beobachtet, die für Geld alles verraten würden. Die äthio-
pische Regierung komme und hole Leute ab. Es gebe keinen Schutz und keine Sicherheit.
Bei ihrer persönlichen Anhörung am 9. Juli 2014 trug die Klägerin vor, dass sie ihre Heimat
wegen der Probleme ihres Mannes verlassen habe. Sie sei in Äthiopien zwei Monate in Haft
gewesen und dort geschlagen und belästigt worden. Deswegen sei sie krank geworden. Sie
sei auch schikaniert worden. Sie sei am 1. Februar 2003 (äthiopischer Kalender, gregoria-
nisch 11. Oktober 2010) verhaftet worden. Hierzu sei sie von zu Hause von drei zivilgekleide-
ten Sicherheitsleuten abgeholt worden. Es sei kurz vor Mitternacht gewesen. Sie hätten zu-
erst das Haus durchsucht und unter dem Fernseher ein Stück Papier gefunden. Sie hätten
ihr gesagt, dass es sicher von ihrem Mann sei und sie solle das Versteck ihres Mannes ver-
raten. Sie habe gesagt, dass sie nicht wisse, wo ihr Mann sei. Darauf sei ihr geantwortet
worden, dass sie mitkommen müsse. Das gefundene Papier sei von der patriotischen Front
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gewesen. Sie sei gefragt worden, woher dieses Papier komme. Sie hätten ihr gesagt, dass
sie wisse, wo ihr Mann sei. Sie habe zwar Unterlagen von ihrem Mann verschwinden lassen,
aber das Stück Papier unter dem Fernseher habe sie vorher nie gesehen. Sie habe viele
Unterlagen wie zum Beispiel Zeugnisse oder Unterlagen der Armee, die sie der Tante ihres
Mannes überreicht habe, verschwinden lassen. Auf die Frage, ob darunter Unterlagen der
patriotischen Front gewesen seien, antwortete sie mit ja. Auf die Frage welche Unterlagen
dies gewesen seien, gab sie an, die Unterlagen nicht gesehen zu haben und auch keine
Ahnung gehabt zu haben, dass er zu diesem Zeitpunkt bei der patriotischen Front tätig ge-
wesen sei. Sie habe nur gewusst, dass sie für die Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit
arbeite, nicht aber, dass er für die patriotische Front tätig sei. Telefonisch habe sie mit ihrem
Mann nur einmal nach dessen Ausreise Kontakt gehabt, ansonsten habe er sich bei seiner
Tante gemeldet, die sie dann informiert habe. Nach der Verhaftung sei sie ins Zentralge-
fängnis nach Addis Abeba gebracht worden. Auf die Frage, was ihr während der Haft pas-
siert sei, antwortete sie, dass die Polizisten sie schikaniert hätten und ihr gesagt hätten, sie
wisse, wo ihr Mann sich aufhalte und dass sie diesen unterstütze. Meistens sei sie von einer
Polizistin schikaniert und geschlagen worden. Auf die Frage, was dies für Schikanen gewe-
sen seien, gab sie an, sie (die Polizistin) habe ihr Angst gemacht, dass sie wisse, wo sie sei
und sie den Aufenthaltsort ihres Mannes verraten solle. Hauptsächlich habe sie ihr Angst
gemacht. Auf die Frage, wie es ihr gelungen sei, das Gefängnis zu verlassen, gab sie an,
sehr krank gewesen zu sein. Sie habe Durchfall gehabt und erbrochen. Sie hätten von der
Klägerin nach zwei Monaten eine Kaution in Höhe von 500.000 äthiopischen Birr verlangt.
Am 6.4.2003 (äthiopischer Zeit, gregorianisch 15. Dezember 2010) sei sie freigelassen wor-
den. Man habe ihr bis zu einem Monat Zeit gegeben, den Aufenthaltsort ihres Mannes zu
verraten. Das Geld sei von der Tante ihres Mannes besorgt worden. Auf die Frage, weshalb
sie nicht zu ihren Eltern in die Provinz Wello gegangen sei, gab sie an, in Addis Abeba gebo-
ren worden zu sein. Ihre Mutter habe sie bei einem Onkel in Addis Abeba gelassen, bei die-
sem sei sie aufgewachsen. Ihre Eltern wohnten in Wello, sie sei dort aber nie gewesen. Ihre
Eltern seien zum Besuch nach Addis Abeba gekommen. Der Onkel habe keine eigenen Kin-
der gehabt. Auf die Frage, weshalb sie nicht beim Onkel nach Hilfe gesucht habe, gab sie
an, dieser habe die Beziehung zu ihrem Mann nicht akzeptiert. Er glaube noch an die Eth-
nien und habe sie ständig gefragt, warum sie einen Oromo geheiratet habe, obwohl sie Am-
hara sei. Nach der Haftentlassung habe sie sich bei Freunden versteckt und entschieden in
den Sudan zu fliehen. Vor ihrer Verhaftung habe es keine Durchsuchungen gegeben, sie
seien gekommen und hätten sie beobachtet und ausspioniert, aber nicht das Haus durch-
sucht. Zum 1. Mal seien sie direkt nach der Wahl am nächsten Tag gekommen. Das sei am
16.9.2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 24. Mai 2010). Sie hätten sich als Freunde aus-
gegeben und sich mit ihr anfreunden wollen und gefragt, wo ihr Mann sei. Sie habe nicht
gedacht, dass sie verhaftet würde. Sie sei nicht politisch aktiv, sondern nur Unterstützerin
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und Sympathisantin. Sie sei Unterstützerin der Partei Andinet. Sie habe diese Partei auch
gewählt, ohne dass jemand davon erfahren habe. Auf die Frage, ob jemand von dieser Par-
tei im Parlament vertreten sei, antwortete sie, sie kenne sich mit Politik nicht aus. Sie habe
die Partei unterstützt, weil ihr ihr Mann erzählt habe, dass diese für Freiheit und Gerechtig-
keit kämpfe. Während der Haft sei sie nicht bei einem Arzt gewesen. Später sei sie schon zu
einem Arzt gegangen. Sie habe eine Magenerkrankung gehabt und Medikamente bekom-
men.
