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CARL HANSER VERLAG
Christian Bonten
Kunststofftechnik für Designer
3-446-22158-1
www.hanser.de
6 Anforderungen an Produkte
Oft werden die Begriffe „Anforderung“ und „Funktion“ eines Produkts irrefüh-
rend verwendet. Nach [26] sind:
Anforderungen, auch an recht einfache Produkte, sind meist vielfältig: Eine
wichtige, eine Grundanforderung ist selbstverständlich die Erfüllung der
Hauptfunktion des Produkts. Die Hauptfunktion einer Dichtung ist z.B. das
„Dichten“. Es ist also eine notwendige Anforderung an das Produkt, seine
Hauptfunktion zu erfüllen.
Um diese Hauptfunktion erfüllen zu können, muss das Produkt aber weitere
Anforderungen, nicht nur technische, erfüllen. So muss die Dichtung z.B. „pas-
sen“ und der Werkstoff muss dehnfähig genug sein, um Unebenheiten der zu
dichtenden Bauteile auszugleichen. Zudem darf der Werkstoff unter Druckbe-
anspruchung im Einbauzustand durch Kriechen nicht zu stark ausweichen etc.
Wird die Grundanforderung, die Hauptfunktion zu erfüllen, von einem Produkt
nicht erfüllt, so ist das Produkt überhaupt nicht „lebens“fähig! Ein Produkt
ohne Hauptfunktion ist wertlos oder ein Kunstwerk (und erhält dadurch wieder
eine ganz andere Funktion).
Im Folgenden sind Beispiele für Hauptfunktionen von Kunststoffprodukten aus
technischer Sicht aufgelistet. In der Regel werden mehrere Funktionen von ei-
nem komplexen Bauteil erfüllt:
● Abdecken,
● Wandeln und Leiten von Kräften/Momenten,
● Abdichten,
● Behalten,
● Tragen,
● Leiten (von Medien),
● Befestigen,
Anforderungen „qualitative oder quantitative Festlegungen von Ei-
genschaften oder Bedingungen für ein Produkt. (...)“
Funktionen „lösungsneutral beschriebene Beziehungen zwischen
Eingangs-, Ausgangs- und Zustandsgrößen eines Systems. (...)“
100 6 Anforderungen an Produkte
● Positionieren,
● Führen,
● Verbinden,
● elektrisch, akustisch oder/und thermisch Isolieren.
Bild 6.1: Anforderungen an ein Mobiltelefon im Jahre 2002
Beispiel (Bild 6.1):
Die Hauptfunktion eines Mobiltelefons ist es, die drahtlose Telefonie
zu ermöglichen. Nebenfunktionen des Mobiltelefons sind es, auch
Kurzmitteilungen verschicken und empfangen zu können, auch per
Stimme gesteuert werden zu können oder zu vibrieren statt zu klin-
geln. Durch diese Nebenfunktionen erhält das Produkt eine höhere
Funktionalität, dies bedeutet aber nicht, dass dies auch zugleich die
Anforderungen des Kunden erfüllt. Nur die Hauptfunktion ist zu-
gleich per se eine Anforderung. Die Nebenfunktionen von derartigen
Produkten sind meist Wunschanforderungen, auf die zugunsten einer
anderen Wunschanforderung, wie beispielsweise ein geringes Ge-
wicht, eine gute Lesbarkeit des Displays oder eine gute Bedien-
barkeit der Tastatur, verzichtet werden kann. Darüber hinaus sind
Designaspekte, die mögliche Gesprächsdauer, die zu erwartende Le-
bensdauer des Produkts sowie auch die Weiternutzungsmöglichkeit
von Freisprecheinrichtungen meist Wunschanforderungen des Kun-
den.
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6 Anforderungen an Produkte 101
Der Wunsch nach positiver Anmutung, z.B. durch ein ansprechendes Design,
ist aus technischer Sicht immer eine Anforderung an ein Produkt, keine Funk-
tion. Radkappen z.B. haben ebenfalls aus technischer Sicht keine Design„funk-
tion“, sondern die Funktion „Abdecken“: In erster Linie deckt die Radkappe die
Felge ab. Dies soll sie aber nur, um der Felge eine höhere optische Anmutung
zu verleihen. Das Design ist also hier eine äußerste wichtige, über die Funktion
hinausgehende Anforderung an das Produkt.
