Die Retinopathie im Rahmen des Diabetes mellitus

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v. Graefes Archiv fiir Ophthalmologie, Bd. 155, S. 567--573 (1954).

Aus der Abteilung ftir Stoffweehselkrankheiten des Kr~nkenh~uses der Stadt Wien (Primararzt: Doz. Dr. JOSEF BL60•).

Die Retinopathie im Rahmen des Diabetes mellitus. Von

l~RA NZ FISCHER.

Einfiihrung.

Mit der gesteigerten Lebenserwartung des I ) i a b e t i k e r s - dank moderner Behandlung (Insulin, Antibiotica usw.) - - verbindet sich eine stere Zunahme der degenerativen I)iabeteskomlolikationen , Retino- pathie und Nephropathie an der Sloitze; Forscher und Praktiker sehen sich bedeutenden Problemen gegenfiber.

Die Forschung hat in den letzten 20 Jahren bemerkenswerte Ent- wicklungen gezeigt: KINMELSTIEL und WILSON weisen 1936 den spe- zifisch-diabetisehen Charakter einer bestimmten Nephropathieform Each, der sog. intercapilli~ren Glomerulosklerose. Mu IUS (1937), HA~uM (1939), AGATSON (1940) und ELWYN (1940) ziehen die Retinaeapillaren, die ven6se Stase, in die ErSrterung der Pathogenese der Retinopathie. ])ann erbringen BALLANTYNE und LOEWE~STEIN (1943) den histo- ]ogischen Nachweis des typischen und h~iufigen Vorkommens ldeinster Aneurysmen, sog. Mikroaneurysmen, an den Retinacaloillaren be i diabetischer Retinopathie [von McKnNzlE und NETTLESIIIP (1877), erstmals gesehen!]. ~hnliche Aneurysmenbildung und Hyalinisation wird in der Niere bei intercapill~irer GlomerulosMerose beobachtet (I-[XCKEL, ALLEN, KIMMELSTIEL U.a.). J. FRIEDENWALD, N. ASIITON und R. DAY erg/inzen diese Befunde; sie weisen auf Gleichartigkeit des Hyalins in der Wand de~ Retinaaneurysmen nnd an den Glomerulus- kn6tchen hin. Diese Autoren erldaren: Retinaaneurysmen nnd Glomern- lusknStehen sind die gebundenen Manifestationen desselben vaseuli~ren Prozesses, bezeugt yon allgemein erh6hter Capillarh'agilit~t. Den SehluBstein setzt N. ASI~TO~ (1953) mit dem Hinweis, dab nieht nur die ven6se Seite - - wie bisher gemeint - - sondern auch die arterielle Seite des Capillarnetzwerkes der Retina yon dem ProzeB ergriffen wh'd; der Ausgang sei Hyalinisation und VerSdung des ganzen Capillarbettes. Inzwisehen hat die JosLINsehe Sehule in den USA ihre Forderung Each exakter, veto Beginne und unausgesetzt geiibter Diabeteskontrolle (Uberwachung, Behandlung) erhoben; denn nur so lieBen sich die degenerativen Diabeteskomplikationen weitgehend vermeiden oder zumindest zeitlieh hinaussehieben. Zuletzt werden vegetatives Nerven- system und Endocrinium in den Vordergrund gestellt; der Einflug yon

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A C T H und Cortison auf Nephropathie und l~etinopathie wird studiert (J. FICIEDENWALD, RICIt und Mitarbeiter, B. BECKER, LE COMPTE U. a.).

Diese Errungensehaften und neuen Aspekte - - wir kormten sie hier nur in groben Zfigen zeiehnen - - haben uns veranlaltt, die Stellung der Retinopathie gegentiber gewissen anderen, hervorstechenden Merkmalen des Diabetes mellitus zu revidieren und festzulegen.