Unterlagen ihres Mannes, die sie der Tante übergeben habe, habe sie ihrem Mann im Sudan
gegeben. Die Tante habe Kontakt zum Mann gehabt und sie angerufen und ihr gesagt, dass
sie alle Unterlagen bei der Tante abgeben solle. Später habe ihr Mann die Tante angerufen
und ihr gesagt, wenn die Klägerin von Zuhause weggehe, solle sie alle Unterlagen mitneh-
men. Sie sei sehr vorsichtig gewesen und habe sich versteckt. Ihr Mann habe die Reise über
Humera in den Sudan arrangiert. In Humera habe sie telefonischen Kontakt mit ihrem Mann
gehabt. Dort habe sich ein Freund des Mannes gemeldet und sie in den Sudan geschleust,
wo sie beim UNHCR nach ihrem Mann gesucht habe. Auf die Frage, weshalb sie beim UN-
HCR nach ihrem Mann gesucht habe, wo sie doch telefonischen Kontakt mit ihm gehabt
hätte, antwortete sie, wenn sie in Äthiopien nicht beobachtet geworden wäre, wäre sie dort
geblieben. Auf die Wiederholungsfrage gab sie an, zuerst nach Hamdaid gegangen und
dann auf das Rote Kreuz gestoßen zu sein, diese hätten sie zu ihrem Mann geschickt. Ihr
Mann habe ihre Telefonnummer gewusst, weil die Tante Bescheid gegeben habe, dass die
Klägerin ein Handy dabei haben werde. Auf die Frage, warum er sie nicht früher angerufen
habe, gab sie an, dass sie auch seine Telefonnummer gewusst habe. Er habe ihrer Tante
Nachrichten gegeben und diese habe das weitergeleitet. Sie habe selbst nicht telefonieren
können, weil sie beobachtet worden sei. Sie hätten schon miteinander gesprochen, aber
selten. Zum Schluss sei sie zu der Tante gegangen und habe auch mit ihrem Mann gespro-
chen und ihm gesagt, dass sie ein Handy dabei haben werde. Ihr Mann habe sie am Tag der
Wahlen, als er verschwunden sei, nachts angerufen. Der Anruf sei kurz vor frühmorgens
gekommen. Sie sei noch im Bett gewesen. Ihr Mann habe das Haus am 15. 9. 2002 (äthiopi-
sche Zeit, gregorianisch 23. Mai 2010) verlassen. Er sei an diesem Tag Wahlbeobachter
gewesen, frühmorgens gegangen und nicht mehr zurückgekommen. Auf die Frage, ob sie
das Gefängnis beschreiben könne, gab sie an, zuerst zur Zentralpolizei gebracht worden zu
sein und dort einen Tag und eine Nacht verbracht zu haben. Dann sei sie ins Kotebe Ge-
fängnis verlegt worden. Dies sei ein Gefängnis für Frauen. Es seien sehr viele Frauen gewe-
sen. Es sei ein offener, hallenmäßiger Raum gewesen. Der Raum habe wie ein Lagerraum
ausgesehen. Bis zu 80 Frauen seien dort gewesen. Auf die Bitte, den Tagesablauf zu be-
schreiben, trug sie vor, nicht immer rausgedurft zu haben, meistens abends. Sie seien rum-
gesessen und hätten sich ihre Geschichten erzählt. Draußen hätten sie eine halbe Stunde
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laufen dürfen. Auf die Frage, ob ihr Mann irgendwelche Probleme mit den staatlichen Behör-
den gehabt habe, bevor er verschwunden sei, gab sie an, nicht jeden Tag im Gefängnis
draußen gewesen zu sein. Auf den Vorhalt, dass dies nicht die Antwort auf die Frage gewe-
sen sei, erwiderte sie, sie seien nicht zufrieden mit seinen politischen Aktivitäten gewesen.
Er habe so nicht weiterleben können. Auf die Frage, ob ihr Mann früher Probleme mit staatli-
chen Behörden gehabt habe, antwortete sie, sie wisse, dass er Soldat gewesen sei und spä-
ter fleißig gearbeitet habe und die politische Situation so war. Er sei politisch aktiv gewesen
und habe Flugblätter verteilt, dabei sei er auch verhaftet worden. Flugblätter habe er für
Andinet verteilt. Sie habe sich in Deutschland EPPF-Germany angeschlossen, sei aber nur
dreimal wegen ihrer Schwangerschaft dort gewesen. Hierzu legte sie einen Ausweis der
EPPF und einen Ausweis der EPCOU vor. Zudem übergab sie eine Teilnahmebestätigung
vom 5. Oktober 2013. Sie habe sich der EPPF angeschlossen, weil ihr Mann mit denen zu-
sammenarbeite und diese ihre Ziele mit Mut und Courage verfolgen würden. Auf die Frage,
was sie bei einer Rückkehr nach Äthiopien befürchte, antwortete sie, sie wisse nicht, was sie
dort erwarte. Sie wolle nur nicht, dass die Kinder ohne Eltern aufwüchsen.
Der Kläger ließ im Nachgang zu seiner Anhörung diverse Bestätigungen seiner exilpoliti-
schen Aktivitäten vorlegen.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2016 lehnte die Beklagte die Schutzbegehren der beiden Kläger
ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen und drohte ihnen die Abschiebung
nach Äthiopien an.
Hiergegen erhoben die Kläger am 15. Juli 2016 Klage.
Die Kläger übergaben eine sozialpädagogische Stellungnahme der Caritas C*****. Auf diese
wird verwiesen. Der Kläger arbeite demnach seit 1. Juli 2016 in einer Schreinerei. In der
mündlichen Verhandlung erläuterte er, dass diese Tätigkeit auf 6 Monate befristet gewesen
sei. Der Kläger übergab diverse Unterlagen zum Nachweis seines exilpolitischen Engage-
ments. Dies sind unter anderem ein Erfahrungsbericht beider Kläger über die Ereignisse vor
ihrer Ausreise aus Äthiopien, eine Bescheinigung, dass der Kläger bereits in Äthiopien und
im Sudan für die EPPF tätig gewesen sei, Aufnahmen, die den Kläger mit führenden Perso-
nen der äthiopischen Exilopposition im Februar 2017 in R***** zeigten, eine Zollquittung über
eine Flagge, die sich der Kläger aus den USA habe schicken lassen, Aufnahmen die den
Kläger in seiner Rolle als Vorsitzender der Ginbot 7 R***** mit führenden Personen der äthi-
opischen Exilopposition im Dezember 2017 in München zeigen, eine Petition und eine Teil-
nahmebescheinigung für eine Spendenveranstaltung des äthiopischen Exilrundfunks.
- 12 -
Der Kläger trug in seinem Erfahrungsbericht u.a. vor, dass seine Frau wegen ihm für 2 Mo-
nate verhaftet worden sei. Im äthiopischen Jahr 2002 sei in Äthiopien Wahl gewesen. Er sei
für Medrek als Wahlbeobachter in Wereda 28, Addis Abeba, eingesetzt gewesen. Für den
22. Mai habe er sich mit anderen Wahlbeobachtern auf einer Straße verabredet, um diesen
das Geld für ihre Dienste zu bezahlen. Dabei seien sie fotografiert worden. Am nächsten
Tag, als er noch mit vier anderen Wahlbeobachtern im Wahllokal auf Ergebnisse gewartet
habe, habe er einen Anruf bekommen, dass er umgehend zu einem anderen Wahllokal
kommen solle. Auf dem Weg dorthin sei er von 2 tigrinisch sprechenden Männern zusam-
mengeschlagen worden. Er habe Angst bekommen, einen Stein genommen und den ande-
ren damit auf den Hinterkopf geschlagen. Dann sei er geflohen.
Die Klägerin gab in ihrem Erfahrungsbericht an, ihr Ehemann sei am 23. Mai zum Wahllokal
gegangen, um dort als Wahlbeobachter zu arbeiten. Er sei danach nicht mehr nach Hause
zurückgekommen. Gegen Mitternacht habe ihr Mann sie angerufen und ihr gesagt, wo er sei.
Ab 24. Mai seien an verschiedenen Tage ihr unbekannte Leute gekommen und hätten sich
als Freunde des Mannes ausgegeben und wissen wollen, wo ihr Mann sei. Am 11. Dezem-
ber gegen 0 Uhr hätten fremde Leute geklopft. Sie habe sich erschrocken und gefragt, wer
sie seien und was sie wollten. Daraufhin sei ihr entgegnet worden, dass die Türe mit Gewalt
geöffnet werde, wenn sie nicht aufmache. Sie habe die Türe geöffnet. Als sie in der Woh-
nung gewesen seien, hätten sie sofort angefangen diese zu durchsuchen. Drei Männer hät-
ten ihr Fragen bzgl. ihres Manns gestellt und wo er sei. Später hätten die Männer unter dem
TV-Tisch Papiere gefunden und gefragt, ob sie etwas darüber wisse. Einer der Männer habe
ein Papier aus der Tasche geholt und darauf geschrieben, dass er Beweise sichergestellt
habe und sie unterschreiben müsse. Danach sei sie zu einer Befragung mitgenommen wor-
den. Es sei ein kaltes dunkles Zimmer gewesen. Dort sei sie ca. 4 h gewesen, bis einer ge-
kommen sei und sie in ein anderes Zimmer gebracht habe. Nach einigen Minuten seien eine
Frau und zwei Männer gekommen. Die Männer hätten Platz genommen. Die Frau sei ge-
standen und habe viele Fragen gestellt, ob sie etwas über das Papier wisse. Anschließend
sei sie nach Kotebe zur Polizeiwache gebracht worden. Sie seien öfters in der Nacht ge-
kommen und hätten immer wieder Fragen über ihren Mann gestellt. Sie habe nichts gesagt,
deshalb sei die Situation immer unerträglicher geworden. Die Frau habe sie gezwungen, ihr
Oberteil auszuziehen und sie vor den Männern mit einem Kugelschreiber am Busen berührt.
