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Results in Mathematics Vol. 12 (1987)
0378-6218/87/040252-16$1.50+0.20/0 (c) 1987 Birkhauser Verlag, Basel
DAB ISODIAME~RISCBE FROBLEft DER ftIRXOWSKI-GEOftE~RIE
Woldemar Barthel und Helmut Pabel
Einleitung
Das isoperimetrische Problem sucht bekanntlich unter allen
Mengen gleicher Oberfliiche (bzw. gleichen Umfangs) jene mit maxi
malem Volumen. Dieses sehr alte Optimierungsproblem. das bis in
die Antike zurtickgeht und tiber dessen Frtihgeschichte man in [Ger)
nachlesen kann. erfuhr seine umfassendste Behandlung im Rahmen
der Brunn-Minkowskischen Theorie (vgl. dazu [HaOh). [BaBe1) und
[BaBe2) ).
Ein geringeres Alter hat das isodiametrische Problem. das
unter allen Mengen gleichen Durchmessers jene mit maximalem Volu
men sucht. Ftir den euklidischen Raum bewies Bieberbach [Bie] 1915
die isodiametrische Eigenschaft der Kugel mittels Symmetrisie
rung 1. Bei symmetrischer konvexer Eichfigur gab Busemann [Bus).
S.243-246. 1946 einen umfangreichen Beweis zur Losung des isodia
metrischen Problems. Ftir die euklidische und nichteuklidische
Geometrie konnte Erhard Schmidt [Schm1). S.314-315. ebenfalls
1946 und [Schm2). S.86-87. 1948 die isodiametrische Ungleichung
mit ihrer Gleichheitsbedingung aus einer Abschatzung zwischen
Volumina und Maximalabstand zweier Mengen gewinnen. die er mit
seinem Spiegeltheorem zum Brunn-Minkowskischen Satz hergeleitet
hat. Diese Ungleichung tiber den Maximalabstand zweier Mengen ver-
1 VgI. auch [Had) S.173 und S.178 Anmerkung 23 sowie den Gedachtnisartikel [Gru) 8.193.
Barthel and Pabel 253
allgemeinerte Barthel [Bar1] 1957 auf konvexe Eichfiguren. Doch
die daraus gewonnene isodiametrische Ungleichung fUr konvexe
Eichfiguren ist nur bei symmetrischer konvexer Eichfigur scharf,
so daB die Lasung des isodiametrischen Problems unmittelbar auch
nur bei symmetrischer konvexer Eichfigur folgt.
Wir beweisen hier diesen Satz Uber den Maximalabstand zweier
Mengen bei kompakter Eichfigur direkt mit dem Brunn-Minkowski
schen Satz. AuBerdem leiten wir eine ver811gemeinerte isodi8me
trische Ungleichung her, die noch fUr allgemeinere (~uch beliebig
konvexe) Eichfiguren scharf ist, so daB wir das isodiametrische
Problem auch in diesem Fall lasen kannen. Die Lasungsmengen sind
im allgemeinen nicht mehr homothetisch zur Eichfigur.
Das Ergebnis illustrieren wir an elementargeometrischen Bei
spielen. FUr den dreidimensionalen Fall zeigen wir ein Computer
Stereobild, das zur freien raumlichen Betrachtung ohne optische
Hilfsmittel angelegt ist. Dazu wird eine genaue Gebrauchsanwei
sung angegeben. Um eine graBere Maglichkeit zum Uben des freien
Stereosehens zu haben, fUgen wir noch drei Computer-Stereobilder
an, welche die in der Kristalloptik vorkommenden Eichflachen von
Minkowski-Geometrien zeigen 2
1. Grundztige der Brunn-ftinkowskischen Theorie
1m n-dimensionalen affinen Raum An, in dem ein Punkt 0 E An
als Ursprung ausgezeichnet ist, definieren wir fUr (nichtleere)
Teilmengen die folgenden Operationen:
a) Die Hultiplik8tion einer Menge A mit einer Zahl t ~ 0 liefert
t·A .- {o + t·ot E Anla E A}
2 Die hier abgedruckten Computer-Stereobilder wurden auf der Rechenanlage Siemens 7860L deS Rechenzentrums der Universitat WUrzburg mit der von H. Pabel stammenden Plotterprozedurensammlung D3PLOT gezeichnet.
