Didaktik der Algebra (1) Algebra in der Schule und ihre historische Entwicklung

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Didaktik der Algebra (1)

Algebra in der Schule und ihre historische Entwicklung

Die Wurzeln

„Vollständige Anleitung zur Algebra“

Leonhard Euler (1707-1783)

Aufbau: Zahlen, Terme, Gleichungen

Dieses Buch prägte den Algebra-unterricht an Gymnasien und die entsprechenden Lehrbücher

„Vollständige Anleitung zur Algebra“

ZahlenGrundlegung des Zahlenrechnens von den Grundrechenarten bis zu den LogarithmenTermeTermumformungen bis zu Potenzen mit negativen ExponentenGleichungenVerhältnisse, Verhältnisgleichungen bis zu biquadratischen Gleichungen

„Vollständige Anleitung zur Algebra“

„Der Hauptzweck der Algebra sowie aller Theile der Mathematik besteht darin, den Werth solcher Größen zu bestimmen, die bisher unbekannt gewesen, was aus genauer Erwägung der Bedingungen geschieht. Daher wird die Algebra auch als die Wissenschaft definirt, welche zeigt, wie man aus bekannten Größen unbekannte findet.“

Wechsel der Schwerpunkte an den Universitäten im 19. Jahrhundert

GleichungenAuflösbarkeit von Gleichungen (Galoistheorie)Fundamentalsatz der Algebra (Existenzvon Wurzeln ganzrationaler Funktionen)Näherungsverfahren zur Lösung von Gleichungen (z.B. Newton-Verfahren)

Eine wesentliche Änderung des Algebraunterrichts ergab sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts.Auf Grundlage der „Meraner Vorschläge“ zum mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht von 1905 sollte den vielfältigen Gebieten in der Schule eine einheitliche Leitidee zu Grunde gelegt werden. Die „Meraner Vorschläge“ bestimmten die Schulbücher und Lehrpläne bis in die 50er Jahre hinein.

Felix Klein (1849 - 1925)

Der Funktionsbegriff ist ein Leitbegriff, der Problemstellungen und Lösungsverfahren liefert. Der Funktionsbegriff ist ein Bindeglied zwischen Algebra und Geometrie.

Grundidee: Der Funktionsbegriff

Die Algebra an den Universitäten hatte sich inzwischen allerdings grundlegend gewandelt.

Aus der Theorie der Gleichungen war die Theorie der algebraischen Strukturen geworden,

Gegenstände des Interesses waren u.a. Gruppen, Ringe, Körper, Vektorräume.

Auf die Schule hatte die neue Sicht der Algebra keine Auswirkungen (z.B. Gruppen nur zur Klassifizierung von Abbildungen).

Algebra in der universitären Mathematik

Erst in den 60er Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Mathematikunter-richt weit hinter der Entwicklung der Mathematik zurückgeblieben war. Auslöser waren u.a.

Bourbaki und die „Eléments de Mathématique“ (1951),

der Sputnik-Schock (1957).

Konsequenz: Rahmenrichtlinien der KMK 1968.

Wandel des Mathematikunterrichts

• eine stärkere Betonung grundlegender Regeln in den einzelnen Zahlbereichen (Axiomatik),

• die Betrachtung neuer Verknüpfungen in den Zahlbereichen,

• die Erarbeitung von Strukturbegriffen wie z.B. Gruppe, Ring, Körper, Vektorraum,

• die Neugestaltung der Lehre von Termen, Gleichungen, Ungleichungen auf Grundlage der Mengenlehre und Logik,

• eine Präzisierung des Funktionsbegriffs auf Grundlage des Relationsbegriffs.

Konkrete Auswirkungen waren

Es macht nur Sinn neue Begriffe und Methoden einzuführen, wenn man ihren Sinn versteht und wenn sie etwas leisten (Wittenberg, 1963)

Kritik

Im Laufe der Zeit wurde vieles zurückgenommen:

die Strukturbegriffe wurden in die Oberstufe verlagert,die Gleichungslehre begrifflich vereinfacht,der Funktionsbegriff stärker anschaulich und intuitiv verankert.

Die Änderung der Reform basierte u.a. auf Unterrichtserfahrungen und neuen Ergebnissen der Mathematikdidaktik.

Studien über Fehler von Lernenden und deren Regelhaftigkeit,Vorstellungen von Lehrenden und Lernenden über die Mathematik und das Mathematiklernen.

Erforschung von Denkprozessen

In den 80er Jahren gewinnt diese Forschung größeren Einfluss in der Mathematikdidaktik. Schwerpunkte sind

Worauf lässt sich die „Überlegenheit“ der Schüler einiger Länder im problemlösenden Denken zurückführen?Welche Ursachen hat das schlechte Abschneiden der Bundesrepublik?

Ende der 90er Jahren löste die TIMS-Studie einen „Schock“ in der Mathematik- und Naturwissenschaftsdidaktik aus. Untersuchungen zur Klärung der Ergebnisse der TIMS-Studie wurden begonnen:

TIMSS und die Folgen

PISA 2000„Mathematische Grundbildung“

Mathematische Begriffe sind Werkzeuge zur Erschließung der „Welt“.

Ziele mathematischer Grundbildung sind begriffliches Verstehen und funktionales Verwenden von Mathematik,

nicht nur „technische“ Fertigkeiten und Kenntnisse.

Zur Lösung einer typischen PISA-Aufgabe gehört vor allem das Modellieren außer- und innermathematischer

Problemsituationen.

Der Prozess des Mathematisierens

Konsequenzenverarbeiten

Ergebnisse

interpretieren

Problem Lösung

validierenSituation

Mathematik

Weltmathematisieren

Modell

GlasfabrikEine Glasfabrik stellt Flaschen her. 2% der Flaschen sind fehlerhaft; dies sind 160 Flaschen. Wie viele Flaschen wurden insgesamt hergestellt?

◊ 320 Flaschen ◊ 3200 Flaschen

◊ 12500 Flaschen ◊ 800 Flaschen

◊ 8000 Flaschen

Elementare Modellierungen

Modellierungen und begriffliches Verknüpfen

GlasfabrikEine Glasfabrik stellt am Tag 8000 Flaschen her. Erfahrungsgemäß sind ca. 160 Flaschen fehlerhaft. Wie viel Prozent sind das?

0,02 % 1,28 % 5 % 0,5 % 2 %

Modellieren auf der Basis anspruchsvoller Begriffe

MieteIn einer Großstadt kostete 1985 eine 70m2-Wohnung 1000 DM Miete pro Monat. Seit 1985 stieg der Mietpreis alle 5 Jahre um 20%. Welche Monatsmiete musste dann 1995 für diese Wohnung gezahlt werden? Schreibe auf, wie du rechnest.

Komplexes Modellieren

Wie kannst du einen Geldbetrag von genau 31 Pfennigen hinlegen, wenn du nur 10 Pfennig-, 5 Pfennig- und 2 Pfennig-Münzen zur Verfügung hast?

Gib alle Möglichkeiten an!

Vollrath, H.J. (1994).Algebra in der Sekundarstufe. Mannheim: BI.

Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.) (2001). PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich.

Quellen:

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