Sind Produkte aus technischer Sicht kaum noch differenzierbar, so wird oftmals
über die ästethische Wirkung, das Design, differenziert. Das heißt, die Funktion
des Produkts (z.B. das Leuchten einer Leuchte) ist zwar immer noch dessen
„Lebens“grundlage, aber aus Marketingsicht lediglich die notwendige Voraus-
setzung des Produkts. Hinreichende Bedingung für den Erfolg des Produkts hat
hier die ästethische Wirkung. Daher wird aus Marketingsicht dann doch oft von
Design„funktion“ gesprochen; die Definition der „Aufgabe“, der Funktion, ei-
nes Produkts ist also je nach Sichtweise ganz unterschiedlich. Aus technischer
Sicht ist der Designanspekt jedoch eine Anforderung, keine Funktion.
Auch Kunstobjekte haben nicht die Funktion „Anmutung“; Funktionen von
Kunstobjekten sind „Erinnerung“, „Anregung“, „Repräsentation“ u.a. Der
Künstler stellt allenfalls selbst die Anforderung an sein Kunstwerk, z.B. auch
optisch ansprechend zu sein.
Wird von „optischer Funktion“ gesprochen, so ist im technischen Sinne aus-
schließlich die physikalische Funktionalität, Licht zu leiten, zu transmittieren,
zu streuen, zu reflektieren oder gar zu absorbieren gemeint. Z.B. Lichtschalter
aus Kunststoff, die im Dunkeln ein Symbol erleuchten lassen, haben neben der
Funktion „Schalten“ auch eine optische Funktion. Wenn im Folgenden von
Funktionen die Rede ist, so ist stets die technische Funktion gemeint.
Durch kreatives, ingenieurmäßiges Handeln, können Funktionen in einem Pro-
dukt vereint werden, ohne die Summe der Anforderungen zu vernachlässigen
(Funktionsintegration s. Abschnitt 6.3.1). Mit Hochachtung dürfen die in den
letzten Jahren durch erfolgreiche Zusammenarbeit von Kunden, Produktent-
wickler, Werkstoff-, Maschinen- und Werkzeugentwickler realisierten, sehr
hoch funktionsintegrierten Produkte aus Kunststoff betrachtet werden.
Der Preis ist zwar ebenfalls eine Anforderung an ein Produkt, der
Kundenwunsch verhält sich aber in der Regel reziprok. D.h., der
Kunde wünscht höhere Anforderungen, aber in der Regel einen glei-
chen oder gar geringeren Preis. Die Produktoptimierung erfolgt also
immer mit der Maximierung des Anforderungs-/Preisverhältnisses.
102 6 Anforderungen an Produkte
Bild 6.2 soll zusätzlich helfen, die Begrifflichkeiten technische „Funktion“,
„Anforderung“ von „Beanspruchung“ und „Eigenschaften“ zu unterscheiden.
Ein Produkt wird in seinem Produktleben auf vielfältige Weise beansprucht.
Um die gestellten Anforderungen zu erfüllen, muss das Produkt über spezifi-
sche Eigenschaften verfügen, die es den spezifischen Beanspruchungen genü-
gend trotzen lässt.
Bild 6.2: Eigenschaften entscheiden über die Erfüllung von Anforderungen an ein Pro-dukt
Eine Anforderungsliste ist eine „schriftlich formulierte Sammlung der Anfor-
derungen an ein Produkt. (...)“ [26]. Die Spezifikation (lat. für „Auflistung“)
des zu entwickelnden Produkts enthält in der Regel über die in Worte gefassten
Anforderungen hinaus auch detaillierte Anforderungen an Eigenschaften, die
das Produkt haben muss, um die Produktanforderungen zu erfüllen.
Die Begriffe „Pflichtenheft“ und „Lastenheft“ werden nicht nur im Ge-
schäftsalltag, sondern auch in [26] nicht sauber getrennt. Man kann also guten
Gewissens die Begrifflichkeiten synonym verwenden.
Medien-Beanspruchungen
• lösende
• quellende
• spannungsauslösende
• reagierende
mechanische Beanspruchungen
• statisch
• dynamisch
• stoßartig
• multiachsial
• punktförmig
• Zug, Druck, Schub, Reibung
physikalische Beanspruchungen
• elektrische
• akustische
• elektromagnetische (Strahlung)
Zeit
Temperatur-Beanspruchung
Produkt-
eigenschaften
6 Anforderungen an Produkte 103
Man kann aber auch die feinen Unterschiede dieser Begriffe, wie sie allein aus
der Wortbedeutung herleitbar sind, nutzen: Demnach enthält das „Pflichten-
heft“ eines Produkts die Pflichten, also die Anforderungen an die Eigenschaften
des Produkts. Das „Lastenheft“ hingegen beschreibt ausschließlich die Bean-
spruchungen, denen standgehalten werden soll und somit nur indirekt die An-
forderungen an die Eigenschaften (Bild 6.3).