Dabei hätten alle gelacht. Bis heute leide sie darunter. Sie fühle Angst, wenn sie unter meh-
reren Leuten sei. Am 14. Dezember sei sie erneut zur Befragung abgeholt worden. Diesmal
sei ihr gesagt worden, wenn sie binnen 4 Monaten den Aufenthaltsort ihres Mannes verrate
und eine Kaution von 5.000 Birr bezahle, werde sie in Ruhe gelassen. Am 15. Dezember sei
sie dann freigekommen. Sie habe das Geld von der Tante ihres Mannes bekommen und die
Kaution gezahlt. Sie habe sich trotzdem nicht frei gefühlt. Später habe sie der Tante ihres
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Mannes gesagt, dass sie zu ihrem Mann wolle. Die Tante habe Kontakt zu ihm gehabt und
alles arrangiert. Am 5. Januar habe sie ein Ticket nach Gondar gekauft. Dort habe sie über-
nachtet. Am nächsten Tag sei sie nach Humera. Von dort aus habe sie telefonisch Kontakt
zu ihrem Mann aufgenommen. Ihr Mann habe ihr gesagt, dass er zwei Leute schicke, die ihr
dann hülfen und sie rangehen solle, wenn eine unbekannte Nummer anrufe. Es sei ein Mann
gekommen, sie seien ein Stück zu Fuß gelaufen. Gegen Abend seien sie über den Teke-
sesee mit einem Boot in den Sudan gekommen.
Weiter übergab der Kläger eine Videoaufzeichnung, die ihn bei einer Konferenz in München
im Dezember 2017 zeigt. Er habe hierbei vor dem Plenum ein Grußwort der Ginbot 7 an den
Vorsitzenden der Organisation, Berhanu Nega, gerichtet. Auf die weiteren übergebenen
Unterlagen zum Nachweis der exilpolitischen Aktivitäten wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 brachten die Kläger vor, dass der Kläger an einer An-
passungsstörung mit depressiver Reaktion und die Klägerin an einer posttraumatischen Be-
lastungsstörung erkrankt seien. Hierzu legten sie Arztbriefe der medbo vom 8. Dezember
2017 (Klägerin) und vom 24. Januar 2018 (Kläger) vor. Auf beide wird verwiesen.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2016, Aktenzeichen*****- 225 ent-
sprechend aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die
Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise,
ihnen subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zu gewähren,
weiter hilfsweise,
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz festzustel-
len.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 14 -
Zur Begründung der Beklagten wird auf die Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung
verwiesen.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2018 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als
Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden-
und Gerichtsakten Bezug genommen und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung,
in der beide Kläger informatorisch angehört worden sind, vom 20. Februar 2019 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Klagen sind unbegründet und bleiben ohne Erfolg.
Die Entscheidung des Bundesamts, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft und den subsidi-
ären Schutzstatus nicht zuzuerkennen sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten ge-
mäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und beide Kläger unter Androhung
ihrer Abschiebung nach Äthiopien zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt die
Kläger damit auch nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsge-
richtsordnung (VwGO).
Die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die getroffenen Entscheidungen sind rechtmäßig, da beide keinen Anspruch nach § 3 Abs. 4
Asylgesetz (AsylG) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben. Weder der Kläger
noch die Klägerin sind Flüchtlinge nach § 3 Abs. 1 AsylG. Hierbei ist der entscheidende Zeit-
punkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der Termin der mündlichen Verhandlung (§ 77
Abs. 1 S. 1 AsylG).
Ein Ausländer ist – unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben – Flüchtling,
wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Re-
ligion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder
wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG
ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris). Von einer Verfolgung kann
nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten
Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Be-
troffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland
zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen.
An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand
aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge
von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge
- 15 -
allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v.
28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris).
Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch uner-
heblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die
Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen
diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1
AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat,
der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 -
10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die
Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom
13.12.2011). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger
ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfol-
gung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften
Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen,
dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht
wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung
in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A – juris).
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner
Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden
Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel
stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfol-
gerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen
des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet an-
derseits jedoch nicht, dass der entscheidende Richter einer Überzeugungsbildung im Sinne
des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 – juris; BVerwG,
U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus,
dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschil-
dert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung
des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn
der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vor-
bringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenser-
fahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe
unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylver-
fahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeb-
lich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG
Ansbach, U.v. 24.10.2016 – AN 3 K 16.30452 – juris mit weiteren Nachweisen).
- 16 -
Das Vorbringen der Kläger kann wegen der Unglaubwürdigkeit sowohl des Klägers als auch
der Klägerin nicht als glaubhaft gemacht angenommen werden.
Der Kläger und die Klägerin sind unglaubwürdig, weil beider persönliche Identität zur Über-
zeugung des Gerichts nicht feststeht. Beide sind ausweislos und haben durch Nichtvorlage
eines authentischen äthiopischen Ausweises nicht dazu beigetragen, ihre Identität zu klären.
Soweit der Kläger vorträgt, dass er den Kebeleausweis im Mittelmeer weggeworfen habe,
um bei der Rückkehr an Land nicht als Äthiopier erkannt zu werden, ist diese Aussage, da
die entsprechende Geschichte im Widerspruch zur Aussage seiner Frau steht, unglaubhaft
und weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit beider Kläger. Der Kläger hat vorgebracht, die
beim Bundesamt vorgelegten Dokumente, UNHCR-Ausweise, Einzahlungsbeleg Andinet
und Mitgliedsbestätigungen hätte seine Frau bei der Überfahrt übers Mittelmeer in ihrem
Dekolleté getragen und deshalb habe er sie beim Bundesamt vorlegen können. Demgegen-
über steht die Aussage seiner Frau, dass die vorgelegten Dokumente der Mann in seiner
Hosentasche getragen habe, sie habe ihre Dokumente in einer über Bord gegangenen Ta-
sche getragen und deshalb verloren. Auch divergiert das Vorbringen beider Kläger zum Ab-
lauf der Überfahrt. Während der Mann vortrug, dass sie nach 2 Tagen wegen Bootproblemen
zurück an die Küste gemusst hätten und deshalb alle Angst gehabt hätten, dass sie durch-
sucht würden und sie zudem nass gewesen seien, brachte die Frau vor, dass die Probleme
mit dem Schiff auf hoher See aufgetreten seien und sie nicht in Richtung einer Küste abge-
schleppt worden seien, sondern ihnen vielmehr auf hoher See von Fischern geholfen worden
sei. Auch dieses Vorbringen lässt sich nicht mit dem des Klägers in Übereinstimmung brin-
gen und erzeugt weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Kläger.
Nach alledem ist bereits völlig offen, ob die Kläger ihre tatsächliche Identität offengelegt, also
ihre richtigen Namen und Daten angegeben haben.
