Der globale Alterssicherungsdiskurs Veronika Wodsak Einkommenssicherung im Alter als globale...

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Der globale Alterssicherungsdiskurs

Veronika Wodsak

Einkommenssicherung im Alter als globale Herausforderung

Problemlagen und Reformmodelle zwischen Solidarität, Fürsorge und Markt

Berlin 10./11. Dezember 2009

Veronika Wodsak 2

Überblick

• Ein globaler Alterssicherungsdiskurs?

• Alterssicherung 1980-2007

• Die Weltbank im Detail

• Die ILO und Weltbank-Kritiker im Detail

• Die Krise

Veronika Wodsak 3

Ein globaler Alterssicherungsdiskurs?

• Wohlfahrtsstaat als Projekt des Nationalstaates (Pfadabhängigkeit, politische Kultur)

• Relevanz für Entwicklungsländer?

• Ansprüche auf Sozialleistungen, Ressourcenmobilisierung und –verteilung nur auf nationaler Ebene durchsetzbar?

Veronika Wodsak 4

Ideen

Wissen

Normen, Resolutionen

Mandate, Nationale Interessen

Globaler Alterssicherungsdiskurs

Communities

Internationale Organisationen Staaten

Andere internationale Organisationen

Öffentliche Meinung

Epistemic

Veronika Wodsak 5

1980er

• Alterssicherung findet wenig Beachtung auf globaler/internationaler Ebene

• ILO tonangebend

• Vollbeschäftigungspolitik, – Informeller Sektor

• Fokus auf Etablierung von nationalen, staatlichen Rentensystemen bzw.

• Parametrische Reformen von existierenden Systemen

• Keine universellen Sozialtransfers

Veronika Wodsak 6

1990er• Diskussion über Reformen in Chile

• Ende des kalten Krieges: Reformen in Osteuropa

• Weltbank als neuer Akteur im Bereich der Alterssicherung

• Averting-Report: Alterungsprozesse als Krise, 3-Säulenmodell als Blaupause

• Kritik und Diskussion: Umlagefinanzierung vs. Kapitaldeckung, Leistungszusage vs. Beitragsprimat, privat vs. öffentlich verwaltete Systeme, Wirtschaft vs. Absicherung

Veronika Wodsak 7

bis 2007• Veränderungen im Weltbank-Modell

• nicht-finanzielle beitragsdefinierte Systeme

• Sozialtransfers (u.a. für alte Menschen)

• ILO: Renten als ein Element des Social Protection Floors

• Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus

• Fokus mehr auf “Coverage”, weniger auf Leistungshöhe oder Systemdesign

Veronika Wodsak 8

Weltbank und ILO – Apfel und Birne!  Weltbank ILO

Kerngeschäft Vergabe von Entwicklungskrediten

Setzung und Verbreitung von Arbeitsstandards

Operationsweise für das Kerngeschäft

Projekte in Ländern Sozialdialog (auch in Ländern)

Entscheidungs-mechanismus

Stimmenverteilung nach Kapitaleinlage

Dreiparteilich/Paritätisch

Selbstverständnis Motor für (wirts.) Entwicklung

Globals soziales Gewissen

Charakter der Publikationen

Klare Handlungs-anweisungen

Kompromiss- und Konsensorientiert

Veronika Wodsak 9

Weltbank 3-Säulenmodell

Obligatorische, kapitaldgedeckte

individuelle private Vorsorge

mit festem Beitragssatz

Staatliche, Steuerfinanzierte

Grundrente, Universell oder

nach Bedürftigkeit

Freiwillge, private,

kapitalgedeckte Zusats-

versicherung

Alterssicherung

Säule 1 Säule 2 Säule 3

Veronika Wodsak 10

Freiwillge, private,

kapitalgedeckte Zusats-

versicherung

Alterssicherung

Säule 1 Säule 2 Säule 3

Weltbank 5-Säulenmodell

Informelle Mechanismen

der Alterssicherung:

Familie, Eigenheim etc.

Staatliche, Steuer-

finanzierte Grundrente,

universell oder nach

Bedürftigkeit

Obligatorische, beitrags-

finanzierte, einkommens-

bezogene Absicherung,

Obligatorische, private,

kapitaldgedeckte individuelle Vorsorge mit

festem Beitragssatz

Säule 0 Säule 4

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ILO: C102 Soziale Sicherheit

(Mindestnormen), 1952 • Einkommenssicherheit im Alter• Rentenalter höher als 65 bedarf Rechtfertigung• Mindestens 40% Lohnersatzrate (30 Beitrags-

jahre)• Hinterbliebenenrente• Indexierung• Anspruch auf Rente gesetzlich verankert• Gleicher Anspruch für Einwanderer• Verantwortung liegt beim Staat• Steuerfinanziert oder Beitragsfinanziert oder Mix• Arbeitnehmeranteil: max. 50% des Beitrags

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ILO: Basic Social Protection Floor

• Notwendigkeit eines Instrumentes für Teile der Bevölkerung, für die 102 nicht greift