254 Barthel and Pabel
und die Spiegelung von A am Ursprung * -+ n A := {o - oa e A la e A};
insbesondere sei a* .- 0 - at der Spiegelpunkt von a. Zwei Mengen
A und B sind also genau dann (gleichsinnig) homothetisch, wenn
sie bis auf eine Translation Vielfache voneinander sind, d.h.
wenn ein Punkt p e An und eine Zahl t > 0 existieren mit B = P + t·A. Entsprechend sind sie genau dann gegensinnig homothe
tisch, wenn eine der beiden Mengen bis auf eine Translation ein
Vielfaches des Spiegelbildes der anderen ist, d.h. wenn ein Punkt
p e An und eine Zahl t > 0 existieren mit B p + t·A*.
b) Die Ninkowskische Addition zweier Mengen A und B liefert
A + B := {o+ot+ot e Anla e A Abe B} = uaeA (a+B) = UbeB (b+A).
Die Minkowski-Summe von A und B entsteht also dadurch, daB man
etwa die Menge B an allen Punkten von A "abtragt", d.h. die zu B
translationsgleichen Mengen
a + B := {a + ot e Anlb e B}
bildet und deren Vereinigung nimmt. Sie ist nach Definition kom
mutativ.
Wir beweisen noch die verschiedenen angegebenen Darstellungen der
Minkowski-Summe: ~ peA + B <=> 3aeA 3beB p = a + 00 <=> 3aeA pea + B
<=> P e UaeA (a + B) #
Speziell erhalt man als Minkowski-Summe zweier einpunktiger
Teilmengen
{a} + {b} = {o + at + ot}. also die von 0 abgetragene Vektorsumme. Aber die Minkowskische
Addition verallgemeinert nicht nur die geometrische Vektoraddi
tion, sondern sie ist selbst ein wichtiges geometrisches Kon
struktionsmittel. Zum Beispiel ist die Minkowski-Summe zweier
nicht-paralleler Strecken ein Parallelogramm oder die Minkowski
Summe eines Parallelogramms und einer dazu nicht-parallelen
Strecke ein dreidimensionales Parallelotop.
Eine Teilmenge des An heiBt konvex, wenn sie mit je zwei
Barthel and Pabel 255
Punkten auch deren Verbindungsstrecke enthalt. Eine kompakte kon
vexe Menge heiBt konvexer Korper. Sowohl die Konvexitat als auch
die Kompaktheit vererben sich auf die Minkowski-Summe. Sind A und
B homothetische konvexe Korper. so ist die Summe A + B ebenfalls
homothetisch zu A und B.
1m An bezeichnen wir das beztiglich eines ausgezeichneten
Parallelotops normierte n-dimensionale Lebesguesche na~ mit I I.
Ftir eine meBbare Menge A heiBt ein Punkt a E A ma~fremd. wenn es
eine Umgebung U von a mit IA ~ ul = 0 gibt. Die Menge der maB
fremden Punkte von A heiBt Schleier von A; er ist eine Teilmenge
des Randes von A. Das Komplement des Schleiers beztiglich A selbst
heiBt na~kern Ao von A. Ftir ihn gilt IAI = IAol. da man den
Schleier von A mit abzahlbar vie len Umgebungen der genannten Art
tiberdecken kann. Mit der Menge A ist auch Ao kompakt. Weiter ist
eine Minkowski-Summe schleierlos. wenn wenigstens ein Summand
diese Eigenschaft hat. Konvexe Korper positiven MaBes sind stets
schleierlos.
Jetzt formulieren wir den zentralen Satz tiber die Minkowski
Summe.
Brunn-Minkowskischer Satz: Fur nichtleere kompakte nengen A.B des
affinen Raumes An gilt
( 1 ) I A + B 11 In ~ I A 11 In + I B 11 In .
Dabei steht fur kompakte ~ngen positiven na~es das Gleichheits
zeichen genau dann. wenn A und B homothetische konvexe Korper
sind.
Einen Beweis dieses allgemeinen Satzes mit mengengeometrischen
Methoden haben Hadwiger und Ohmann [HaOh] 1955 gegeben. Er ist
auch in Kap.5 der Monographie [Had] dargestellt. welche die
Brunn-Minkowskische Theorie in ihrer allgemeinen Form behandelt.