Methode und Ergebnisse. Der Weg der Gegenfiberste]lung wurde gewahlt. Es sind insgesamt

620Diabetiker: 400 ohne Retinopathie, 220 mit l:~etinopathie. Wir wollen die beiden Gruppen kurz nennen: Vergleichsgruppe , Retino- pathiegruppe. Alle Pat ienten standen in station~rer Behandlung, v ide wiederholte Mule seit Jahren. Samtliche Falle sind der Reihe nach erarbeitet worden, internistisch und oculistisch in einem. Dies war nur durch stete Unterstfitzung seitens des Primararztes, Herrn Dozenten Dr. JOSEF BLSCH, mSglich; bestens danke ich daffir.

1. Vergleichsgruppe (ohne Retinopathie).

Umfal~t 400 Diabetiker: 246 Frauen, 154 Manner (61,5% :38,5%). Alter. Aus Einteilung in 5-Jahr-Stufen geht hervor: 20 Jahre und

jfinger sind 19 Patienten (4,7% der Falle); es stehen im Alter von 21--45 Jahren: 65 P~tienten (]6,2 %), yon 46--75 Jahren: 302 Patienten (75%); 76 Jahre und alter sind 14 Patienten (3,5%). Die Kurve steigt bei 50 an, erreicht ihren Gipfel zwischen 51 und 65 und sinkt nach dem 75. Lebensjahr jah ab. Am Al te r fiber 60 Jahre haben die Frauen sti~rkeren Anteil als die Manner.

Blutdruck. Systolische Werte yon 110--140 mm Hg finden sich bei 160Pat ienten (40%), yon 145- -160mm Hg bei 97 Patienten (24%), yon 165--190 mm Hg bei 99 Patienten (24%), sehliei~lieh 195--230 m m Hg und mehr bei 44Pat ien ten (11%). (Daraus ergibt sich kein Bild der Hypertonie; dies fordert Berfieksichtigung des Alters!)

Hypertonie. Bei 184 Patienten ~ 46% der Falle. Mit wenigen Aus- n~hmen ist der Hochdruck labi]. Diastolisehe Werte fiber 100 mm Hg zeigten sich zeitweilig bei 47 yon den 184 Hypertonikern. Die Frauen sind starker beteiligt.

Albuminurie. Bei 69P~t ienten ~ 17% der Falle. iBis in 3Fal len geringgradig, um l~ Esbaeh (fliichtige Spuren blieben unberfick- sichtigt). Bei 43 Patienten t ra t die Albuminurie zusammen mit Hyper- tonie auf.

Nieren/unktionsstSrung. Nur bei 5 P~tienten naehgewiesen; lmal hShergradig.

Arteriosklerose. Bei 115 Patienten ~ 28,7 % der :Falle (Manner und Frauen annahernd gleich beteiligt). Bei 43 Patienten (yon den 115)

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wurde ,,universelle" Arteriosklerose diagnostiziert. Slderose der Bein- alterien land sich 54real (3 Gangr~n), cerebrale Arteriosklerose 13real, Coronarsklerose 48mal.

I~onstitution (nach 1%, SC~IDT). Zum ,,sthenischen Uberdruck- diabetes" zahlen 288 Patienten ~ 72% der F~ille, zum ,,asthenischen Unterdruckdiabetes" 112 Patienten = 28% der Fs in 31 Fallen ist die Einteilung fraglich. In der Adipositas fiberwiegen weitaus die Frauen (40% Frauen zu 24% Manner).

Heredo/amiliaritgt. Bei $5 Patienten ~ 21,25 % der Fa]le. I)er Begriff zerlegt: Herediti~t (Diabetes in Aszendenz oder I)eszendenz) land sieh bei 61 Patienten, Familiaritgt (Seitenlinie), in teilweiser Uberschneidung, bei 41 Patienten. Naher bestimmt: I)irekte t tereditat (Eltern und Kinder) 37real, indirekte Heredit~it (Gro~eltern und Enkel) 7real, kollaterale Heredit~t (Onkel und Neffen) 17real; direkte Familiaritat (Geschwister) wurde 34real, kollaterale Familiarit~it (Vettern) 7real gefunden. In einigen Fallen tr i t t der Diabetes geh~uft in Erscheinung, so in einem Fatle bei der Mutter und deren 6 Brfidern.

