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8/16/2019 Dahlhaus Poesie
1/16
Musica poetica und musikalische Poesie
Author(s): Carl DahlhausSource: Archiv für Musikwissenschaft, 23. Jahrg., H. 2. (1966), pp. 110-124Published by: Franz Steiner VerlagStable URL: http://www.jstor.org/stable/929985
Accessed: 25/06/2009 05:57
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8/16/2019 Dahlhaus Poesie
2/16
Musica
oeticaund
musikalischeoesie
von
CARL
DAlILlIAUS
Der Terminus ,musica
poetica ,der im 16.Jahrhundert
epragtund bis zur
Mitte des 18.
tradiertwurde,bedeutet
,,Kompositionslehre''l.
er protestan-
tische KantorNicolaus
Listenius,der 1537als
erstervon der ,,musicapractica
eine ,,musica
poetica
abspaltete,dachte nuchtern
aristotelischan das ,,Ma-
chen und
,,Verfertigen
musikalischerWerke2;nd noch
Johann Mattheson
verstand1739
unter ,,musica
poetica nichts anderesals die
,,Setz-Kunstoder
Composition
.
Um 1800aber
schlugendie Vorstellungen, ie
sich mit dem Be-
griffder
,,musikalischen oesie verknupften,
ns Gegenteilum.In der Kompo-
sitionslehre IeinrichCllristophKochs bildetdas nach RegelnGemachteden
1 H.ZENCE,
Sizt?XeDietrich, Leipzig 1928, S.
16; ders., G* undformendeutscher
MuBikanschau?sng,n: N?smerusund AJ0fectus,
assel 1959, S.23f.
\AT.M. Lulu, Gal-
lus Dressler,
Eassel 1941, S. 95ff.
;W. GURLITT, ie
Kompositionslehre des deutschen
16. und 17. Jhs.,
Eongr.-Ber. Bamberg 1953,
S.103ff. (aueh in
BzAfMw I,1966); M.
RUHNKE, oachim Burmeister,
Eassel 1955, S.
lOOff.; K.W.NIEMoLLER,Ars musica
- ars poetica -
musica poetica,
Kongr.-Ber. Hamburg 1956, S.
170ff.; H.H.EGGE-
BRECHT,Heinrich Schutz-
Musicus poeticus,
Gottingen 1959, S. 32ff.; A.SCHMITZ,
M?ssicus
poeticus, in: Universitas, Festschrift
Albert Stohr, Bd. II, Mainz 1960,
S. 274ff.;
W.WIORA, Musica
poetica und musikalisches Kunstwerk, in: iEestschrift
Rarl Gustav Fellerer,
Regensburg 1962, S.
579ff.
2 Musica Nicolai listenii, im
Facsimile hg.
von G. SCHUNEMANN,erlin 1927,
eap. 1: ,,Poetica... consistit
enim in faciendo
sive fabricando, hoc est, in labore
tali, qui post se etiam artifice
mortuo opus
perfectum et absolutum relinquat.
3
J.MATTSON,
Der
vollkommeneCapellmeister, Hamburg 1739,
Faksimile-Nach-
druck hg. von M. REIMANN,
assel 1954, S. 7:
,,Weiter in unsern Eintheilungen fort-
zufahren, so ist bekannt, und
eben nicht urlrecht
gehandelt, daB man die practische
Music unterscheidet in
compositoriam vel
poeticam (in die Setz-Kunst oder Compo-
sition) 8z;
secutoriam (in die Ausfuhrung
selbst) . J.A.ScHEIsE bezeichnet in sei-
nem
Compendium Musices die Eomposition als
,,Musica
poetica , die Ausfiihrung
als ,,Musica modulatoria
(P.BENARY, Die deutsche
Kompositionslehre des 18. Jhs.,
Leipzig 1961, Anhang S. 6). F.X.MuRscHHAusER definiert umstandlich: ,,Musica
Poetica, oder
Compositio Musica
endlichen / welche als vornehmste
Species die ober-
zehlte Gattungen [Musica
Theoretica und Musica Practical
weit ubertrifft / und
ihnen nicht
allein (gleichwie die
Sonne denen ubrigen Planeten)
das Liecht / sondern
auch ihr
gantzes Esse und Wesenheit mittheilet /
ist eine Scientia
Practica, Wissen-
schaft / oder Eunst / eine
regulirte lIarmoniam, oder
Zusammenstimmung per Con-
sonum, 8z;
Dissonum, mit einer /
zwey / oder mehr Stimmen zu
erfinden / und auf-
zusetzen
(Academia Musico-Poetica Bipartita,
Nurnberg 1721,
S. lf.).
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
3/16
Musica
poetica
und musikalische
Poesie
lll
,,mechanischen
eil der
Musik m Unterschied
um
,,poetischen 4;
,musika-
lische
Poesie erscheint
als Inbegriff
des nicht Lehrbaren.
Die schrofFeKontrastierung eruhtjedochauf groberVereinfachung.eide
Termini,
owohl
,musicapoetica
als auch
,,musikalische oesie ,
sind mehr-
deutig.Und um
die Gedanken u
verstehen,
die mit den Begriffen
verburlden
waren,muB
man die Probleme
u rekonstrviieren
ersuchen,
ur die eine
Losung
gesucht
wurde.
1.
Die Musiktheorie
es Ettelalters
stutzte sich,
wennvom
,,poeta die Rede
war,auf Boethius,
der das ,,genus
Poetarum
,quod fingit
carmina ,
mit Ge-
ringschatzungehandelthatte
5.
WerGesange erfertige, altesich zwar m Um-
kreis
der Musik6, ei aber
von der
eigentlichenMusik,
der Einsicht
n die Zah-
lenordnung,
etrennt
. DaBdas
,,genusPoetarum
,nonpotius
speculatione
c
4 H. CHR. EOCH
unterscheidet in
seinem IIandbuch
bey dem Studium
der
IIarmonie
(Leipzig
1811) einen ,,mechanischen
Theil
der Setzkunst,
,,der gelehrt und
erlernet
werden
kann (§ 4) von einem
,,poetischen Theil
des Kunstwerks ,
dem ,,Ausdrucke
des
Tongemaldes .
,,Noch mangelt
es aber der Theorie
der Setzkunst
an einer Logik
und Poetik, und
die dazu
nothigen Materialien
sind
zum Theil nur noch
in den
Schriften
uber die Eunst
hin und
wieder zerstreuet
(§ 6). Ein Versuch einer
Logik
und Rhetorik der musikalischen ,,Empfindungssprache war J.N.FoRKELs Ein-
leitung
zum ersten Band
seiner
Allyemeinen Geschichte
der Musik
(Leipzig 1788).
Unter musikalischer
,,Logik
verstand Forkel
die ,,Harmonie ,
den ,,Probierstein
eines
jeden melodischen
Satzes (§
41), unter
,,musikalischer
Rhetorik die ,,Ver-
bindung ganzer
Gedanken (§ 68).
1802, in
der Bach-Biographie,
sprach
er nicht
mehr
von Rhetorik, sondern
von
dem ,,musikalischen
Dichter Bach ( aber
Johann
Sebastian
Bachs leben,
Kunst und Kunstwerke,
Leipzig
1802, Faksimile-Nachdruck
hg. von
J.M.MuLLER-BLATTAu,
assel
1950,
S. 40, 79 und 85).
DerWechsel der Be-
zeichnung
ist im Verfall
des Ansehens
der Rhetorik (vgl.
I. Eant, Krittk der
TJrteils-
kraff,
§ 53), vielleicht auch
in Forkels Unterscheidung
zwischen ,,bloBem
Choral-
gesang als musikalischer
,,Prosa
und ,,figurirtem
Gesang als
,,Poesie
begrun--
det (Einleitung zur Allyemeinen Geschichteder Musik, § 43).
5 BOETHIUS,
De institutione
musica, hg.
von G.FRIEDLEIN,
Leipzig 1867,
lib. I,
cap.
34. O. PAUL
ubersetzte, ,poeta
mit, ,Componist (Des
Ancius
Manlius Severinus
Boetius
funf Bucher uber
die Musik, Leipzig
1872, S.
37); nachWIoRA ,,war
wohl
mehr
die metrisch-dichterische
Seite,
die schriftlich
fest- und
niedergelegt wurde.
gemeint als die
zugehorige
Melodie, geschweige
denn
instrumentale Begleitung
(a.a.O.
S. 581).
Um im Dichter einen
Musiker
zu sehen, genugte
es, Metrum und
Rhythmus
als musikalische
Momente
der Dichtung
aufzufassen. ROGER
BACON
teilte die ,,musica
circa vocem humanam
in
,,melica einerseits,
,,prosaica ,
,,me-
trica und ,,rhythmica
andererseits, zahlte
also die gesamte
ars dictaminis
zur mu-
SiCA(G.PIETZSCH,
Die KlassiJ£kation
der Musik
von Boetius bis
TJgolinovon
Orvieto,
Halle 1929, S. 89). Nach
DANTE
ist Poesie ,,nihil aliud quam fictio rhetorica in mus;-
caque posita
(De vulyari
eloquentia, lib. II,
cap. 4).
6
,,Tria
sunt igitur genera,
quae circa artem
Musicam
versantur. Unum
genus est,
quod instrumentis
agitur, aliud fit
carmina,
tertium quod instrumentorum
opus car-
menque diiudicat.
7 ,,Secundum
vero Musicam agentium
est
genus Poetarum, quod
non potius spe-
culatione
ac ratione quam
naturali
quodam instinctu
fertur ad
carmen, atque id-
circo
hoc quoque genus a
Musica
segregandum est.