Die Brunn-Minkowskische Ungleichung in ihrer ursprtinglichen
Gestalt schatzt die 1nhalte paralleler ebener Schnitte eines kon-
256 Barthel and Pabel
vexen Korpers abo Fur die von Brunn in seiner Dissertation [Bru1]
1887 angegebene Ungleichung hat erst Minkowski [Min] die Gleich
heitsbedingung bewiesen, wie auch aus [Bru2] hervorgeht. Wahrend
Brunn geometrisch argumentiert, arbeitet Minkowski analytisch.
Der klassische analytische Beweis des Brunn-Minkowskischen Satzes
stammt von Kneser und Suss [KnSu]. Eine uberraschende Wende nahm
die "Theorie der konvexen Korper", als Lusternik [Lus] 1935 mit
tels Symmetrisierungen zeigte, daB die Brunn-Minkowskische Un
gleichung fur eine Minkowskische Linearkombination beliebiger
meBbarer Mengen gilt, wobei das Gleichheitszeichen nur bei homo
thetischen konvexen Korpern steht. Allerdings enthalt Lusterniks
Beweis der Gleichheitsbedingung einen FehlschluB. Dies hatten
Henstock und Macbeath [HeMa] bemerkt, die 1952 einen neuen Beweis
gaben. Uberraschend ist es schon, daB man beim Brunn-Minkowski
schen Satz, der als Hauptsatz uber konvexe Korper galt, in der
Voraussetzung die Konvexitat streichen kann - sie geht nur rudi
mentar beim Bilden der Minkowskischen Linearkombination ein -,
und daB sie dann in der Behauptung bei der Gleichheitsbedingung
erscheint.
2. ftinkowski-ftetrik und Ung1eichung tiber den Maximalabstand zwei
er ftengen
1m affinen Raum An werde eine Eichfigur (o,E) ausgezeichnet,
die aus einer kompakten Menge E c An und einem 1nnenpunkt 0 E E
besteht, so daB E sternformig beztiglich 0 ist, d.h. mit jedem
PUnkt auch dessen Verbindungsstrecke nach 0 enthalt . Dann ist
lEI> 0 3 Unter diesen schwachen Voraussetzungen konnen wir im
An eine Langenmessung fur Vektoren und eine Abstandsmessung fur
Punkte einfuhren:
Die L~inge eines Vektors X sei
3 E kann naturlich einen Schleier in Form "radialer Stacheln" besitzen. - Ubrigens gibt es sternformige kompakte Mengen posit iven MaBes, die keinen Innenpunkt haben.
Barthel and Pabel
L(X) := inf {t e R+lo + X e t·E}
und der Abstand eines Punktes b von einem Punkt a
d(a,b) := LCat) = inf {t e R Ib e a + t·E}. +
257
Die Langenfunktion L : V -> R in dem zu An gehorenden Vektorraum
V und die Abstandsfunktion d : An x An -> R sind dann positiv de
finit, im allgemeinen aber nicht symmetrisch.
Fur nichtleere Mengen A,B c An sei der ~ximalabstand der Menge B
von der Menge A bezuglich der Eichfigur (o,E)
D(A,B;E) := sup {d(a,b) e Ria e A Abe B}
und der Durchmesser der Menge A bezuglich (o,E)
DCA,E) := D(A,A;E) sup {d(a 1 ,a2 ) e Rla 1 ,a2 e A}.
Weilo ein Innenpunkt von E ist ~, wird dieses Supremum fur kom
pakte Mengen A,B im Endlichen angenommen; insbesondere hat also E
selbst einen endlichen Durchmesser. AuBerdem gilt der
Hilfssatz: Der J1aximalabstand nichtleerer beschriinkter l'fengen ist
(2) D(A,B;E) = inf {t e R IA* + B c t·E} . +
Beweis: Zunachst erhalt man
A* + B c t·E => VaeA VbeB b + oa! e t·E => VaeA VbeB b e a + t·E
=> VaeA VbeB dCa,b) ~ t => D(A,B;E) ~ t
und damit
DCA,B;E) ~ inf {t e R+IA* + B c t·E}.
Wegen der Kompaktheit und Sternformigkeit von E folgt umgekehrt
VaeA VbeB d(a,b) ~ D(A,B;E)
also auch
=> VaeA VbeB b e a + d(a,b)·E c a + D(A,B;E)·E
=> VaeA VbeB b + oat e D(A,B;E)·E
=> A* + B c D(A,B;E)·E,
inf {t e R+IA* + B c t·E} ~ D(A,B;E).