• Steuerfinanzierte Grundrente als Teil eines universellen Minimalpaketes sozialer Leistungen

• Treppenmodell: Floor + 102 zusammen: – universelle Deckung, – Leistungszusage, – Leistungs/BeitragsÄquivalenz, – nachhaltige Finanzierung, – Staat/Gesellschaft in der Verantwortung

Veronika Wodsak 13

Stimmen von Kritikern• Dringlichkeit von Reformen in Frage gestellt

• Notwendigkeit eines paradigmatischen Wechsels abgestritten – Reformierbarkeit bestehender Systeme

– Weltbank-Modell keine Lösung des Problems

• Umverteilungsmöglichkeiten, Transitionskosten, Verwaltungskosten

• Betonung auf die PRIMÄREN Ziele von Rentensystemen

• Risiko-Verteilung (Individuum – Gesellschaft)

• Lobbyismus der Versicherungswirtschaft

Veronika Wodsak 14

Halbzeit – 1:0 für die Weltbank

• Kritik als Eigentor? - Beitrag zur Stabilisierung des Multi-Pillar Modells als globale Alterssicherungs-Norm (Diskussion über Gewichtung und Ausgestaltung der Säulen)

• Argument der Risikodiversifizierung hat sich durchgesetzt

• Einführung obligatorischer, privater, kapitalgedeckter Säulen in einer Vielzahl von Ländern

Das Rückspiel: Die Finanz- und Wirtschaftskrise

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0

2000

4000

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12000

age 23 27 31 35 39 43 47 51 55 59 63

Total savings at 3% realrate if return withoutcrisis

Rate of return 3% withcrisis at age 40 andfurther rate of 3%

Rate of return 3% withcrisis at age 40 andfurther rate of 5%

Rate of return 3% withcrisis at age 50 andfurther rate of 5%

Rate of return 3% withcrisis at age 55 andfurther rate of 5%

Rate of return 3% withcrisis at age 60 andfurther rate of 5%

Rentensysteme in der Krise: Auswirkungen für zukünftige Rentner

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Rentensysteme in der Krise: Nationale Rentenfonds Jan – Okt 2008, OECD

-40

-35

-30

-25

-20

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-10

-5

0

5

10

Ireland

United S

tates

Iceland

Hungary

Austra lia

(1)

C anada

OE C D average

P olandJ apan

Netherlands

B elgium (2)

United K

ingdom

Norway

F inland (3)

S witzerla

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P ortuga l

Austria (2

)

S weden (2,4)

S pain (2)

Denmark

Germany

Mexico (5)

S lovak R

epublic (6

)

Italy (2

,7)

Turkey

K orea (2

)

C z ech Republic

(2)

G reece

(2)

R eal Nominal

O E C D weighted average rates of

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Rentensysteme in der Krise

• Verlust hängt von Investmentstrategien ab

– Regulierung und Aufsicht

– Life-cycle-portfolios

• Arbeiter, die während der Krise in Rente gehen mussten am stärksten betroffen

• Flexibilität – Staatshandeln

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Weltbank• Krise als Beweis für die Notwendigkeit von

„Multi-Pillar-Systemen“ und Risiko-Diversifizierung

• Verweist auf Säulen mit Leistungszusage/ garantierter Mindesrente

• Krisen als seltene Ereignisse (kurzfristige Massnahmen, keine strukturellen Veränderungen)

• Annahme einer schnellen Erholung

• Durchhalteparolen, Überlegenheit von Kapitalanlagen

• Nur wenige Betroffene

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Weltbank EmpfehlungenKURZFRISTIG

– „Rückfall“ vermeiden– Aufklärungskampagne– Schrittweise oder nachträgliche Verrentung– Etwaige Kompensationen für stark Betroffene

vorsichtig abwägen

MITTELFRISTIG– Diversifizierung (3-Säulen) – Besseres Riskio-Management– Verbesserung von umlagefinanzierten Systemen– Garantierte Grundrente– Arbeitslosenkonten und -versicherung als weitere

Elemente des Sozialen Sicherungssystems

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ILO Empfehlungen• Leistungszusagen so weit wie möglich

einhalten

• Nicht einseitig auf finanzielle Stabilisierungsmechanismen abstellen, auch soziale Stabilisierungsmechanismen!

• Es gibt keinen Autopiloten für Rentensysteme

• Krise kein Einzelfall, Systeme für zukünftige stärken

• Über innovative Mischsysteme nachdenken: Leistungsgarantien für kapitalgedeckte Systeme

• Shift DC => NDC

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Fazit

• Krise => “Decline and fall of neoliberalism” ?

• Krise hebt Bedeutung Sozialer Sicherungssysteme hervor:

– automatische Stabilisatoren für die Wirtschaft

– Instrument der Armutsbekämpfung in Zeiten der Krise

• ILO und Weltbank: Wenig Änderung in ihren Positionen, Anpassung/Wiederholung/ Verstärkung der Argumente für ihre Modelle

Danke für Ihre

Aufmerksamkeit