Höhere Mathematik 3 · 2.1. Integration über Flächenstücke im Raum 2.1.1.Definition. Essei Dj...

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Höhere Mathematik 3

Apl. Prof. Dr. Norbert Knarr

FB Mathematik

Wintersemester 2019/20

2. Integration von Funktionen in drei Variablen

2.1. Integration über Flächenstücke im Raum

2.1.1. Definition.Es sei D j R2 eine offene Teilmenge und � : D → R3 eine stetigdifferenzierbare Abbildung. Dann heißt � Parameterdarstellung für einFlächenstück S = �(D) wenn gilt:

• � ist injektiv;

• für jeden Punkt (u ; v) 2 D hat die Jacobi-Matrix J�(u ; v) denRang 2, d.h. ihre Spalten sind linear unabhängig.

Die Menge S = �(D) heißt das von � erzeugte Flächenstück.

Die Spalten der Jacobi-Matrix sind die partiellen Ableitungen von �nach den Variablen u und v , vgl. A 4.7.1. Die Spalten von J�(u ; v)sind genau dann linear unabhängig, wenn für ihr Kreuzprodukt gilt�u(u ; v)� �v (u ; v) 6= 0; vgl. L 2.10.3.6.

Für einen festen Parameterwert (u0; v0) 2 D werden durchC (t) = �(u0 + t ; v0) und D(t) = �(u0; v0 + t) für t in einerUmgebung von 0 2 R Kurven auf der Fläche S = �(D) parametrisiert.Für die Tangentenvektoren an diese Kurven für t = 0 giltC 0(0) = �u(u0; v0) und D 0(0) = �v (u0; v0) . Also erzeugen diese beidenVektoren die Tangentialebene an die Fläche S im Punkte �(u0; v0) ,und die lineare Unabhängigkeit sorgt dafür, dass es sich wirklich umeine Ebene handelt. Diese Tangentialebene ist gegeben durch

�(u0; v0) + R�u(u0; v0) + R�v (u0; v0):

Der Vektor �u(u0; v0)� �v (u0; v0) ist der Normalenvektor an dieFläche S im Punkt �(u0; v0) , und

�u(u0; v0)� �v (u0; v0)

|�u(u0; v0)� �v (u0; v0)|

ist der Einheitsnormalenvektor.

2.1.2. Beispiel (Oberfläche der Kugel mit Radius R).

Diese Fläche ohne den Nullmeridian wird beschrieben durch

� : (0; 2�)� (0; �) → R3 : ('; #) 7→ R �

0B@ sin# � cos'

sin# � sin'cos#

1CA

Es gilt

�' = R �

0B@ − sin# � sin'

sin# � cos'0

1CA ; �# = R �

0B@ cos# � cos'

cos# � sin'− sin#

1CA ;

�' � �# = R2 �

0B@ −(sin#)2 � cos'

−(sin#)2 � sin'− sin# � cos#

1CA = −R � sin# � �('; #):

Dieser Vektor ist nur dann Null, wenn sin# = 0 gilt, und das ist imgewählten Parameterbereich nie der Fall.

2.1.3. Definition.Es sei D j R2 eine offene Teilmenge und � : D → R3 eineParameterdarstellung für ein Flächenstück. Weiterhin sei J $ D einvon einer stückweise glatten regulären einfachen geschlossenenen KurveK begrenzter Bereich und S = �(J ) . Dann heißt

F (S) =∫ ∫

J|�u(u ; v)� �v (u ; v)|du d v

der Flächeninhalt der Fläche S .

2.1.4. Bemerkungen.

1 Die etwas schwerfällige Definition vermittels D und J hat damitzu tun, dass Parametrisierungen differenzierbar sein sollen (unddeshalb einen offenen Definitionsbereich haben); integriert wirdaber über kompakte, insbesondere abgeschlossene Mengen.

2 Gemäß L 2.10.3.5 ist |�u(u ; v)� �v (u ; v)| der Flächeninhalt desvon �u(u ; v) und �v (u ; v) aufgespannten Parallelogramms. Es istdaher plausibel, dass das Integral über diesen Ausdruck dieGesamtfläche ergibt.