~ Diese Eigenschaft folgt noch nicht aus der Kompaktheit, sternformigkeit und positiven Definitheit einer Eichfigur (o,E), wie man etwa am Beispiel einer vollen Archimedischen Spirale um 0 (genommen im Winkelintervall ]O,2n]) als Eichfigur in der affinen Ebene A2 erkennt.
258 Barthel and Pabel
Diese Darstellung des Maximalabstandes zweier Mengen und da
mit des Durchmessers einer Menge enthalt nicht mehr den Abstand
d, sondern nur noch die Eichfigur (o,E).
Als Anwendung des Brunn-Minkowskischen Satzes wollen wir
jetzt eine Ungleichung tiber MaBe und Maximalabstand zweier Mengen
herleiten, aus der dann sofort die isodiametrische Ungleichung,
eine Ungleichung tiber MaB und Durchmesser einer Menge, folgt.
Satz tiber den Maximalabstand: Fur nichtleere kompskte Hengen A,B
im sffinen Rsum An mit der Eichfigur (o,E) gilt
(3) IAI 1/n + IBI1/n ~ D(A,B;E)·IEI 1/n .
Dsbei steht fur kompskte Hengen A,B positiven Hapes dss Gleich
heitszeichen gensu dsnn, wenn der Hspkern Eo ein konvexer Korper
ist sowie A* und B homothetisch zu Eo sind mit spiegelbildlichen
Zentren, d.h. ein Punkt z E An und Zshlen a,B > 0 existieren mit
und
Beweis: Wegen (2) gilt A* + B c D(A.B;E)·E. Aus der Brunn-Min
kowskischen Ungleichung und dieser Inklusion folgt dann
IA"'1 1/n + IBI1/n ~ IA"' + BI 1/n ~ D(A,B;E)'IEI 1/n ,
also die Ungleichung tiber den Maximalabstand. Steht in ihr das
Gleichheitszeichen, so mtissen nach der Gleichheitsbedingung des
Brunn-Minkowskischen Satzes zunachst A* und B homothetische kon
vexe Korper sein. Dann muB noch D(A.B;E)·E maBgleich zu der kon
vexen Teilmenge A* + B sein, die homothetisch zu A* und B ist.
Ftir den MaBkern Eo gilt also
wahrend aUS A*
von Eo folgt
A* + B D(A,B;E)'E o '
a* + a·E o und B b + B·Eo wegen der Konvexitat
A"' + B = 0 + oat + at + (a+B) .E o .
Daher ist schlieBlich a = b und a + B D(A,B;E). #
Barthel and Pabel 259
3. Isodiametrische Ungleicbungen und Losung des isodiaaetrischen
Problell\S
Bei dem letzten Satz interessiert uns jetzt nur noch eine
spezielle Situation.
Satz uber die isodiametriscbe Ungleicbung: Fur eine nicht1eere
me~bare Nenge A im affinen Raum An mit der Eichfigur (o,E) gilt
(4) D(A,E) ;;, 2.!E!-1/n.!A!1/n
Dabei steht fur die aus mehr a1s einem Punkt bestehenden kompak
ten ~ngen A das G1eichheitszeichen genau dann, wenn der ~~kern
Eo ein symmetrischer konvexer Korper (insbesondere also Eo = E~) und A homothetisch zu Eo ist.
Beweis: Sowohl fur eine Nullmenge als auch fur eine unbeschrank
te meBbare Menge ist die Ungleichung trivial. Geht man nun von
einer beschrankten meBbaren Menge zu ihrer abgeschlossenen Hulle
liber. so bleibt der Durchmesser gleich und das MaB verkleinert
sich nicht. Ftir eine kompakte Menge A folgt aber die Behauptung
aus dem letzten Satz, indem man dort A = B setzt. #
Die isodiametrische Ungleichung ermoglicht nun Aussagen tiber
den Durchmesser einer Kugel sowie sehr allgemeine Losungen des
isodiametrischen Problems.
Folgerung: (o,E) sei eine be1iebige Eichfigur.
