Glanzlichter und Tiefpunkte des Journalismus. Eine Fallsammlung

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Glanzlichter und Tiefpunkte des Journalismus.Eine Fallsammlung.

Sascha Nottmeier, Martin Höfelmann und Attila SöderSeminar Journalismus & PR

Gliederung

1. Kriterien für guten Journalismus

2. Glanzlichter der Journalismus

3. Tiefpunkte des Journalismus

4. Diskussionsrunde

Kriterien für guten Journalismus

Aufgaben des Journalismus

• Informieren

• gesellschaftliche Kontroll- und Kritikfunktion der Demokratie– Hinterfragen– Missstände aufzeigen– Kritisieren

• Unterhalten

Quelle: Mast, C. (2008): ABC des Journalismus

Wie lässt sich guter Journalismus kategorisieren?

Wie lässt sich guter Journalismus kategorisieren?

• Handwerkliche Kriterien

• Moralische Kriterien

• Unternehmenspolitische Kriterien

Quelle: Presseportal.de

Das Handwerk

• Interessanter Stoff, Originalität

• Gründliche und saubere Recherche

• Klare Darstellung

• Objektivität

Das Handwerk

Spezifisch arbeiten in Bezug auf

– Medium

– Genre

– Zielpublikum

Moralische Kriterien

• Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit steht an höchster Stelle

• transparente Selbstkontrolle

• Korrekt informieren, schonungslos, aber respektvoll und fair aufklären

• Das Herstellen von Transparenz und nicht die Sensation muss im Mittelpunkt stehen

Quelle: Mast, C. (2008): ABC des Journalismus

Moralische Kriterien

• Wahrung der berufsethischen Prinzipien

• Deutscher Pressekodex– Persönlichkeitsrechte– Schutz der Ehre– Schutz der Religion– Jugendschutz– Diskriminierung– Unschuldsvermutung

Unternehmenspolitische Kriterien

• Journalismus richtet sich an „zwei“ Zielgruppen: Bürger und Medienkonsumenten

• Der Markt entscheidet was guter Journalismus ist

• Politisches Gut im Sinne der Wohlinformiertheit– Kritik und Aufklärung

• Bspw.: Rote und Blaue Gruppe im Hause Springer

Glanzlichter des Journalismus.Eine Auswahl.

Erich Böhme

„Ein Mann, wie er im Lehrbuch der aufgeklärten wie aufklärerischen Publizistik zu stehen hat.“ – ZEIT vom 28.11.09

• Geboren 1930 in Frankfurt/Main

• Studium der Volkswirtschaft, dann Journalist

• Ab 1958 Wirtschaftskorrespondent beim SPIEGEL

• Von 1973-1989 Chefredakteur SPIEGEL

• 1990-1994 Herausgeber Berliner Zeitung

• 1990-1999 Moderator „Talk im Turm“

Kurzportrait

Ausgangspunkt:• 1975: Flick-Konzern kauf Aktien von Daimler-Benz

(1,9 Mrd. DM)• Flick beantragt und erhält Steuerbefreiung beim

BWM

Der Spiegel deckt auf und berichtet über:• Das System Flick und die „Pflege der Bonner

Landschaft“• „FKF wg FJS“• 1982: Parteien wollen Generalamnestie – Spiegel

berichtet

Rahmen:Augstein vs. Böhme: „All the news that's fit to print"

Die Flick-Affäre im SPIEGEL

Watergate an der Waterkant

Hintergrund: – Der Landtagswahlkampf 1987– Barschel engagiert Reiner Pfeiffer

Der Spiegel deckt die Affäre auf:• Pfeiffer offenbart Methoden Spiegel• Böhme setzt sich gegen Augstein intern

durch• Spiegel berichtet am 7. und 14. September

Kritik von Seiten der CDU

Barschels Ehrenwort Weitere Veröffentlichungen Barschel wird tot in Genf aufgefunden

Die Erfindung des Polit-Talks

• Von der „unnützen Zeitverschwendung“ zur ersten echten Polit-Talkshow

• Produziert von Sat1

• Böhme moderierte von 1990-1998

„In 393 Sendungen ließ er die Gäste reden,

aufeinander losgehen oder ins Abseits tappen, ganz

nach der Art des Chefredakteurs, der einst genau so

mit seinen Redakteuren verfahren war.“

– aus dem Nachruf im Spiegel vom 7.12.2009

• Vor der Bundestagswahl: Böhmes letzte Sendung

• Nach Talk im Turm: ARD, ZDF übernahmen das Konzept

Guter Journalismus:New York Times? Trierer Volksfreund!