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
4/16
112
Carl
ahlhaus
ratione
uam
naturali
quodam
nstinctu
ertur
ad
carmen ,
alt
als
Makel;
die
operatio
tand
im
Schatten
der
contemplatio.
Regino
von
Prum
ruckte
um
900
den
,,naturalis
nstinctus
n
die
Nahe
des
,,divinus
nstinctus
,
ubernahm berandererseitson BoethiusdieUnterord-
nung
er
operatio
unter
die
contemplatio9.
Das
von
Menschen
Gemachte,
das
artificium,
rscheint
nicht
als
Zweck
und
Ziel,
sondern
ls
bloBes
Mittel,
um
das
von
Gott
und
der
Natur
Gegebene
oder
Vorgezeichnete
aBlich
darzustellen;
seine
rfullung
indet
der
naturalis
nstinctus
n
der
contemplatiol°.
Erst
m
16.
Jahrhundert
eigen
ich
n
der
Musiktheorie
nsatze
zu
einer
Um-
kehrung
es
Werturteils.
ietro
Aron
ubertragt
1545
den
Topos
,,poeta
nasci-
tur
uf
den
Komponisten
und
betont,
offenbar
n
Anlehnung
an
Marsilio
Fi-
cino,daBdie EntstehungeinesmusikalischenKunstwerkswenigerdem
,,stu-
dio
ls
einem
,celeste
nflusso
u
verdanken
eill.
Adrian
Petit
Coclico
uhmb
1552,
vermutlich
n
bewuBtem
Gegensatz
zur
boethianischen
Tradition,
das
8
GS
I,
233b:
,,Naturalis
itaque
musica
est,
quae
nullo
instrllmento
musico,
nullo
tactu
digitorum,
nullo
humano
inpulsu
aut
tactu
resonat,
sed
divinitus
ad-
spirata
sola
natura
docente
dulces
modulatur
modos:
quae
fit
aut
in
coeli
motu,
aut
in
humana
voce.
Das
Lob
der
Natura
parens
erinnert
an
MACROBIUS,
essen
Com-
mentarius
in
Somnium
Scipionis
REGINO
n
anderem
Zusammenhang
zitiert
(234b
und
235a).
Bei
MACROBIUS
eiBt
es
von
VERGIL:
,non
alium
secutus
ducem
quam
ipsam rerum omnium matrem naturam hanc praeteswt, velut
in
musica
concor-
dantiam
dissonorllm
(nach
E.R.CURTIUS,
Europaische
lyiteratqzr
und
lateinisches
Mittelalter,
Bern
1948,
S.
443
).
9
GS
I,
246a-b:
,,Multo
enim
maius
est
scire,
quod
quisque
faciat,
quam
facere,
quod
ab
alio
discit
(nach
BOETHIUS,
ib.
I,
cap.
34).
10
GS
I,
239b:
,,Sciendum
vero,
quod
saepe
dictae
consonantiae
nequaquam
sunt
humano
ingenio
inventae,
sed
divino
quodam
nutu
Pythagorae
sunt
ostensae.
240a:
,,Itaque
quia
in
iam
saepe
notatis
consonantiis
divino
munere
cognitis
totius
harmonicae
disciplina
summa
consistit,
oportet,
ut
animo
atque
auribus
sint
notae.
Frustra
enim
haec
ratione
Zz;
cientia
colliguntur,
ut
insignis
auctor
Boetius
testatur,
nisi
fuerint
usu
atque
esercitatione
notissima.
246a:
,,Interea
sciendum
est,
quod
non ille dicitur musicus, qui eam manibus
tantummodo
operatur,
sed
ille
veraciter
musicus
est,
qui
de
musica
naturaliter
novit
disputare,
13z;ertis rationibus eius sen-
sus
enodare.
Omnis
enim
ars,
omnisque
disciplina
honorabiliorem
natura]iter
habet
rationem,
quam
artificillm,
quod
manu
atque
opere
artificis
esercetur.
11
P.ARON,
lqbeidario
in
Mqbsica,
Venedig
1545,
lib.
II,
S.
16:
,,...si
puo
credere
che
i
buoni
compositori
nascono,
13z;
on
si
fanno
per
studio
ne
per
molto
praticare,
ma
si
bene
per
celeste
influsso,
Zz;
nclinatione.
.
.
(nach
H.
ZENCR,
Zarlinos
,,Istitqh-
tioni
harmoniche
als
Quelle
zqxr
Mqbsikanschaq4qbng
er
italienischen
Renaissance,
ZfMw
XII,
1929/30,
S.
561,
Anm.
1).
MARSILIO
ICINO
eschreibt
in
Eapitel
6
seines
Platon-Eommentars
(Sopra
lo
amore
o
ver
Convito
di
Platone,
Florenz
1544)
die
Schonheit
in
der
bildenden
Runst
und
in
der
Musik;
er
schlieBt
mit
dem
Satz:
,,Ma
accioche il nostro sermone
non
trapassi
molto
il
proposito
suo,
conchiudiamo
breve-
mente
per
le
sopradette
cose
la
Bellezza essere una certa grazia vivace e spiritale,
laquale
per
il
raggio
divino
prima
si
infonde
negli
Angeli,
poi
nelle
anime
degli
uo-
mini,
dopo
questi
nelle
figure
e
voci
corporali;
e
questa
grazia
per
mezo
della
ragione
e
del
vedere
e
dello
udire
muove
e
diletta
lo
animo
nostro,
e
nel
dilettare
rapisce,
e
nel
rapire
d'ardente
amore
infiamma
(nach
E.
PANOFSKY,
dea,
Berlin
21960,
S.
126
).
ZU
FICINO
gl.
auch
P.
O.
ERISTELLER,
Mqbsic
and
learning
in
the
Early
Italian
Re-
naissance,
Journal
of
Renaissance
and
Baroque
Music
I,
1946/47,
S.
269ff.
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
5/16
113
usica
oetica
und
musikalische
Poesie
,,genus
oetarum ,
as
den
,,theorici
und
den
,,mathematici
nter
den
Kom-
ponisten
eit
uberlegen
eil2.
Den
,,naturalis
nstinctus
beschreibt
Coclico
als
einen
,furor
poeticus
3.
Der
Kompoxiist
st
Poet,
sofern
er
vom
Enthusiasmus
getrieben
ird.
2.
Dagegen
erscheint
n
den
Kompositionslehren
eutscher
Kantoren
des
16.
und
7.Jahrhunderts
er
,,musicus
poeticus
als
fabricator
und
aedificatorl4.
Der
omponist,
chreibt
Listenius,
hinterlasse
in
,,opus
perfectum
t
absolu-
tUm
5.
Die
Vorstellung,
daB
ein
Notentext
ein
abgeschlossenes
Werk
-
eir
poema
,
eine
Kompositionslehre
lso
eine
musica
poetica
sei,
war
aber
m
16.
Jahrhundert
iichts
weniger
als
selbstverstandlich.
Teilte
man,
in
Anlehnung
an
Quintilian,
ie
Kunste
in
,,poetische ,
deren
Ziel
ein
opus
st,
uncl
n
,,prak-
tische ,ie ,,in agendo wirkenl6, o lag es nahe,die Musik die ars,
peritia
oder
cientia
bene
cantandil7
primar
zu
den
,,praktischen
u
zahlen.
Julius
Caesar
caliger,
ine
der
poetischen
Autoritaten
des
16.Jahrhunderts,
rwahnt
den
Gesang
unter
den
Kunsten,
deren
Daseinsform
ie
Vorfuhrung
st
18;
der
ge-
12
A.PETIT
COCLICO,
ompendiq>6m
q>6sices,
aksimile-Neudruck
hg.
von
M.F.
BUKOFZER,
assel
1954,
fol.
B
4
V:
,,Quartum
genus
est
Poeticorum,
qui
es
tertii
generis
Musicorum
Gymnasio
profecti
sunt...
hi
dulcedine
vocis
alios
longe
supe-
rant,
13z;
erum
huius
artis
finem
consequuti
sunt,
13z;
n
maiori
sunt
admiratione,
13z;
gratia
quam
caeteri
omnes.
Die
Formel
vom
Sanger,
,,qui
naturali
quodam
instinc-
tu aete ac suaviter canit , von BOETHIUSeringschatzig gemeint,
wird
von
COCLICO
ins
Positive
gewendet
(fol.
E
3
v).
18
,,Secundum,
ut
ad
componendum
magno
ducatur
desiderio,
ac
impetu
quodam
naturali
ad
compositionem
pellatur,
adeo
ut
nec
cibus
nec
potus
ei
sapiat,
ante
ab-
solutam
cantilenam
.
.
.
(fol.
L
2
v).
14
Ein
,,Musicus
poeticus,
oder
aomponist
ist
nach
J.A.EERssT,
wer
,,ein
neu
Opus
oder
Werok
an
ihm
selbsten
zu
verfertigen
weiB,
daher
es
auch
von
etlichen
Fabricatura
oder
Aedificium,
ein
Bau
genennet
worden
(vgl.
A.
ALLERUP,
Die
Mq4-
sica
Practica
des
Johann
Andreas
Herbst,
Diss.
Munster
1931;
E.
H.
EGGEBRECHT,
Zqxm
Wort-Ton-Verhaltnis
in
der
,,Mqheica
poetica
von
J.A.Herbst,
Kongr.-Ber.
Eamburg
1956,
S.
77
ff.
).
5 N.LISTENIUS,
a.a.O.
18
QUINTILIAN
eilte
die
liunste
in
theoretische,
,,qualis est astrologia , prak-
tische,
,,quarum
in
hoc
finis
est
et
ipso
actu
perficitur,
nihilque
post
actum
operis
relinquit ,
,,qualis
saltatio
est
und
poetische,
deren
Ziel
einWerk
ist,
,,qualis
est
pictura
(1i.BORINSKIS
ie
Antike
in
Poetik
qhnd
Rqbnsttheorie,
Bd.
