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In diesen Tagen ist US-Verteidigungsminister Ashton Carter zu Gast in Seoul. Sein Besuch fällt in eine Zeit, die traditionell von Spannungen auf der koreanischen Halbinsel geprägt ist. Als äußerer Anlass dient das alljährlich im März und April stattfindende gemeinsame Militärmanöver der Vereinigten Staaten und Südkoreas. Kurz vor dem Besuch des US-Ministers kamen aus der Obersten Volksversammlung in Pjöngjang Signale für den Ausbau des Atomprogramms.
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Hintergrund: Nordkorea Nr. 20 / April 2015 | 1
Die jährlichen koreanisch-amerikanischen Militärmanöver
Martin Georg Mirschberger
In diesen Tagen ist US-Verteidigungsminister Ashton Carter zu Gast in Seoul. Sein Besuch fällt in eine
Zeit, die traditionell von Spannungen auf der koreanischen Halbinsel geprägt ist. Als äußerer Anlass
dient das alljährlich im März und April stattfindende gemeinsame Militärmanöver der Vereinigten Staa-
ten und Südkoreas. Kurz vor dem Besuch des US-Ministers kamen aus der Obersten Volksversammlung
in Pjöngjang Signale für den Ausbau des Atomprogramms.
28.500 Soldaten und Zivilangestellte
Die USA und Südkorea blicken auf eine langjährige Militärzusammenarbeit zurück. Seit dem Korea-
Krieg (1950–1953), dem ersten Stellvertreterkrieg in der Epoche des Kalten Krieges, als sich Südkorea,
unterstützt von den USA und 16 weiteren Nationen im Rahmen einer UN-Koalition, gegen das kom-
munistische Nordkorea verteidigte, verbindet Washington und Seoul eine besondere bilaterale sicher-
heitspolitische Beziehung. Dabei ist zu beachten, dass es nach dem Korea-Krieg nie zu einem Frie-
densabkommen zwischen den beiden koreanischen Staaten gekommen ist, sondern nur zu einem Waf-
fenstillstand zwischen den Vereinten Nationen auf der einen sowie Nordkorea und China auf der an-
deren Seite.
Direkt nach dem Ende des Krieges zwischen dem industriell und ökonomisch seinerzeit noch weiter-
entwickelten Nordkorea und dem agrarisch geprägten, rohstoffarmen Südkorea hat letzteres mit den
USA ein gegenseitiges Verteidigungsabkommen (1) (Mutual Defense Treaty) unter-zeichnet, welches
das Fundament der Allianz der beiden Nationen darstellt. Auf dieser vertraglichen Grundlage unterhält
das US-Militär in Südkorea gegenwärtig etwa 28.500 Soldaten und Zivilangestellte aus Army, Navy,
Air Force und Marines (2).
Eines der aufwendigsten jährlichen Manöver weltweit
Die seit 1994 stattfindende Übung Foal Eagle gehört zu den größten und aufwendigsten jährlichen
Militärmanövern weltweit. Sie beginnt Anfang März und dauert knapp zwei Monate, bis Ende April.
Bei den gleichzeitig stattfindenden, mehrtägigen Key Resolve-Übungen handelt es sich hauptsächlich
um eine Kommandoschulung, gestützt auf Computersimulationen, bei denen auch Einheiten aus Ka-
nada, Australien, Großbritannien und Frankreich vertreten sind.
Hintergrund:
Nordkorea
Nr. 20 / 13. April 2015
Hintergrund: Nordkorea Nr. 20 / April 2015 | 2
Die Operation Foal Eagle ist ein groß
angelegter praktischer und theoreti-
scher Test aller Verteidigungsstruk-
turen zu Wasser, am Boden und in
der Luft. Hierbei wird auf allen Hie-
rarchieebenen des südkoreanischen
und US-amerikanischen Militärs die
Entscheidungs- und Ablaufstruktur
im Falle eines nordkoreanischen An-
griffs erprobt und bei Bedarf ausge-
baut. „Die Übungen sind so angelegt,
dass sie beteiligten Militärangehöri-
gen von beiden Seiten - der Republik
Korea und den USA - helfen, an der
Umsetzung von hohen Entschei-
dungsbefugnissen zu lernen, zu trai-
nieren und auszubilden..“, so Walter Sharp, Viersternegeneral und ehemaliger Befehlshaber der verein-
ten koreanisch-amerikanischen Heeresführung (Combined Forces Command). „Das vorrangige Ziel ist
es, sicherzustellen, dass die Heeresführung fähig ist, die Republik Korea zu verteidigen, sollte dies
notwendig werden."(3)
"Schändung unserer Trauerperiode“
Die Reaktionen aus
Pjöngjang, der Hauptstadt
des Nordens, enthalten
zwar zumeist ähnliche Bot-
schaften, unterscheiden
sich aber in der Regel in der
Intensität. Sie verraten viel
darüber, auf welchem Stand
sich das Nord-Süd-
Verhältnis zum entspre-
chenden Zeitpunkt befindet.