Bild 6.3: Vorschlag zur Nutzung der Begriffe „Pflichtenheft“ und „Lastenheft“
Gibt der Auftraggeber also ein Lastenheft vor, in dem er die Beanspruchungen
des Zulieferprodukts mit seinen Wechselwirkungen zu anderen beschreibt, so
ist es Aufgabe des Lieferanten, sich ein Pflichtenheft für das Zulieferprodukt zu
erstellen und die Lasten in Anforderungen zu „übersetzen“ (Bild 6.4).
Pflichtenheft: „Schriftlich formulierte Aufgabenstellung, in der vom
Kunden geforderte und gewünschte Eigenschaften eines Produkts
zusammengestellt sind; üblicher Begriff ist auch Lastenheft.“
Produkt
Lastenheft beschreibt Beanspruchungen Pflichtenheft beschreibt
Anforderungen, mit den Eigenschaften
den Beanspruchungen zu „trotzen“
Produkt-
eigenschaften
104 6 Anforderungen an Produkte
Bild 6.4: Übersetzung des Pflichtenhefts in das Lastenheft, in Anlehnung an (nach [27])(Photos: BMW und Jos. Weber)
6.1 Hinweise zu Anforderungslisten
In [28] ist eine Leitlinie zum Erstellen von Anforderungslisten dargestellt, die,
da sie möglichst allgemeingültig sein soll, abstrakt und schwer verständlich ist.
In [15] hingegen wurde eine auf die Entwicklung von Kunststoffbauteilen aus-
gerichtete Anforderungsliste aufgestellt, die Hilfestellung für den Aufbau einer
eigenen Liste geben soll. Es hat sich gezeigt, dass diese Anforderungsliste ein
sehr gutes Hilfsmittel zur Konkretisierung des Entwicklungsprozesses ist.
Diese Ausführungen sind sehr detailliert und deren Wiederholung würde hier
nicht hilfreich sein. Der am Detail interessierten Leser sei hier auf die Original-
quelle verwiesen. Zur Analyse der Funktionsstruktur des zu entwickelnden Pro-
dukts sowie die Nutzung der vorhandenen Erfahrung soll hier hingegen näher
eingegangen werden.
Zulieferer
Hersteller
- Preis,
- Einbauraum,
- Beanspruchungen
Pflichtenheft
Zulieferteil
Pflichtenheft
Gesamt-
produkt
Lastenheft
Zulieferteil
- max. Herstellkosten,
- Eigenschaften
6.1 Hinweise zu Anforderungslisten 105
6.1.1 Zur Analyse der Funktionsstruktur
Ein materielles Produkt wird benötigt, um einen Nutzen zu schaffen und somit
(mindestens) eine Funktion zu erfüllen. Funktionen hingegen sind immateriell.
Oft wird, wenn über neue Produkte nachgedacht wird, schnell ein materielles
Bild in der geistigen Vorstellung geschaffen, das bereits die Freiheitsgrade der
Gedanken einschränkt. Um innovative Kunststoffprodukte zu schaffen, ist es
sinnvoll, allein in den zu erfüllenden Funktionen des neuen Produkts zu denken
und sich von herkömmlichen Produktgestalten oder Verarbeitungsverfahren zu
lösen.
Die Gesamtfunktion, die vom zukünftigen Produkt erfüllt werden soll, wird, so-
fern sie komplex genug ist, bei der Funktionsanalyse abstrakt in mehrere Teil-
funktionen zerlegt. Sind die Teilfunktionen hinreichend klein, ist es legitim,
Lösungen für solche Teilfunktionen zusammenzustellen. Solche Teilfunktionen
wie beispielsweise „Verbinden“ sind in Konstruktionskatalogen abgelegt, die
z.B. [29] entnommen werden können. Alle Lösungsmöglichkeiten für die Rea-
lisierung der Teilfunktionen können nun in einem so genannten „morphologi-
schen Kasten“ aufgelistet und miteinander verknüpft werden (Bild 6.5). Nach
Betrachtung der verschiedenen möglichen Verknüpfungen kristallisiert sich ein
mögliches Produkt zur Erfüllung der Gesamtfunktion heraus.
