Denkübungen in der Entenschule / Von Gisela Stelly

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LEBEN Freitag, den 25. April 1969

•. . , Aufnähme: Peter G. WicHmans

Diese Aufnahme von Peter Wichmann gehört zu den 522 Bildern der Eröffnung, darüber berichtet). Sie wird in sechs Serien im In- und Aus-„2. Weltausstellung der Photographie", eines gemeinschaftlichen Unter- land gezeigt,:zur Zeit in Bremen, Lausanne, London und Prag. ;Ende die-nehmens der Illustrierten „stern" mit 261 Kunstmuseen aus 36 Ländern, ses Monats wird sie auch im Münchener Stadtmuseum und beim Badi-Die Ausstellung steht unter dem Thema „Die Frau" (die ZEIT hatbei der sehen Kunstv.erein in Karlsruhe eröffnet. 1970/71 geht sie in die USA,

Wo man Goldzähne spenden kann...Verrückt oder vernünftig? — „Help" schreibt für eine bessere, schönere Welt

Die Zeitschrift sieht flott aus: großes Format,feiner Tiefdruck, attraktive bunte Bilder.

Zum Beispiel sitzen da auf einer grünen Wieseein kleines blondes Mädchen und ein:kleines dun-'kelhäutiges Mädchen und sind in 'den Anblickgelber Dotterblumen versunken; im Bild danebenblickt eine dreckige kleine Rotznase aus einemFenster. Bildunterschriften: »Wenn. diese. subtile .Artjdes britischen .Vorurteils rmr,;so-ei-rt:bißchenbösartig wird . . . " •— „. . . wie s'eriäde, daß,eineder zwei Schwestern Emigrant genannt wird."

Die,Zeitschrift heißt „Help". Sie erscheint seitgut einem Jahr in London, Vorbilder: hat sie.keine. „Help" ist auch nicht am Kiosk zu haben,man bekommt sie nur im Abonnement. Es; sollniemand an ihr verdienen.

Titel und Titelbilder stellen ein Programm dar.„Help" will helfen — allerdings in einem Stil,der das Wohlfahrtsdenken vergangener , Jahr-hunderte weit hinter sich läßt und manche er-graute Försorgerin das Gruseln lehrt. „Help"will helfen — aber das Blatt bittet nicht umAlmosen und predigt kein Nett-zueinander-Sein,sondern es versucht, den Einzelnen zur^Aktivität.zu reizen. .

Am Anfang war die Idee, war auch das Geld.Um das erste zu verwirklichen und das zweite zuerhalten, gründeten zwei Engländer Anfang 1967die „Community Publications Group Ltd". Eswaren Group Captain Leonard Cheshire, dernach dem Krieg eine weltweite private Organi-sation für Körperbehinderte aufgebaut hatte,und Richard Exley, der als freiwilliger Helfer inSüdafrika gewesen war. Beiden gelang es, die„International Publishing Corporation" zu inter-essieren, in der an die zweihundert, britische Zei-tungen und Zeitschriften, .darunter der „DailyMirror", zusammengeschlossen sind. Der Verlagstellte zu großzügigen Bedingungen das Anfangs-kapital. „Help" erscheint alle drei Monate; zurZeit werden etwa 10 000 Exemplare verkauft.

Die wenigsten in der Redaktion sind vom Fach..Ein Redakteur war früher Vorsitzender der süd-afrikanischen Arbeitslager, ein anderer arbeitetebeim „London Look". Dann gibt es noch etliche

freie Mitarbeiter, zum Beispiel Kim Redford, derden Premierminister bei einem ; Methodisten-,Gottesdienst einen Heuchler genannt hatte. Seine•ständige Kolumne macht deutlich, was an dieserZeitschrift so neu ist. Man brauchte sich nur vor-zustellen, eine private deutsche Hilfsorganisationgäbe ein Blatt heraus, auf dessen erster Seiteunter der Überschrift „Zur Verteidigung, des Ex-tremismus" über Tomaten, rote Farbe .und Na-palm geschrieben und die (hier sicherlich „bri-tische") Schlußfolgerung gezogen würde, • daßNapalm „irgendwie unfreundlicher und besser