Weitere Zweifel an ihrer Identität entstehen durch die Angaben der Kläger zu ihrem Alter und
Geburtsdatum. Der Kläger gab an, er sei 33 Jahre alt, aber im Jahr 1982 geboren. Bereits
dies stimmt rechnerisch nicht. Weiter gab er sein Geburtsdatum im gregorianischen Kalender
an, wusste es aber nicht im äthiopischen. In diesem Kalendersystem schätzte er es auf den
14.4.(Thasas)1974. Diese Schätzung liegt um ein Jahr falsch und trifft den falschen Tag. Das
dem 26.12.1982 entsprechende äthiopische Datum wäre der 17.4.1975 (Kalenderumrech-
nung via http://www.nabkal.de/kalrech8.html). Da er selbst gesagt hat, dass er in Äthiopien
beide Kalendersysteme benutzt hätte, ist es unplausibel, dass er sein Geburtsdatum nur im
gregorianischen System kennt. Die Klägerin gab als Geburtsjahr in der mündlichen Verhand-
lung zunächst 1993 an, merkte dann, dass dies nicht stimmen konnte und gab – wie beim
- 17 -
Bundesamt – 1983 an, äußerte jedoch zugleich, 37 Jahre alt zu sein, was rechnerisch eben-
falls nicht möglich ist.
All diese Ungereimtheiten der klägerischen Angaben zu ihrer jeweiligen Identität führen zu
einer erschütterten Glaubwürdigkeit. Aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit kann das Vor-
bringen der Kläger zu ihrer Fluchtgeschichte nicht geglaubt werden.
Selbst wenn man die vorgebrachte Geschichte in Äthiopien als glaubhaft unterstellen wollte,
würde sie aber nicht mehr (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) zur Annahme einer beachtlich wahr-
scheinlichen Verfolgungsgefahr führen. Zwar wäre dann zugunsten der Kläger Art. 4 Abs. 4
RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zu beachten, jedoch wäre ebendiese Vermutung
durch die zwischenzeitlich eingetretenen positiven Veränderungen vor allem im Jahr 2018
erschüttert. Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU sieht selbst vor, dass bei Vorliegen stichhaltiger
Gründe, die gegen eine Verfolgung sprechen, eine Vorverfolgung kein ernsthafter Hinweis
mehr auf eine begründete Furcht vor Verfolgung ist. Solche stichhaltigen Gründe ergeben
sich aus den positiven Veränderungen in Äthiopien seit Amtsantritt des Premierministers
Abiy Ahmed (so auch VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 – B 7 K 17.32826 – juris Rn. 44; VG
Bayreuth, U.v. 5.9.2018 – B 7 K 17.33349 – juris Rn. 50).
Dies ergibt sich aus mehreren Entwicklungen seit Anfang 2018 (siehe zu den meisten der im
Folgenden mit Primärquellen zitierten Entwicklungen auch Länderinformationsblatt der Staa-
tendokumentation Äthiopien, BFA Österreich vom 8. Januar 2019 und Auswärtiges Amt,
Lagebericht Äthiopien vom 17.10.2018, Stand: September 2018).
So wurde der Ausnahmezustand aufgehoben (Meldung der BBC vom 2. Juni 2018, 20:53
Uhr und vom 5. Juni 11:23 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-
44344025?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia&link_loc
ation=live-reporting-story). Der neue Premierminister, Abiy Ahmed, ist oromischer Volkszu-
gehörigkeit (vgl. Meldung der BBC vom 28. März 2018 10:29 Uhr,
https://www.bbc.com/news/world-africa-42716864). Er hat bei seiner Vereidigung ausdrück-
lich betont, dass politischer Pluralismus ein Muss sei, das sei ein Grundstein dafür, dass
Demokratie funktioniere. Seine erste Amtsreise führte ihn in einen der Unruheherde des
Landes, die Grenzregion zwischen den Siedlungsgebieten der Oromo und der Somali. Er
empfing in Addis Abeba Oppositionspolitiker, Vertreter der Zivilgesellschaft und religiöse
Führer. Dass er die Politik der Regierungskoalition nicht einfach fortsetzen will, hat er vor
allem auch dadurch gezeigt, dass unter seiner Führung Hunderte von Oppositionsanhängern
freigelassen worden sind, die nach einer Amnestie im Januar 2018 zwar aus der Haft entlas-
sen, anschließend jedoch teils gleich wieder festgenommen worden waren. Außerdem wurde
- 18 -
inzwischen das berüchtigte Makelawi-Gefängnis in Addis Abeba geschlossen (vgl. zum Vor-
stehenden die Presseartikel "Halber Machtwechsel", taz vom 3.4.2018; "Man nennt ihn Äthi-
opiens Barack Obama", FR vom 10.4.2018 und "Äthiopiens neuer Premier wirbt für Zusam-
menarbeit und Versöhnung", DW vom 13.4.2018). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen
Amts wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Per-
sonen vorzeitig entlassen (vgl. AA, Lagebericht vom 17. Oktober 2018, Stand September
2018, S. 6). Zugleich teilt der Bericht mit, dass weiterhin eine unbekannte Zahl von Men-
schen ohne Anklage inhaftiert sei, Menschenrechtsorganisationen sprächen von mehreren
tausend Betroffenen. Diese Zahlen ließen sich jedoch nicht verifizieren (vgl. AA, Lagebericht
vom 17. Oktober 2018, Stand September 2018, S. 6). Zugleich wird dort festgehalten, dass
der neue Premierminister sich mit Erfolg für einen stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum
bemühe und die Praxis der Kriminalisierung Oppositioneller und kritischer Medien de facto
beendet habe.
Der neue Premierminister bezeichnete Folter als Akt des Terrors durch den Staat, warf den
eigenen Sicherheitsbehörden Folter und illegale Inhaftierungen vor und entließ Chefs der
Nachrichtendienste und des Militärs (vgl. Meldung der BBC vom 18. Juni 2018, 18:05 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Die oppositionelle Organisation
Ginbot 7 stellte ihren bewaffneten Widerstand gegen die Regierung ein und bezeichnete die
vom neuen Premierminister angestoßenen Reformen als wirkliche Hoffnung auf Demokratie
(Meldung der BBC vom 22. Juni 2018,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). So wurde auch der zum Tode ver-
urteilte Generalsekretär der Organisation Ginbot 7, Andargachew Tsege, der 2009 in Abwe-
senheit zum Tode verurteilt und 2014 auf einem jemenitischen Flughafen auf seinem Weg
nach Eritrea festgenommen und den äthiopischen Behörden ausgehändigt worden war, frei-
gelassen (vgl. Meldung der BBC vom 1. Juni 2018 17:05 Uhr,
https://www.bbc.com/news/world-africa-42716864).
Es finden Gespräche zwischen Äthiopien und Eritrea statt. Äthiopien kündigte an, die Solda-
ten an der Grenze zu Eritrea abzuziehen. Telefonleitungen und Flugverbindungen zwischen
beiden Ländern wurden wiedereröffnet (vgl. Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 20. Juli
2018, 11:00 Uhr, https://www.sueddeutsche.de/politik/aethiopien-und-eritrea-zwei-laender-
erwachen-aus-dem-tiefschlaf-1.4062868; Meldung der BBC vom 10. Juli 2018, 13:01 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Im September 2018 wurde die
äthiopische Botschaft in Asmara wiedereröffnet (Meldung des Portals africanews vom 6.
September 2018, http://www.africanews.com/2018/09/06/ethiopia-reopens-its-embassy-in-
eritrean-capital-asmara/?breaking-news=1).