Diabetesdauer. Bis zu 4 Jabi.en bei 248 Patienten (62% der F~ille); 5--10 Jahre bei 47 Patienten (11,7%); 11--16 Jahre zufallig ebenfalls 47 Patienten (11,7%); dann 17~30 Jahre bei 58 Patienten (14,5% der Fi*lle).

Mani/estationsalter (bei Einteilung in 5-Jahr-Stufen). I)er I)iabetes manifestierte sich bei 24 Patienten (6% der Falle) vor dem 21. Lebens- jahr, bei 65 Patienten (16,2%) im Alter yon 21--40 Jahren, bei 220 Pa- tienten (55%) im Alter von 41--60 Jahren, bei 91 Patienten (22,7%) nach dem 60. Lebensjahr.

Zum Augenhintergrunde. Von Gelegenheitsbefunden abgesehen, linden sich bei 206 Patienten ~ 51,5% der Falle Ver~nderungen der Netzhautgef~Be, wie Venenerweiterung, Arterienverengerung und -kali- berschwankungen, , , t tarte" des Arterienreflexes, Kreuzungsph~inomene. H5heres Alter, grSgere Blutdruckwerte, Hypertonie und allgemeine Ar~eriosklerose kennzeichnen diese F~lle.

2. Retinopathiegruppe. Umfaf~t 220 I)iabetiker: 152 Frauen, 68 M~nner (69% :31%). Alter. 1Nlur 1 Patient ist jfinger als 20 Jahre; es stehen im Alter

yon 21 45Jahren: 13Patienten (5~9% der F~ille), im Alter von 46--75 Jahren: 187 Patienten (85 % ) ; fiber 76 Jahre alt sind 19 Patienten (8,6%). Am Alter fiber 60 Jahre sind die Frauen starker beteiligt.

Blutdruc/~. Systolische Werte von 110--140 mm Hg iinden sich bei 34 Patienten (15,9%), yon 145--160 ram Hg bei 39 P, atienten (17,7%), yon 165---190 mm tIg bei 85 Patienten (38,6%), yon 195--230 mm Hg und darfiber bei 62 Patienten (28,1%).

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Hypertonie. Bei 166Patienten = 75,4% der F~lle. MKnner und Frauen halten sieh die Waage. Bei 27 Patienten ist der Hochdruck fixiert. Bei 41 Patienten bewegt sich der diastolische Druck zeitweflig tiber 100 mm Hg.

Albuminurie. Bei 122 Patienten = 55,45% der F~lle; 26 Patienten hat ten einen Esbach yon mehr als 30/00 . Bei 102 Patienten t ra t die Albuminurie zusammen mit t typertonie auf.

Nieren/unlctionsstSrung. Bei 46 Patienten ---- 20,9% der :F~lle (17real h5hergradig). 17 Patienten zeigten nephrotisches Syndrom, 3 Patienten Arteriolosclerosis renum (autoptisch), l Patient eine eitrige Pyelo- nephritis (autoptisch).

Arteriost'lerose. Bei 122 Patienten ~ 55,4% der F~lle (die M~nner fiberwiegen). Bei 47 Patienten wurde ,,universelle" Arteriosklerose diagnostiziert; Sklerose der Beinarterien land sich 54real (7 mit Gangrs ; cerebrale Sklerose 26real, Coronarsklerose 48real.

Konstitution (naeh P~. SC~MIDT). Zum ,,sthenisehen Uberdrucks- diabetes" zKhlen 182 Patienten = 82,7% der FKlle, zum ,,asthenischen Unterdruekdiabetes" 38 Patienten ~ 17,2% der FKlle; in 21 F~llen ist die Einordnung fraglich. In der Adipositas fiberwiegen die Frauen.