: haftend"'sei als rote Färbe. . . .Eben das will „Help":'.Kritik an'der'Gesell-

schaft, üben und nicht bloß- an> Erscheinungen, dieunter dem Rubrüm „Soziales" stattzufinden pfle-gen. ' . _ . • • " . ' ' •

,,'Help" informiert auch im voraus über Pro-testmärsche; Doch -bevor Barrikaden errichtetwerden,.möchte diese .Zeitschrift sich am, Gegen-teil '. versuchen:' nämlich Mauern einzureißen. Siewill über das-berichten, was Journalisten nor-

1 malerweise wehig zu interessieren pflegt, will dieUmwelt unter die Lupe, nehmen, in der man täg-lich viele'Stunden zübring.t, .ohae sie wahrzuneh-men. „Sind wir so verrückt, uns eine Gesellschaftzu wünschen, wo sogar Supermärkte anmutig undschön sind?" Nun, „Help" ist so verrückt, „Help"will die- Gesellschaft verändern: Die Zeitschriftrüttelt . am Establishment, der Humor trieftschwarz, vor allem aber: sie handelt, weil ihrKritik-allein nicht genügt. ,

Sie hatte beispielsweise versprochen, diemenschliche Umgebung. kritisch . zu betrachten.„Die U-Bahn ist häßlich",, hieß es, „ändert sie!"Es '.folgten viele Anregungen, man zeigte 'dasbunte Modell, das eine Gruppe moderner Indu-strie-Designer entworfen hatte, und druckte einen

. Auf rufzur Selbsthilfe. Für den besteh Vorschlagwurden- fünfzig- Mark geboten. Fett gedruckte„letzte Meldung" am. Ende des Artikels: DieVerantwortlichen -hätten einen zentralen Lon-doner U-Bahnhof ohne Bedingungen für eineNacht zur Verfügung gestellt. ,

Es. wurden • „Liebes- und Kriegsgedichte" von

Tick, Trick und Trackgeben Anti-Unterricht

Denkübungen in der Entenschule / Von Gisela Stelly

W as ist ein Eisberg?" fragt der Schulinspektordie Kinder. Antwort: „Vanilleeis, Schoko-

ladeneis und Sahne." „Hm, nenne mir die fünfErdteile!" Er zeigt auf einen Schüler, der sagt:„Sand, Steine, Wasser, Kalk und Würmer." Undschließlich: „Wie lange hat der SiebenjährigeKrieg gedauert?" „Hundert Jahre", „DreizehnJahre", „Zwei Jahre", „Achtzig Jahre ....".„ Sie,hör'n Sie mal!"" empört sich der Klassenlehrergegen den prüfenden Schulinspektor, „das istdoch viel zu schwierig für die Kleinen!"

Diese Szene nicht in dem neuen deutschenSchüler- und Schulfilm, „Ich bin ein Elefant,Madame", zu sehen. Auch ist sie keine Sprach-entspannungsübung wider das Leistungsdenken;vielmehr sitzen hier Tick, Trick und Track inDonald Ducks Meisterschule. ;

Donald Duck und'seine Neffen Tick, Trick undTrack sind Walt Disneys Schöpfungen —• wieMickey Mquse. Donald Duck (anpassungsfähig,träumt vom Aufstieg und ist bei jeder Kletter-partie der Gelackmeierte)' bildet mit seinen dreiNeffen, .eine Feindstellung. gegen MultimilliardärDagobert, Donalds geizigen, geldfressenden, stetsum sein Kapital bangenden, es aber stetig ver-mehrenden Bruder. Es ist ein Handlungsmuster,

. das • sich schon in jahrelangen Fortsetzungen be-währt - hat und auch in der Bundesrepublik inhun.derttausendfächer Auflage verkauft wird.

Im neuesten Donald-Duck-Heft („Donald in1000 Nöten") scheinen die Geschichtenfertigervom Lernprozeß gelernt zu haben (die Werbe-leute greifen schon seit einiger Zeit in dieRevolutipnskiste): Die bundesrepublikanischeSchüleraufmüpfigkeit ist in die Entenschule vonEntenhaüsen eingezogen. Dabei haben die Strip-texter die utopische Perspektive insoweit .be-herzigt, als sie schon die Schüler der 1. Klasseideologisch sattelfest agieren lassen.

