H. Scholz Krankenhaus de La Tour in Treffen und ... fileObesitas. Craving. Suchtverhalten. Risiken....

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Warum die „Verdauung“ schon im Kopf (ZNS) beginnt - speziell bei Adipositas mit

Suchtkomponente

H. ScholzKrankenhaus de La Tour in Treffen und

Departement für Psychosomatik am Krankenhaus Waiern/Feldkirchen

Ganz allgemein ist man der Ansicht, dass

Nahrungsaufnahme vornehmlich durch den Gastrointestinaltrakt

gesteuert wird

Verbreitete fehlerhafte Ansichten über Essen - Verdauung

„Man isst vor allem, weil der Körper Nahrung braucht“Bei Übelkeit muss vor allem der Magen/ Intestinaltrakt untersucht und behandelt werden„Dick werden weist auf Willensschwäche hin, oder es sind halt die Hormone“„Wenn man abnehmen will, muss man sich besser beherrschen und Diät halten“

Hingegen kennt der Volksmund viele Zusammenhänge mit der Psyche

„Er hat Kummerspeck angesetzt“„Lasst dicke Männer um uns sein, die nachts gut schlafen…“„Mein Chef ist ein echtes Brechmittel“„Wenn ich an das Problem denke, wird mir ganz schlecht“„Hat sich fast zu Tode gehungert“„Auf Süßigkeiten bin ich süchtig“

Somit spricht vieles für eine dominante Rolle der Psyche

als wichtige Instanz zur Regulierung der Nahrungsaufnahme

speziell bei süchtig entgleister Adipositas

-

„Esssucht“

„Normale“ Ernährung

LeistungEnergie-

bedarf

Signale

Hunger

Durst

Nahrungssuche

Auswahl, Essen

Vorratsbildung

Leistungsfähig

Reserven

Depotbildung

für

Notfall

Pathologisches Essverhalten „Obesitas

mit Suchtkomponente“

Disposition unmotivierte Essimpulse

Überdimensionale, falsche

Verstärker

Verlust des Sättigungsgefühls

Neurobiologische

Umstrukturierung

Verhaltensänderung

Hungereskalation

Obesitas

Craving

Suchtverhalten

Risiken

Konsequenzen zB. Diabetes…

Disponierende Faktoren intrapersonell

Genetisch/ EpigenetischDisposition für Suchtentwicklung z.b.: fehlerhaft reguliertes BelohnungssystemPrägung/LernprozesseNeurohumorale, neurobiologische FehlregulierungenAnfällige Persönlichkeitsstile/MusterPsychische Krankheitshintergründe z.B. Depressionen Angststörungen, ADHD….Erhöhte Stressanfälligkeit (Cocurello et al. 2009)Verminderte Fähigkeit zur ImpulskontrolleChronobiologische Dispositionen (Manev et al. 2006)

Verstärkende Faktoren - exogen

Angebote, des Nahrungsmittels/Getränk(Stoeckel et al. 2008, Ifland et al. 2009)Attraktivität - Werbung für hoch kalorischeNahrungsmittel (van den Bos et al. 2006) Einengung der Möglichkeit zu Bewegung/SportSozialer Druck Permanente StressreizeNebeneffekte einer Medikation

Medikamente mit individuell möglichen anabolen Nebeneffekten -

Beispiele

Insuline und AntidiabetikaBeta-Blocker Kortisonhaltige MedikamenteMigränemittel (z.B. Pizotifen)HormonbehandlungenAntidepressivaNeuroleptika…..

In den Energiehaushalt involvierte Strukturen des ZNS (Berthoud

et al. 2008)

Cortex und limbisches System – kognitive und emotionale Beziehungen zur ErnährungHypothalamus und kaudaler Hirnstammrepräsentieren kontrollierende Instanzen für Homöostase - „Sollgeber“Mesolimbische Funktionssysteme (Nucleus accumbens, ventrale tegmentale Area, Amygdala) steuern Belohnungseffekt und Craving-„Belohnungssystem“

Eigenschaften des „Belohnungssystem“

„Belohnung“ für bestimmte Nahrungsmittel, Drogen bzw. Handlungen durch vermehrte DopaminausschüttungManipuliert somit unser VerhaltenAngesiedelt im Gehirn – speziell im Accumbenskern mit mesolimbischerDopaminbahn

