Darstellung von Hydroxyden durch Anlagerung von atomarem Wasserstoff an Oxyde

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 269 August 1952 Heft 3, S. 93-164

Darstellung von Hydroxyden durch Anlagerung von atomarem Wasserstoff an Oxyde

Von OSKAR GLEMSER, ULRICH HAUSCHILD und GERTRULI LTJTZ

(Mit 2 AbbiIdungen)

Inhaltsiibersicht MnO, gibt mit H-Atomen uber MnOOH als Zwischenprodukt Mn(OH), nach

MnO, + H = MnOOH; MnOOH + H = Mn(OH),. Entwasserung zu den entspre- chenden Oxyden wird beobachtet.

Na,O, reagiert nach Na,O, + 2 H = 2 NaOH. Aus WO, erhalt man nach 10 WO, + H = 10 Ho,l WO, und 3 WO, + H = 3 H,,,,WO,

zwei kristallisierte Wolframblauhydroxyde, die auch aus WO, und naszierendem Wasser- stoff zu gewinnen sind.

Aus MOO, entstehen nach 4 MOO, + 2 H = Mo4010(OH), und Mo401,(OH), + 2 H =

2 Mo,O,(OH), zwei kristallisierte Molybdanblauhydroxyde. Weitere Einwirkung yon atomarem Wasserstoff fiihrt zu einem neuen, tiefdunkelroten, niederen Molybdan- hydroxyd Mo,O,(OH),, dessen Existenz durch Analyse, Rontgenaufnahme und isobaren Abbau gesichert wird. Alle diese Molybdanhydroxyde bilden sich auch aus MOO, mit naszierendem Wasserstoff.

Weitere Reaktionen yon Oxyden mit H-Atomen werden mitgeteilt. Aus GeO, entsteht Germaniumwasserstoff, der sich an der Glaswand der Apparatur in Ge und H, spaltet.

Durcli Einwirkung von naszierendem Wasserstoff auf MOO, und WO,, sowie H,MoO, und H,WO, gelang es uns l) 2), eine Reihe neuer definierter Hydroxyde zu gewinnen. Es lag nahe, statt des naszierenden Wasser- sto€fs atomaren Wasserstoff zu verwenden und zu versuchen, durch Anlagerung von Wasserstoffatonien a n Oxyde Hydroxycle darzustellen.

Im Schrifttum sind zahlreiche Angnben uber die Einwirliung vcn atomarem Wasserstoff auf Oxyde zu finden ,). Erfolgt eine Reaktion, so wird zumeist eine Reduktion zu niederen Oxyden oder ziim Metal1 beobachtet. KROEPELIN und VOCEL’) teilen aber - oline Beweis - mit, da13 MnO, durch atomaren Wasserstoff in Mn(OHj, uberfuhrt werde. EBERT und FLASCII~/ heschreibcn wstrnnlig ein ails WO, und Wiisser-

1) 0. GLEMSER u. G. LUTZ, Z. anorg. aiIg. Chem. 264, 17 (1951). ,) 0. GLEMSER u. CH. NAUMANN, 2. anorg. allg. Chem. 265, 288 (1951). 3) Z. B. H. KROEPELIN u. E. VOGEL, Z. anorg. allg. Chem. 239, 1 (1936). 4) F. EBERT u. H. FLASCH, Z. anorg. allg. Chem. 226, 65 (1936).

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stoffatornen erhaltenes definiertes Hydroxyd W,O,,(OHj,. Diese Ver- bindung eiitsteht auch aus WO, und nsszierendern Waserstoff (rgl. weiter untcnj.