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Die Regierungschefs beider Länder feierten bei einem gemeinsamen Besuch an der Grenze
das äthiopische Neujahr und eröffneten einen Grenzübergang bei der äthiopischen Stadt
Zalambessa (Meldung von africanews.com vom 11. September 2018,
http://www.africanews.com/2018/09/11/abiy-afwerki-visit-border-together-to-celebrate-
ethiopian-new-year-with-their/; Meldung der B’BC vom 11. September 2018
https://www.bbc.com/news/world-africa-
45475876?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia&link_loc
ation=live-reporting-story).
Der Premierminister ließ bisher gesperrte Internetseiten oppositioneller Organisationen frei-
geben. Das oromische Medienportal Oromo Media Network (OMN), dem bis vor kurzem
noch Terrorvorwürfe gemacht worden sind, eröffnete in Addis Abeba eine Redaktion (vgl.
Meldung der BBC vom 26. Juni 2018, 16:16 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Der Gründer dieses Medienportals,
Jawar Mohammed, ist nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. Meldung von „jeune afrique“ vom
5. August 2018, 12:39 Uhr, http://www.jeuneafrique.com/depeches/611340/politique/retour-
en-ethiopie-dun-celebre-activiste-de-lopposition/; Meldung des Guardian
https://www.theguardian.com/global-development/2018/aug/20/jawar-mohammed-return-
ethiopia-political-change-oromo). Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Aufwiege-
lung/Anstiftung zur Gewalt wurden fallen gelassen.
Die äthiopische Regierung und die vormals auf der Terrorliste geführte OLF haben eine Ver-
einbarung unterzeichnet, um die Feindseligkeiten, bewaffneten Auseinandersetzungen zu
beenden (Meldung der BBC vom 7. August 2018, 16:59 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Auch die ONLF, eine früher als
Terrorgruppe bezeichnete Organisation in der Somaliregion unterzeichnete im Februar 2019
mit der Regionalregierung des Bundesstaats Somali eine Vereinbarung über die Entwaff-
nung und Integration ihrer Mitglieder in die staatlichen Sicherheitsdienste (vgl. Meldung afri-
canews vom 9. Februar 2019, 4:00 Uhr, http://www.africanews.com/2019/02/09/ethiopia-onlf-
rebels-disarm-sign-agreement-with-somali-state/).
Die äthiopische Regierung hieß die Anführer der vormals als Terrorgruppe bezeichneten
Ginbot 7, die nach Äthiopien zurückgekehrt sind, im Land willkommen (vgl Meldung von afri-
canews.com vom 9. September 2018, 13:29 Uhr,
http://www.africanews.com/2018/09/09/ethiopia-govt-welcomes-leadership-of-ginbot-7-back-
home/).
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Im Oktober 2018 kehrten ca. 2.000 äthiopische Rebellen des Tigray People’s Democratic
Movements (TPDM) von Eritrea aus nach Äthiopien zurück. Dieser Rückkehr war die Unter-
zeichnung einer Friedensvereinbarung mit der Regierung in Addis Abeba im August 2018
vorausgegangen (Meldung der BBC vom 9. Oktober, 17:38 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; Meldung des Portals africa-
news.com vom 10. Oktober 2018, http://www.africanews.com/2018/10/10/about-2000-tigray-
rebels-return-to-ethiopia-from-eritrea/). Laut africanews.com sollen auch Kämpfer von Ginbot
7 und Soldaten der OLF nach Äthiopien heimgekehrt sein (Meldung des Portals africa-
news.com vom 10. Oktober 2018, http://www.africanews.com/2018/10/10/about-2000-tigray-
rebels-return-to-ethiopia-from-eritrea/).
Abdi Mohammed Omar (alias Abdi Illey), der vormalige Regierungschef der Somaliregion,
dem vorgeworfen wird, dass er unrechtmäßige Rekrutierungen, Verhaftungen, Tötungen und
sonstige Menschenrechtsverstöße seiner Liyu Plizei ermöglicht oder geduldet habe, trat im
August 2018 zurück. Er wurde nach seinem Rücktritt im August 2018 von Seiten der Äthiopi-
schen Bundeskräfte festgenommen und ist inhaftiert worden. (vgl. Meldung der BBC vom 7.
August 2018, 15:24 und vom 27. August 2018, 18:46 Uhr
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; Meldung des Portals africanews
vom 27. August 2018 http://www.africanews.com/2018/08/27/ethiopia-police-arrest-ex-
somali-region-president-abdi-illey/). Er wurde am Mittwoch, 29. August 2018 vor einem Ge-
richt zusammen mit 6 weiteren Vertretern seiner Regionalregierung mehrerer Taten beschul-
digt, man warf ihm u.a. Menschenrechtsverletzungen, Tötungen, Vertreibungen, Freiheitsbe-
raubung, Folter und Unterdrückung der Meinungsfreiheit vor. Als sein Nachfolger wurde ei-
ner seiner Kritiker, Mustafa Omer, dem nachgesagt wird, dass er ein Verteidiger der Men-
schenrechte sei, bestimmt (Meldung des Portals africanews vom 30. August 2018,
http://www.africanews.com/2018/08/30/ethiopias-somali-regional-politics-new-leader-abdi-
illey-charged-liyu-police/). Shamaahiye Sheikh Farah (alias Shamaahiye), der frühere Chef
des Jail Ogaden und Leutnant der Liyu Miliz wurde ebenfalls festgenommen. Das berüchtigte
Gefängnis in Jijiga wurde geschlossen (Meldung des Portals africanews.com vom 29.9.2018,
http://www.africanews.com/2018/09/29/ex-boss-of-ethiopia-s-notorious-jail-ogaden-
arrested/).
Der Premierminister gab bei einer Ansprache vor der Regierungskoalition an, dass es das
Zeichen eines wahren Anführers sei, besser qualifizierte Nachfolger hervorzubringen und
sich selbst überflüssig zu machen (Meldung der BBC vom 3. Oktober 2018, 11:25 Uhr
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia).
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Im November 2018 ließ der äthiopische Generalstaatsanwalt (Attorney General) Berhanu
Tsegaye über 60 Beamte verhaften (vgl. Meldung des Portals africanews vom 17.11.2018,
12:29 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/17/ethiopians-support-govt-crackdown-on-
corruption-rights-abuse/). Unter den Verhafteten befanden sich ehemals hochrangige Mit-
glieder der Nachrichtendienste (vgl. Meldung des Portals africanews vom 15.11.2018, 08:59
Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/15/ethiopia-s-former-deputy-intelligence-chief-
arrested-by-police/; BBC vom 15.11.2018, https://www.bbc.com/news/world-africa-
46221238) wie etwa z.B. Yared Zerihun (a former deputy intelligence chief). Yared Zerihun
war Stellvertreter von NISS (National Intelligence and Security Service). Aber auch aus dem
Wirtschaftsbereich der Armee, wie der Metals and Engineering Corporation (MetEC), wurden
Verantwortliche wie Kinfe Dangnew verhaftet (vgl. Meldung des Portals africanews vom
17.11.2018, 12:29 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/17/ethiopians-support-govt-
crackdown-on-corruption-rights-abuse/). Auch Colonel Gudeta Olana, Sicherheitschef der
staatlichen Ethio Telecom wurde verhaftet (vgl. Meldung des Portals africanews vom
15.11.2018, 08:59 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/15/ethiopia-s-former-deputy-
intelligence-chief-arrested-by-police/). Den verhafteten Personen werden Korruption und
Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (vgl. BBC vom 15.11.2018,
https://www.bbc.com/news/world-africa-46221238). Nach Meldungen vom 23. Januar 2019
wurde auch der frühere Kommunikationsminister Bereket Simon wegen Korruptionsvorwür-
fen verhaftet. Simon war ein Gründungsmitglied der Regierungskoalition EPRDF. Wegen der
gleichen Vorwürfe wurde auch Tadesse Kassa, ein früherer hoher Beamter verhaftet (vgl.
