Das Higgs-Boson als Tor zur Dunklen Materie?

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

eine homogene Beleuchtung voraus-setzt. Im Experiment fanden wirjedoch auch für stark inhomogeneBeleuchtung eine überzeugendeTarnfunktion.

Natürlich funktioniert auch dieseTarnkappe nur für eine bestimmteUmgebung, und in Luft ist sie sofortsichtbar (Abbildung 2 linke Spalte).Doch im Gegensatz zu den bisherdemonstrierten Lufttarnkappen istsie makrokopisch groß und funktio-

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deroberfläche. Weitere Messergeb-nisse zeigt Abbildung 2.

Die von uns verwendete Kern-Schale-Geometrie ist eine radikaleVereinfachung von komplexeren, aufTransformationsoptik basierendenModellen und fand schon Anwen-dung für statische Magnetfelder undWärmeflüsse [3, 4]. Mathematischexakt funktioniert sie dafür nur imstatischen Fall und für konstanteGradienten der Photonendichte, was

T E I LC H E N PH YS I K |Das Higgs-Boson als Tor zur DunklenMaterie?

Wenn Higgs-Bosonen als Vermittler zwischen normaler und DunklerMaterie fungieren, könnte Dunkle Materie in unsichtbaren Zerfällen desHiggs-Bosons nachgewiesen werden. Am LHC wurde nach diesen Zerfäl-len gesucht – bislang ohne Erfolg.

Die Natur der DunklenMaterie, aus der nachErkenntnissen der Kosmo -logie ein Viertel desUniversums besteht, stellteines der großen unge -lösten Rätsel der Physikdar (Physik in unserer Zeit2009, 40(2), 74). Dieseneue Materie scheint,abgesehen von ihrergravitativen Wirkung, nurschwach mit normaler,baryonischer Materie zuinteragieren. Weltweitversuchen Gruppen, siedirekt nachzuweisen,insbesondere durchelastische Streuung anAtomkernen (Physik inunserer Zeit 2012, 43(6),274). An Beschleunigernsucht man nach Anzei-chen für die ProduktionDunkler Materie in Kollisionen hoch -energetischer Teilchen.

Was aber, wenn die neue Materieausschließlich gravitativ mit normalerMaterie wechselwirkt? In den soge-

nannten Higgs-Portal-Theorien [1],koppeln Higgs-Bosonen als einzigeTeilchen sowohl an baryonische alsauch an Dunkle Materie. Unter dieserVoraussetzung sind elastische Streu-

ungen zwischen beiden Materieartendurch das Higgs-Boson möglich.Higgs-Bosonen könnten dann auch inKol lisionen normaler Materieteilchenproduziert werden, aber in zweiunsichtbare Dunkle-Materie-Teilchenzerfallen.

Am LHC am CERN in Genf wurdein den vergangenen Jahren das Higgs-Boson entdeckt und seine Eigen-schaften vermessen (Physik in unse-

rer Zeit 2013, 44(6), 274und [2]). Zerfälle des Higgs-Bosons in neue unsichtbareTeilchen würden mit densichtbaren Zerfällen kon-kurrieren. Bisher stimmendie gemessenen Raten fürsichtbare Zerfälle mit denErwartungen für normaleMaterie überein. Allerdingslassen die Unsicherheitender Messungen noch Raumfür Zerfälle in neue unsicht-bare Teilchen. Könnte mandiese direkt nachweisen?

Ein Higgs-Boson, dasunsichtbar zerfällt, kannnachgewiesen werden,wenn es zusammen mitanderen Teil chen produ-ziert wird, zum Bei spieldurch Abstrahlen eines Z-Bosons, dem bekanntenneutralen Austauschteil-

chen der schwachen Kraft (Abbil-dung 1). Durch das Abstrahlen desHiggs-Bosons in eine Richtung erhältdas Z-Boson einen Rückstoß in dieGegenrichtung und zerfällt dann.

niert im gesamten sichtbaren Spek-tralbereich für alle Richtungen undPolarisationen des Lichts.

[1] R. Schittny et al., Science, 2014,doi:10.1126/science.1254524.

[2] J. Pendry, Science, 2006, 312, 1780.[3] F. Gömöry et al., Science, 2012, 335, 1466.[4] T. Han et al., Phys. Rev. Lett., 2014, 112,

054302.

Robert Schittny, Tiemo Bückmann,Martin Wegener, KIT, Karlsruhe

A B B . 1 H I G G S - B OSO N - Z E R FA L L

Produktion eines Z-Bosons in einer Proton-Proton-Kollision.Das Z-Boson strahlt ein Higgs-Boson ab und zerfällt in einElektron und ein Positron. Das Higgs-Boson zerfällt in DunkleMaterie (DM).

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Wenn das Higgs-Boson unsichtbarzerfällt, werden nur auf der einenSeite des Detektors Teilchen regis-triert, was zu einer scheinbarenVerletzung der Impulserhaltung inder Kollision führt.