Apparatur Elektrolytwasserstoff wird in der ublichen Weise von Sauerstoff (Ofen mit Kupfer-

spanen) und Stickstoff (Ofen mit einer Natrium-Magnesiumlegierung) befreit. AnschlieWend

Abb. 1. Gli m me n t l a d u n g s a p p a r a tu r . (I Metallventile; b Entladungsrohr, Linge 185 em, Durchm. 20 mm; G Aluminiumelektroden, Lange 90 mm, Durchm. 21 mm; d Hochspannungstransformator ; e Sicherung; f Vorschalttransformator ; g Reaktions- kolbchen; h Stahlstabchen, in Glas eingeschmolzen; i Hahn zum Einleiten von Stickstoff; k rotierender Elektromagnet ; I Messingrohre zum Durchleiten gekuhlter Luft ; m Schliff- korper, mit Wasser kiihlbar; n Tubus, zur Aufnahme von Schiffchen nnd Markrohrchen ;

o Glasfritte; p Hahn zum Einleiten von Stickstoff

tr i t t er durch die Metallventile a in die Glimmentladungsapparaturen ein (Abb. 1). Die Entladungsrohre haben bei einer Lange von 185 em einen Durchmesser von 20 mm. Es werden zylindrische Aluminiumelektroden rnit einer Lange yon 90 mm und einem Durch- messer von 21 mm beniitzt. Meist wurde die Entladung unter 1 Torr bei 6000-6500 Volt und 150 mA betrieben. J e Stnnde wurden etwa 0,4 Liter Wasserstoff durch die Apparatur geleitet.

Da die Wasserstoffatome an der Oberflache der festen Substanz reagieren, wird diese durch magnetische Riihrung laufend erneuert (h, k der Abb. 1). Der Magnet ist so konstruiert, daB wahrend seiner Drehung der Reaktionskolben gekuhlt werden kann (1). Fur grolere Substanzmengen eignen sich sehr flache Kolben (g); kleinere Mengen konnen

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auch in mit Wasser kuhlbaren Schliffkorpern (m) direkt in oder in die Nahe der Ent- ladung gebracht werden. Fur weitere Versuche ist am Entladungsrohr ein Seitentubus (n) zur Aufnahme von Schiffchen und gegebenenfalls von Markrohrchen angeschmolzen.

Sollen luftempfindliche Praparate isoliert werden, schaltet man die Hochspannung a b und vertreibt den Wasserstoff durch reinsten Stickstoff (bei p). I n Kolben g wird dann durch i aus einer zweiten Bombe reinster Stickstoff eingeleitet, unter stromendem N, der Kolben von der Apparatur getrennt und das Priparat mittels eines passenden Auf- satzes 5) in Analysenkugelchen, Markrohrchen und AbbaugefaBe gefullt.

Versuchsergebnisse 1. MnOz

D a r s t e l l u n g des P r i p a r a t s : Einleiten von C1, in eine wisserige Suspension von MnCO,. Das feinteilige, schwarze Mangandioxydaquat wird so lange gewaschen, bis keine C1-Ionen mehr nachzuweisen sind und dann 10 Tage bei 120" im Vakuum uber PB05 getrocknet. Wassergehalt 2,7%; Rontgenaufnahme: Pyrolusit (Eisen-Ka-Strahlung).

Die Reaktion des atomaren Wasserstoffs mit MnO, kann folgender- mallen formuliert werden :

MnO, + H = MnOOH

MnOOH + H = Mn(OH),.

MnO, reagiert urn so schneller, je n5iher es an die Entladung kommt. In grijRerer Entfernung von der Entladung (12 em) entsteht nsch Rontgenaufnahmen hauptsachlich MnOOH. In der Niihe der Ent- ladung erfolgt auch Wasserabspaltung, so daB neben Mn(OH), auch y-Mn,O, und Mn,O, zu finden sind. Bei liingerer Einmirkurig der Wasser- stoffatome bildet sich grunes MnO. AuBerlich erkennt man den Re- rtktionsverlnuf daran, daB das schwarze MnO, zunachst braun (MnOOH), dann uber gran rein meifi (Mn(OFT),) wid . SchlieBlich nimmt es die griine Farbe des MnO an.

2. NasOz

Nn,O, (MERCK) gibt mit Wa,sserstoffatomen nach Na,O, + 2 H = 2 NaOH

Natriunihydroxyd. Der Xachweis des sorgfaltig isolierten Reaktions- produkts geschah rontgenographisch (Kupfer-Koc- Strahlung). Nach einiger Zeit wird das Reaktionsprodukt durch metallisches Natrium sch.cva.rz.