Heredo/amiliariti~t. Bei 58 Patienten ~ 26,3% der Fs Herediti~t (Diabetes in Aszendenz oder Deszendenz) fand sich bei 37 Patienten, Familiaritiit (Diabetes in Seitenlinie) bei 31 Patienten. Direkte Heredit~it (Eltern und Kinder) land sich 27real, indirekte Heredit~t (GroBeltern und Enkel) 6real, kollaterale Hereditfit (Onkel und Neffen) 4mal. Direkte Familiarit~t (Gesehwister) war 30real, kollaterale Familiarit~t (Vettern) lmal.

Diabetesdauer. Bis zu 4 Jahren bei 51 Patienten (23,18% der F~lle); 5--10 Jahre bei 23 Patienten (10,4%); 11--16 Jahre bei 70 Patienten (31,8%); dann 17--30 Jahre bei 76 Patienten (34,5% der F~lle).

Mani/estationsalter. I)er Diabetes manifestierte sieh bei 7 Patienten (3,18% der F~lle) vor dem 21. Lebensjahr, bei 29 Patienten (13,]%) im Alter von 21--40 Jahren, bei 129 Patienten (66,6%) im Alter yon 41--60 Jahren, bei 38 Patienten (17,2%) naeh dem 60. Lebensjahr.

Die Retinopathie. Die 3 Formen: Retinitis haemorrhagiea (nur It~morrhagien), Retinitis exsudativa (H~tmorrhagien-~ weiBe Herde) und l%etinitis proliferans ( G e f ~ - und Bindegewebsbildung, GlaskSrper- blutung) stehen in einem Hgufigkeitsverh~ltnisse von 40 % : 54,5 % : 5,4 %. An klinisehen Zfigen lassen erkennen : a) Die Fglle mit Retiniti8 haemor- rhagica: Von den 88 Patienten stehen 78 Patienten = 88,6% der F~lle im Alter fiber 56 Jahre. Systolische Blntdruckwerte yon 110--160 ram Hg linden sieh in 30,6%, yon 165--190 mm t tg in 46,5%, von 195 bis 230ram Hg und darfiber in 22,7% der F~lle. 67 Patienten = 76,1% sind Hypertoniker. Arteriosklerose wurde bei 52 Patienten = 59%

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diagnostiziert. Eine Diabetesdauer yon 11 und mehr Jahren findet sieh bei 55 Patienten = 62,5 % der F~lle. Heredofamiliarit~t wurde in 17 % der F~]le nachgewiesen. Albuminurie fand sich bei 42 Patienten = 47,7 % der F~lle. Eine NierenfunktionsstSrung wiesen ]4 Patienten = 15,8% der F~lle auf; 3 Patienten zeigten ,,nephrotisehes Syndrom", ] Patient Arterioloselerosis tenure (autoptiseh), b) Die F~ille mit Retinitis ex- 8udativa: Von den 120Patienten stehen 100Patienten = 83,3% der Fi~lle im Alter fiber 56 Jahre. Systo]isehe Blutdruckwerte yon 110 bis 160 mm Hg linden sich in 32,5%, yon 165--190 mm Hg in 33,3%, yon ]95--230 mm Hg und darfiber in 34,1% der Fi~lle. 87 Patienten = 72,6 % sind Hypertoniker. Arteriosklerose wurde bei 67 Pa t ien ten- -55 ,8% festgestellt. Eine Diabetesdauer yon 11 und mehr Jahren finder sich bei 81 Patienten = 67,5% der Fiille. Heredofamiliarit~t war in 31,6% der Fiille anzutreffen. Albuminurie land sich bei 73 Patienten = 60,8 % der F~lle. Eine NierenfunktionsstSrung wiesen 27 Patienten = 30,6% der Fiille auf; 9 Patienten zeigten ,,nephrotisches Syndrom", 2 Arteriolo- sclerosis tenure, 1 Patient eitrige Pyelonephritis, e) Die Fdlle mit Retinitis proli/erans: Von den 12 Patienten stehen 7 in einem Alter bis zu 47 Jahren (der jfingste ist 27 Jahre alt!); die fibrigen 5 Patienten sind fiber 60 Jahre alt (der ~lteste 71 Jahre!). 2Pat ienten (44 und 66Jahre) haben systolisehe Blutdruekwerte um 120mm Hg; bei 9 Patienten tinden sich Werte yon 160--200 mm Hg; nur 1 Patient hat einen systolisehen Blutdruck yon fiber 200 mm Hg. Bei 3 Patienten land sieh eine Sklerose der Beinarterien (Claudieatio intermittens); ansonsten war die Arteriosklerose wenig ausgesprochen. Heredo- familiarititt zeigte sieh in 5 von den insgesamt 12 Fgllen! Eine Diabetes- dauer yon 10 bis 19 Jahren weisen 3 Patienten, yon 20 Jahren und darfiber 8 Patienten auf; im restlichen Fa]le ist der Diabetes erst seit 3 Jahren bekannt (Wa.R. positiv!). 3 yon den 12 Patienten zeigten ,,nephrotisches Syndrom". Bei 8 Patienten (yon den 12 Patienten) muB die Diabeteskontrolle als absolut ungeniigend bezeichnet werden (Nichtbehandlung oder grSbste Vernachlgssigung).