I,
Leipzig
1914,
$.
30).
Die
Gliederung
ist
aristotelisch
(E.
ZENCE,
n:
Nqxwerqbs
hnd
AJ%ectus,
.
23,
Anm.
4;
L.
RICETER,
q4r
Wissenschaftelehre
von
der
Mqbsik
bei
Platon
qhnd
Aristoteles,
Berlin
1961,
(3.
114ff.
und
128ff.),
wurde
aber
vor
allem
durch
QUINTILIANS
ehr-
buch
der
Rhetorik
verbreitet.
17
Auch
LISTENIUS
efiniert
die
Musik
als
,,rite
ac
bene
canendi
scientia
(a.a.
O.);
vgl.
zu
der
Definition
E.
EUSCHEN,
Dte
Mqheik
m
REretse
er
artes
liberales,
Kongr.-
Ber. Eamburg
1956,
S.
120f.;
ders.,
Fruhere
qbnd
heutige
Begrifye
von
Wesen
qbnd
GErenzen
er
Mqbsik,
Kongr.-Ber. New York 1961, Bd. I, S. 392.
18
Tanz
und
Gesang
wirken
,,im
Machen ,
nicht
,,durch
das
Gemachte
(BORIN-
SSI,
a.
a.
O.
S.
227).
Noch
bei
HERDER
heiBt
es:
,,Die
Eunste,
dieWerke
liefern,
wir-
ken
im
Raume;
die
Kunste,
die
durch
Energie
wirken,
in
der
Zeitfolge
(Eerders
samtlicheWerke,
hg.
von
B.SUPHAN,
Berlin
1877ff.,
III,
S.
137).
HEGEL
gesteht
dem
musikalischen
Eunstwerk
zwar
,,den
Beginn
einer
Unterscheidung
von
genieBen-
dem
Subjekt
und
objektivenWerke
zu;
doch
steigere
sich
,,dieser
Gegensatz
nicht,
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
6/16
114
Carl Dahlhaus
schnebeneText, den Listeniusals ,,opusperfectutn t absolutum''begriff,galt
im allgemeinen ls bloBes fittel zum Zweckder Ausfuhrung, er operatio.Wie
schwachdie Vorstellung, aB er ein abgeschlossenesWerksei, im BewuBtsein
der Musiktheoretikerusgepragtwar, zeigt sich an der Tatsache,daBIIeinrich
Faber und GallusDresslerzwar die Termixii,musicapoetica und ,,opus per-
fectum et absolutum''ubernahmen, eren Bedeutungaber verzerrten, ndem
sie auBerder ,,compositio uch die ,,sortisatio ,die Improvisation, ur ,,mu-
sica poetica zahltenl9.
Auch psychologischwar ,,musicapoetica m Jahrhundert es Humaxiismus
ein prekarerBegriff.Listenius,der deutscheProtestant ulldWittenbergerMa-
gister, ruhmtedie Muheund Arbeit,die mit derVerfertigung ines ,,opus per-
fectum et absolutum verbunden ei20. talienischenHumaxiisten ber lag es
naher,aus dem Begriffder ars liberalis,der die Wurdeder Musikbezeichnete,
die antikeVerachtung er Arbeitherauszuhoren; as ,,Machen nd ,,Verferti-
gen ,das Merkmal er artesmechanicae,warder Banausieverdachtig l. Pietro
Aron prach om ,,celeste nflusso , m denRuhmderMusik u begrunden.Gio-
seffo Zarlinobetonte, obwohler Kapuzinerwar, unter den Zweckender Musik
die vornehmeUnterhaltung22nd erhobdie Musikals ars liberalis iberdie Ar-
wie in der bildenden Runst, zu einem dauernden auBerlichen Bestehen im Raume
und zur Anschaubarkeit einer fur sich seyenden Objektivitat , sondern verfluchtige
,,umgekehrt seine reale Existenz zu einem unmittelbaren zeitlichen Vergehen der-
selben (Vorlesungen uber dieAsthetik,Jubilaumsausg. Stuttgart 1954, III, S. 147f.).
19 ,Musica poetica est ars fingendi musica carmina. Nomen deductum a ZOlE@.
Consistit enim haec pars in faciendo seu fabricando, hoc est, in labore tali, qui etiam
artifice mortuo, opus perfectum et absolutum relinquit. Quare a quibusdam et fabri-
cativa vocatur . . . Dividitur autem Musica poetica in duas partes. Sortisationem et
COmPOSitiOnemG (H.:FABER,
Tertia pars mql,sicaede finyendis mql,sicis carminibql,s
S. 1f.; zur tberlieferung des Traktats vgl. W.
GURLITT,
Der Begriff der sortisatio,
Tijdschrift Vereeniging voor Nederl. Muziekgeschiedenis XVI, 1942 S. 197 ff. ). Die
Teilung der Musica poetica in Improvisation und Komposition kehrt bei G. DRESS-
LERwieder (W.M.Lule, a.a.O. S. 98).
20
Die positive Akzentuierung von ,,opus und ,,labor verrat bei LISTENIUS ro-
testantischen Geist. DaB LulEx griechisch seyov, lateinisch ,,opus mit ,,Beruf
ubersetzte (Jesus Sirach 11, 20), wurde von M.WEBERhervorgehoben (Die prote-
stantische Ethik qbndder Geist des Kapitalismqbs, in: Gesammelte Aufsatze zur Reli-
gionssoziologie, I, Tubingen 1920, Anm. 53).
21
E. KOLLER,
Mqb/3e bndmqbsischePaideia, Museum lIelveticum XIII, 1956. In
der Antike galt sogar die Niederschrift von Musik als banausisch (vgl.
WIORA,
a. a. O.
S. 581).
22
G.
ZARLINO,
Istitqbtioniharmoniche,Venedig 1558, lib. I, cap. 3: ,,Si debbe adun-
que imparar la Musica, non come neeessaria: ma come liberale & honesta; accioche
col suo mezo possiamo pervenire ad un' habito buono & virtuoso, che ne conduea
nella via de buoni costumi; facendone caminare ad altre scienze piu utile,
&
piu ne-
cessarie; & ne faccia trappassare il tempo virtuosamente: & questo debbe essere 1^
principale, o ultima intentione, che dire la vogliamo.
II.ZENCK
verkennt die so-
zialen Motive, wenn er meint, daB gegenuber der deutschen Musiklehre, die ,,mit
dem Begriff der Musica poetica das ,\Verk' entschieden deutlicher fasse, ,,die An-
schauungen der Istitutioni begrenzt oder einseitig seien (ZfMw XII, S. 564f.). Die
deutschen Traktate ruhmen den ,,Banausen , die italienischen den ,,Dilettanten .
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
7/16
115
usica
oetica
und
musikalische
Poesie
chitektur,
ie
eine
bloBe
,arte
fattiva ,
eine
ars
mechanica
ei23.
Giulio
Caccini
nahm
ur
den
Gesang
die
Haltung
der
,,nobile
sprezzatura ,
er
vornehmen
Leichtigkeit,
n
Anspruch24.
on
einem
musicus
poeticus
m
Sinne
eines
fabri-
cator
nd
aedificator
u
sprechen,
wareeineEntwurdigung ewesen.
3.
Die
protestantischen
Musiktheoretiker
aren
im
allgemeinen
Kantoren,
also
irchenmusiker
nd
zugleich
Lehrer
an
Lateinschulen.
Das
Ideal
der
vor-
nehmen
uBe
war
hnen
fremd.
DaB
die
Musik
u
den
artes
iberales
ahlte,
be-
deutete
m
Norden
nichts
anderes,
als
daB
sie
tonende
Mathematik,
Gegenstand
von
Zahlenspekulationen
ei.
Sollte
die
kompositorische
raxis
geruhmt
wer-
den,
o
drangte
ich
den
Lateinschullehrern
er
Vergleich
mit
der
Rhetorik
und
Poetik
auf.
,,Ut
harmoniae
corpus
sit
ad
animos
permovendos
moderatum,
oportetigurisnon destituatur heiSt es in JoachimBurmeisters
Musica
poe-
tica
5;
und
Christoph
Bernhard
chrieb,
,die
Musica
ei
,,so
hoch
kommen,
daB
wegen
Menge
der
Figuren.
.
sie
wohl
einer
Rhetorica
zu
vergleichen 26.
Die
Auffassung
des
Komponisten
als
fabricator
oder
aedificator
wurde
er-
ganzt
oder
auch
verdrangt
durch
das
Bild
des
Redners,
des
Poeten
oder
Pre-
digers.
Dem
Begriff
der
musica
poetica
wuchs
also
eine
neue
Bedeutung
zu27.
Das
Merkmal,
das
eine
poetische
Rede
von
einer
gewohnlichen
nterscheidet,
der
ornatus,
wurde
am
musikalischen
oema
wiedererkannt28
nd
zum
Gegen-
standdermusicapoetica
gemacht.
Rhetorik
und
Poetik
brauchten
nicht
getrennt
zu werden,solangesich der
Vergleich
mit
der
Musik
auf
den
vermittelnden
BegrifF
es
ornatus
tutzte.
Eine
Differenzierung
rgab
sich
erst,
wenn
eine
der
beiden
herrschenden
Doktrinen
der
Musikdeutung,
ie
Affektenlehre
der
das
Nachahmungsprinzip,
inseitig
betont
wurde.