2.1.5. Beispiel (Inhalt der Kugeloberfläche vom Radius R).

Mit der Parametrisierung aus 2.1.2 erhalten wir für die Länge desNormalenvektors im Punkte ('; #) 2 D

|�'('; #)� �#('; #)| = |−R � sin# � �('; #)| = R2 � sin#:

Also gilt für die gesuchte Oberfläche:

F =

∫ ∫[0;2�]�[0;�]

R2 � sin#d'd#

=

∫�0

∫2�

0R2 � sin#d'

!d#

= 2�R2 �∫�0sin#d#

= 4�R2:

2.1.6. Beispiel (Wendelfläche).

Wir betrachten den Bereich J = {(r ; ') 2 R2 | 0 5 r 5 1; 0 5 ' 5 2�}und die Wendelfläche S = �(J ) , die durch die Parametrisierung

�(r ; ') =

0B@ r � cos'

r � sin'k � '

1CA

mit k > 0 gegeben ist. Es gilt

�r (r ; ')� �'(r ; ') =

0B@ cos'

sin'0

1CA �

0B@ −r � sin'

r � cos'k

1CA =

0B@ k � sin'

−k � cos'r

1CA

und|�r (r ; ')� �'(r ; ')| =

pk2 + r2 6= 0:

Damit erhalten wir für den Inhalt der Wendelfläche

F (S) =

∫ ∫J

pk2 + r2 d r d' =

∫1

0

∫2�

0

pk2 + r2 d'

!d r

= 2�∫1

0

pk2 + r2 d r :

Mit der Substitution r = k � sinh t , also d r = k � cosh t d t , und derBeziehung (cosh t)2 − (sinh t)2 = 1 ergibt sich:∫ p

k2 + r2 d r =

∫ qk2 + k2 � (sinh t)2 � k cosh t d t =

∫k2(cosh t)2 d t :

Durch partielle Integration errechnet man:∫(cosh t)2 d t =

12[sinh t � cosh t + t ]:

Für die Rücksubstitution t = arsinh( rk ) benutzen wir:

cosh�arsinh

�rk

��=

s1+

�sinh

�arsinh

�rk

���2=

s1+

�rk

�2

und erhalten:∫ pk2 + r2 d r =

12k2

24rk�s1+

�rk

�2+ arsinh

�rk

�35

=12

�r �pk2 + r2 + k2 arsinh

�rk

��:

Insgesamt ergibt sich:

F (S) = 2�∫1

0

pk2 + r2 d r

= �

�r �pk2 + r2 + k2 arsinh

�rk

��10

= �

�p1+ k2 + k2 arsinh

�1k

��:

2.1.7. Beispiel (Graphen von Funktionen).

Es sei D $ R2 offen, f : D → R stetig differenzierbar und J $ D wiein 2.1.3. Durch � : D → R3 mit

�(x ; y) =

0B@ x

yf (x ; y)

1CA

wird dann der Graph von f als Fläche im R3 parametrisiert (inkartesischen Koordinaten). Es gilt

�x (x ; y) =

0B@ 1

0fx (x ; y)

1CA ; �y(x ; y) =

0B@ 0

1fy(x ; y)

1CA ;

�x (x ; y)� �y(x ; y) =

0B@ −fx (x ; y)

−fy(x ; y)1

1CA :

Also gilt

|�x (x ; y)� �y(x ; y)| =q1+ fx (x ; y)2 + fy(x ; y)2 6= 0:

Damit ergibt sich für den Flächeninhalt des Graphen S = �(J ) von f ,eingeschränkt auf J :

F (S) =∫ ∫

J

q1+ fx (x ; y)2 + fy(x ; y)2 d x d y :

2.1.8. Beispiel (Mantelfläche eines Rotationskörpers).

Wie in 1.3.6 betrachten wir eine stetige Funktion r : [a ; b] → R mitr(x ) = 0 für alle x 2 [a ; b] . Wir wollen den Inhalt der Mantelfläche Mdes Körpers bestimmen, der bei Rotation des Graphen von r um diex -Achse entsteht. Diese Fläche wird parametrisiert durch:

� : [a ; b]� [0; 2�] → R3 : (x ; ') 7→0B@ x

r(x ) � cos'r(x ) � sin'

1CA ;

und wir erhalten:

�x =

0B@ 1

r 0(x ) � cos'r 0(x ) � sin'

1CA ; �' =

0B@ 0

−r(x ) � sin'r(x ) � cos'

1CA ;

�x � �' =

0B@ r(x ) � r 0(x )((cos')2 + (sin')2)

−r(x ) � cos'−r(x ) � sin'

1CA = r(x )

0B@ r 0(x )

− cos'− sin'

1CA

Mit|�x � �'| = r(x )

q1+ (r 0(x ))2

ergibt sich:

M =

∫ ba

∫2�

0r(x )

q1+ (r 0(x ))2 d'

!d x

= 2�∫ bar(x )

q1+ (r 0(x ))2 d x :

2.1.9. Definition.Wie in 2.1.3 sei S = �(J ) das Flächenstück, das durch den AbschlussJ $ D j R2 des Innengebietes einer stückweise glatten reguläreneinfachen geschlossenen Kurve K $ D vermöge � : D → R3

parametrisiert wird. Ferner sei h : S → R eine stetige Funktion. DasFlächenintegral von h über S ist definiert als∫ ∫

Sh dO =

∫ ∫Jh(�(u ; v))|�u(u ; v)� �v (u ; v)|du d v :

Der Ausdruck dO = |�u(u ; v)� �v (u ; v)|du d v wird auch alsskalares Oberflächenelement bezeichnet.

2.1.10. Bemerkungen.

1 Das Flächenintegral ist das zweidimensionale Analogon desKurvenintegrals reellwertiger Funktionen; vgl. A 5.4.1.

2 Das Flächenintegral über die konstante Funktion h = 1 liefertgerade den Flächeninhalt von S ; vgl. 2.1.3.

3 Das Flächenintegral hängt nicht von der Parametrisierung derFläche ab.

2.1.11. Beispiel.

Es sei J = [0; 1]� [−3; 3] , f : J → R : (x ; y) 7→ x 2 + y und S sei derGraph von f . Gesucht ist das Flächenintegral∫ ∫

Sx dO ;

also h(x ; y ; z ) = x . Mit fx = 2x und fy = 1 ergibt 2.1.7∫ ∫Sx dO ; =

∫ ∫[0;1]�[−3;3]

x �p1+ 4x 2 + 1 d x d y

=

∫1

0

∫3

−3x �p2+ 4x 2 d y

!d x :

Mit Hilfe der Substitution u = 2+ 4x 2 rechnet man nach, dass gilt∫ ∫Sx dO = 3

p6−

p2:

2.2. Der Integralsatz von Stokes

Wie in 2.1.3 sei S = �(J ) das Flächenstück, das durch den AbschlussJ $ D j R2 des Innengebietes einer stückweise glatten reguläreneinfachen geschlossenen Kurve K $ D vermöge � : D → R3

parametrisiert wird. Ferner sei C : [a ; b] → R2 eine stückweise glattereguläre positiv orientierte Parametrisierung der Kurve K . Dann ist

� �C : [a ; b] → R3 : t 7→ �(C (t))

eine Parametrisierung der Randkurve @S = �(K ) von S . AlsEinheitsnormalenvektor auf S im Punkte �(u ; v) verwenden wir:

n(u ; v) =�u(u ; v)� �v (u ; v)|�u(u ; v)� �v (u ; v)|

Sei U j R3 offen mit S $ U und sei g : U → R3 ein stetigdifferenzierbares Vektorfeld. Gemäß A.5.2.3 ist die Rotation von g dasdurch

rot g : U → R3 :

0B@ x

yz

1CA 7→

0BBB@

@g3@y − @g2

@z@g1@z − @g3

@x@g2@x − @g1

@y

1CCCA

definierte Vektorfeld.