Am ATLAS-Experiment des LHChat man nach solchen Ereignissengesucht – bisher ohne Erfolg [1]. Nur wenige bekannte Prozessekönnen eine ähnliche Signaturerzeugen, und die gemessenen Ratenstimmen gut mit den Erwartungenüberein. Aus dem Vergleich vonDaten und Theorie ergibt sich aufeinem Konfidenzniveau von 90 %,dass das Higgs-Boson mit einer Wahr -scheinlichkeit von nicht mehr als63 % in neue unsichtbare Teilchenzerfallen kann. Vergleichbare Ergeb-nisse hat kürzlich auch das CMS-Experiment veröffentlicht [3].

Dieses Resultat kann man imRahmen der Higgs-Portal-Theorien ineine obere Grenze auf die Stärke der

der Masse. Diese werden mit denObergrenzen der Experimente zumdirekten Nachweis von DunklerMaterie XENON100 und LUX ver-glichen (dünne Linien), die bisherohne Erfolg nach Kollisionen mitNukleonen gesucht haben.

Für Dunkle Materie mittlerer Mas -senbereiche von einigen 10 GeV/c2

zeigen beide Arten von Experimen-ten eine ähnliche Empfindlichkeitund schließen Streuquerschnittegrößer als etwa 10–45 cm² aus. Diedirekten Suchen sind eher sensitivauf schwere Dunkle Materie, wäh-rend ATLAS den Bereich leichterDunkler Materie etwa bis zur Hälfte der Masse des Higgs-Bosons(125 GeV/c2) abdeckt. Beide Metho-den ergänzen sich also gut.

Weder ATLAS noch XENON100und LUX finden bislang Hinweise aufleichte Dunkle Materie mit deutlichhöheren Streuquerschnitten um10–42 cm2 und sind damit im Wider-spruch zu den ExperimentenCRESST, DAMA/LIBRA, CDMS oderGoGeNT, die ein mögliches positivesSignal veröffentlicht haben (farbigeBereiche). Allerdings konnten auchCRESST und SuperCDMS ihre Ergeb-nisse auf der Basis neuer Daten nichtmehr bestätigen [4].

Im nächsten Jahr soll der LHCmit gesteigerter Energie wiederanlaufen. Mit den erwarteten Datenhoffen wir, die Empfindlichkeit fürDunkle Materie sowohl durch präziseMessungen der sichtbaren Zerfallsra-ten des Higgs-Bosons als auch überdie Suche nach unsichtbaren Zerfäl-len weiter zu steigern.

Literatur [1] ATLAS Coll., Phys. Rev. Lett. 2014, 112,

201802. [2] ATLAS Coll., Phys. Lett. B 2012, 716, 1;

CMS Coll., Phys. Lett. B 2012, 716, 30.[3] CMS Coll., arxiv.org/abs/1404.1344.[4] CRESST Coll., arxiv.org/abs/1407.3146;

SuperCDMS Coll., Phys. Rev. Lett. 2014,112, 241302.

Ulla Blumenschein, Uni Göttingen

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Kopplung zwischen Higgs-Boson undDunkler Materie übersetzen. Darausergibt sich auch eine Obergrenze fürdie Rate der elastischen StreuungDunkler Materie an Nukleonen durchVermittlung von Higgs-Bosonen. Diesermöglicht einen Vergleich mit denErgebnissen direkter Suchen nachDunkler Materie. Die Obergrenzenhängen von der Masse und den Spin-Eigenschaften der neuen Mate-rie ab, sind also verschieden fürSkalare, Vektor-Bosonen oder Fermio-nen.

Abbildung 2 zeigt den Streuquer-schnitt (ein Maß für die Reaktions-wahrscheinlichkeit) für elastischeStöße zwischen Dunkler Materie undNukleonen in Abhängigkeit von derMasse der Dunkle-Materie-Teilchen.Die drei Linien mit dicken Fehlerbän-dern zeigen die aus den ATLAS-Datenextrahierten Obergrenzen für denStreuquerschnitt der drei möglichenArten Dunkler Materie als Funktion

Masse/ GeV/c1 10 2

210 310

2W

irkun

gsqu

ersc

hnitt

/ cm

-5110

-4910

-4710

-4510

-4310

-4110

-3910

-3710

σDAMA/LIBRA 3 σCRESST 2CDMS 95% CL CoGeNTXENON10 XENON100LUX ATLAS, scalar DMATLAS, vector DM ATLAS, fermion DM

σDAMA/LIBRA 3 CRESST 2CDMS 95% CL CoGeNTXENON10 XENON100LUX ATLAS, scalar DMATLAS, vector DM ATLAS, fermion DM

A B B . 2 M A SS E-W I R KU N G S Q U E R S C H N I T T

Im Rahmen des Higgs-Portal-Modells aus den ATLAS-Messungen abgeleitete Ober-grenzen für die Wirkungsquerschnitte zwischen drei Arten Dunkler Materie (DM)und Nukleonen in Abhängigkeit von der Masse der Teilchen der Dunklen Materie.Eingezeichnet sind auch die Resultate aus direkter Suche nach Dunkler Materie anden Experimenten LUX und XENON100 sowie die bevorzugten Regionen der Experi-mente DAMA/LIBRA, CDMS, CRESST und GoGeNT [2]. Zum Vergleich: Die Proton -masse beträgt 0,9 GeV/c2, die Higgs-Masse circa 125 GeV/c2.

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