3. wos Pie von GLEMSER und NAUMANN 2) beschriebeneri neuen Wolfram-

hydroxyde Ho,IWO, und H,33 WO, konnlen durch 15- bzw. 40stiindige Einwirknng 17011 Wasserstctffatornen aui W03 (MERCK p. a.) dargestollt

5) Beschrieben bei 0. GLEMSER u. CH. NAUMANN, 1. c . $*

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werden : 10 WO, f H = 10 H,,lWO, 3 WO, + H = 3 H,,,3W03.

Die beiden Hydroxyde eiitstehen nacheinander ; der Nachu eis er- fulgte durch Rontgenaufnalzrnen (Kupfer-Kcc-Strahlung). Wir formu- lieren die Hydroxyde als H,WO, (x z- 0 , l ; x =- 0,33), weil es sjch bei diesen Verbindungen urn W a s s e r s t o f f a n a l o g s d e r N a t r i u m - w ~ l f r a m b r o n z e n ~ ) Na,WO, handelt. Sie kdden sich aiich aus WO,

und naszierendem Wasser- stoff. Das Endprodukt dicser Reaktior, H,,,WO, (als Hydro- xyd formuliert W,O,,(OH),) ist von uns aus WO, und H-Atomen noch nicht ge- wonnea worden.

4. MOOS Ails MOO, (MERCII p. a.)

entstehen nacheinander die yon GLEMSER und LUTZ') dargestellten Molyhdiinblau- h>-droxyde nach

4 MOO, + 2 H = Mo,O,,(OH), (nach 15 Stunden)

J3c40,,(OH),+ 2 H = 2 Mo,O,(OH), (nach 50 Stunden).

Sie wurden durch Rontgen- aufnahmen (Kupfer-Ka- Strahlung) identifiziert. Rei weiterer Einwirkung von

Abb. 2. I s o b a r e r A b b a u v o n Mo:Oi(OH), (Moo,,,, * 0,8 HzO)

H-Atomen tritt Farbwechsel von schwarzblau nach tief- dunkelrot ein. Die Rontgen-

aufnahmen zeigen, da13 das neue Produkt mit der bordeauxroten Verbin- dung MOO,,,,* xH,O identisch ist, die nus MOO, mit naszierendem Wasser- st off gebildet wird 1). Da naszierender Wasscrstoff a u s dem hordeaux- roten Mo02,,, * xH,O eine weitere, olivgrune Verbindung der Reduk- tionsstufe MOO,,,, entstehen lafit, die mit Wasserstoffatomen nicht ge- wonnen werden kann, ist die Reaktion yon H-Atomen mit Moo, ein sicherer Weg, dieses neue Hydroxyd darzustellen. Es wird im folgenden durch Analyse, isobareii Abbau und Rontgenaufnahme charakterisiert.

GLEMSER, BauscHrm u. LUTZ, Hydroxyde durch Anlagerung v. atomarem Wasserstoff 97

E r ~ ~ t t ~ ~ n g der ~ e d u k t i ~ ~ ~ ~ u ~ e a) Die Riic1;stande vom isobarem Abbau werden hei 580" zu MOO,

Ergehn i s : MOO,,,, (Mittelwert tlus 7 Bestimmungen). b) Dns grune Endproclukt dcr Renktion von MOO, mit naszisrendem

Wasserstoff wird unter Vcrwendung yon K,Cr,O,-Liisung potentio- met,risch titriert 6 ) . Die rote Reduktionsstde wird durch einen Sprnng charak terisier t.

ox ydier t .

E r g c b n i s : MOO,,^^^ (Mitlelwert a m 5 Bestimmungen).

Isobarer Abbazc Der isobare Abbau wurde bei pHsO 1- 10 Torr vorgenommen. Die

Wasserabgabe erfvlgte diskontinuierlich bei 185-190" (Abb. 2) . Be- rechnet. aid MOO^,^^, liegt der Sprung bei 0,78 H,O (- 0,8 H 2 0 ) Gcsamtwassergehalt 10,O %). Es wird also die Verbindung MuO,,,, -0,8 H,O abgebaut. Als Hydroxyd forniuliert liegt demnach Mo,O, (OH), VOr.