In diesem Kontext lohnt
sich ein Blick auf die Stel-
lungnahmen der vergange-
nen drei Jahre, seit Kim
Jong-un im Zentrum der
nordkoreanischen Politik
steht.
2012 - Kim war erst wenige Wochen zuvor in die Fußstapfen seines im Dezember 2011 verstorbenen
Vaters Kim Jong-il getreten - drohte Nordkorea dem Süden mit einem „Heiligen Krieg". Das mächtige
Nationale Verteidigungskomitee hatte den Beginn der Übung als „stille Kriegserklärung" eingestuft.
Des Weiteren warf man den Regierungen in Südkorea und den USA eine „Schändung unserer Trauer-
periode“ [wegen des Todes Kim Jong-ils im Dezember 2011, Anm. d. Autor] vor.
U.S. Air Force photo / Airman 1st Class Hailey R. Davis, auf:
http://www.7af.pacaf.af.mil/news/story.asp?id=123341001
"Joint US-RoK amphibious exercise"/ by U.S. Navy photo by Photographer's Mate 1st Class
Michael D. Kennedy, auf: http://www.navy.mil/view_image.asp?id=33342.
Hintergrund: Nordkorea Nr. 20 / April 2015 | 3
Verzicht auf weitere Atomtests
Zum bislang schärfsten Konflikt im Umfeld des jährlichen Manövers kam es 2013. Wie üblich wurde
die nordkoreanische Armee auf Anweisung der Partei auf einen baldigen Krieg vorbereitet. Das folgen-
de nordkoreanische Armeemanöver indes war eines der größten der zurückliegenden Jahre. Es war von
äußerst aggressiven Erklärungen begleitet, in denen u.a. von einem möglichen atomaren Präventiv-
schlag die Rede war. Dem vorangegangen war die einseitige Aufkündigung des Waffenstillstandsab-
kommens von 1953. Wegen des Tests einer Langstreckenrakete im Dezember 2012 und einer Atom-
bombe im Februar 2013 hatten die UN ihre Sanktionen gegen Pjöngjang zuvor verschärft. Die Regie-
rung in Seoul kündigte nach den beiden Tests an, auf weitere „rücksichtslose Provokationen" strikt zu
reagieren.
Verglichen damit blieb es in diesem wie schon im vergangenen Jahr relativ ruhig, zumindest bislang.
Neu war diesmal allenfalls, dass Nordkorea Verhandlungswillen zu erkennen gegeben hatte. Anfang
des Jahres hatte das Land einen vorläufigen Verzicht auf weitere Atomwaffentests in Aussicht gestellt,
falls Südkorea und die USA keine Manöver mehr auf der koreanischen Halbinsel abhalten würden.
Dieses Angebot wurde von Seoul und Washington abgelehnt. Die USA sprachen von einer „unter-
schwelligen Drohung“.
Abschuss ins offene Meer
Mehrfach hat Pjöngjang seit Beginn des Manövers Kurzstreckenraketen abgefeuert, gleich Anfang
März zunächst zwei, dann sieben, vermutlich vom Typ Scud C. Alle stürzten ins Japanische Meer im
Osten des Landes. Anfang April wurden weitere vier Raketen ins offene Meer abgefeuert. Zum bislang
letzten Abschuss zweier Kurzstreckenraketen kam es unmittelbar vor dem Seoul-Besuch von US-
Verteidigungsminister Ash Carter am 10. April. Ein Thema auf Carters Gesprächsagenda passender-
weise: Wie umgehen mit Nordkorea?
U.S. Air Force photo / by Staff Sgt. D. Myles Cullen, auf:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:A_Republic_of_Korea_Type_88_K1_Main_Battle_Tank.jpg
Hintergrund: Nordkorea Nr. 20 / April 2015 | 4
Der nukleare Erstschlag durch Pjöngjang ist bislang ausgeblieben, allen verbalen Drohungen zum
Trotz. Was steckt hinter Drohungen wie diesen, welchen Plan verfolgt der Norden?
Drohungen gelassen zur Kenntnis genommen
Die nordkoreanischen Reaktionen haben immer eine in-
nenpolitische Dimension. Kim Jong-un geht es nicht zu-
letzt um Imagepflege im eigenen Land. Nach mehr als
drei Jahren an der Spitze des Regimes mag sich seine
Position zwar gefestigt haben, auch deshalb, weil er Ver-
traute in Schlüsselpositionen in Partei und Militär ge-
bracht hat (4). Trotzdem steht er unter Erfolgsdruck, aus
der eigenen Führungsriege, aber auch aus China, dem
wichtigsten Partner, der auf die Dialogbereitschaft des
isolierten Staates pocht (5).
Wie schon sein Vater setzt Kim auf das Instrument der
Abschreckung. Der Westen mag die Drohungen im zeitli-
chen Umfeld des Manövers eher gelassen zur Kenntnis
nehmen. Die Wirkung nach innen ist eine andere. Dort
werden Kims Erstschlagsdrohungen und die Szenarien
eines Atomkriegs propagandistisch als Beleg für die
Wehrhaftigkeit des Landes gegenüber seinem „imperialis-
tischen" Gegner verkauf. Das soll nicht nur die nationale
Integrität des Landes festigen, sondern auch Kims Rolle
als Beschützer und Oberhaupt des Volkes.