2.2.1. Satz von Stokes.Unter den obigen Voraussetzungen gilt:∫

@Sg(s) � d s =

∫�(K )

g(s) � d s =

∫ ∫S(rot g) � n dO

2.2.2. Erläuterungen.

1 Links steht das Kurvenintegral des Vektorfeldes g längs der Kurve@S = �(K ) $ R3 mit Parametrisierung � �C∫

@Sg(s) � d s =

n∑j=1

∫ajaj−1

g(�(C (t))) � (� �C ) 0(t)d t :

Das ist die Zirkulation Z (g ; @S) von g längs der geschlossenenKurve @S = �(K ) ; vgl. A 5.4.9.

2 Rechts steht steht das Flächenintegral∫ ∫S

(rot g) � n dO

=

∫ ∫J(rot g)(�(u ; v)) � n(u ; v)|�u(u ; v)� �v (u ; v)|du d v

=

∫ ∫J(rot g)(�(u ; v)) � (�u(u ; v)� �v (u ; v))du d v :

2.2.3. Bemerkungen.

1 Der Satz von Stokes ist das dreidimensionale Analogon zum Satzvon Green 1.5.2.

2 Für die Gültigkeit des Satzes von Stokes ist es wichtig, dass dieKurve K einmal positiv durchlaufen wird. Andernfalls ändert dasKurvenintegral sein Vorzeichen.

3 Gemäß L 3.11.2 und 3.11.3 ist das (orientierte) Volumen des vondrei Vektoren x ; y ; z 2 R3 aufgespannten Parallelkörpers (oderSpats) gegeben durch das Spatprodukt

x � (y � z ) = det(x ; y ; z ):

Daher lässt sich die rechte Seite von 2.2.1 auch schreiben als:∫ ∫Jdet((rot g)(�(u ; v));�u(u ; v);�v (u ; v))du d v :

2.2.4. Beispiel.

Wir betrachten das elliptische Paraboloid, das durch die Gleichungz = f (x ; y) = 2x 2 + y2 definiert ist, sowie den BereichB = {(x ; y) 2 R2 | x 2 + y2 5 4} und seine Randkurve K . Daselliptische Paraboloid wird parametrisiert durch� : R2 → R3 : (x ; y) 7→ (x ; y ; 2x 2 + y2) . Gesucht ist die Zirkulation desVektorfeldes g : R3 → R3 mit

g

0B@ x

yz

1CA =

0B@ y(1+ z )

z (2+ x )x (y − 1)

1CA

längs der Kurve �(K ) . Die direkte Auswertung des Kurvenintegralsführt auf ein Integral über ein Polynom in sin und cos.

Für die Rotation von g gilt:

rot g =

0BBB@

@g3@y − @g2

@z@g1@z − @g3

@x@g2@x − @g1

@y

1CCCA =

0B@ x − (2+ x )

y − (y − 1)z − (1+ z )

1CA =

0B@ −2

1−1

1CA :

Gemäß 2.1.7 gilt

�x � �y =

0B@ −fx

−fy1

1CA =

0B@ −4x

−2y1

1CA :

Nach dem Satz von Stokes erhalten wir

Z (g ;�(K )) =

∫ ∫B

0B@ −2

1−1

1CA �

0B@ −4x

−2y1

1CA d x d y

=

∫ ∫B(8x − 2y − 1)d x d y :

Da B eine Kreisfläche ist, transformieren wir auf Polarkoordinaten,und erhalten mit 1.6.4∫ ∫

B(8x − 2y − 1)d x d y =

∫2

0

∫2�

0(8r cos'− 2r sin'− 1)r d'

!d r

=

∫2

0[(8r sin'+ 2r cos'− ')r ]'=2�

'=0 d r

=

∫2

0−2�r d r

=h−�r2

i20

= −4�:

2.2.5. Bemerkung.

Wenn g das Geschwindigkeitsfeld einer Strömung ist, erlaubt der Satzvon Stokes die folgende physikalische Deutung.Die Zirkulation längs der geschlossenen Randkurve der Fläche Sbeschreibt den Teil der Flüssigkeit (Volumen pro Zeiteinheit), der ander Kurve entlangfließt; vgl. A 5.4.9. Die Rotation beschreibt die“Wirbelstärke” des Vektorfeldes g , und der Ausdruck rot g � nbeschreibt die Komponente der Wirbelstärke senkrecht zur Fläche nachaußen. Der Satz von Stokes besagt dann, dass sich die Umströmungeiner Fläche aus der Summation über die Wirbel in den Punkten derFläche ergibt.