Sollte
der
Zweck
der
Musik,
Affekte
zu
erregen,
hervorgehoben
werden,
o
war
die
Nahe
zur
Rhetorik
ntscheidend,
enn
die
ASektenlehre
war
ein
Teil
der
aristotelischen
Rhetorik.
Galt
es
dagegen
als
primares
Ziel
der
Mu-
sik,
Gegenstande
der
Vorgange
darzustellen,
o
drangte
sich
die
Erinnerung
23
II.
ZENCE,
&.
a.
O.
Zf
Mw
XII,
Anm.
2;
vgl.
dazu
E. E. EGGEBRECHT,rs mtbsica
in:
Die
Sammlung
XII,
1957,
S.
315.
24
,,Nobile
sprezzatura ,
von
manchen
Musikhistorikern
irrig
mit
,,vornehme
Veraehtung
ubersetzt,
ist
ein
Terminus
aus
B.
aASTIGLIONES
II
Cortegiano
(F.
TOR-
REFRANCA,
rigine
e
significato
di
Repicco,
Partita,
Ricercare,
sprezzatTbrav
Kongr.-
Ber.
Utrecht
1952,
S.
404ff.).
25
;.BUR1>IEISTER,
M%bSiCa
poetica,
Rostock
1606,
Faks.-Nachdruck
hg.
von
M.
RUHNEE,
Kassel
1955,
S.
1.
26
J.M.MULLER-BLATTAU,
ie
Kompositionslehre
Heinrich
Schutzens
in
der
:Fas-
stbng
seines
Schulers
Christoph
Bernhard,
Leipzig
1926,
S.
147.
27
,,Und bald erhielt
der
wiehtige
neue
Begriff
der
Musiea
poetiea
einen
pragnan-
ten
Nebensinn
und
eine
besondere, eeht humanistisehe Zuspitzung: er bedeutete
tnehr
und
mehr
die
Lehre
von
der
spraehgereehten,
wortauslegenden
und
affekt-
ausdruekenden
Komposition
und
ging
so
gegen
Ende
des
16.Jahrhunderts
unmerk-
lieh
in
die
Figurenlehre
des
Baroek
uber,
unter
deren
Zeiehen
noeh
die
Kunst
Joh.
Seb.Baehs
stand
(H.ZENCK,
in:
N%bRertbS
tbnd
A¢eCttbS,
S.
24).
28
A.
SCHMITZ,
ie
Kadenz
als
Ornamentum
mtbsicae,
Kongr.-Ber.
Batnberg
1953,
S.
114ff.
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
8/16
116
Carl
Dahlhaus
an
das
Nachahmungsprinzip
er
aristotelischen
oetik
auf.
Seth
Calvisius
uber-
trug
den
Topos
,,Ut
pictura
poesis
auf
die
Musik
und
meinte,
als
Abbildung
von
Gegenstanden
ei
die
musikalische
Komposition
her
mit
der
Poesie
und
Malereials mit derRhetorikzu vergleichen29.
Der
BegriS
der
musikalisch-rhetorischen
der
musikalisch-poetischen
igur
ist
also
vieldeutig.
Neben
tonenden
Abbildern
on
Gegenstanden
ndVorgan-
gen
umfaBte
r
Mittel
des
Affektausdrucks
nd
sogar
rein
musikalische
Sach-
verhalte
wie
die
Fuge,
die
gegenuber
em
einfachen
Kontrapunkt,
er
musikali-
schen
oratio
simplex,
als
ornatus
erschien30.
uch
ungewohnliche
issonanzen,
VerstoBe
egen
die
Schulregeln,
wurden
als
Figuren
gerechtfertigt:
Dem
Kom-
ponisten
ei
es,
wie
dem
Rhetor
oder
Poeten,
gestattet,
sich
uber
mancheVor-
schriftenderGrammatikerinwegzusetzen3l.
Der
musicus
poeticus
des
17.Jahrhunderts
war
Bildner,
Redner
und
Maler.
II
1.
An
dem
Topos,
daB
es
das
Ziel
der
Musik
sei,
Poesie
zu
werden,
hielt
die
Musikasthetik
uch
im
18.Jahrhundert
est.
Johann
Adolf
Scheibe
unterschei-
det
1745,
kaum
anders
als
Johann
Lippius
ein
Jahrhundert
ruher32,
rei
Arten
von
Musik,
die
er
als
Stufen
einer
Entwicklung
begreift:
ine
,,magere
und
ein-
29S.CALVISIUS, xercitatio Mql,sica ertia, Leipzig 1611: ,,Unicum tantum mone-
bo,
quod
Musica
videri
posset
magis
cum
poesi
et
pictura
conferri
debuisse,
quam
cum
Oratoria
facultate...
Omnes
eodem
fere
modo
elegantibus
fictionibus,
quae
rem
menti,
oculis,
auribus
cum
omnibus
circumstantiis
subjiciunt,
utuntur.
Et
poe-
sis
quidem
tropis
et
schematibus
praeter
alias
figuras,
res
exornat,
Pictura
conve-
nienti
umbrae
proiectione
easdem
ad
vivum
depingit,
Musica
varietate
intervallo-
rum,
consonantiarum,
clausularum
et
fugis
eas
repraesentare
conatur,
quae
omnia
faciunt
ad
usum
et
delectationem
auditorum
(nach
RUHNKE,
a.a.O.
S.
140).
Den
Vergleich
zwischen
Musik
und
Poesie
scheint
CALvIsIus
von
ZARLINO
a.
a.
O.,
lib.III
cap.
26),
die
Entgegensetzung
des
Redners
und
des
Poeten
dagegen
von
J.C.ScA-
LIGER
bernommen
zu
haben,
der
,,in
dem
persuadere
und
movere
einerseits,
dem
imitando delectare andererseits einen wesentlichen Unterschied der beiden artes
liberales
erkannte
(K.BORINSEI,
Die
Poetik
der
Renaissance
qznd
die
AnfEnye
der
litterarischenKritikinDeutschland,Berlin
1886,
S.71).
30
,Insere
saepe
fugas
et
erit
subtile
poema
heiBt
ein
im
16.
Jh.
mehrfach
zitier-
ter
Spruch
des
VENZESLAUS
HILO1TH
LS
(W.M.
LUF1
LSs
a.a.
O.
S.
103;
RUHNKE:,
a.a.O.
S.
135).
31
J.NUCIUS,
Mqhsica
poetica,
NeiBe
1613,
cap.
7:
,,Ut
enim
praestantibus
et
e2r-
cellentibus
solummodo
Poetis.
. .
quaedam
vitia
non
raro
donantur ,
so
auch
hervor-
ragenden
iliomponisten;
vgl.
auch
C.DAHLHAUS,
Dte
:Fig?urae
uperJEciales
n
den
Traktaten
Christoph
Bernhards,
Kongr.-Ber.
Bamberg
1953,
S.
135ff.;
dazu
H.H.
EGGEBRECHT,
ber
Bachs
geschichtlichen
Ort,
DVjLuG
NNXT,
1957,
S.
546,
Anm.
48.
32
J.LIPPIUS,
DiSplitAtiO
mtbsica
secunda,Wittenberg 1609, fol.
C
1: ,,Sicut autemOratio primum est simples
et
pura,
sc.
Grammatica:
deinde
ornata
eaque
aut
prosa
Rhetorica,
aut
ligata
Poetica:
ita
Cantio
etiam
tanquam
oratio
Musica
primum
est
simplicior:
deinde
ornatior
absolutius
vel
strictius.
Noch
J.N.FoRwEL
unterschei-
det
im
gleichen
Sinne
zwischen
musikalischer
,,Prosa
und
,,Poesie
(Einleitg
zur
Allgemeinen
Geschichte
der
Mqhsik,
Leipzig
1788,
§
43).
Im
19.
und
20.Jh.
erhalt
der
Ausdruck
,,musikalische
Prosa
andere
Bedeutungen
(C.DAHT.HAUS,
Mus*kalische
Prosa,
NZfM
axxv,
1964,
S.
176ff.).
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
9/16
Musica poetica und
musikalische Poesie
117
faltige Prose , eine
,,mittelmaBige,
doch flieBende und angenehme Rede
und
ein ,,geschicktes, und mit allen
gehorigen Zierrathen
versehenes, Gedichte 33.
lfinter der
tZbereinstimmungder
Formeln aber verbirgt sich eine
tiefgreifende
Differenz der
Meinungen. Die
Musikasthetik des 18.Jahrhunderts ist,
explizit
oder unausgesprochen, prirnar
Opernasthetik. DaB sich,
wie Scheibe es aus-
druckt, ,,die
musikalische Schreibart
einer vernunftigen poetischen
Schreibart
zu nahern
angefangen hat, verdankt
sie der ,,Aufnahme der Oper 34.
Auch
von der
Instrumentalmusik erwartet
Scheibe, daB sie kantabel und
,,sprechend
sei; wer einen
Konzert- oder
Sonatensatz komponieren wolle, tue ,,wol,
wenn
er
sich allemal den Charakter einer
Person, oder eine
Sitllation, eine Leiden-
schaft bestimmt
vorstellt, und seine Phantasie so lang
anspannt, bis er eine
in
diesen Umstanden sich befindende Person glaubt reden zu horen
35.
Ein Kom-
ponist verdient den
Namen eines
Poeten, wenn er ,,ruhrend und
ausdruckend
setzen kann 36.Der fabricator und
aedificator, der musicus poeticus der
Kon-
trapunktlehre, gerat
in den Verdacht, ein bloBer
,,Mechaniker zu sein;
und
,,Mechanik ist in
der Sprache des
18.Jahrhunderts der Gegensatz zu
,,Poesie .