Hochhaltung der Sicherheitsdoktrin
Nordkorea versucht schon seit geraumer Zeit, wirtschaftlich neue Wege zu gehen, die ökonomische
Erholung hat derzeit einen hohen politischen Stellenwert. Dies ist nicht zuletzt an den Bemühungen
um internationale Investoren und der Förderung von Tourismusstandorten ablesbar. Ein militärischer
Konflikt würde Anstrengungen wie diese konterkarieren. Im Zweifelsfall aber dürfte Pjöngjang die na-
tionale Sicherheitsdoktrin höher halten.
Für den Norden ist das jährliche Manöver im März und April natürlich nicht die einzige Möglichkeit,
sich über den Umweg der Außenpolitik innenpolitisch in Szene zu setzen. Es ist aller-dings ein Kern-
punkt des offiziellen nationalen Selbstverständnisses, demzufolge das Land da-rauf angewiesen ist,
sich permanent aus eigener Kraft gegen externe politische und militärische Bedrohungen zu behaup-
ten. Die USA sind dabei das Feindbild schlechthin. „Für den Systemerhalt ist diese angebliche externe
Bedrohung von Vorteil, deshalb können Verhandlungen mit Südkorea und den USA nur bis zu einem
gewissen Grad gehen", so Eric Ballbach vom Institut für Koreastudien von der FU Berlin (6).
Official White House Photo / by Pete Souza, auf:
https://www.whitehouse.gov/blog/2013/05/07/president
-obama-meets-president-park-south-korea
Hintergrund: Nordkorea Nr. 20 / April 2015 | 5
Ton gegenüber der Außenwelt versachlichen
Dass Seoul und Washington einstweilen an der Tradition der Manöver festhalten, hat einen nachvoll-
ziehbaren Grund. Die Übungen sind eine Reaktion auf die periodischen Drohungen aus Pjöngjang. Sie
dienen der Abwehr eines möglichen Angriffs durch den Norden und haben, anders als viele Kritiker
auch in der westlichen Hemisphäre meinen, einen defensiven Charakter. Südkorea will im Falle eines
Angriffs bestmöglich geschützt werden (7).
Wirtschaftliche Öffnung hin oder her, in ihrer Breite ist die Politik des Nordens nach wie vor unbere-
chenbar. Solange Pjöngjang das politische Kernprinzip der Verlässlichkeit in den Wind schlägt und
seinen Ton im Umgang mit der Außenwelt nicht versachlicht, dürfte es Südkorea als zu riskant erach-
ten, auf die jährlich stattfindenden Manöver mit den USA zu verzichten.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Der gesamte Mutual Defense Treaty ist abrufbar unter:
http://avalon.law.yale.edu/20th_century/kor001.asp, 03.04.2015.
(2) U.S. Department of State (2015): US Relations With South Korea. Fact Sheet des Bureau of East
Asian and Pacific Affairs 05.02.2015.
(3) Jung Sung-ki (2009): Seoul Snubs NK Warning Against ‘Satellite’ Interception. In: The Korea Time
vom 09.03.2009, URL: http://www.koreatimes.co.kr/www/news/nation/2015/02/205_40981.html,
03.04.2015.
(4) Richter, Lars-André (2015): Nordkorea: Schlagzeilen zur Jahreswende. In: Hintergrund N°2/2014,
Seoul. URL: http://www.freiheit.org/webcom/show_article.php/_c-1804/_nr-28581/i.html, 03.04.2015.
(5) Weitere Informationen Richter, Lars-André (2013) In: Deutschlandfunk: Friedrich-Naumann-
Stiftung: Kim Jong-Un will seine Position festigen, URL: http://www.deutschlandfunk.de/friedrich-
naumann-stiftung-kim-jong-un-will-seine-position.694.de.html?dram:article_id=242148,
03.04.2015.
(6) Ballbach, Eric (2014): "Dieses Hin und Her ist für Nordkorea diplomatischer Krieg". In: Der Standard
vom 12.04.2014, URL: http://derstandard.at/1389860138184/Korea-Konflikt-Dieses-Hin-und-Her-ist-
fuer-Nordkorea-diplomatischer-Krieg, 03.04.2015.
(7) Davis, Glyn (2014): U.S. Policy Towards North Korea. Statement before the Sub-committee on Asia
and the Pacific of the House Committee on Foreign Affairs, 30.07.2014. Washington D.C. Abrufbar
unter: http://www.state.gov/p/eap/rls/rm/2014/07/229936.htm, 03.04.2015.
Martin Georg Mirschberger studiert Ökonomie und Politikwissenschaften an der Friedrich-Alexander-
Universität Erlangen-Nürnberg. Er absolviert derzeit ein Praktikum im Büro Korea der Friedrich-
Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul.
Impressum
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF)
Bereich Internationale Politik
Referat für Querschnittsaufgaben
Karl-Marx-Straße 2
14482 Potsdam
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