Donald, vielgeplagtes Stehaufmännchen, wirdauch diesmal wieder von seinem Bruder Dagobertfür kapitalistische Ränke benutzt. Er ist in Enten-hausen von Dagobert zum Pädagogen von Dago-berts Gnaden bestellt worden (aus undurch-sichtigen Gründen findet sich kein Lehrer, derhier unterrichten will), damit das Schulhaus, daseiner neuen Eisenbahnlinie weichen sollte, nichtabgerissen werden kann. Dagobert, der eher den

verteilen, raunzen Tick, Trick und Track ihm nurentgegen: „Ausbeuter!" Im übrigen ist Verständ-nis zwischen Lehrer und Schülern sonst aberrecht gut: „Herr Lehrer, ich konnte die Schul-arbeiten nicht machen. Ich hab' mir beim Qua-dratwurzelziehen den Daumen verletzt!"

Lehrer Donald: „So! Dann schick demnächstdeinen Bruder in den Garten!" Oder: „Nimmdie Tür und geh!" „O. K.", sagt Raudi, hakt dieTür aus und geht.

Was Regisseur Peter Zadek seinen neunzehn-jährigen „Ich-bin-ein-Elefant-Madame"-HeldenRull an nonkonformistischen Schülerscherzen imKlassenzimmer abziehen läßt, ist reine Anerken-nungspoliuk für deutsches Schulwesen, verglichenmit den Lehrpraktiken der siebenjährigenDonald-Duck-Schule-Schülern. Wenn Rull imFilm sich einen Lichterkranz auf 'den Kopf setztund den Happy-Birthday-to-You-Gesa.ng an-stimmt, beweist Raudi dem Schulinspektor, daßzwei und zwei gleich eins ist. Der Beweis: „MeineMutter gibt mir zweimal am Tag eins hinter dieLöffel! Macht jedesmal eins! Oder?"

Löst Rull im Film jede mathematische Formelexakt nach den Regeln, so beweist Trick aufvorbildliche Weise, daß 35 geteilt durch 5 gleich16 ist. Auch die Probe, letzter Weg, den Schul-inspektor zu überzeugen, funktioniert: „Ich zählefünfmal 16 zusammen. Sechs und sechs ist zwölf,18, 24, 30! Dazu die Einser: 31, 32, 33, 34, 35!Was zu beweisen war!"

Auch der humanistische Teil der Bildung wirdbewältigt. Während Rull und seine Mitschülergegen den Lateinunterricht protestieren und Ver-gangenheit und Gegenwart als politische Einheit— dem Lehrer unverständlich — sehen wollen,hat Donald längst die Lösung gefunden. „Wirmachen heute Englisch", sagt er und zeigt denSchülern das Buch. „Aber das ist Latein!" wollenihn die Schüler belehren. Darauf Donald: „Wißtihr denn nicht, daß die Lateiner die Engländerder Antike waren?"

Ebenso vorbildlich sind die literarischen Lei-stungen: „Wie lange hat Till Eulenspiegel gelebt?"Raudi: „Bis zu seinem Tode!" Und weiter: „Von

. wem stammt der berühmte Ausspruch: ,Rast' ich,so rost' ich'?" — „Vom Ritter Götz von Ber-lichingen!" ,

Die Sprache in Entenhausen ist verständlich,

Kenneth Patchen besprochen, „erstes Heft einerneuen ..Guerilla-Publikation".' Der italienischeArchitekt Danilo Dolci schrieb einen langen Ar-tikel über die Zustände ..auf Sizilien, .wo er seitJahren versucht, den Teufelskreis von Armut,Unwissenheit und religiösem Fanatismus zu durch-brechen. Der Bericht über die Clochards von, Lon-don ist die nüchterne Analyse über die mehV als35 000: rMenschen, die in London kein Zuhäausehaben.,'!; ' '"

Der Holzindustrie wird, der Kampf angesagt,weil sie im Süden England zu viele.alte Eichenfällen will. Man zeigt Bilder, alter Fachwerkhäu-ser auf, dem Land, die Verfallen und trotzdemnicht gekauft werden dürfen, weil sie. unterDenkmalschutz stehen;' man beschäftigt sich mitder Mitbestimmung und den haarsträubendenZuständen in Krankenhäusern, wo.bis.'zu sechziggeisteskranke Kinder in einem Schlafsaal. liegenund wo Toiletten keine Türen haben. Dann fol-gen immer wieder konkrete Hinweise, wo undwie man helfen kann. „Help"' nennt Adressen,wo man Orden oder goldene Zähne spendenkann, weist auf Arbeitslager hin.