Bild 6.5: Morphologischer Kasten eines Scheinwerfergehäuses (nach [15])
6.1.2 Nutzung der Branchenerfahrung
Spricht man mit erfahrenen Entwicklern, so wird deutlich, dass diese bei
Kunststoffprodukten für eine spezielle Branche sofort branchenspezifische An-
forderungen und Besonderheiten assoziieren. Im Folgenden sind einige ge-
Schraub-
verbindung
Befestigung
der StreuscheibeKlebeverbindung
Schiebe-
verbindung
Gelenk- und
Schnapp-
verbindung
Nietverbindung
Schutz vor Staub DichtungSchiebe-
verbindungKlebeverbindung
Schraub-
verbindung
Befestigung an
der KarosserieNietverbindung
Schraub-
verbindung
Befestigung
der
Lampenfassung
Schnapp-
verbindung
Licht reflektieren
Licht richten Konkavspiegel
LösungsprinzipienTeilfunktion
Umspritzen
Linse
Spiegel
Steckverbindung
Schnapp
verbindung
UmspritzenSchnapp-
verbindung
106 6 Anforderungen an Produkte
meinsame Anforderungen, wie sie in verschiedenen Branchen an Kunststoff-
produkte gestellt werden, dargestellt:
Anforderungen an Kunststoffprodukte im Automobil
Es gibt kaum ein attraktiveres Einsatzgebiet für Kunststoffe, technische und
wirtschaftliche Vorteile zu demonstrieren. Ein Personenkraftfahrzeug erfährt
heute alle sechs Jahre einen Modellwechsel und alle drei Jahre eine so genannte
Modellpflege. Wechsel und Pflege erfordern jeweils eine Vielzahl neuer Pro-
dukte. Diese Branche ist also enorm von hohen Stückzahlen und kurzen Le-
benszyklen geprägt. Hoch integrierte Baugruppen mit wenig Einzelkomponen-
ten und die damit verringerte Anzahl an Fertigungsschritten erlauben die
Erfüllung vieler Einzelanforderungen zu einem guten Preis.
Innenraum
Der Innenraum ist das „Wohnzimmer“ des Autos. Während Anmutung der Ka-
rosserie eines Pkw nach relativ kurzer Zeit an Wichtigkeit verliert, prägen An-
mutung und Funktionalität des Innenraums eines Autos über einen langen Zeit-
raum die Verbundenheit des Kunden mit dem Produkt und dessen Hersteller
(Bild 6.6).
Bild 6.6: Instrumententafel Z8 (nach [22])(Photo: BMW)
Die Auto-Innenausstattung ist die designgeprägteste Produktgruppe bei sehr
hohen Stückzahlen. Die Teile müssen also neben ihren Funktionen („Ab-
decken“, „Luft führen“, „Halten“ ...) und den damit verbundenen mechanischen
Eigenschaften (Werkstoffkennwerte Steifigkeit, Festigkeit, geringe bleibende
Verformung) sowie neben geringem Gewicht und Preis vor allem die Anforde-
rung nach positiver Anmutung erfüllen. Neben optischen (Farbe, Glanz, keine
Bindenähte, keine Schlieren, farbliche Harmonie, keine kondensierbaren Be-
standteile von Emissionen etc.) und haptischen Anforderungen (Dehnfähigkeit,
Reibwiderstand) müssen auch zunehmend akustische Anforderungen (kein
Knarren und Quietschen, Dämmung des Außenschalls) erfüllt werden. Zuneh-
Anforderungen: Gewicht, Preis, Sicherheit, Akustik, etc.
Funktionen: Halten, Abdecken, Luft führen, etc.
6.1 Hinweise zu Anforderungslisten 107
mende Anforderung ist der Sicherheitsaspekt: Ein integrierter Airbag, der zum
Öffnen durch die Oberhaut der Instrumententafel bricht, darf auch nach vielen
Jahren in kaltem Zustand nicht zum Splittern der Oberhaut führen. Nicht um-
sonst werden die zunehmenden Crashanforderungen und die höheren Risiken
beim Einsatz der zwar innovativen, aber noch nicht vollständig verstandenen
Werkstoffklasse Kunststoff als Hemmnisse für diese Werkstoffgruppe für Ober-
flächenanwendungen gesehen.