1. Fur den Durchmesser einer Kugel mit Radius r > 0, d.h. einer
zu E homothetischen Nenge Kr = z + r·E gilt
D(Kr,E) ;;, 2r
Dabei steht das G1eichheitszeichen genau dann, wenn E ein symme
trischer konvexer Korper ist. Insbesondere gilt fur den Durchmes
ser der Eichfigur selbst D(E,E) ;;, 2, und G1eichheit herrscht ge
nau bei einer s~v.mmetrischen konvexen Eichfigur.
2. Fur den Durchmesser eines Kuge1-Na~kerns mit Radius r > 0,
d.h. einer zum ~~kern Eo homothetischen ~nge (Kr)o = z + r·E o gilt
260 Barthel and Pabel
D((Kr)o,E) ~ 2r .
Dabei steht das Gleichheitszeichen genau dann, wenn Eo ein symme
trischer konvexer Korper ist.
Die aus der euklidischen Geometrie gelaufige Aussage
Kugeldurchmesser = doppelter Kugelradius
gilt also genau fUr die symmetrischen konvexen Eichfiguren.
Losung des isodiaaetrischen Prob1ems fUr Eichfiguren (o,E) mit
symmetrischem konvexen MaBkern Eo:
FUr Durchmesser DCA,E) und Na~ IAI kompakter ~ngen A im An gilt
die scharfe Abschatzung
D(A,E) (4a)
Dabei steht filr die aus mehr als einem Punkt bestehenden kompak
ten ~ngen A das Gleichheitszeichen genau dann, wenn A homothe
tisch zu Eo' d.h.
A D(A,E)
z + ·Eo D(Eo,E)
z + [~]1/n'E IEol 0
ist. Genau die zum Na~kern Eo homothetischen Nengen haben also
unter allen kompakten ~ngen gleichen positiven Durchmessers ma
ximales Na~ und unter allen kompakten Nengen gleichen positiven
~~es minimalen Durchmesser.
Damit haben wir das isodiametrische Problem zunachst fUr
Eichfiguren gelost, die symmetrische konvexe Korper mit Schleier
sind. Man bemerkt, daB insbesondere bei einer solchen Eichfigur
mit echtem Schleier unter allen Mengen gleichen Durchmessers
nicht die Kugeln, sondern die Kugel-MaBkerne groBtes MaB haben.
FUr andere Eichfiguren liefert die angegebene isodiametrische Un
gleichung keine scharfe Abschatzung und damit auch keine Losung
des isodiametrischen Problems. Wir konnen aber das isodiametri-
Barthel and Pabel 261
sche Problem fur allgemeinere (auch beliebig konvexe) Eichfiguren
durch die Bemerkung lesen, daB der Durchmesser einer Menge bezug
lich der Eichfigur (o,E) gleich dem Durchmesser dieser Menge be
zuglich der symmetrischen Eichfigur (o,E n E*) ist.
Satz: Im sffinen Rsum An sei (o,E) eine Eichfigur.
1. Eine nicht1eere nenge A hst bezug1ich der Eichfiguren (o,E)
und (o,E n E*) den gleichen Durchmesser, d.h.
(5) D(A,E) = D(A.E n E*) .
2. FUr eine nicht1eere me~bsre nenge A gilt die verallgemeinerte
isodiametrische Ungleichung
(6) D(A,E) ;;. 2·IE n E* ,-1/n'IAI 1/n .
Dsbei steht fur die sus mehr sls einem Punkt bestehenden kompsk
ten nengen A dss G1eichheitszeichen gensu dsnn, wenn der S]mme
trie-l1sj3kern IE n E*)o ein konvexer Korper und A homothetisch zu
(E n E*)o ist.
Beweis: 1. Wir benutzen fur den Durchmesser einer Menge die Dar
stellung (2 ). Wegen E n E* c E gilt naturlich
A + A"" c t·(E n E*) => A + A* c t·E => D(A,E) ~ t,
also
D(A,E) ~ D(A.E n E·).
Wegen A + A"" c t·E => A + A* c t·E"" gilt aber auch
A + A* c t·E => A + A" c t·(E n E*) => D(A,E n E") .. t,
also
D(A,E n E*) ~ D(A,E).
2. Anwendung der isodiametrischen Ungleichung (4) fur die symme-
trische Eichfigur (0, E n E*). #
Losung des isodiametrischen Problems fur Eichfiguren (o,E) mit
nur konvexem Symmetrie-MaBkern (E n E*)o:
Fur Durchmesser D(A,E) und ~j3 IAI einer kompskten nenge A im An
gilt die schsrfe Abschiitzung
D(A,E) (6a)
;;. [ IAI ]1/n
, ( EnE* ) 0 I
262 Barthel and pabel
Dabei steht fur die auS mehr a1s einem Punkt bestehenden kompak
ten Hengen A das G1eichheitszeichen genau dann, wenn A homothe
tisch zu (E n E*)o' d.h.