Rontgenographische Untersuchung Die Rontgenaufnahme, adgenommen mit Kupfer-Koc-Strahlung,

ergibt folgende Werte:

R o n t ge n a u f n a h me y o n Mo,O,(OH), Kupfer-Ib-Strahlung; Kameraradius 28,7 mm; Markrohrchen 0,5 mm Durchm.

- _ _ _ _ ~

6,05 1 7,30 6,65 6,65

12,5 3,56 19,25 3,36 16,7 2,68 17,8 2,52 19,l 2,35 19,6 2,30 20,25 2,22 22,6 2,oo 24,05 1,89

25,3 1,80 24,4 1,86

Int. 1 st st s t 8s

s-m S

ss st-m S

m 88

-

st-m S

S

S

S

S

s-m

s-m s-m S

ss

ss

8"

26,3 27,75 28,3 29,45 30,O 30,65 32,O 32,8 34,l 35,3 37,25 38,l

d

1,74 1,65 1,62 1,57 1,54 1,51 1,45 1,42 1,37 1,33 1,27 1.25

Die Anlagerung von H-Atomen an MOO, fuhrt also nach 5 MOO, + 8 H = Mo,O,(OH),

zu eineni neuen, niederen Molybdanhydroxyd. Da dicses neue Hydroxyd

6) Methode heschrieben bei 0. GLEMSER u. G. LUTZ, 1. c.

Z . anorg. elk. Chemie. Bd. 269. 7B

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aus dem blauen Mo,O,(O€f), entsteht, ist die Reaktion bexeer nach 5 Mo,O,(OH), + 6 H = 2 Mo,O,(OH),

zu formulieren. Wie Mo,O,,(OH), und Mo,O,(OH), hangt auch Mo,O,(OH), in besonderer Weise mit dern Ausgangsmaterial MOO, zusammen. Wir zahlen es dernnach wie die crstgenannten blauen Hydroxyde ZLI der geno t y p i s c h e n R r i h e von Verbindungen, dic sich von h b 0 , ableiteri I ) .

5. Weitere Oxyde

CrO,, V,O,, Nb,O, und TiO, zeigen eine Veranderung bei der Reak- tion niit WLLfiserstoffatorr~eii. Die Un tersuchungen sind noch im Gange ; wir vermuten in den Reaktionsprodukten hydroxyditrtige Verbindungen. Ago, Ag,O, CuO, PbO, und HgO werden zu den entsprechenden Me- tallen reduzieit. WeiBes GeO, wird in der Nahe der Entladung hell- brawl, dann allmahlich immer dunkler. Nach einiger Zeit bemcr1;t man einen dunlileri Beschlag an der Glaswand in der Nahe der Substanz, der' allmahlich - in der Richtung des stromenden Wasserstoffs - immer weiter vorruckt. Elektronenbeugungsdiagramme von Splittern der Glaswand beweisen, da 13 dieser Besclilag aus metallischem Germanium besteht. Man kann diesen Befund so deuten, daB unter der Einwirkung des atomaren Wasserstoffs aus GeO,, uher das Metall, Germanium- wasserstoff entstelit, der sich an der Glaswand in Metall und Wasser- stoff spaltet. Hieruber werden noch weitere Untersuchungen angestrllt.

Bei d e r Einwirkurig von a t o m a r e m Wassers toff auf Oxyde k o n n e n a l so H y d r o x y d e e n t s t e h e n . Es ist zii erwarten, daB weitere neue Hydroxyde, insbesondere nieclere Hydroxyde der ubergangs- metalle, auf diesem Wege dargestellt werden konnen.

Dem Institutsdirektor, Herrn Prof. Dr. R. SCHWARZ, der Deutschen Forschungs- gemeinschaft und der Gesellschaft yon Freunden der Aachener Hochschule danken wir fur Unterstutzung. Der eine yon uns (H.) dankt verbindlichst fur ein Stipendium aus dem ,,Fonds der Chemie".

Aachen, Institul f u r anorganische Chemie und Elektrochemie der Rheinisch- Westfalisciie?b Tccltnischen Hochschule.

(Bei der Redaktion eingegangen am 31. Mirz 1952.)

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