Meldung von africanews 23. Januar 2019, http://www.africanews.com/2019/01/23/ethiopia-
arrests-ex-govt-minister-bereket-simon-over-corruption/).
Der Premierminister Abiy Ahmed berief im November 2018 Frau Birtukan Mideksa zur Chefin
der Wahlkommission. Mideksa war nach den Wahlen 2005 verhaftet, nach 18 Monaten frei-
gelassen worden, anschließend aber im Dezember 2008 für weitere 21 Monate inhaftiert
worden und verbrachte die letzten 7 Jahre im Exil in den USA. Sie kehrte kurz vor ihrer Beru-
fung zurück nach Äthiopien (vgl. Meldung der BBC vom 22.11.2018,
https://www.bbc.com/news/world-africa-
46301112?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia&link_loc
ation=live-reporting-story; africanews 21.11.2018
http://www.africanews.com/2018/11/21/ethiopia-to-appoint-new-election-chief-on-thursday-
could-it-be-birtukan-mideksa/; africanews vom 22.11.2018,
http://www.africanews.com/2018/11/22/ethiopia-elections-chief-pledges-transparent-and-
trustworthy-work/). Am 27. November 2018 fand eine Diskussion der Regierung mit Opposi-
tionsparteien zu den kommenden Wahlen statt (Meldung von africanews vom 23.11.2018,
http://www.africanews.com/2018/11/23/ethiopia-pm-opposition-to-discuss-electoral-reforms/).
- 22 -
Ohnehin ist festzustellen, dass der Premier führende Positionen an Frauen vergeben hat.
Oberste Richterin ist Frau Meaza Ashenafi, eine frühere Anwältin und Menschenrechtsakti-
vistin (vgl. africanews vom 2.11.2018, http://www.africanews.com/2018/11/02/judicial-
independence-rule-of-law-ethiopia-s-female-cj-speaks/). Auch die Präsidentin des Landes ist
erstmals eine Frau, die frühere Diplomatin Sahle-Work Zewde. Das Kabinett wurde paritä-
tisch mit 10 Männern und 10 Frauen besetzt (vgl. africanews vom 1.11.2018
http://www.africanews.com/2018/11/01/ethiopia-supreme-court-gets-its-first-woman-head-
meaza-ashenafi/).
Nach Meldungen vom 23. Januar 2019 nutzen laut des äthiopischen Generalstaatsanwalts
13.000 Menschen das im Juli 2018 verkündete Amnestieangebot (Meldung von africanews
vom 23. Januar 2019 http://www.africanews.com/2019/01/23/ethiopia-pardons-more-than-
3000-political-prisoners/).
Das Gericht sieht bei dieser Einschätzung der Sachlage auch, dass es in Äthiopien ange-
sichts einer gewissen übergangsbedingten Unsicherheit zu lokalen Unruhen mit Todesfällen
und ethnischen Konflikten kommt. Ausweislich eines Berichts des Internetportals africanews
kamen bei einer öffentlichen Versammlung zur Begrüßung des OMN Gründers in der Stadt
Shashememe im August 2018 vier Personen ums Leben. Das Portal berichtet, dass drei
Leute in einer Massenpanik am Eingang des örtlichen Stadions, in dem die Veranstaltung
stattfand, getötet worden seien. Eine weitere Person sei von einem Mob gelyncht worden,
weil der Mob geglaubt habe, dass der Gelynchte in seinem Auto eine Bombe dabei hätte
(Meldung des Portals africanews vom 14. August 2018, 5:00 Uhr
http://www.africanews.com/2018/08/14/ethiopian-activists-condemn-mob-action-violence-
during-rally-in-oromia/). Der Gründer des OMN sprach auf seinem facebook-Account am 12.
August 2018 von einer grausamen (cruel), widerlichen (disgusting) und schädlichen (dama-
ging) Handlung des Mobs. Er rufe alle, insbesondere die Jugend, dazu auf, keine Selbstjustiz
zu üben, auch nicht aufgrund von eigenen Verdächtigungen
(https://www.facebook.com/Jawarmd/posts/10104063136852973).
Im September 2018 kam es zu tödlichen Unruhen in Addis Abeba. Nach Aussagen des Poli-
zeichefs von Addis Abeba, Maj Gen Degie Bedi, kamen mindestens 28 Menschen ums Le-
ben. Die Unruhen begannen am 13. September als Unterstützer der OLF ihre Flagge in Tei-
len der Hauptstadt Addis Abeba aufhängen. Dies werteten einige Bewohner als Versuch der
OLF die Kontrolle über Addis Abeba zu übernehmen. Daraufhin griffen sich die gegnerischen
Unterstützer an, was in der Schließung von Teilen des Geschäftsviertels von Addis Abeba
endete. Zwei Tage später eskalierte die Gewalt und führte zu 28 Toten. Die meisten starben
durch Schläge mit Stöcken und Steinen als rivalisierende Gruppen sich prügelten. 7 sind
- 23 -
nach der Aussage des Polizeichefs von Sicherheitskräften getötet worden, Amnesty sprach
von 58 Toten bei den Unruhen. Infolge dieser Unruhen wurden nach äthiopischen Polizeian-
gaben 1.200 Menschen verhaftet, die meisten seien aber wieder freigelassen worden (Mel-
dung der BBC vom 25. September 2018, https://www.bbc.com/news/world-africa-
45638856?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia&link_loc
ation=live-reporting-story). Am 17. Dezember 2018 forderten Unruhen zwischen rivalisieren-
den Ethnien unter Beteiligung der äthiopischen Armee in der im Süden gelegenen Stadt
Moyale 13 Tote (vgl. Meldung der BBC vom 18. Dezember 2018,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; africanews.com vom 18. Dezember
2018 http://www.africanews.com/2018/12/18/ethiopia-army-op-kills-civilians-in-moyale-hotel-
violence-persists/).
Diese Todesfälle, so tragisch und bedauerlich sie sind, sind jedoch nicht Folge von Verfol-
gungshandlungen eines Verfolgungsakteurs im Sinne des Asylgesetzes. Sie führen auch
nicht zur Annahme bürgerkriegsähnlicher Zustände (vgl. BFA Äthiopien, 8. Januar 2019,
S. 8). Das Gericht berücksichtigt bei dieser Bewertung, dass es anlässlich der Entwicklungen
in Äthiopien zu diversen regionalen und lokalen Unruhen, Übergriffen auf andere Ethnien
und teils auch Kampfhandlungen mit der Folge zahlreicher Binnenvertriebener kommt. Diese
werden jedoch von Seiten der Bundesbehörden versucht zu unterbinden. So hat die äthiopi-
sche Bundesarmee bspw. den vormaligen Regierungschef der Somali Region nach dessen
Rücktritt inhaftiert und ist in dieses Gebiet eingerückt (vgl. Meldungen der BBC vom 4. Au-
gust 2018 https://www.bbc.com/news/world-africa-
45070213?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia&link_loc
ation=live-reporting-story und vom 7. August 2018, 15:24 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Auch bei den Unruhen im Grenz-
bereich Somali - Oromiya kann nicht davon ausgegangen werden, dass keine inländische
Fluchtalternative, etwa in Addis Abeba bestünde. Es kann - angesichts der Erkenntnislage -
auch nicht davon ausgegangen werden, dass der äthiopische Staat gemäß § 3c Nr. 3 AsylG
nicht in der Lage sei oder nicht willens wäre, eventuell Bedrohten Schutz vor Verfolgung zu
bieten. Zumal die Unruhen und Gewalttätigkeiten lokal begrenzt sind und meist anlässlich
von größeren Versammlungen ausbrechen. Auch die äthiopische Politik reagiert auf die in-
ternen Grenzkonflikte. So hat das äthiopische Parlament am 20. Dezember 2018 ein umstrit-
tenes Gesetz verabschiedet, dass es dem Premierminister erlaubt, eine Kommission einzu-
setzen um die Identitäts- und Grenzkonflikte zwischen den regionalen Verwaltungen (vgl.