2.2.6. Erweiterung auf allgemeinere Situationen.

Viele Flächen im Raum lassen sich nicht durch ein einzigesFlächenstück im Sinne von 2.1.1 beschreiben.Man kann sie in Flächenstücke zerschneiden, und auf jedes den Satzvon Stokes anwenden. Schnittlinien werden zweimal durchlaufen, undzwar in entgegengesetzter Richtung. Die zugehörigen Anteile derKurvenintegrale heben sich weg, also gilt der Satz von Stokes für dieganze Fläche. Dabei werden die Kurvenintegrale über sämtlicheRandkurven addiert, ebenso wie die Flächenintegrale über sämtlicheTeilstücke der Fläche.Die Randkurven müssen so orientiert werden, dass man beimDurchlaufen die Fläche links liegen lässt.

Wichtig ist die richtige Wahl des Einheitsnormalenfeldes n : In jedemPunkt der Fläche gibt es zwei Einheitsvektoren, die senkrecht auf derFläche stehen; sie sind entgegengesetzt.Richtige Wahl im Punkt einer Randkurve: Für denGeschwindigkeitsvektor v einer positiv orientierten Parametrisierungsoll n � v ins Innere der Fläche weisen. Es genügt, dies an einemPunkt der Randkurve zu überprüfen; aus Stetigkeitsgründen ist ndadurch überall festgelegt.Anschaulich kann man die Rechte-Hand-Regel benutzen: Wenn n inRichtung des Daumens weist und v in Richtung des Zeigefingers, dannweist der Mittelfinger ins Innere der Fläche.Wenn man die Parametrisierung der Flächenstücke und ihrerRandkurven gemeinsam wählt, so wie wir es gemacht haben, dannpassen die Orientierungen automatisch zusammen.

2.2.7. Geschlossene Flächen.Eine Fläche S $ R3 heißt geschlossen, wenn sie keinen Rand hat.Beispiele sind die Oberfläche einer Kugel oder eines Fahrradschlauchs(eines sogenannten Torus).Man kann S in Flächenstücke zerschneiden, und auf jedes den Satzvon Stokes anwenden. Schnittkurven bekommen von jedem derTeilstücke eine andere Orientierung. In der Summe heben sich dieKurvenintegrale über Schnittkurven weg, also gilt

2.2.8. Satz.Für eine geschlossene Fläche S im Definitionsbereich eines stetigdifferenzierbaren Vektorfeldes g gilt stets∫ ∫

Srot g � n dO = 0:

(Dabei ist es gleichgültig, welches der beidenEinheitsnormalenfelder man für n nimmt.)

2.3. Integration über dreidimensionale Bereiche

Gebietsintegrale im R3 werden analog zu Gebietsintegralen im R2

definiert; vgl. 1.1.1. Alle Aussagen aus 1.1 und 1.2 übertragen sichunmittelbar, das gilt insbesondere für den Satz von Fubini 1.1.2.

2.3.1. Definition.Es sei D $ R2 ein Normalbereich und k ; l : D → R seien stetigeFunktionen mit k(x ; y) 5 l(x ; y) für alle (x ; y) 2 D . Dann heißt

B = {(x ; y ; z ) 2 R3 | (x ; y) 2 D ; k(x ; y) 5 z 5 l(x ; y)}

ein Normalbereich parallel (oder bezüglich) zur x -y -Ebene.Normalbereiche bzgl. der x -z - bzw. y -z -Ebene werden analogdefiniert.

Offenbar gibt es 6 Typen von Normalbereichen im R3 .