Motorraum
Der Motorraum von Kraftfahrzeugen ist zwar räumlich sehr begrenzt, aber auf-
grund seiner Multifunktionalität werden vielerlei unterschiedliche Anforderun-
gen an die vielen unterschiedlichen Produkte gestellt. Die Produkte müssen wie
alle Kfz-Anwendungen leicht sein und ihre Funktion langzeitig im Temperatur-
spektrum von – 40 °C bis etwa 130 °C erhalten. Im Motorraum werden die
Bauteile darüber hinaus auch kurzzeitigen Beanspruchungen von 160 °C, weit-
aus höheren Medienbeanspruchungen (heißes Öl, Benzin, Bremsflüssigkeiten,
Heißdampf, Salzwasser) sowie kürzerzyklischen Temperaturwechselbeanspru-
chungen ausgesetzt.
Eine zusätzliche Herausforderung stellt der geringe Bauraum dar. Zunehmend
werden auch Akustik- und Designaspekte im Motorraum relevant. Da Lacke
den langzeitig hoch einwirkenden Temperaturen oft nicht trotzen, werden die
zunehmenden optischen Anforderungen an die Oberfläche des Werkstoffs
selbst gestellt. Der Motorraum kann grob in fünf Gruppen unterteilt werden, die
unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssen:
● Es gibt tragende Strukturbauteile, die insbesondere steif und zäh sein so-
wie die dynamische Belastung ertragen müssen.
● Der Kühlkreislauf erfordert zusätzlich hydrolyse-, heißwasser- und ethy-
lenglykolbeständige Werkstoffe. Diese müssen, wegen der oft komple-
xen Geometrien, zudem schweißbar sein.
● Die Luftführung ist meist sehr komplex und erfordert daher die Schweiß-
barkeit des Werkstoffs sowie hohe Resistenz gegen thermooxidative Al-
terung.
● Der Ölkreislauf erfordert Ölbeständigkeit bis zu hohen Temperaturen.
Die Ölwanne selbst muss steif, fest und zäh sein und korrosiven Salz-
medien bis 160 °C widerstehen.
● Abdeckungen müssen in der Regel steif und schalldämmend sein. Zu-
nehmend gibt es hier optische Anforderungen zu erfüllen.
Die zunehmende Abgasrückführung wird zu einer weiteren Erwärmung des
Motorraums führen. Das dadurch wärmere zurücklaufende Benzin erfordert
108 6 Anforderungen an Produkte
schon heute höhere thermische Anforderungen an den Kraftstoffbehälter. Ins-
gesamt können die steigenden Temperaturen ein Hemmschuh für den Einsatz
von Kunststoffen im Motorraum sein.
Außenraum
Eine Karosserie aus Kunststoffen könnte deutlich zur weiteren Gewichtsein-
sparung beitragen. Entwicklungen in diese Richtung werden derzeit getätigt.
Weitere Vorteile könnten auch hier die Integration mehrer Funktionen und
Anforderungen sein. Bild 6.7 zeigt anschaulich die Hauptanforderungen an die
Eigenschaften von Karosserieprodukten neben der Grundanforderung „gerin-
ges Gewicht“.
Bild 6.7: Anforderungen an die Eigenschaften von Karosserieprodukten (nach [43])(Photo: BMW)
Es wird derzeit daran gearbeitet, auch die Kfz-Verscheibung aus Kunststoff zu
realisieren. Anforderungen an die Eigenschaften sind hier: Steifigkeit, Kälte-
schlagzähigkeit, Transparenz, keine Bindenähte, Verzerrungen etc., UV-Be-
ständigkeit, Kratzfestigkeit (insbesondere wegen der Scheibenwischer), thermi-
sche und akustische Dämmung.
Anforderungen an Kunststoffprodukte in der Medizintechnik
Anwendungen in der Medizintechnik haben, nachdem sie die Hürde der Zulas-
sung u.ä. genommen haben, relativ lange Produktlebenszyklen. Die Produkte
dürfen allgemein meist nur wenig extrahierbare Bestandteile enthalten, müssen
Anforderungen an thermische Eigenschaften:
WärmeformbeständigkeitDauergebrauchstemperaturAnforderungen an
mechanische Eigenschaften:
SteifigkeitFestigkeitTieftemperaturzähigkeit
Anforderungen an Verarbeitungseigenschaften:
FließfähigkeitSchmelzestabilität
Anforderungen an die Oberfläche:
Lackierbarkeit ("Class A")Kratzfestigkeit/Härte
Anforderung Dimensionsbeständigkeit:
thermische AusdehnungSchwindungFeuchteaufnahme
6.1 Hinweise zu Anforderungslisten 109
chemikalienbeständig, (insbesondere desinfektionsmittelresistent), maßhaltig,
wärmeformbeständig und sterilisierbar sein. Für die lückenlose Chargendoku-
mentation sind Eigenschaften wie Laserbeschriftbarkeit u.ä. vorteilhaft.