„Help" hofft auf eine Zukunft, in der es wederMacht noch Status noch Politiker geben wird.Das klingt utopisch und ist auch so gemeint. DieZeitschrift will beweisen, daß man -— einenTraum im Herzen — sehr wohl den Kampf mitden Realitäten aufnehmen und die Übel unsererGesellschaft mit ihren eigenen Waffen schlagenkann — in diesem Fall mit einer ausgezeichnetengraphischen Gestaltung, mit gutem Journalismus,mit Humor.

Die Zeitschrift .bekam inzwischen Beifall, wennauch nicht' durchweg so bärbeißig wie von Mal-colni Muggeridge, der mittlerweile .zu einem.hartnäckigen Verteidiger der bestehenden Ver-hältnisse geworden ist. Er sagte den Heraus-gebern: „Ich bin fest davon überzeugt, daß mannichts Gutes tut, wenn man die .Methoden einerunmoralischen Gesellschaft benutzt, um die Zer-

. Störungen ihrer Unmoral wieder auszubessern."Barbara C. Beuys

5 geht in 3p sechs-wisgleich 16!

Trick beweist: SSIgeteilt durch 5 ist 16

Staat verkaufen, denn die Eisenbahn durch seinEntenhausen dampfen lassen will, findet dieLücke im Gesetz: Wenn in einer Schule Schülerunterrichtet werden, kann der Staat das Gebäudenicht abreißen. Also opfert sich Doriald denhöheren Zielen seines kapitalen Bruders, und inEntenhausen beginnt ein Sehultag mit Schüler-lektionen in antiautoritärem Verhalten.

Im Klassenzimmer hängt der wohlbekannteWeisheitsspruch — allerdings abgewandelt —„Nicht für das Leben, sondern für die Schulelernen wir", und will Lehrer Donald die belieb-ten Saubermach- und Putzarbeiten für Schüler

logisch, die Zusammenhänge werden klar undsind nicht verschleiert, und die Kulturkritik istimmanent. Wenn Tick, -Trick und Track „DieGlocke!... von Friedrich von. . . Schiller!" imDrei-Spalter-Team unter sich aufteilen, dann isteigentlich alles klar, und jede Schüler-Lehrer-Diskussion über „zeitgenössisch" oder „nicht" istüberflüssig geworden. Auch die von LehrerDonald angedrohte Strafe — „Wer stecken bleibt,mäht drei Jahre lang den Rasen" — ist einschönes Beispiel für die Bemessungsgrundlage vongeistiger Arbeit., Zum Lesen zu empfehlen auch für Eltern.

Es liegt uns viel daran, Sie mitSangrita „Picante" bekannt zu machen!*f€so urteilt Prof.Dr.med.H.GIatzel:

•„Gewürze bringen Freude und Genußohne Reue."

Kennen Sie schon SANGRITA? Wenn nicht, sollten Sie das bald nachholen. Wenn ja, und wenn Sie ein Freundbesonders reichhaltiger Würze sind, dann dürfen wir Ihnen SANGRITA PICANTE vorstellen.

Auch SANGRITA PICANTE trinkt man zweihändig zu TEQUILA ESPUELA 42°/o,denn es schmeckt gut und dämpft den Übermut des Alkohols, Wenn Sie SANGRITA PICANTE

jzum Herstellen einer Prairie Auster und zum Verfeinern von delikaten Gerichten und Saucenverwenden, dann werden Sie verstehen,

warum uns so viel daran liegt,Sie mit SANGRITA

PICANTEbekanntzumachen. QAIÜOBHTA

Übrigens: uHnbnllMI

:en üencnten und baucen

SANGRITAPICANTE

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Informationen, Rezepte ;und Bezugsnachweis:Alleinhersteller von SANGRITAund i SANG RITA PICANTEAlleinimporteur von

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8 München, Praterinsel.

Zweihändig trinken:SANGRITA und TEQUILAESPUELA 42%. EineTrinksitte, die- begeistert.

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