Bespreehung und Sehluilfolgerung.

Aus Gegenfiberste]lung der beiden Diabetikergruppen: Mit l%etino- pathie (,,Retinopathiegruppe"), ohne l%etinopathie (,,Vergleichsgruppe") ergibt sich folgendes: 1. Der prozentuale Antei] der Geschlechter ist ann~thernd gleich. 2. Die Retinopathiegruppe bevorzugt das hShere Alter; im Alter: 46 Jahre und dariiber stehen 93,6% der Patienten, 4emgegenfiber 78,5% der Vergleichsgruppe. 3. Die Retinopathiegruppe zeigt hShere Blutdruckeinstellung; in den systolischen Werten yon t95 - -230mm Hg und darfiber stehen 28% den 11% der Vergleichs- gruppe .gegenfiber. 4. In der Retinopathiegruppe findet sich die welt

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gr613ere Zahl von Hyloertonikern (75,4% :46% der Vergleiehsgrulope); M/~nner und Frauen halten sich die Waage, indes in der Vergleichsgruploe die Frauen fiberwiegen. 5. In der Retinopathiegruppe ist die Albuminurie viel haufiger und ausdrueksvoller als in der Vergleichsgruppe (55% gegenfiber 17 %). 6. In der Retinopathiegruppe finder sieh eine Nieren- funktionsstSrung in 20,9% der F/ille; dagegen steht 1% (!) der Ver- gleichsgruploe. 7. Arteriosklerose (in ihren versehiedenen Formen) wurde in 55,4% der getinopathiegruppe, in 28,7 % der Vergleichsgruppe diagnostiziert. 8. Das Verh~ltnis yon ,,sthenischem 1Jberdruckdiabetes" zu ,,asthenischem Unterdruckdiabetes" (Einteilung yon g. SCI4MIDT) l/igt sich ausdrficken: in der Igetinopathiegrulope durch 82,7%:17,2%, in der Vergleichsgruppe durch 72% :28%. 9. Heredofamiliarit~t war in der l~etinopathiegruploe in 26,3%, in der Vergleichsgruloloe in 21,2% der F/ille nachzuweisen. 10. In der l~etinoloathiegruppe finder sieh die Diabetesdauer: 11--30 Jahre fast 3fach so oft als in der Vergleichs- gruppe (66,3% :26,2%). l l . Da und dort ist das 41.--60. Lebensjahr bevorzugtes ManifestationsMter bei besserer Ver~eilung der F~lle in der Vergleichsgruppe. In der Retinopathiegrulope ist das Manifestations- alter zweifellos etwas herabgesetzt. 12. Bei dem krassen Unterschiede in der Diabetesdauer unterbleiben besser n/ihere Aussagen fiber Schwere des Diabetes und fiber die Art der Diabeteskontrolle.