Saarbrücker Zeitung:Die Oskar-Orth-Straße

Recherche

Ausdauer

Zeitung als Wächter

Demokratisches Handeln

Die Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung:Thomas Kintscher und Willi Nowack

Umgang mit Informationen Hartnäckigkeit/Jahrelange Recherche Kontrollfunktion

Berliner Morgenpost: Dem Amtsschimmel auf den Zahl gefühlt…

Transparentes Aufzeigen von Missständen

Nähe zum Leser

Gleichbehandlung aller Behörden

Berichte statt Kommentaren

Aufzeigen von Verbesserungsmöglichkeiten

Politische Debatte

...und beharrlich geblieben.

Pinneberger ZeitungNah beim Menschen

Themenwahl

Darstellungsform

Sprache

Gesunder Lokalpatriotismus

Resonanz

Die Nowaja Gaseta und der Fall Politkoswkaja:Investigativer Journalismus in Russland

Anna Politkowskaja: 1958 -2006

• Menschenrechtlerin, Journalistin, „Feindin des russischen Volks“

• Ihr Thema: Der Tschetschenien-Krieg

• Widerspruch gegenüber den Staatsmedien

• Aufdeckung von Kriegsverbrechen, Korruption, Raub

Nowaja Gaseta:

• Auflage von 600.000 Stück• Überregionale Wochenzeitung• Miteigentümer: Michail Gorbatschow

• Ermordete Journalisten: Igor Domnikow, Juri Schtschekotschichin, Anna Politikowskaja, Anastassija Barburowa, Natalja Estemirowa

• Zensur/Repressionen seitens des Staats

Die Nowaja Gaseta und der Fall Politkoswkaja:Investigativer Journalismus in Russland

• gesellschaftliche Kontroll- und Kritikfunktion

• Hinterfragen von Staatsmedien

• Saubere Recherche

• Beitrag zum Demokratisierungsprozess

• „Weiterschreiben trotz ständiger Angst“

Die Nowaja Gaseta und der Fall Politkoswkaja:Investigativer Journalismus in Russland

Und wer überwacht die Medien?

Beispiel für guten Medienjournalismus:ZAPP vom NDR

Tiefpunkte des Journalismus.Eine Auswahl.

Das Gladbecker Geiseldrama16. – 18.08.1988

17. August

17. August

17. August

17. August

• Auf einer Raststätte wird Marion Löblich festgenommen

• Die Geiselnehmer fordern ihre sofortige Freilassung

• Nach 5 Minuten soll eine Geisel erschossen werden

17. August

17. August

• Ein 15jähriger Italiener wird in den Kopf geschossen

• Der Bus fährt in die Niederlande

• Auf der Verfolgung des Busses starb ein Polizist

• Die Gangster wechseln wieder in einen PKW

• Mit jetzt nur noch zwei Geiseln fahren sie nach Köln

• In der Innenstadt gibt es wieder fröhliche Interviews

18. August

18. August

• Auch hier hätte die Polizei beinahe wieder zugegriffen

• Das Risiko erschien jedoch zu hoch

• Einige Journalisten zeigten Fotos von Polizisten, damitdiese nicht als Geiseln untergeschmuggelt werden konnten

• Noch besser: Udo Röbel, Express Reporter, stieg ins Autound lotste die Gangster auf die Autobahn

18. August

18. August

• Bei Bad Honnef griff ein Spezialeinsatzkommando zu

• Nach einem heftigen Schusswechsel war die Geiselnahme beendet

• Die beiden Gangster wurden verletzt

• Die Geisel Ines V. rettete sich durch einen Sprung inden Straßengraben

• Die Geisel Silke Bischoff wurde von Rösner erschossen

Die Rolle der Medien

• Journalisten ohne Distanz

• Vom Beobachter zum Beteiligten

• Medien bieten Verbrechern Bühne

• Grenzüberschreitung für die große Story

• Reporter verhindern Eingreifen der Polizei

• Journalist lotst Geiselgangster aus der Stadt

Tagesschau18.08.1988

Guttenbergs falscher Wilhelm.Wikipedia und die Medien.