D(A,E) A z + . (E n E*) 0
D«EnE*)o,E) z + [ I A I ] 1 In
I (EnE*)o I . (E n E*) o
ist. Genau die zum SJmmetrie-~~kern (E n E*)o homothetischen
Hengen haben also unter allen kompakten ~ngen gleichen positiven
Durchmessers maximales Ha~ und unter allen kompakten ~ngen glei
chen positiven Ha~es minimalen Durchmesser.
Das Ergebnis kann man sich gut an elementargeometrischen
Beispielen veranschaulichen:
1. In der affinen Ebene A2 wahlen wir als Eichfigur (o,E) ein
Dreieck Emit seinem Schwerpunkt 0 e E. Dann hat die Eichfigur
selbst den Durchmesser D(E,E) = 3, und die zu diesem Durchmesser
gehorende Menge ~.(E n E*) mit maximalem Maa ist ein affinregula
res Sechseck.
2. Bei dem Analogon im dreidimensionalen affinen Raum A3 besteht
die Eichfigur (o,E) aus einem Tetraeder Emit seinem Schwerpunkt
o e E. Die Eichfigur hat dann den DurchmesserD(E,E)
die zu diesem Durchmesser gehorende Menge ~'(E n E*)
mit maximalem Maa ist ein affinregulares Oktaeder.
4. stereo-Bildpaare zur freien raumlichen Betrachtung
4, und
2·(E n E*)
Da Geometrie auch etwas zum Anschauen ist, wollen wir fur
unsere Thematik einige dreidimensionale Bilder vorfuhren. Die mit
dem Computer gezeichneten Stereo-Bildpaare sind zur freien raum
lichen Betrachtung ohne optische Hilfsmittel bestimmt. Man solI
die einzelnen Bildpaare aus einem Abstand von 60 cm senkrecht zur
Bildebene ansehen, indem man einen Punkt in 30 cm Entfernung fi
xiert. Dieses Schielen mit gekreuzten Sehstrahlen erreicht man
anfangs etwa durch Fixieren einer Fingerspitze im halben Abstand
zwischen Auge und Bild. Bei dieser zunachst "unscharfen" Betrach-
Barthel and Pabel 263
tung verdoppelt sich vielleicht das Bildpaar. Gelingt es, die
beiden mittleren Bilder zur Deckung zu bringen - indem man etwa
die fixierte Fingerspitze auf der Verbindung zwischen Auge und
Bild ein wenig heran- oder wegbewegt -, so liefern sie zusammen
ein dreidimensionales raumliches Bild, das sich nach einigem tlben
von selbst scharf einstellt . Mit dieser Betrachtungsweise schaut
man bei dem Bildpaar also das linke Bild mit dem rechten Auge und
das rechte Bild mit den linken Auge an . (Brillentrager megen bei
de Meglichkeiten ausprobieren: mit und ohne Brille!)
Abbildung 1 zeigt im Stereobild ein Tetraeder als Eichfigur.
ein Hexsoktaeder gleichen Durchmessers mit greBerem Volumen und
ein Oktaeder gleichen Durchmessers mit maximalem Volumen. Dabei
verhalten sich die Volumina dieser drei Kerper gleichen Minkow
ski-Durchmessers wie
1 : 2.5 25 62.5 100 .
HexaokLaeder
TeLraeder OkLaecler
Abbildung 1
264 Barthel and Pabel
Wir geben noch ein physikalisches Beispiel einer Minkowski
Metrik, die allerdings nicht unter unsere obige Definition fallt:
Sendet man im Vakuum oder in einem isotropen Medium von einem
Punkt 0 ein Lichtsignal aus, so beschreibt dessen Wellenfront
nach einer konstanten Zeit eine Kugelflache mit 0 als Mittel
punkt. In einem anisotropen Medium. etwa ingewissen Kristallen,
ist die entsprechende Wellen- oder Strahlenflache zweischalig mit
im allgemeinen zwei Isotropieachsen oder optischen Achsen. Dabei
entsprechen die beiden Schalen der Strahlenflache verschiedenen
Polarisationen des monochromatischen Lichtsignals. Die Kristall
optik '- liefert also ein Modell einer (verallgemeinerten) Min
kowski-Geometrie, deren Eichflache zweischalig ist.