Musiktheoretisch
ist die Veranderung
vom Bedeutungswandel des
Melodie-
begriffs ablesbar. Im
17. und noch im
fruhen 18.Jahrhundert verstand
man
unter ,,Melodie einen mehrstimmigen
Satz und unter einem
,,Melopoeten
einen Kontrapunktiker. Dem verwirrendenWortgebrauch ag eineVerquickung
des antiken und des
neuzeitlichen IIarmoniebegriffs
zugrunde. ,,Elarmonie ,
der
Inbegriff geregelter Tonbeziehungen,
war nach antiker,
im 16.Jahrhundert er-
neuerter Terminologie ein
Teilmoment der Melodie
(neben Rhythmus und
Sprache)37.Aber
auch der
mehrstimmige Satz wurde seit dem 16.
Jahrhundert
als
IIarmonie
verstanden und ,,IIarmonie genannt;
und das Resultat
einer
33 J. A. SCIBE, CrttischerMustcus,
Leipzig 1745, S. 641 :,,Wenn ich unsere
itzige
musikalische
Schreibart gegen die
Schreibart unserer Vorfahren nur noch vor
drey-
Big und vierzig Jahren
halte: so dunkt
mich eben den Unterschied anzutreffen,
der
insgemein ein geschicktes und mit allen gehorigen Zierrathen versehenes, Gedichte
von einer mittelmabigen, doch
flieBenden und angenehmen
Rede unterscheidet;
d gehe ich endlich noeh weiter zuruck:
so wird man kallm die Spuren einer
ma-
gern und einfaltigen
Prose entdeeken.
34 A.a.O. S. 655.
35
A.a.O. S. 560:
A.SCHERING uhmt den ,,gesunden
MeDsehenverstand ,
der
,,aus diesen Satzen
sprieht (CarlPhilipp
EmanvelBach und das ,,redende
Prinz*p
in
der Muszk, n: Vom musikalisehen
:Kunstwerk, Leipzig
21951, S. 240).
36 Auf den Begriff der ,,wahren,
natiirliehen Poesie ,
den Gegensatz zum
,,Sehwulst , stutzte
Seheibe seine Polemik gegen Baeh, den
musikalisehen
,,Herrn
von Lohenstein .
,,\7Viewill derjenige alle Vortheile erreiehen,
die zur Erlanglmg
des
guten Gesehmacks gehoren, welcher sich am wenigsten um critische Anmerkungen,
Untersuchungen und
um die Regeln
bekummert hat, die aus der Redekunst
und
Dichtkunst in der
Musik doch so nothwendig sind, dab man
auch ohne
dieselben
unmoglich ruhrend
und ausdruckend
setzen kann (nach PH. SPITTA,
J.S.Bach,
Bd. II, Leipzig 1880,
S. 64). Auch
J.MATTHEsoN ah im ,,bewegenden und
ruhren-
denWesen die ,,wahre melodisehe
Schonheit (a.a.O. S.
140).
37 D.P.WAL1;RSDer mqxsikalische
lumanismusm 16. und
r¢hen 1 7.Jh., iKassel
1949, S. 35ff.
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
10/16
118
Carl Dahlhaus
Verschrankunger Begriffewar dieVorstellung, aBder Kontrapunkt in Teil-
momentder Melodie ei. Seth Calvisiusnannte seine Lehrevom mehrstimmi-
gen Satz ,,Melopoiia,ive melodiae ondendae atio, quamvulgo MusicamPoe-
ticam vocant 38.
Schon im 17.JahrhundertpolemisierteGiovanniBattista Doni, der seine
Rechtfertigung er Operdurcheinen Ruckgriff uf die antike Terminologie u
stutzen suchte, gegen den umfassendenMelodiebegriff, er den Kontrapunkt
einschloB39. och setzte sich die Einschrankung es MelodiebegriSs uf die
IIauptstimme rst um 1730 durch40.Bei Johann Matthesonund Rousseau st
dann ,,Melodie der GegenbegriS u ,,Harmonie und der ,,Melopoet tatt
eines Kontrapunktikers in Erfinder ,singbarer und ,,ruhrender Iaupt-
stimmen4l.
Erfindung, ie ,,Kraftzu dichten
2,
abergalt als Sachedes ,,Genies ;poeta
nascitur. Die musikalischePoetik verwandelte sich aus einer Lehre vom
mehrstimmigen atz in eine Jisthetikdes Genies.Der ,,reineSatz , das Lehr-
bare an der Musik, st nach Johann Philipp Kirnberger, er uber die ,,Kunst
des reinen Satzes in der Musik Hundertevon Seiten schrieb,das ,,geringste
Verdienst inesTonsetzers. ,Es verhaltsich mit der Musik,wie mit der Bered-
samkeit; die erste Eigenschaftdes Redners st, daB er die Grammatik einer
Sprache erstehe,das ist, sich verstandlich nd reinauszudrucken isse.Dieses
allein aberhilft ihm sehr wenig
3.
,,Die Erfindung ines einzigenmelodischen
SatzesoderEinschnittes,der ein verstandlicher atz aus der Spracheder Emp-
38 Erfurt 1592. 39 J.MATTXSON, a.a.O. S. 137.
40
J.G.WALTHER efiniert 1732 im Mustcaltschen Lextcon (Faksimile-Naehdruek
hg. von R.SCHAAL, Kassel 1953) ,,Melodia als ,,Sang-Weise, eontinuata sonorum
eonnexio (S. 396) und unterseheidet an der ,,Musiea poetiea zwei Momente: ,,die
:Kunst, Melodien zu erSnden, und die eon- und dissonierende :Klange mit einander
zu vermisehen (S. 434).
41 ,,\Vir legen hergegen die Melodie zum Grunde der gantzen Setz-:Kunst, und
konnen gar nieht begreiffen, warum man den deutliehen Untersehied zwisehen der
ein- und mehrfaehen lIarmonie... niemahls in gehorige Betraehtung ziehet, wenn
z.E. wieder alleVernunfft behauptet werden will: dab die Melodie aus der Harmonie
entspringe, und alle Regeln der ersten von der andern hergenommen werden mus-
sen (J. MATTH
i
soN, a. a. O. S. 133). ,,La Musique doit done neeessairement ehanter,
pour toueher, pour plaire, pour soutenir l'interet et l'attention... Je eonelus done...
ehe toute Musique qui ne ehante point est ennuyeuse, quelque harmonie qu'elle
puisse avoir (J.-J.ROUSSEAU,Dtottonnatre de mustqxbe,Paris 1768).
42
aHRISTIANWOLFF (Psychologza
emptrtca, Frankfurt und Leipzig 1733) unter-
scheidet an der ,,Kraft zu dichten (facultas fingendi) die ,,Einbildungskraft (ima-
ginatio, phantasia) vom ,,XVitz (ingenium), der Fahigkeit, Ahnlichkeiten wahrzu-
nehmen (A.BAUMLER,Kants Krttzk der Urtetlskraft, Halle 1923, S. 141ff.; vgl. auch
A.SCHERING,Das Symbol tn der Mq4szk,Leipzig 1941, S. 72ff.). Das ingenium wan-
delt sich TOm ,MTitZ44Um ,Genie , sobald sich der Akzent vom Rombinationsver-
mogen auf den ,,Einfall verlagert. J.MATTH>soNbetrachtet 1739 das Rolnbina-
tionsverlnogen als ,,EIulffs-Mittel fur den ,,Nothfall eines Mangels an ,,schonen
Einfallen (a.a.O. S. 121f., §§ 1, 8, 15 und 16).
43 J.PH.KIRNBERGER,Dte Kqbestdes reinen Satzes tn der Mq4szk,Bd. II, 1. Abtl.,
Berlin und Ronigsberg 1776, S. 3.
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
11/16
Musica poetica und
musikalische Poesie
119
findung ist, und
einetn einpfindsaxnenZuhorer die
Geinuthslage, die ihn
hervor-
gebracht hat, fuhlen
laBt, ist
schlechterdings ein Werok des Genies und
kann
nicht durch Regeln gelehrt werden
44.
2.
Instruinentalinusik, die nicht ,,redet und nichts
,,vorstellt , sei ein
,,blo-
Bes Gerausch , heiSt
es bei Scheibe45.
Und Quantz beinerkt 1752: ,,Eine
be-
standige
Lebhaftigkeit, oder lauter Schwierigkeit, Inachen
zwarVerwunderung,
sie
ruhren aber nicht sonderlich 46. Sie
sind
,,xnechanisch , nicht ,,poetisch .
Johann Adaxn Hiller spricht zwei Jahre
spater voin ,,Wunderbaren in der
In-
struinentalinusik,
Ineint aber dasselbe wie Quantz:
,,Sprunge, Laufer,
Brechun-
gen , die
Verwunderung erregen, das
Herz jedoch leer lassen. Das
,,Wunder-
bare ist das
Gegenteil des ,,Naturlichen , der
tnusikalischen ,,EInpfindungs-
SPraChe 47
Utn 1780 aber
katn das
,,Wunderbare zu tnusikasthetischen Ehren;
die
Theorie der Instruinentalinusik
rezipierte die Poetik
Bodiners und Klopstocks.
Sinn fur das
Erhabene
undWunderbare, nicht Naturlichkeit und Vernunft
tna-
chen den wahren
Dichter. ,,Die
Sinfonie , schreibt Johann Abrahaxn
Peter
Schulz in Sulzers AllgemeinerTheorie
der schonenKunste, ,,ist zu dem
Ausdruck
des GroSen, des
E'eierlichenund
Erhabenen vorzuglich geschickt . Das
Allegro
einer Sinfonie sei
,,einer pindarischen
Ode in der Poesie vergleichbar. ,,Es
er-
hebt und erschuttert wie diese die Seele des Zuhorers und erfordert denselben
Geist, dieselbe
erhabene Einbildungskraft, und dieselbe
Kunstwissenschaft,
uin darin glucklich
zu sein 48.Die
Verwirrungder Gefuhle, in die eine
Sinfonie
den Horer versetzt, erscheint, gleich
der ,,Unordnung in der Ode 49,als
Merk-
44
A.a.O. S. 152.