Demnach seheinen vorgesehrittenes Lebensalter, hohe Blutdruck- einstellung und Hypertonie, Albuminurie, Nephropathie, allgemeine Arteriosklerose und ,,lange Diabetesdauer" in der Retinoloathiegrul01oe vim h~ufiger und intensiver auf als in der Vergleiehsgrulope (ohne Retinopathie). Uber die Fehlergrenzen hinaus sind Nephropathie (intereapillgre Glomerulosklerose) und Diabetesdauer (10 Jahre und darfiber) entsehiedene Kennzeiehen unserer Retinoloathiegruppe.

Aus Aufgliederung der Retinopathiegrulope je Retinopathieform: Retinitis haemorrhagica (40% der l%lle), Retinitis exsudativa (54,5% der Falle), Retinitis proliferans (5,5% der F~lle) geht hervor: Zwisehen den F~llen mit exsudativer Retinitis und den F/illen mit h/imorrhagischer Retinitis bestehen wesentliche Differenzen lediglieh in I{eredofamiliarit~t und in Nelohroloathie. So ist IIeredofamiliarit~t in 31,6% der Fiille mit exsudativer Retinitis und in 17% der F~lle mit h~imorrhagischer Retinitis nachgewiesen. Die Nelohropathie finder sieh in 30,6% der F~ille mit exsudativer Retinitis und in 15,8 % der Fg]le mit h/~morrhagi- seher Retinitis. Von den 12 t~etinitis proliferans-F/illen weisen 3 das ,,nephrotische Syndrom" auf; in 5 F~llen besteht Heredofamfliarit/it; in 8 F~illen(!) finder sieh eine Diabetesdauer yon mehr als 20 Jahren.

Wir kommen zu dem Schlusse: Retinitis exsudativa und l~etinitis proliferans sind eehte, in Anlage und Vererbung begrfindete diabetisehe Erkrankungen; sie linden in der intercapill/~ren Glomerulosklerose yon

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KIMMELSTIEL-WILsO~N ihr Gegenst i ick . Die d r i t t e der Ret inol0athie- fo rmen , die R e t i n i t i s haemor rhag ica , zi~hlt wohl zu den sog. d iabe tes- ge f5 rde r t en E r k r a n k u n . g e n - - soferne n i c h t i i b e r h a u p t das E in l e i t ungs - s t a d i u m zu an d e re r R e t i n o p a t h i e f o r m vor l iegt .

Zusammen]a,ssung.

Es w e r d e n 400 D i a b e t i k e r ohne l ge t inopa th i e 220 D i a b e t i k e r n mit R e t i n o p a t h i e gegeni iberges te l l t . Vorgeschr i t t enes Lebensa l t e r , hohe B l u t d r u c k e i n s t e ] l u n g u n d t t y p e r t o n i e , Ar t e r io s~e rose , A ] b u m i n u r i e , N e p h r o p a t h i e (nephrot i sches S y n d r o m ) u n d l ange D i a b e t e s d a u e r (10 u n d m e h r Jah re ) s ind die K r i t e r i e n der R e t i n o p a t h i e g r u p p e . R e t i n i t i s e x s u d a t i v a u n d Re t i n i t i s prol i ferans w e r d e n als echte, in An lage u n d V e r e r b u n g begr f inde te d iabe t i sche E r k r a n k u n g e n angesprochen . Die d r i t t e der R e t i n o p a t h i e f o r m e n , die R e t i n i t i s haemolThagica , wird zu d e n , ,d iabe tesgefSrdcr ten" E r k r a n k u n g c n gcziih]t. Au I E r 6 r t e r u n g e n y o n K a u s M i t ~ t e n - - auSer d e m Diabe t e s me l l i tus - - wi rd verz ich te t .

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Dozent Dr. F~ANZ FISChEr, Wien I (0sten-eich), Opernring 17.

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