Abbildung 2 zeigt im Stereobild die Wellen- oder Strahlen
flache der Kristalloptik mit ihren optischen Achsen fur die drei
typischen FaIle:
a) Kugel bei optischer Isotropie (oben)
b) Rotationsellipsoid und Kugel mit einer Isotropieachse bei op
tisch einachsigen Kristallen (Mitte)
c) Flache 4. Ordnung mit zwei Isotropieachsen bei optisch zwei
achsigen Kristal1en (unten).
Dabei sind die auBeren Schalen zum besseren Einblick aufgeschnit
ten.
Die hier benutzte Methode der Stereobetrachtung ohne opti
sche Hilfsmittel erfordert vom Beschauer zwar aktive Mitarbeit;
wenn man aber nach einigem Uben das "Aha"-Erlebnis einmal hatte
und das raumliche Bild immer muheloser sieht, wird die dritte Di
mension fur die Anschauung viel umfassender erschlossen 6
5 Vgl. etwa [Som] 4. Kapitel "Kristalloptik" , insbesondere §§ 26-28, mit einer Abbildung der Strahlenflache S.124. - Eine Diskussion der Wellen- oder Strahlenflache findet sich auch in [FIBa] Nr.198 mit Abbildungen S.346 f.
6 Weitere Stereobilder dieser Art findet man in einer Fruhform bei [Bar2] S.306-307 und bei [BVH] S.147-153 fur den Zyklus der Thomsenschen Minimalflachen.
Barthel and Pabel 265
u = 4 V 4 W = 4
u = 4 V 2 W 2
U 4 V 2 W
Abbildung 2
266 Barthel and pabel
Literatur
[Bar1] Barthel, W.: Zur isodiametrischen und isoperimetrischen Ungleichung in der Relatit'geometrie. Comment. Math. Helv. 33 (1959), 241-257
[BaBe1] Barthel, W. und Bettinger, W.: Die isoperimetrische Ungleichung fiir die innere l1inkowskische Relativoberfliiche. Math. Ann. 142 (1961), 322-327
[BaBe2] Barthel, W. und Bettinger, W.: Bemerkungen zum isoperimetrischen Problem. Arch. Math. 14 (1963), 424-429
[Bar2] Barthel. W.: Nichtlineare Diffel'entialgeometrie, insbesondere l1inkowski-Geometrie. In: Contributions to Geometry (Ed. by J. Telke and J.M. Wills). Proceedings of the Geometry Symposium in Siegen 1978. 301-312. Birkhluser, Basel 1979
[BVH] Barthel, W .. Volkmer, R. und Haubitz, 1.: Thomsensche l1inimalfliichen - analytisch und anschaulich. Resultate Math. 3 (1980),129-154
[Bie] Bieberbach, L.: Uber eine Fxtremaleigenschaft des Kreises. Jber. Deutsch. Math.-Verein. 24 (1915), 247-250
[Bru1] Brunn, H.: Uber Ovale una Fifliichen. Dissertation Mtinchen 1887
[Bru2] Brunn. H.: Referat iiber eine Arbeit: Exacte Grundlagen fiir eine Theorie der Ovale. Sitzungsber. Bayer. Akad. Wiss. Math.-Phys. KI. 24 (1894). 93-111
[Bus]
[FIBa]
[Ger]
[Gru]
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Fladt. K. und Baur, A.: Analytische Geometrie spezieller Fliichen und Raumkurven. Vieweg, Braunschweig 1975
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[Schm2] Schmidt, E.: Die Brunn-Ninkowskische Ungleichung und ihr Spiegelbild sowie die isoperimetrische Eigenschaft der Kugel in der euklidischen und nichteuklidischen Geometrie I, II. Math. Nachr. 1 (1948), 81-157: 2 (1949), 171-244
[Som] Sommerfeld, A.: Vorlesungen tiber Theoretische PhJSik. Bd. 4, Optik. DeutSCh, Thun/Frankfurt 1978
Mathematisches Institut der Universitat Wurzburg Arr. Hubland D-8700 Wurzburg
Eingegangen am 1. 2. 1987
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