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© Prof. Dr. Thomas Wilrich, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (Email: thomas.wilrich@web.de)

Rechtsanwalt Dr. Thomas Wilrich Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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Website: www.rechtsanwalt-wilrich.de

Hochschule München Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen

zuständig für Arbeits- und Wirtschaftsrecht Produkt- und Technikrecht

Unternehmensorganisationsrecht

Autor Produktsicherheit

Autor Betriebssicherheit

mit 20 Gerichtsurteilen

Die neue Formel der BetrSichV Sicherheit = Produktkonformität + Gefährdungsbeurteilung

(+ Schutzmaßnahmen nach Stand der Technik) ≠ starrer Bestandsschutz

41. Jahresfachtagung der VDSI-Fachgruppe Hochschulen TU Berlin, 2. Mai 2016

Neuerscheinung Sommer 2016: Sicherheitsverantwortung:

Arbeitsschutzpflichten, Betriebsorganisation und Führungskräftehaftung – mit 25 erläu-

terten Gerichtsurteilen (Erich Schmidt Verlag)

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Die Grundaussagen der BetrSichV

„Arbeitgeber darf nur solche Arbeitsmittel verwenden lassen ● „die den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechen“ § 5 Abs. 3 BetrSichV ● „die unter Berücksichtigung der vorgesehenen Einsatzbedingungen bei der Verwendung sicher sind“ § 5 Abs. 1 BetrSichV

● „Verwendung der Arbeitsmittel nach dem Stand der Technik sicher“ § 4 BetrSichV

● „Arbeitsmittel, deren Sicherheit von den Montagebedingungen abhängt, vor der erstmaligen Verwendung … prüfen zu lassen“ ● „während der gesamten Verwendungsdauer in einem sicheren Zustand erhalten werden“ § 10 Abs. 1 BetrSichV

Sicherheit = Produktkonformität (1.) + betriebliche Schutzmaßnahmen (3.)

nach Stand der Technik (6.) ≠ starrer Bestandsschutz (7.) + Betriebsanweisung (8.)

+ Gefährdungsbeurteilung (2.) (Betriebs-)

Die Bestandteile der Formel = Gliederung

+ Prüfung (4.) + Instandhaltung (5.)

+ Unterweisung (9.) Änderung von Arbeitsmitteln (10.)

– stetig

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1. Produktkonformität

Arbeitsmittel müssen „den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechen“ § 5 Abs. 3 BetrSichV – z.B. – Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und – europäische Harmonisierungsrichtlinien, z.B. EG-Maschinenrichtlinie 2006/42

Erleichterung: „vorgelagerter Arbeitsschutz durch mitgelieferte Sicherheit“ BR-Drs.

● kaufende Arbeitgeber sollte dem verkaufenden Hersteller diese Sicherheits- anforderungen vorschreiben –und: „In den Vertrag ist auch aufzunehmen, dass die zu liefernden Produkte den Arbeitsschutzanforderungen entsprechen müssen“ BGR A1 / DGUV Regel 100-001

● Übereinstimmung mit materiell-rechtlichen Anforderungen auch bei Herstellung für den Eigengebrauch § 5 Abs. 3 Satz 3 BetrSichV neu !

Harmonisierungsrichtlinien erfassen nur das erstmalige Bereitstellen also kommt es auch später „nur“ auf Sicherheitsmaßstab zu dieser Zeit an das heißt noch nicht, dass es Bestandsschutz gibt (s.u.)

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CE-Kennzeichnung und Vertrauensschutz

● weil „Arbeitsmittel, die neu in Verkehr gebracht werden, sicher sein müssen“, „kann sich darauf der Arbeitgeber verlassen“ BR-Drs.

● „Arbeitgeber muss die durch den Hersteller durchgeführte Risikobeurteilung für das Arbeitsmittel nicht wiederholen“ BR-Drs.