Einwegartikel, Verpackungen, Pipetten und Spritzen müssen neben diesen An-
forderungen auch zunehmend Umweltaspekte berücksichtigen. Zunehmend ge-
schieht eine Erweiterung in den Anforderungen an eingeführte, bewährte Medi-
kamente, die einem größeren Wettbewerb ausgesetzt sind. Solche Medikamente
differenzieren sich zunehmend über deren Handhabbarkeit. Gehäuse müssen
natürlich allgemeine Anforderungen an Gehäuse etc. erfüllen, wie Steifigkeit,
Festigkeit, teilweise Dichtheit sowie Schlagzähigkeit. Darüber hinaus müssen
sie insbesondere heißdampfsterilisierbar sein. Implantate (dauerhaft oder resor-
bierbar) müssen fest, dehnbar (Tragkomfort), besonders chemikalienresistent
(z.B. gegen Magensäure), biokompatibel und atoxisch sein.
Anforderungen an Kunststoffprodukte in Haushaltsgeräten
In der Haushaltsgeräteindustrie geschieht die Differenzierung zunehmend über
das Design und die Ergonomie. Beide Anforderungen können mit der Formge-
bungsvielfalt von Kunststoffprodukten erfüllt werden. Es gibt Anforderungen
an die mechanischen Eigenschaften wie Steifigkeit und Festigkeit sowie Wär-
meformbeständigkeit (bei Warmanwendungen) oder Kälteschlagzähigkeit
(auch bei geringster Wanddicke), Anforderungen wie geringe Wärmealterung
Bild 6.8: Waschmaschinenblende (nach [22])(Photo: Miele)
Optische Anforderungen(Glanz, Kratzfestigkeit)
Anforderung:Ergonomie
Anforderung:VDE-Zulassung
Anforderungen:fest und steif
Anforderung:Wärmeformbeständigkeit
Anforderung:Chemikalienresistenz
110 6 Anforderungen an Produkte
und UV-Beständigkeit im Hinblick auf die Produktlebensdauer sowie optische
Anforderungen wie Glanz, Kratzfestigkeit und geringe Verfärbungsneigung der
Sichtfläche. Aus Sicherheitsgründen müssen Haushaltsgeräte nach VDE u.a.
zugelassen sein. Je nach Anwendung muss selbstverständlich Resistenz gegen
die verschiedenen verwendeten Medien in Küche und Waschküche sowie ge-
gen Reinigungsmittel bestehen. Bild 6.8 zeigt Design und Ergonomie der Vor-
derseite und viele Funktionselemente der Rückseite (Nutzung der Formge-
bungsvielfalt) einer Waschmaschinenblende.
Anforderungen an Kunststoffprodukte in der Telekommunikation
Telekommunikationsanwendungen (Bild 6.9) sind nahezu durchweg kunststoff-
unterstützte oder reine Kunststoffanwendungen. Gehäuse in Telekommunika-
tionsanwendungen müssen eine hohe Steifigkeit und Schlagzähigkeit aufwei-
sen sowie wärmeformbeständig und chemikalienresistent sein. Die Werkstoffe
sollten möglichst bindenahtunempfindlich sowie bedruckbar oder sogar hinter-
spritzbar sein. Wegen der Wärmeentwicklung müssen eine hohe Wärmeleit-
fähigkeit und ein Flammschutzmittel vorhanden sein.
Bild 6.9: Mobiltelefon (nach [22])(Photo: Siemens)
Anforderungen an Kunststoffprodukte in der Elektronik
Für Stecker müssen geringe Wanddicken mit ausgezeichneter Dimensions-
stabilität realisierbar sein. Die Werkstoffe müssen über eine hohe Steifigkeit,
Festigkeit und Zähigkeit verfügen. Sie sollten wegen der komplexen Geometrie
leichtfließend eingestellt sein. Präzisionsteile in der Unterhaltungselektronik er-
fordern geringe Toleranzen. Produkte für Elektronik-Anwendungen benötigen
zunehmend eine elektromagnetische Abschirmung und einen Flammschutz.
Optische Anforderungen(Glanz, Kratzfestigkeit)
Anforderung: Ergonomie
Anforderungen, mit den Eigenschaften den Beanspruchungen zu "trotzen":
steif und schlagzäh,
wärmeformbeständig,
wärmeleitfähig,
flammgeschützt.
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