Meldung der BBC vom 20. Dezember 2018, 12:21 Uhr
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Die Kommission soll die Ursachen
der Konflikte eruieren und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
- 24 -
Aus diesen Vorfällen ergeben sich auch weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Oro-
mo nur aufgrund der Zugehörigkeit zu seiner Ethnie in Gefahr wäre.
Auch die exilpolitische Betätigung der Kläger führt nicht zur Annahme einer beachtlich wahr-
scheinlichen Verfolgungsgefahr aus flüchtlingsrelevanten Gründen.
Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann,
wenn die begründete Furcht nur auf Ereignissen beruht, die eingetreten sind, nachdem ein
Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat (sog. Nachfluchttatbestände). Hierbei ist auch zu
beachten, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem Wortlaut des § 28
Abs. 1a AsylG im Gegensatz zu § 28 Abs. 2 AsylG auch möglich ist, wenn sämtliche Um-
stände erst nach der Flucht eingetreten sind. Im Gegensatz zu Vorfluchtgründen, die ledig-
lich glaubhaft zu machen sind, bedürfen Nachfluchtgründe, die auf Ereignissen innerhalb des
Gastlandes beruhen, des vollen Nachweises, wobei insoweit nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Insofern ist
den Versuchen einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylrechtsschutzes im Be-
reich der Sachverhaltsermittlung zu begegnen (BVerwG, U.v.21.10.1986 - 9 C 28.85 -
BVerwGE 75, 99; BVerwG, U.v. 8.11.1983 - 9 C 93.83 - BVerwGE 68, 171).
Zur Überzeugung des Einzelrichters ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt erst recht nicht
mehr beachtlich wahrscheinlich, dass den Klägern bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien eine
Verfolgung wegen ihrer exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen
würde. Die Kammer ging bereits vor den Veränderungen in Äthiopien nicht von einer beacht-
lich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr rein exilpolitisch aktiver Asylbewerber aus.
Dass ein Ausländer in seinem Heimatstaat politisch verfolgt wird, weil er in der Bundesrepub-
lik Deutschland gegen seinen Staat politische Aktivitäten entfaltet hat, kann nur angenom-
men werden, wenn sowohl für das Bekanntwerden der Tätigkeit im Heimatstaat als auch für
dessen im Sinne des Asylrechts politisch motivierte Reaktion hinreichend gewichtige An-
haltspunkte bestehen (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - 1 C 33.71 - BVerwGE 55, 82). Gerade an
letzterem fehlt es hier.
Es gibt zahlreiche äthiopische politische Exilgruppen mit sehr unterschiedlichen Hintergrün-
den und Programmen. Dem Auswärtigen Amt liegen auch nach dem aktuellen Bericht über
die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 17. Oktober 2018 keine Erkenntnis-
se darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rück-
kehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es nach dieser
- 25 -
Auskunft auf den Einzelfall an, also z.B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen
Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich
handelt (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer
Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend
in Äthiopien politisch betätigt (AA, Lagebericht Äthiopien vom 17.10.2018, Stand: September
20185, II. 1.9., S. 18). Bei Würdigung dieser Auskunftslage und insbesondere unter Berück-
sichtigung der Ereignisse im Jahr 2018 ist nicht davon auszugehen, dass eine Verfolgung
von nicht herausgehoben politisch tätigen Personen beachtlich wahrscheinlich wäre. Ob
herausgehobene Personen weiter verfolgt werden, ist sehr zweifelhaft, da namhafte Opposi-
tionelle, wie bspw. Berhanu Nega, unbehelligt zurückgekehrt sind (s.u.). Diese Frage kann
hier aber dahingestellt bleiben, da die Tätigkeit des Klägers sich in der üblichen Mitglied-
schaft und Teilnahme an Veranstaltungen erschöpft, was bei einem Großteil der äthiopi-
schen Asylbewerber der Fall ist.
Bei der Klägerin kann angesichts ihrer Passivität schon fast nicht mehr vom Status einer
Mitläuferin ausgegangen werden. Sie vermochte in der mündlichen Verhandlung schon nicht
zu sagen, wann sie das letzte Mal an einer entsprechenden Veranstaltung teilgenommen
hatte. Beim Kläger ist das Engagement größer. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, seine
vermeintlich herausgehobene Stellung als stellvertretender Vorsitzender oder das Sich-
Ablichten-Lassen mit Berhanu Nega etc. führen schon nicht zu einer herausgehobenen Stel-
lung des Klägers in der äthiopischen Exilszene, da diese Aktivitäten von der Mehrheit der
äthiopischen Asylbewerber ausgeübt werden. Die Kammer hat bereits vor dem Wechsel des
Premiers in ständiger Rechtsprechung (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K
16.32411 – juris) eine Verfolgungsgefahr nicht herausgehobener Exilpolitiker aufgrund exil-
politischen Engagements verneint. Angesichts der geschilderten Veränderungen (s.o.) und
der unbehelligten Rückkehr wirklich prominenter Exilpolitiker spricht viel dafür, dass nunmehr
auch nicht mehr von einer Verfolgungsgefahr tatsächlich herausgehobener Personen ausge-
gangen werden kann.
Das klägerische Vorbringen, wonach aufgrund der Willkür der äthiopischen Sicherheitskräfte
nur wegen eines Wechsels an der Spitze noch nicht von tatsächlichen Veränderungen aus-
gegangen werden könne, vermag diese Einschätzung nicht zu erschüttern. Es wurde seitens
der Kläger auf den Gutachter Günter Schröder verwiesen. Dessen letzte bekannte Einschät-
zung erfolgte vor den Veränderungen des Jahres 2018. Bereits vor den Veränderungen folg-
te das Gericht den Einschätzungen des genannten Gutachters nicht, sondern ordnete des-
sen Aussagen in den Gesamtkontext der Auskunftslage ein und kam zu dem Ergebnis, dass
seiner Einschätzung nicht zu folgen sei (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K
16.31797 – juris; VG Regensburg, U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris).
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Soweit geltend gemacht wird, der neue Premier könne nicht in den Regionen durchregieren,
weil die alten Seilschaften die Macht in den Händen hielten, bestehen auch Anhaltspunkte
für die gegenteilige Annahme. Beispielsweise hat er, wie oben gezeigt, mithilfe der Bundes-
armee den Machthaber der Somaliregion verhaften und die Situation befrieden lassen. Oh-
nehin wären die Kläger dann auf die sichere Alternative Addis Abeba zu verweisen, wo sie
auch vor ihrer Ausreise lebten. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Premier
nicht wenigstens in Addis Abeba das Sagen hätte und die Kläger dort nicht sicher wären.
2) Auch die Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Sie haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach
§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige
Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter
Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung
oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens
oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines inter-
nationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Ein derartiger Schaden droht
den Klägern nach den obigen Ausführungen nicht. Insbesondere kann trotz der zahlreichen
Binnenvertriebenen in einzelnen Regionen nicht von einem bürgerkriegsähnlichem Zustand
ausgegangen werden (s.o.). Zudem wäre jedenfalls Addis Abeba eine zumutbare, sichere
inländische Schutzmöglichkeit.
3) Auch die Ziffer 4 des Bescheids begegnet keinen Bedenken.
Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse bzgl. Äthiopien im Sinne des § 60 Abs. 5
und 7 Satz 1 AufenthG nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht
abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II,
S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher
Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.
Ebenso wenig besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Auf-
enthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgese-
hen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben
oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt
das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allge-
meine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz aus-
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schließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1
Satz 1 AufenthG gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt
die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung aber
jedenfalls dann, wenn die oberste Landebehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefah-
renlage keinen generellen Abschiebestopp erlassen bzw. diesen nicht verlängert hat und ein
vergleichbarer wirksamer Schutz den betroffenen Ausländern nicht vermittelt wird. Die
Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschie-
bungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder
einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt
werden muss. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam
sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben
oder Freiheit ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 17.10.1995 - BVerwGE 99, 324; BVerwG, U.v.
19.11.1996 - BVerwGE 102, 249, BVerwG, U.v. 12.7.2001 - BVerwGE 115, 1). Eine derarti-
ge Gefahrensituation könnte sich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Ver-
sorgungslage in Äthiopien ergeben.
Ob die Annahme einer extremen Gefahrenlage im Wege der verfassungskonformen Ausle-
gung nunmehr ausscheidet, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom
31.1.2013 (Az. 10 C 15/12 – juris) davon ausgeht, dass in begründeten Ausnahmefällen
schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat (auch) ein Abschiebeverbot nach
§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen können, kann letztlich dahinstehen, da
die anzuwendenden Gefahrenmaßstäbe weitgehend übereinstimmen.
Nach den dem Gericht vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist die
Versorgungssituation für die Kläger und ihre Familie in Äthiopien jedoch nicht so schlecht,
dass von einer Gefahr im beschriebenen Sinn auszugehen wäre. Obwohl Äthiopien zwi-
schen den Jahren 2004 und 2014 ein konstantes wirtschaftliches Wachstum aufwies, zählt
das Land immer noch zu den ärmsten Staaten der Welt. Auf dem Human Development Index
des UNO-Entwicklungsprogramms belegt Äthiopien Platz 173 von 186. 77,6 % der Bevölke-
rung leben von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Das durchschnittliche Jahreseinkommen
liegt bei 170 US-Dollar. 82 % Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft (SFH,
Äthiopien, Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2014, Rahel Zürrer, Bern 2014). Ande-
rerseits ist die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Regionen niedrig. Statt auf Arbeitslosigkeit
trifft man dort auf unterproduktive Landwirtschaft (IOM, Länderinformationsblatt Äthiopien,
Juni 2014, VII. 8.2.1, S. 19). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist
nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert, weshalb große Teile der Bevölkerung
auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Im Jahr 2014 waren ca. 3,2 Millionen Äthiopier auf
solche Hilfen angewiesen, wobei sich die Hilfen neben der reinen Nahrungsmittelhilfe auch
- 28 -
auf Non Food Items (Hygiene und Gesundheit) bezogen. Zusätzlich wurden 7,8 Millionen
Menschen über das Productive Safety Net Programme unterstützt, die sonst auch Nothilfe
benötigt hätten (AA, Lagebericht vom 24.5.2016, Stand: März 2016, IV. 1. 1.1. S. 20). Im
jüngsten Lagebericht spricht das Auswärtige Amt davon, dass 7,9 Millionen Menschen auf
das staatliche Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen sind (AA, Lagebericht
Äthiopien vom 17.10.2018, Stand: September 2018, IV 1.1, S. 23). Hier zeigt es sich, dass
die Situation für große Teile der Bevölkerung schwierig ist. Gleichwohl bestehen keine An-
haltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten. Für Rückkehrer bie-
ten sich im Übrigen schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Exis-
tenzgründung. Der Kläger hat angegeben, vor seiner Ausreise gearbeitet zu haben, es liegen
keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ihm dies bei einer Rückkehr nach Addis Abeba nicht
möglich wäre. Auch die Klägerin hat gearbeitet. Beiden zusammen sollte es möglich sein, für
ein ausreichendes wirtschaftliches Auskommen ihrer Familie zu sorgen.
Auch die zahlreichen Binnenvertriebenen aufgrund der ethnischen Unruhen führen nicht zum
Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots. Wie oben ausgeführt kann ab-
seits der Unruheherde davon ausgegangen werden, dass den Klägern weder eine konkrete
Gefahr noch eine unmenschliche Behandlung droht.
Die vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arztbriefe führen ebenfalls nicht zur An-
nahme des Vorliegens von Abschiebungsverboten aufgrund einer konkreten Gesundheitsge-
fährdung im Fall der Rückkehr. Die Arztbriefe genügen schon nicht den Anforderungen an
die Attestierung der entsprechenden Krankheiten. Sie sind bereits nicht aktuell, da sie beide
über ein Jahr alt sind und damit vor allem bei psychischen Erkrankungen veraltet. Darüber
hinaus entsprechen die vorgelegten Arztbrief nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c
AufenthG. Dessen Rechtsgedanke kann bei den Anforderungen an ein ärztliches Attest bzgl.
zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v.
24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris Rn. 7). Jedenfalls ergibt sich aus den Briefen nicht, dass
eine durchgeführte Abschiebung bei einem der Kläger in Äthiopien zu einer dramatischen,
lebensbedrohlichen Verschlechterung wegen der behaupteten Krankheiten führen würde.
Die Kläger also bei einer Rückkehr nach Äthiopien gleichsam „sehenden Auges in den Tod
geschickt würden“ (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 60 AufenthG, Rn
53).
Bezüglich der Klägerin verwundert schon die Anamnese, wonach ihr Herkunftsland Libyen
sei. Auch die Glaubhaftunterstellung der traumatisierenden Geschichte kann nicht dem Arzt
überlassen werden, sondern ist in einem Gerichtsverfahren Aufgabe des entscheidenden
Richters. Weiter sind die geschilderten traumatischen Erlebnisse schon nicht wiedergegeben
- 29 -
worden, so dass auch eine Überprüfung auf Übereinstimmung nicht vorgenommen werden
kann. Eine Aussage, wie sich eine Abschiebung nach Äthiopien auf die behauptete Krankheit
auswirke, fehlt ebenfalls. Letztlich ist der Arztbrief völlig unerheblich, da die Klägerin selbst in
der mündlichen Verhandlung angab, trotz Verschreibung keine Medikamente zu nehmen. Da
sie keine Medikamente nimmt und solcher augenscheinlich auch nicht bedarf, scheitert auch
eine Berufung auf eine eventuelle Nichtverfügbarkeit lebensnotwendiger Medikamente in
Äthiopien, die zur Annahme eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot führen könnte.
Bezüglich des Klägers ergibt sich aus den Arztbriefen ebenfalls nicht, dass sich die behaup-
tete Krankheit im Zielland lebensbedrohlich verschlechtern würde. Vielmehr folgt aus der
Anamnese, dass der Kläger wegen der Ablehnung seines Asylantrags perspektivlos sei und
er erhebliche Mengen Alkohol (8 Bier/Tag) und Zigaretten konsumiere. Zudem hat der Kläger
in der mündlichen Verhandlung nicht von einer psychischen Krankheit wie im Arztbrief (An-
passungsstörung oder Depression) berichtet, sondern von der Einnahme einer Tablette ge-
gen Fersen-/Beinschmerzen. Wie sich solche bei einer Rückkehr nach Äthiopien lebensbe-
drohlich verschlechtern sollen, ist nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die
Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. Zivilprozessordnung
(ZPO). Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG. Die Höhe des Gegenstandswertes
ergibt sich aus § 30 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwal-tungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Mo-nats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg zu stellen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regens-burg).
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssa-che grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwal-tungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichts-höfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwal-tungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden
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und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Zeiser Richter
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