● (Marktüberwachungs-)Behörden „betrachten“ eine „Maschine, die mit der CE-Kennzeichnung versehen ist und der die EG-Konformitätserklärung beigefügt ist“, als richtlinienkonform Art. 7 EG-Maschinenrichtlinie

● BG klagte nur gegen Hersteller und externe Fachkraft für Arbeitssicherheit, weil der Arbeitgeber „auf die CE-Kennzeichnung vertraut habe“ so die BG im Fall OLG Nürnberg aus 2014: „Unfall an der Pappkartonstanze“ – BPUVZ 3/2015 + Sicherheitsingenieur 2/2016

● man „kann sich auf CE-Kennzeichnung im Regelfall verlassen“ Pauli BetrSichV alt

Grenzen: 1. Anlass zu Zweifeln an der Sicherheit

Vertrauen auf CE ist erschüttert, wenn ein Anlass zu Zweifel an der Sicher- heit besteht, was eine (schwierige) Wertungsfrage ist so im Fall „Pappkartonstanze“

2. Erfordernis der Einbettung in betriebliche Infrastruktur Vertrauen auf CE ist zu wenig, „wenn die sichere Verwendung nicht nur von der mitgelieferten Sicherheit abhängt“ BR-Drs.

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2. Gefährdungsbeurteilung „Zentrales Element für die Festlegung von Schutzmaßnahmen“ BR-Drs.

Wer? – Zuständigkeit = fachkundige Personen Für was? – Gegenstand = Arbeitsmittel ● für jede Verwendung jedes Arbeitsmittels durch jeden Beschäftigten ● auch bei CE-Kennzeichnung § 3 Abs. 1 Satz 2 BetrSichV

● Vereinfachung 1: „bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung einer Tätigkeit ausreichend“ § 5 Abs. 2 ArbSchG

● Vereinfachung 2: Ergebnis kann sein, dass „Sicherheit und Gesundheits- schutz der Beschäftigten ohne weitere Maßnahmen gewährleistet sind“, denn „vorgelagerter Arbeitsschutz“ durch Produktsicherheit ist „bei der Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich Auswahl und Beschaffung von Arbeitsmitteln von erheblicher Bedeutung“ BR-Drs.

„bei verwendungsfertigen, einfach zu benutzenden Arbeitsmitteln wie z.B. einer Bohrmaschine, kann die aufgrund des Binnenmarktrechts ‚mitge- brachte‘ Sicherheit durchaus ausreichen“ Helmut Klein

● „Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen. Dabei ist der Stand der Technik zu berück-sichtigen“ § 3 Abs. 7 BetrSichV

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2. Gefährdungsbeurteilung Wann? – Zeitpunkt

● „soll“ „vor Beschaffung der Arbeitsmittel“ § 3 Abs. 3 BetrSichV

das weiche „Sollen“ ist eher ein Apell Es ist nicht verboten, ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung zu kaufen. Aber wenn dann die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass in der konkreten Situation das Arbeitsmittel nicht sicher (genug) ist, muss man wählen: Nichtverwendung oder (unwirtschaftliche) Schutzmaßnahmen bis hin zu Nach- bzw. Umrüstung ● „soll“ „vor Auswahl der Arbeitsmittel“ § 3 Abs. 3 BetrSichV

das weiche „Sollen“ ist eher ein Müssen „Auswahl geeigneter Arbeitsmittel“ ist sogar in der Zielbestimmung ausdrücklich hervorgehoben § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BetrSichV

“Gasunfall Lehrberg in einer Bäckerei“ AG Ansbach Urteil Oktober 2008: „falsche Verwendung (versehentlich verstellte Drehrichtung) eines unzulässigen Werkzeugs (mit Druckluft betriebener Schrauber statt händisch eingesetzter Knarre)“ ● „muss“ „vor der Verwendung“ „Chemie-Praktikum nur mit Gefahrstoffunterweisung“ VG Gelsenkirchen und OVG Münster