Ahnlich urteilt LESSING m 26. Stuck
der Hambq4rgischen
Dra-
maturgie.
45
A. a. O. S. 560.
46
J. J. QUANTZ,
Versuch einer Anweisung, die flute
traversiere zu spielen,
Berlin
1552; Faksimile-Nachdruck hg. von
H.-P.SCHMITZ,Kassel 1953, S. 305; vgl.
auch
R.SCHAFEE,Quantz
als Asthetiker, Af3Iw
VI, S. 219.
47 J.A.HILLER, Von der Nachahmung
der Natur in der
Musik, in: F.W. MARPURGS
Historisch-kritische Beytrage zur Augnahme der Mustk, I, 1754/55, S. 542: ,,Den
Plan der Concerte und Solo entwerfe
demnach wie zu andern musikalischen
Stucken,
allemal die Natur. Er sey allemal ein
Gesang, der die
Empfindungen des EIerzens
kunstlich
auszudrucken bemuht ist. Man
schlieBe aber dasWunderbare nicht
davon
aus. Man bringe
wohlgewahlte Sprunge, Laufer,
Brechungen und dergleichen,
an
gehorigen Orten, und
in gehoriger MaaBe
an. Der Zusammenhang mit der
Poetik
BODMERSst HILLERbewuBt:
,,DasWunderbare ist in der Poesie von
groBerWich-
tigkeit. Doch scheut
sich :ESILLER,ie
,,vernunftige Nachahmung der Natur
preis-
zugeben. ,,Man muB also auch
dasWunderbare der Musik
nicht ganz nehmen. Man
muB nur gehorig zu
bestimmen und einzuschranken
suchen.
48
R. SONDHEIMER,
ie Theorie der
Sinfonie q4nddie Beurteilung einzelner
Sinfonie-
kombponisten ei den Musikschriftstellern des 18. Jhs., Leipzig 1925, S. 40. ,,+terwun-
derung ist das
Gefuhl, das der Anblick
des Erhabenen erregt. ,,Und die
entschei-
dende Voraussetzung fur dies Pathos des
Ausdrucks sowohl wie fur die GroBe
der
Gestaltung endlich ist, daB der Dichter
selber empfinden
muB, was er empfinden
machen will
(K.VIETOR,Die Idee des Erhabenen in der
deutschen literatq4r,
in:
Geist und Form, Bern
1952, S. 247; vgl. auch
H.H.EGGEBRECHT,Das
Aq4sdrucks-
Prinzip im mq4sikalischenSturm und
Drang, DVfLUG XXTX, 1955, S. 323ff.).
49 C.F.FLOGEL, Geschichtedes
menschlichen Verstandes,
BreS1aU1765, S. 44: ,,Die
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
12/16
120
Carl
Dahlhaus
mal
des
Erhabenen50.
Philipp
Etnanuel
Bach
wird
1801
in
der
Allyemeinen
Mu-
ikalischen
eitung
ls
,,ein
anderer
Klopstock
geruhmt,
der
,,Tone
statt
Worte
rauchte .
,,Ist
es
die
Schuld
des
Odendichters,
wenn
seine
lyrischen
Schwunge
etn
rohen
Haufen
Nonsens zu sein scheinen 2 Bach, heiSt es weiter,
,,zeigte:
ie reine
Musik
sei
nicht
bloB
Hulle
fur
die
angewandte
oder
von
dieser
abstra-
iert,
sondern...
vermochte
sich
zur
Poesie
zu
erheben,
die
uin
desto
reiner
sei,
e
weniger
sie
durch
dieWorte
(die
itntner
Nebenbegriffe
enthalten),
in
die
Re-
ion
des
geineinen
Sinnes
hinabgezogen
wurde
51.
Auf
Klopstocks
Poetik
beruht
auch
Wackenroders
,,Seelenlehre
der
heutigen
nstruinentalinusik .
,Keine
Kunst
schildert
die
EInpfindungen
auf
eine
so
unstliche,
kuhne,
so
dichterische,
und
eben
darutn
fur
kalte
Geinuter
so
er-
wungeneWeise 52.
,,Kunstlich,
kuhn,
dichterisch :
der Anklang an die Theo-ie er Ode ist unuberhorbar.
Ludwig
Tieck
pointierte
die
GedankenWackenroders.
Die
Instruinentaltnusik
ede
,die
hochste
poetische
Sprache ,
wenn
sie
,,ihren
eigenenWeg
geht
und
ich
m
keinen
Text,
uin
keine
untergelegte
Poesie
kuininert,
fur
sich
selbst
ichtet
nd
sich
selber
poetisch
koininentiert
53.
DieWendung,
daB
die
Instru-
nentalinusik
ich
selber
poetisch
koininentiere,
erinnert
an
ein
Fraginent
uber
usik
nd
Philosophie
von
Friedrich
Schlegel.
Schlegel
verwirft
den
,,platten
esichtspunkt
er
sogenannten
Naturlichkeit ,
nach
welchetn
,,die
Musik
nur
ie
prache
der
EInpfindungsein soll , und findet ,,eine
gewisse
Tendenz
aller
einen
Instrumentaltnusik
zur
Philosophie
an
sich
nicht
uninoglich .
,,MuB
die
eine
Instrutnentalmusik
sich
nicht
selbst
einen
Text
erschaffen
?
Und
wird
das
Empfindllngen
aben
wohl
auch
ihr
System
und
ihre
Ordnung;
und
wir
sind
oft
zu
oreilig,
aB
wir
glauben,
alles
sei
unordentlich,
was
mit
derselben
nicht
uberein-
timmt.
enn
die
Unordnung
in
der
Ode
ist
ein
bloBer
Schein
der
Unordnung
(nach
A.
AUMLER,
.
a.
O.
S.
164).
5°
Wie
I9LOGEL
erbindet
CHR.
I9R.MIcw^wLIs
en
Eindruck
des
Erhabenen
Init
dem
,Schein
der
Unordnung .
Werke
der
Tonkunst,
in
denen
,,das
Mannigfaltige
sich
or
der
Einheit
darzubieten und also keine wahre
Schonheit
stattzufinden
cheine ,verdienten
,,eigentlich
mehr
erhaben
als
schon
genannt
zu
werden,
weil
die
Einbildllngskraft
bei
ihnen
sich
fast
erschopft,
das
Mannigfaltige
zu
entwickelu.
In
anchen
erselben
ist
die
Mannigfaltigkeit
viel
zu
groB,
sie
gleichen
den
goti-
schen
:Kunstwerken
durch
das
tberladene,
durch
Anhaufung
der
Zieraten,
und
las-
sen
ich
schwerlich
in
kurzer
Zeit
als
ein
Ganzes
zusaranwenfassen
(8ber
den
Geist
der
onkq4nst,
eipzig
1800,
S.
87f.).
51
RIEST,
Bemerkq4ngen
uber
dte
Aq4sbildq4ng
er
Tonkq4nst
n
Deutschland
tm
8.Jh.,
Allgemeine
Musikalische
Zeitung,
Leipzig
1801
(nach
A.SCHERING,
Beet-
oven
4nd
dte
Dichtq4ng,
Berlin
1936,
S.
572).
Schon
J.l9.REIczARDT
verglich
1774
a.
PH.
.
BACH
mit
ELOPSTOCE
E.
:19.
crTD,
Cart
Philipp
Emanthel
Bach
thnd
seine
Eammermusik,
assel
1931,
S.
84).
52
iEI.WAcKENRoDER,erke und
Briefe,
hg.
von
:F.
VON
DER
LEYEN,
Jena
1910,
I,
S.
89.
aB
die
,,Seelenlehre
der
heutigen
Instrumentalmusik
an
die
literarische
heorie
es
Erhabenen
anknupfte,
zeigt
auch
die
}iorrespondenz
von
TIECE
ur
d
ACKENRODER
ber
die
Moglichkeit,
der
Lehre
des
PsEI;Do-LoNGIN
votn
Erhabe-
nen
ine
moderne
Wendung
zu
geben
(a.a.O.,
II,
S.
22,
29
llnd
43).
3A.a.O.,
,
S.303.
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
13/16
Musica poetica und musikalische Poesie
121
Thema in ihr nicht so entwickelt, bestatigt, variiert und kontrastiert, wie der
Gegenstand der Meditation in einer philosophischen Ideenreihe 2 54 DaB die
Instrumentalmusik ,,sich selber poetisch kommentiert , bedeutet also, wenn
man Schlegels Fragment als Erlauterung gelten laBt, daB Musik nicht als ,,Emp-
findungssprache , sondern gerade als ,,abgesonderte Welt fur sich 55 ,Poesie
sei. Aus der ,,Verwunderung , die das Herz leer laBt, ist ein metaphysisches
Staunen geworden.