...aber: der Wilhelm ist frei erfunden. Wikipedia war‘s!

Der Morgen danach: Handelsblatt.comheute.derp-online.de

Spiegel Online: „Eine beliebte Journalistenfrage an ihn ist jene nach seinem kompletten Namen. Ob er den bitte einmal aufsagen möge. Manchmal macht er das dann auch. Und los geht’s: 'Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Wilhelm Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg.' Er sei aber so erzogen worden, dass nicht der Name, sondern die Leistung zähle, fügt er dann regelmäßig an.“

Bei Wikipedia gab es derweil erste Zweifler, doch:

Journalisten glauben Wikipedia.Wikipedia glaubt Journalisten.

Also schaffte es der „Wilhelm“ auch unter anderem hierher:

RTL NachtjournalRheinische PostSüddeutsche ZeitungBZ...und eben auf die BILD Titelseite

11. Februar:

BILD korrigiert den Namens-Fehler

Andere Medien sind selbstkritischer:

• Handelsblatt.com entschuldigt sich und will „Lehren“ aus dem Vorfall ziehen

• Die taz findet, dass "solche Täuschungsversuche (…) nicht zur Regel werden" dürften, denn dann sei "auf Wikipedia gar kein Verlass mehr".

• Die Süddeutsche hat eine Glosse über das Thema veröffentlicht

• rp-online und Hit Radio FFH haben den „Wilhelm“ kommentarlos entfernt

• Bei heute.de, der Berliner Zeitung, dem Tagesspiegel, radioeins, superillu.de, dem bayrischen Landesverband der Linken, der WAZ, der Kölschen Rundschau, merkur-online, oder der BZ hieß Guttenberg auch 3 Tage später noch „Wilhelm“

Besonders schön: Spiegel Online

„Ein Fälscher, der sich inzwischen in einem Blog damit brüstet, hatte in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia den Guttenberg-Eintrag verändert.“

„Guttenbergs Vornamen werden allerdings nicht im von SPIEGEL ONLINE standardmäßig genutzten biographischen Archiv „Munzinger” aufgelistet. Sie werden weder auf seiner eigenen Homepage, der Seite der Unionsfraktion im Bundestag, der CSU-Landesgruppe, im Bundestagshandbuch noch auf den Internetseiten der CSU oder des Wirtschaftsministeriums genannt.“

Besonders schön: Spiegel Online

„Nahezu alle Medien saßen am Montag dem „Wilhelm”-Fälscher auf. Und der Zeitdruck war groß. Selbst Guttenbergs Mitarbeiter hatten bei der SPIEGEL-ONLINE-Namensrecherche am Mittwochmorgen keine schnelle Antwort parat.“

Das alles, und noch viel mehr...

Diskussionsvorschläge

Können alle Zielgruppen überhaupt gleichermaßen zufrieden gestellt werden?

Ist ethisch saubere Arbeit im Journalismus im Kampf um Quoten, Hörer und Leserheute noch möglich?

Wie weit dürfen Medien gehen, wo ist die Grenze? (Stichwort: Winnenden)

Welche Auswirkungen hat die Schnelligkeit des Internets auf die journalistische Sorgfalt? Kann man sich journalistische Sorgfalt noch leisten?

Quellen

• Mast, C. (2008): ABC des Journalismus – Ein Handbuch, Konstanz 2008.• www.Presserat.de• www.presseportal.de• www.youtube.de• www.zapp.de• www.bildblog.de• www.stefan-niggemeier.de• www.spiegel.de• www.sueddeutsche.de• WDR• ZAPP >> Das Medienmagazin• Glombeck, D. & Lutz, E. (2005): Wächteramt & Alltagsleben – Die Konzepte der besten Lokalzeitungen

Deutschlands. Bonn: Bpb.• Politkovskaja, A. (2002): Tschetschenien – Die Wahrheit über den Krieg. Köln: Dumont.• Albrecht, E. (2008): Die Meinungsmacher: Journalistische Kultur und Pressefreiheit in Russland. Köln: von

Halem.• Kilz, H. W. (1983): Flick: Die gekaufte Republic. Reinbeck: Rowohlt.• Wessels, H. (1988): Uwe Barschel – Die Hintergründe der Affäre. Weinheim: Dt. Studien Verlag.• Bickerich, W. (2009): Nachruf: Erich Böhme. In: Spiegel 50/2009.

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