● „regelmäßig überprüfen“ + „aktualisieren“ § 3 Abs. 7 BetrSichV bei „sicherheitsrelevanten Veränderungen“ oder bei Erkenntnissen

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Gefährdungsbeurteilung – Inhalte

● „die auftretenden Gefährdungen beurteilen und daraus notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen ableiten“ § 3 Abs. 1 BetrSichV

● „alle“ Gefährdungen „von den Arbeitsmitteln selbst, der Arbeitsumgebung und den Arbeitsgegenständen, an denen Tätigkeiten mit Arbeitsmitteln durchgeführt werden“ § 3 Abs. 2 BetrSichV

● die „Wechselwirkungen der Arbeitsmittel untereinander oder mit Arbeitsstoffen“ so BetrSichV alt

● bezieht sich auf „Zustand und Handhabung des Arbeitsmittels“ BR-Drs. ● Zustand = Rechtskonformität = Produktsicherheit (s.o.) ● Handhabung = sichere Verwendbarkeit in den vorgesehenen Einsatzbedingungen = Betriebssicherheit ● muss konkret sein und darf nicht nur aus einer allgemeinen Liste bestehen, was alles zu berücksichtigen ist vgl. OLG Nürnberg „Unfall an der Pappkartonstanze“

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Gefährdungsbeurteilung Erleichterungen durch Herstellerunterlagen

Vorarbeiten des Herstellers durch die von ihm „mitgelieferte Sicherheit“ können „geringeren Aufwand bei der Gefährdungsbeurteilung und deren Dokumentation“ bedeuten BR-Drs.

Richtigkeitsvermutung ● Arbeitgeber „darf davon ausgehen, dass die vom Hersteller mitgelieferten Informationen zutreffend sind, es sei denn, dass er über andere Erkennt- nisse verfügt“ § 3 Abs. 4 BetrSichV

1. „Betriebs- bzw. Gebrauchsanleitung“, die zwingend beigefügt werden muss 2. Risikobeurteilung, auf die der Käufer keinen Anspruch hat, die er aber im Kaufvertrag fordern kann Übernahmevereinfachung ● Arbeitgeber darf diese Informationen „übernehmen“ § 3 Abs. 4 BetrSichV

1. „Anleitungen“ kann sich der Arbeitgeber „nach einer Plausibilitätsprüfung zu eigen machen und seine Gefährdungsbeurteilung darauf aufbauen“ BR-Drs.

2. es muss auch „die durch den Hersteller durchgeführte Risikobeurteilung für das Arbeitsmittel nicht wiederholt“ werden BR-Drs.

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Gefährdungsbeurteilung – Dokumentation (§ 3 Abs. 8)

● „vor der erstmaligen Verwendung der Arbeitsmittel“ ● „Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung“ ● „auch in elektronischer Form“ („auch“ = nicht zusätzlich, sondern alternativ) Mindestinhalte: ● Gefährdungen: „bei gleichartigen Arbeitsmitteln und Gefährdungen“ ist es ausreichend, „wenn die Dokumentation zusammengefasste Angaben enthält“ ● Schutzmaßnahmen ● Erfüllung der BetrSichV bei Abweichung von Technischen Regeln ● Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen der Arbeitsmittel sowie Fristen der wiederkehrenden Prüfungen ● das Ergebnis der Wirksamkeitsüberprüfung – auch wenn „keine Aktualisierung erforderlich ist, so hat der Arbeitgeber dies unter Angabe des Datums der Überprüfung in der Dokumentation zu vermerken“ ● Unterweisung „anhand der Gefährdungsbeurteilung“ § 12 Abs. 1 BetrSichV

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3. Betriebliche Schutzmaßnahmen

● „Grundpflichten“ = „Anforderungen an Arbeitsmittel“ § 4 BetrSichV

● „Anforderungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln“ § 6 BetrSichV

● Schutzmaßnahmen – bei Gefährdungen durch Energien, Ingangsetzen und Stillsetzen § 8 BetrSichV

– bei der Verwendung von Arbeitsmitteln § 9 BetrSichV

– bei besonderen Betriebszustände und Betriebsstörungen § 11 BetrSichV Neuer Grundansatz: „die materiellen Anforderungen werden als Schutzziele formuliert“ , so dass „eine hohe Flexibilität für den Arbeitgeber erreicht“ wird“ BR-Drs.