3. Dem Begriff der ,,musikalischen Poesie ist im 18. und fruhen 19.Jahr-
hundert ein kaum entwirrbarer Reichtum an Bedeutungen zugewachsen. Ob
eine Dichtung fur Musik, ein musikalischesWerkoder eine poetische Paraphrase
uber Musik gemeint ist, laBt sich im allgemeinexl mit geringer Muhe entschei-
den56. DaB aber sowohl die tonende ,,Seelensprache 57als auch die ,,reine Mu-
sik , die ,,abgesonderte Welt fur sich selbst , musikalische Poesie genannt
wurde, stiftet Unruhe in der asthetischen Terminologie. Der Ausdruck ,,poe-
tische Idee , den Beethoven nach dem Zeugnis seines Famulus Anton Schindler
,,oft gebrauchte 58,scheint verschiedene und sogar entgegengesetzte Deutun-
gen zuzulassen. Ist eine ,,poetische Idee , wie Arnold Schering meinte, eiIl ,,eso-
terisches Programm
9;
oder ist sie ein musikalischer Gedanke, der einer Kom-
position, einer musikalischen Poiesis, zugrunde liegt6°
2
54
F. SCHTEGEL,
Schrtften qhnd ragmente, hg. von E.
BEHT R.R,
Stuttgart 1956, S. 11.
55 L.TIECE (E1:.WACEENRODER),
.a.O. S. 294. R.
SCHAFEE
meinte,
WACKE.N-
RODER
und
TIECK
gebrauchten ,,die Brorte Dichtung und Poesie im weitesten, grie-
chischen, platonischen Sinne des Schopferischen
(GCOldl;)
uberhaupt (Geschichte
der Musikasthetik in Umrissen, Tutzing 21964, S. 338). Doch wird erstens die theo-
logische Metapher ,,Schopfer dem griechischenWortsinn nicht gerecht; und zwei-
tens war fur
WACKENRODER
und
TIECE
nicht das Hervorbringen von Werken - sei
es ein ,,Schaffen oder ein ,,Verfertigen -, sondern der Gegensatz zur ,,Prosa des
Alltags das entscheidende Merkmal der ,,Poesie .
56 J.MATTHESON
verwendet in der Critica mustca II, Hamburg 1725) den Aus-
druck ,,musikalischer Poet sowohl fur den Eomponisten als auch fur den Verfasser
von Testen fur Musik. ,,Strophen schicken sich gar nicht zur Figural-Music. Sie
sind eine Maladie der Melodie, eine rechte Pest der Compositionskunst, und ein har-
tes Hals-Eisen musicalischer Poeten. Einem Marok-Schreyer und Liedermann stehen
sie besser an (S. 311). ,,Eingegen muBen wir auch eines rechtschaffenen musicali-
schen Poetens Worte nicht so grausam martern, als durch ZerreiBung des Testes,
mehr denn zu viel, geschieht (S. 314). CHR.G. ERAIJSE Von der musikaltschen Poe-
sie, Berlin 1753) und HERDER a.a.O., IV, S. 120) verstehen unter ,,musikalischer
Poesie die Dichtung fur Musik.
57
,,Das Poetische der Musik, die Seelensprache, welche die innere Lust und den
Schmerz des Gemuths in Tone ergieBt, und in diesem ErguB sich uber die Natur-
gewalt der Empfindung mildernd erhebt, indem sie das prasente Ergriffenseyn des
Innern zu einem Vernehmen seiner, zu einem freien Verweilen bei sich selbst macht,
und dem Herzen eben dadurch die Befreiung von dem Druck der Freuden und Lei-
den giebt, - das freie Tonen der Seele im Felde der Musik ist erst die Melodie (HE-
GEL,a.a.O., III, S. 180f.).
58
A.SCHINDLER,
Biographie von Ludwig van Beethoven, Munster 31860, Bd. II,
S. 212, Anin. 1.
59
A.
SCWhRING,
a. a. O.; dazu N.-E.
RINGBO1E,
Mberdie Deutbarkeit der Tonkunst,
Helsirkki 1955. A.EEI;ss unterscheidet die ,,dichterische Idee von den ,,musikali-
Archiv ftir Musikwissenschaft 1966 2
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
14/16
122
Carl
Dahlhaus
Die
geschichtlichen
Zeugnisse,
die
Berichte
von
Schindler,
Ries,
Czerny
und
anderen,
ind
widerspruchsvoll,
solange
man
in
der
Entgegensetzung
von
Form-
und
Inhalts-
oder
Autonomie-
und
Heteronomieasthetik
befangen
ist,
einer
un-
glucklichen
Alternative,
die
aus
derzweiten Halfte des 19.Jahrhundertsstammt.
Auf
falsche
Fragen
antworten
die
Texte
verworren.
Nicht
der
Streit
um
abso-
lute
und
Programmusik,
sondern
der
Versuch,
,,Poetisches
von
,,Mechani-
schem ,
,,Prosaischem
und
,,Historischem
zu
unterscheiden,
bestimmte
oder
farbte
die
musikasthetische
Terminologie
der
Zeit
um
1800.
Utlter
den
Verdacht,
bloBe
Mechanik
zu
sein,
fiel
auBer
leerer
Virtuositat
auch
die
Fuge
in
der
Gestalt
der
Schulfuge.
Auf
der
Kontrastierung
von
,,Poe-
sie
und
,,Mechanik
beruht
BeethovensWort
uber
die
Fuge:
,,Heut
zu
Tage
muBin die althergebrachte Form ein anderes, ein wirklich poetisches Element
kommen
62.
Der
Gegensatz
zwischen
,,Poesie
und
,,Prosa
begrundete
bei
Tieck
die
These,
Musik
sei
um
so
,,poetischer ,
je
weiter
sie
der
,,prosaischen
Wirklich-
keit
entruckt
ist.
Beethoven
dachte
nuchterner.
Zwischen
Skizzen
zur
Pastorale
steht
die
Notiz:
,,Jede
Mahlerei,
nachdem
sie
in
der
Instrumentalmusik
zu
weit
getrieben,
verliehrt
63.
Nicht
die
Tonmalerei
als
solche
erschien
ihm
bedenk-
lich,
sondern
die
tbertreibung
ins
Kleinliche,
der
,,poetische
Materialismus ,
schen Einfallen , die Beethoven in den Skizzenbuchern notierte. Die Einfalle seien
erst
dureh
,,einen
geistigen
Vorwurf,
heiBe
er
Bonaparte,
Leonore,
Coriolan
oder
sonstwie ,
aus
,,ihrem
Dornroschenschlaf
erweckt
worden
(Beethoven
in
der
jung-
sten
Gegenwart,
ZfMw
III
1920/21,
S.
242).
Ist
Napoleon,
sei
er
auch
,,derWeltgeist
zu
Pferde ,
eine
,,poetische
Idee
?
60
J.BAHLE,
Eingebung
und
Tat
ien
musikalischen
SchaJ%en,
eipzig
1939,
S.
179ff.
BAHLE
stutzt
sich
auf
eine
AuBerung
BEETHOVENS
ber
, ,die
zugrundeliegende
Idee
die
LOUIS
SCHLOSSER
berlieferte
(Beethoven,
Briefe
und
Gesprache,
hg.
von
M.Ei,;RLIMANN,
urich
21946,
S.
200).
,,Zugrundeliegende
Idee
bedeutet
vermut-
lich
nicht
,,Hauptgedanke ,
sondern
,,Anlage
im
Sinne
von
H.CHR.KOCH:
,die
schon
mit
einander
in
Verbindung
gebrachten
Hauptgedanken
des
Satzes,
die
sich
zusammen dem Tonsetzer als ein vollkommenes Ganzes darstellen
(Versu.ch
einer
Anleitung
zur
Composition,
II,
Leipzig
1787,
S.
53).
KOCH
unterscheidet
die
,,An-
lage
von
der
,,Ausfuhrung
und
der
,,Ausarbeitung
(S.
52),
BEETHOVEN
ie
,,Ideen
von
der
,,Ausarbeitung
(Eonversationsheft
55
der
Berliner
Staatsbiblio-
thek;
naeh
A.
SCHMITZ,
ur
Frage
nach
Beethovens
Weltanschavung
und
ihrem
mus?>-
kalischen
Auedruck,
in:
Beethoven
und
die
Gegenwart,
Berlin
und
Bonn
1937,
S.
179,
Anm.
35).
61
A.SCHINDLER
ontrastiert
BEETHOVENS
,musikalische
Poesie
den
,,von
den
modernen
Klavier-Mechanikern
ausgegangenen
Irrlehren
in
Beethovens
Musik
(a.
a . o
.,
2
1845;
nach
SCHERING,
.
a.
O
S
.
57
6 )
H
. CHR.
EOCH
unterscheidet
das
Er-
wecken
,,schoner
Empfindungen
vom
,,Mechanischen
der
Kunst
(a.a.O.
S.
37).
62tberliefert von K. HOLZ;
vgl.
SCHERING,
. a.
O.
S.
26.
63
P.MIES,
I)ie
Bedeutung
der
Skizzen
Beethovens
zur Erkenntnis seines Stiles,
Leipzig
1925,
S.
137.
,,Beethoven
dachte
sich
bei
Compositionen
oft
einen
bestimrn-
ten
Gegenstand,
obschon
er
uber
musikalische
Malereien
haufig
lachte
und
schalt,
besonders
uber
kleinliche
derArt
(Biographische
Notizen
uber
ludwtg
van
Beethoven
von
Wegeler
und
Ries,
Neudruck
von
A.
CHR.
KALISCHER,
erlin
und
Leipzig
21906,
S.
92
f.).
H.CHR.EOCH
sieht
in
kleinlicher
Tonmalerei
und
Charakteristik
die
Zei-
chen
eines
,,der
Absicht
der
Tonkunst
schadlichenWitzes
(a.a.O.
S.
40).
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
15/16
Musica poetica
und rnusikalische Poesie
123
um mitJean Paul
zu sprechen
4.
Entscheidenedst die
Differenz wischen ,poe-
tischer und ,,prosaischer
achahmung,
nicht der Gegensatz wischen
abso-
luter und Programmusik.