Mesolimbische Dopaminbahn

Aus: D. Self, AJP 2004

Enthemmung des Verhaltens

Belohnung, Lernen, Motivation

In das Geschehen sind viele Funktionssysteme involviert

Hyper(hypo)aktives RewardsystemDefiziente Reaktionen auf Schlüsselreize Amygdala, orbitofrontaler Cortex und Nucleus accumbens (Stoeckel et al. 2009)Stressbedingte chronische Stimulation der HPA Achse – HypercortisolismusGestörte Balance der neuroendokrinenenMediatoren z.B. Leptin, Insulin, Neuropeptid Y (Adam et al. 2007)

Weitere Hinweise auf dysfunktionale

Systeme im ZNS

Hinweise auf defiziente Dopaminrezeptoren(Riva et al. 2006)Ausfall der Rewardbremse im medialen Hypothalamus (Figlewsicz et al. 2009)Dysregulierung der Funktion des

Endocannabinoidsystems (Cota 2008)

Spezielle Aspekte bei süchtigem Essen

Starke Beteiligung des Belohnungssystems„Craving“Zentrale Bedeutung des Essens für das LebensgefühlVeränderte Reaktion auf Schlüsselreize - statt Hungerreizen „mit den Augen essen“ (Castellanos et al. 2009)Verlust der Mengenkontrolle (Trinko et al. 2007)Essen ohne Rücksicht auf gesundheitliche bzw. soziale KonsequenzenHäufige Komorbiditäten mit anderen Abhängigkeiten bzw. affektiven Störungen (Volkow et al. 2008)

Querverbindungen zwischen affektiven Störungen und Esssucht

Hohe Komorbiditätsraten!Essen zur Abwehr depressiver Gefühle Depressivität durch gewichtsbedingte soziale AusgrenzungSelbstwertproblematik als gemeinsamer Hintergrund

Vulnerabilität

Gefährdung des Selbstkonzepts

SelbstschädigendeFehlreaktionen SelbstentwertungStresspotenzierung

Neurohumorale DekompenstionSelbstentwertungAngst, SpannungDepressionErleichterungsessen

Fehlende Schutzfunktionen

Esssucht, AdipositasSoziale AusgrenzungSelbstwertverlustManifeste DepressionErleichterungsessen Gescheitertes AbnehmenSchuldgefühle Depressionssteigerung

Fehlfunktion des Belohnungssystems

Dekompensiertes Selbstkonzept

Konsequenz Depression, Obesitas

Psychosoziale Konsequenzen

Eskalierende Selbstentwertung durch ÜbergewichtigkeitAbwertung und Isolierung durch die sozialen und familiären BezugspersonenSpeziell bei Jugendlichen entstehen daraus erhebliche Störungen der psychosozialen Entwicklung (Acosta et al. 2008)

Somatische Konsequenzen der Obesitas

Erhöhte Tendenzen zur Entwicklung von DiabetesKardiovaskuläre ErkrankungenLebererkrankungen und andere StoffwechselstörungenEskalation von Obesitas und Komplikationen auch durch einseitige Diäten (Davis et a. 2008)

Irrwege und problematische Therapieansätze

In Anbetracht der Komplexität ist jede einseitige „Monotherapie“ problematischDiäten werden vom ZNS als „Notprogramm“aufgefasst und durch erhöhte Nahrungsaufnahme beantwortetChirurgische Eingriffe sind bei Adipositas mit manifester Suchtkomponente kontraindiziertIsolierte Medikation meist ineffektiv und oft problematisch

Therapeutische Aufgaben bei Adipositas

mit Suchtkomponente

Grundsätzlich mehrdimensionale Therapie Komplexe, langzeitige Beeinflussung der süchtigen KomponentePsychotherapeutische Arbeit an Hintergründen und Konsequenzen – SelbstaufwertungBehandlung psychischer BasisstörungenEmotionale StabilisierungStatt einseitiger Diäten ausgewogene kalorisch vernünftige ErnährungIn Relation zu ausreichender individuell angemessener Bewegung/ SportEinbeziehung des Umfelds in das Gesamtkonzept

Bewertet man diese Befunde, dann entstehen speziell die problematischen Essimpulse

hauptsächlich

im Zentralnervensystem des Menschen

Somit wäre zu empfehlen, Obesitas

in den Katalog der

psychiatrischen bzw. zentralnervösen Klassifizierungssysteme aufzunehmen.

Volkow et al. 2007,Kiefer et al. 2009

Und wenn das alles noch nicht ausreicht

gibt es multidisziplinär arbeitendeZentren nicht nur in Kärnten

Das Krankenhaus de La Tour

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