Vorteil Flexibilität bedeutet auch Eigenverantwortung/weniger Rechtssicherheit § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrSichV ● Schutzmaßnahmen müssen „nach dem Stand der Technik getroffen“ werden ● Verwendung der Arbeitsmittel muss „nach Stand der Technik sicher“ sein

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4. Kontrolle von Arbeitsmitteln

Kontrolle durch die Beschäftigten: ● „vor ihrer jeweiligen Verwendung durch Inaugenscheinnahme“ ● arbeitstägliche Kontrolle durch die Beschäftigten Mattes/Fähnrich + Wiebauer

● „auf auffällige Schäden“ BR-Drs

● Ziel: „Entdeckung von Mängeln, die beim einfachen Ansehen ohne jede Mühe erkannt werden können“ Pauli

● „Ergebnis „offensichtlich in Ordnung“ Aich/Damberg/Preuße

● z.B. auch Kontrolle elektrischer Anschlussleitungen Mattes/Fähnrich, BetrSichV

● Beispielsurteil: „Die defekte Kabeltrommel“ AG Tettnang 2005 ● Umsetzung: Vorgabe in Betriebsanweisung und Unterweisung letztlich Hinweis auf Selbstverständliches = gesunden Menschenverstand

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6. Stand der Technik – Wo gilt er?

● für die Gefährdungsbeurteilung § 3 Abs. 7 BetrSichV – „Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen. Dabei ist der Stand der Technik zu berücksichtigen“ zB „Der gebrochene Schiffsmast auf dem Spielplatz“ AG Offenbach Okt 2004: „Man muss wenigstens wissen, was Stand der Technik ist, bevor man sich für oder gegen eine der zur Verfügung stehenden Methoden entscheidet“

● für die Schutzmaßnahmen § 4 Abs. 1 Nr. 2 BetrSichV

– sie müssen „nach dem Stand der Technik getroffen“ werden, „nicht zwingend ist, dass das Arbeitsmittel selbst dem Stand der Technik entsprechen muss“ BR-Drs.

● für die Verwendung der Arbeitsmittel § 4 Abs. 1 Nr. 3 BetrSichV

– sie muss „nach dem Stand der Technik sicher“ sein, aber „insgesamt muss die Verwendung des Arbeitsmittels nach dem Stand der Technik sicher sein: dies kann auch durch ergänzende Schutzmaßnahmen gewährleistet werden“ ● für die Montage, also „die Errichtung von Arbeitsmitteln, der Auf- und Abbau, die Erprobung sowie die Instandhaltung und Prüfung von Arbeitsmitteln“ – sie müssen „nach dem Stand der Technik erfolgen und sicher durchgeführt werden“ § 6 Abs. 3 Nr. 1 BetrSichV

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Stand der Technik – Was ist er und wie/wo finde ich ihn?

● „Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme oder Vorgehensweise zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten oder anderer Personen gesichert erscheinen lässt“ § 2 Abs. 10

● mittlerer Sicherheitsstandard zwischen anerkannten Regeln der Technik (Basissicherheit) und Stand von Wissenschaft und Technik (strengste Stufe) ● Maßstab ist „an die Front der technischen Entwicklung verlagert“ (BVerfG) und man muss „in die Meinungsstreitigkeiten der Techniker eintreten, um zu er- mitteln, was technisch notwendig, geeignet, angemessen und vermeidbar ist“ ● Stand der Technik ist sehr „unbestimmt“ und die BetrSichV „sagt nichts darüber aus, welche Maßnahmen im Einzelfall geboten sein könnten, um den Stand der Technik einzuhalten“ LG Bonn, Urteil aus 2004

Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) „von großer Bedeutung“ ● Arbeitgeber hat sie zu „berücksichtigen“, darf aber abweichen, „wenn Sicherheit und Gesundheit durch andere Maßnahmen zumindest in vergleichbarer Weise gewährleistet werden“ § 4 Abs. 3 BetrSichV

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Vorteile bei Anwendung Technischer Regeln

1. Übernahmevereinfachung Der Arbeitgeber darf Informationen aus den TRBS „übernehmen, sofern sie auf die Arbeitsmittel, Arbeitsbedingungen und Verfahren in seinem Betrieb anwendbar sind“ § 3 Abs. 4 BetrSichV

2. Dokumentationsvereinfachung „Hält sich ein Arbeitgeber an die bekannt gegebenen Regeln, ist die Einhaltung der Anforderungen der BetrSichV leicht nachvollziehbar“ BR-Drs.

Wenn TRBS nicht eingehalten werden, muss dagegen in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung konkret gesagt werden, „wie die Anforderungen der BetrSichV eingehalten werden“ § 3 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 BetrSichV

3. Rechtskonformitätsvermutung Bei ihrer „Einhaltung ist davon auszugehen“, dass die Anforderungen der BetrSichV „erfüllt sind“ § 4 Abs. 3 BetrSichV – jede Vermutung ist aber widerlegbar

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Bestandsschutz

durch die Vorgabe von Schutzzielen sei „das Bestandsschutzproblem bei älteren Arbeitsmitteln gelöst“ und es „entsteht für den Arbeitgeber Rechtssicherheit hinsichtlich des Bestandsschutzes“ BR-Drs.

1. kein ausdrücklicher Bestandsschutz – anders § 7 BetrSichV alt

● BetrSichV „gilt für alte und neue Arbeitsmittel gleichermaßen“ BR-Drs.

● keine „Festfrierung“ auf einen bestimmten Stand der Technik 2. Bestandsschutz (nur) im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung „Arbeitgeber muss im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung eigenverantwort-lich selbst entscheiden, ob ggf. Nachrüstmaßnahmen erforderlich sind“ BR-Drs.

3. Bestandsschutz durch (erforderliche) Schutzmaßnahmen ● „Schutzziele der Verordnung sind zwar in jedem Fall einzuhalten und die Ver- wendung der Arbeitsmittel muss sicher sein. Dies kann jedoch zB bei älte- ren Arbeitsmitteln auch durch ergänzende Maßnahmen sichergestellt werden, so dass ältere Arbeitsmittel nicht ausgesondert werden müssen“ Br-Drs.

● Bestandsschutz auch „durch ergänzende Schutzmaßnahmen“ BR-Drs.

schwierige und verantwortungsvolle (Wertungs-)Frage

kein 7. starrer

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Zeitschrift für betriebliche Prävention und Unfallversicherung (BPUVZ) Heft 5/2015

Sachverhalt: Klägerin stürzte 2010 beim Verlassen eines 1989 errichteten – nicht mehr dem Stand der Technik entsprechenden – Parkhaus-Aufzugs, weil die Kabine ca. 40 cm oberhalb des Bodenniveaus stoppte.

Urteil: Der Aufzugsbetreiber haftet nicht, 1. weil er haftungsbefreiend die Instandhaltungspflicht auf einen Dienstleister übertragen hat und 2. weil der Aufzug insgesamt noch sicher genug ist und ordnungsgemäß errichtet und gewartet wurde.