,Poetische
Nachahmung ,heiSt es bei Jean
Paul,
entsteht, wenn ,einedoppelteNaturzugleichnachgeahmtwird,die innereund
die auSere,beide
hreWechselspiegel
5.
Nichts anderes
besagtBeethovens
For-
mel ,,MehrAusdruck
der Empfindung ls Mahlerey .
So unleugbar
s ist, daS ein groSerTeil von Beethovens
Werkendurch
Vor-
stellungen von
Charakteren,Temperamenten
nd Situationen mitbestimmt
ist66,so bedenklich
rscheintdie
Gleichsetzung on ,,poetischer dee
und lite-
rarischemProgramm. n der Musikasthetik
wurde
wie in der Dichtungstheorie
das ,,Poetische
vom ,,Historischen nterschieden;
nd als ,,historisch
be-
zeichneteFriedrichRochlitz67 undspaterRobertSchumann68die Programm-
musik, die musikalischeErzahlung
iner Geschichte.
Auch Schindler etzt die
DiSerenz zwischen,,Poesie und
,,Historie voraus, wenn er die
Methode,
,,BeethovensWerkeinzelnenDichtungen
nzupassen, erwirft,weil
sie ,,viel
zu sehr in den
SchrankenbestimmterWirklichkeit
befangen ei69.Als Pro-
grammmusikalischerWerke
st epischeoder dramatische
Poesie ,,historisch ,
nicht ,,poetisch .
4. Die musikalischenRomantiker
waren ,,Beethovener ;und ,,Poesie
ist
derzentraleBegriff
n den Kritiken
RobertSchumanns, ie aus der Poetik
Jean
Pauls eine Musikasthetik ntwickeln70. oiesis erscheinterstens als Gegenbe-
griff zu Mimesis,
ur Kopie von
Vorbildern7l nd zur Nachahmung
derWirk-
lichkeit72. weitensbetont Schumann
en Kontrast
zur ,,Prosa ,z-um,Trivia-
len , ,,Flachen und ,,Gemeinen
3. Gegenuber rosaischer
Empirieerscheint
64
J.PAUL, Vorschule der Asthetik,
hg. von N.MILLER,
Munchen 1964, S. 34ff.
65
A.aO S. 43
66 A.SCHMITZ,
Das romantische
Beethovenbild, Berlin und Bonn 1927,
S. 78.
67 Rezension
der Didone-Sonate von MUZIO LEMENTI;
bgedruckt bei SCH
RING,
a.a.O. S.573.
68
R.SCHUMANN,GesamenelteSchrtften uber Mustk und Musiker, hg. von H. SI
MON,Leipzig o.J.,
3 Bande, ,,Doch darfman ebensowenig,
wie bei der Ouverture
zu
Shakespeares
Sommernachtstraum, in dieser [Mendelssohns
Melusine-Ouverture]
einen so groben
historischen Faden fortleiten wollen.
So dichterisch Mendelssohn
immer auffaBt,
so zeichnet er auch
hier nur die Charaktere desWeibes und
des Man-
nes... (I, S. 157f.).
69 SCHERING,
. a. O. S. 563. Dagegen
rneinte E. CZERNY, s bedeute eine
Steige-
rung zur ,,Poesie , wenn man in
der Instrumentalmusik
,,die Erzahlung von Be-
gebenheiten hore
(a.a.O. S. 569).
70 A. SCHMITZ,
ie asthetischen
Anschavungen R. Schumanns tn thren Beziehungen
zur ronzantischen
Ltteratur, ZfMw
III, 1920/21, S. lllff.
71
,,...verlang' ich mit einemWorte poetische Tiefe und Neuheit uberall, im Ein-
zelnen wie im
Ganzen... (II, S. 136).
,,Irgend einen poetischen Zug, etwas
Neues
in der Form oder
im Ausdruck hat fast jede (II, S.
162).
72
,,Der Kornponist schlieBt mit
einem Traum, dern
poetischsten Stuck der Samm-
lung (I,S.218).
73
MOSCHELES,stellt sich in die
jungern Reihen, mit ihnen gegen Formwesen,
Modeherrschaft
und Philisterei zu
ziehen. So finden wir denn auch
im
Trio
die Idee
9e
8/16/2019 Dahlhaus Poesie
16/16
124
Carl
ahlhaus,
usica
poetica
und
rousikalische
Poesie
,,Poesie
ls
das
,,tybersinnliche
74,
gegenuber
den
Einschrankungen
des
pro-
saischen
lltags
als
Reich
der
,,Freiheit 75.
Drittens
ist
das
,,Poetische
der
Widerpart
um
,,Mechanischen
und
,,Gemachten
78,
sowohl
zu
bloSer
Virtuo-
sitat
7
ls
auch
zur Borniertheit eines musikalischenHaIldwerks,
das
sich
selbst
genuGt
8
,,Poetisierung
er
Musik79
bedeutet
aber
nicht
,,Literarisierung .
Die
litera-
rischen
araphrasen
uber
Musik
sind
vom
Begriff
der
,,musikalischetl
Poesie
her
u
verstehen,
nicht
umgekehrt.
Die
,,musikalisch-poetischen
Phantasien
80
E.T.
.
HoSmanns
und
Schumanns
waren
nicht
als
Reduktionen
eines
musika-
lischen
bbildes
auf
ein
poetisches
Urbild
gemeint,
sondern
als
Versuche,
das
Reich
u
entdecken,
in
dem
die
,,Poesie
der
Musik
und
die
,,Poesie
der
Poesie
sichegegnen. ,,Die Asthetik der einen
Kunst ,
schrieb
Schumann,
,,ist
die
der
andern
1.
vorherrschend,
oetischen
Grundstoff,
edlere
Seelenzustande
(I,
S.
201).
,,Das
all-
gemeine
rosaische
Mantellied
kann
aber
schwerlich
zu
AuBerordentlichem
begei-
stern,
nd
durfte
es
nicht
einmal,
da
eben
auch
Variationen
ein
Ganzes
bilden
sollen,
das
einen
Mittelpunkt
im
Thema
hat
(II,
S.
18
).,
,Ein
deutlicheres
Beispiel
des
be-
stenWillens
ach
hoherem
Aufflug,
bei
grundlichstem
Festsitzen
auf
prosaischem
Boden...
iebt
es
schwerlich
auf
der
Welt
noch
einmal
(II,
S.
71).
,,...Adel
der
Dichtung...
III,
S.
64).
,,...Mendelssohn,
dessen
aristokratisch-poetischem
Cha-
rakteriese Gattung [das Streichquartett]
auch
besonders
zusagen
muB
(III,
S.
00).
74
,,Es
bleiben
noch
das
,Kindermarchen'
und
der
,Traum'
ubrig,
die
mir
als
die
zartesten
nd
poetischsten
der
Sammlung
gelten.
Hier,
wo
sie
ins
tbersinnliche,
in
das
eisterreich
hinuberspielt,
ubt
die
Musik
ihre
volle
Gewalt
(II,
S.
154).
75
,,Dieses
Nichtbestimmtsein
eines
eigentlichen
Konzertabends
giebt
aber
dem
Institut
ogar
einen
leichten
Anstrich
von
poetischer
Freiheit...
(II,
S.
106).
76
Der
Unterschied
ist
manchmal
als
erganzender,
manchmal
als
ausschlieBender
Gegensatz
emeint.
77
,,Dene
nach
drei
Dingen
sehe
ich
als
Padagog
besonders,
gleichsam
nach
Blute,
Wurzel
und
Frucht,
oder
nach
dem
poetischen,
dem
harmonisch-melodischen
und
demmechanischen Gehalt,
oder
auch
nach
dem
Gewinn
fur
das
Herz,
fur
das
Ohr
und
ur
die
Hand
(I,
S.
59). ,,Wenn die Schumannsche Bearbeitung
mehr
die
poe-
tische
Seite
der
Komposition
zur
Anschauung
bringen
wollte,
so
hebt
Liszt, aber
ohne
jene
verkannt
zu
haben,
mehr
die
virtuosische
hervor
(III,
S.
98).
78
,,Alles
zusammengenommen,
Czernys
Fugenwerk
bleibt
als
Beitrag
zur
Ge-
schichte
des
Verfassers
immerhin
bemerkenswert;
im
ganzen
Kreis
der
Erschein
gen
ist
es
als
eine
unechte,
halbwahre
und
gemachte
Musik
nicht
anzuschlagen
.
.
.
Die
meisten
der
Bachschen
Fugen
sind
aber
Charakterstucke
hochster
Art,
zllm
Teil
wahrhaft
poetische
Gebilde
(II,
S.
144f.).
79
Vg].W.WIORA,
Die
Musik
im
Weltbild
der
deutschen
Romantik,
in:
Beitrage
zur
Geschichte
der
Musikanschauung
itn
19.Jh.,
hg.
vonW.SALMEN,
Regensburg
1965,
S. llff.
80
,,Musikalisch-poetisch
nenet HOFFmANNohannes
Ereislers
Kommentare
zu
einer
Akkordprogression.
81
A.a.O.,
I,
S.
40.
Poesie
sei
die
gemeinsameWurzel
von
Dichtung
und
Musik,
schrieb
ACHIM
VON
ARNIM
m
9.
Juli
1802
an
BRENTANO
R.
STEIG,
Achim
von
Arnim
und
Clemens
Brentano,
Leipzig
1894,
S.
38);
Und
bei
SOLGER
eiBt
es:
,,Ist
demnach
die
Poesie
eine
besondere
Kunst,
so
ist
es
doch
nur
eine,
die
zugleich
die
ganze
Kunst
selber
ist
(Erwin,
Berlin,
1815,
II,
S.
77).
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