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8. Betriebsanweisung

Für was? alle Arbeitsmittel ● kann entfallen „für einfache Arbeitsmittel, für die eine Gebrauchsanleitung nicht mitgeliefert werden muss“ und ● kann ersetzt werden durch die „mitgelieferte Gebrauchsanleitung, wenn diese Informationen enthält, die einer Betriebsanweisung entsprechen“ ● können leichter erstellt werden mit Hilfe der Herstelleranleitungen, denn es gibt eine – im Ausgangspunkt – entlastende Richtigkeitsvermutung und vereinfachende Übernahmemöglichkeit (siehe s.o.) Die Betriebsanweisung muss ● „schriftlich“ sein, ● „den Beschäftigten an geeigneter Stelle zur Verfügung stehen“, ● „bei den regelmäßig wiederkehrenden Unterweisungen in Bezug genommen werden“ und ● „bei sicherheitsrelevanten Änderungen der Arbeitsbedingungen aktualisiert werden“

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Betriebsanweisung – Inhalte

● BetrSichV regelt keine Inhalte der Betriebsanweisung ● Inhalte ergeben sich aus der Gefährdungsbeurteilung ● es geht um die (Rest-)Risiken bei Verwendung von Arbeitsmitteln ● zahlreiche Inhalte folgen aus den Organisationspflichten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln: immer wenn der Arbeitgeber „dafür sorgen muss“, dass der Beschäftigte etwas tut oder nicht tut, sollte er das entsprechend in der Betriebsanweisung vorschreiben ● zB ein Arbeitsmittel darf nur nach Prüfung durch befähigte Personen und nach Kontrolle durch den Verwender zum Einsatz kommen

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9. Unterweisung

● „anhand der Gefährdungsbeurteilung“ § 12 Abs. 1 BetrSichV ● anhand der Betriebsanweisung ● „ausreichende und angemessene Informationen“ über ● „vorhandene Gefährdungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln ein- schließlich damit verbundener Gefährdungen durch die Arbeitsumgebung“, ● „erforderliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensregelungen“ und ● „Maßnahmen bei Betriebsstörungen, Unfällen und zur Ersten Hilfe bei Notfällen“

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Unterweisung – Dokumentation

● „schriftlich“, ● „mit Datum“ und ● mit „Namen der Unterwiesenen“ ● und – sinnvollerweise – mit Namen der Unterweisenden, ● sowie – sehr wichtig – die Unterweisungsinhalte, denn sonst kann später nicht belegt werden, ob über gerade die Umstände unterwiesen worden ist, auf die es (z.B. in einem Haftungsfall) ankommt AG Aachen „Einstürzende Hohlwände in Aachen“: Das erwähnt ein Dokument, aus dem sich ergibt, dass „eine vollständige Sicherheitsunterweisung auch in Bezug auf den Umgang mit den Fertigwänden stattfand, an welcher der Verunfallte auch vollständig teilgenommen hat“

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Unterweisung – Zeitpunkt

● „tätigkeitsbezogen vor der Verwendung von Arbeitsmitteln“ (Erstunterweisung), ● „danach in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch einmal jährlich“ (Wiederholungsunterweisung), ● und – sinnvollerweise – in kürzeren Abständen bei hoher Fluktuation der Beschäftigten, ● sowie – sehr wichtig – wenn ein Anlass (z.B. nach einem [Beinahe-]Unfall oder anderen Unregelmäßigkeiten) besteht (Anlassunterweisung)

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

Autor Produkt- sicherheitsrecht:

Beuth-Verlag

Erich Schmidt-Verlag

monatlich eine Fallbesprechung in „Betriebliche Prävention“ (BePr) und „sicher ist sicher“ (sis)

Autor BetrSichV: Autor Arbeits- schutzrecht:

VDE-Verlag

mit 20 Gerichtsurteilen

Neuerscheinung Sommer 2016: Sicherheitsverantwortung:

Arbeitsschutzpflichten, Betriebsorganisation und Führungskräftehaftung – mit 25 erläuterten Gerichtsurteilen (Erich Schmidt Verlag)

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