2.3.2. Satz.Es sei B $ R3 ein Normalbereich bzgl. der x -y -Ebene, und es seif : B → R stetig, dann gilt:∫ ∫ ∫

Bf (x ; y ; z )d x d y d z =

∫ ∫D

∫ l(x ;y)k(x ;y)

f (x ; y ; z )d z

!d x d y :

Der Ausdruck∫ l(x ;y)k(x ;y)

f (x ; y ; z )d z hängt nicht von z ab, also haben

wir das Problem auf eine 2-dimensionale Integration zurückgeführt.Der Satz gilt entsprechend auch für Normalbereiche bzgl. der x -z -oder y -z -Ebene.

2.3.3. Beispiel.

Wir betrachten den BereichB = {(x ; y ; z ) 2 R3 | �2 5 y 5 �; 0 5 x 5 y2; 0 5 z 5 y} und dieFunktion f : B → R : (x ; y ; z ) 7→ cos

�xy

�. Gesucht ist∫ ∫ ∫

B f (x ; y ; z )d x d y d z . Die Menge B ist ein Normalbereich bzgl.der x -y -Ebene (oder auch bzgl. der y -z -Ebene). Also gilt:∫ ∫ ∫

Bf (x ; y ; z )d x d y d z =

∫��

2

∫y2

0

�∫y0cos

�xy

�d z�d x

!d y

=

∫��

2

∫y2

0

�z cos

�xy

��z=yz=0

d x

!d y

=

∫��

2

∫y2

0y cos

�xy

�d x

!d y

=

∫��

2

�y2 sin

�xy

��x=y2

x=0d y =

∫��

2

y2 sin y d y

=�(2− y2) cos y + 2y sin y

���

2= �2 − � − 2:

2.3.4. Definition (Koordinatentransformationen).

Seien P und Q offene Teilmengen von R3 . Eine Abbildung : P → Q : (u ; v ;w) 7→ ( 1(u ; v ;w); 2(u ; v ;w); 3(u ; v ;w)) heißtKoordinatentransformation, wenn gilt:

• ist injektiv;

• ist stetig differenzierbar;

• an jeder Stelle (u ; v ;w) 2 P ist die Jacobi-Matrix

J (u ; v ;w) =

0BBBB@

@ 1@u (u ; v ;w) @ 1

@v (u ; v ;w) @ 1@w (u ; v ;w)

@ 2@u (u ; v ;w) @ 2

@v (u ; v ;w) @ 2@w (u ; v ;w)

@ 3@u (u ; v ;w) @ 3

@v (u ; v ;w) @ 3@w (u ; v ;w)

1CCCCA

regulär; d.h. detJ (u ; v ;w) 6= 0.

Die Determinante der Jacobimatrix heißt auch dieFunktionaldeterminante von an der Stelle (u ; v ;w) .

2.3.5. Satz (Substitutionsregel; Transformationsformel).

In der Situation von 2.3.4 sei eine kompakte Teilmenge B $ Pund ihr Bild D = (B) $ Q sowie eine integrierbare Funktionf : D → R gegeben. Dann ist die Funktion g = f � : B → R

ebenfalls integrierbar und es gilt:∫ ∫ ∫Df (x ; y ; z )d x d y d z

=

∫ ∫ ∫ (B)

f (x ; y ; z )d x d y d z

=

∫ ∫ ∫B(f � )(u ; v ;w) � |detJ (u ; v ;w)|du d v dw

=

∫ ∫ ∫Bg(u ; v ;w) � |detJ (u ; v ;w)|du d v dw

2.3.6. Beispiel (Zylinderkoordinaten).

Zylinderkoordinaten sind Polarkoordinaten (vgl. 1.6.4) in derx -y -Ebene; die z -Koordinate bleibt ungeändert. Wir setzen alsoP = {(r ; ') 2 R2 | r > 0; 0 < ' < 2�} und Q = R2 r {(x ; 0) | x = 0} ,und betrachten die Transformation:

� : P � R→ Q � R : (r ; '; z ) 7→ (r � cos'; r � sin'; z ):

Für die Funktionaldeterminante ergibt sich:

detJ�(r ; '; z ) = det

0B@ cos' −r � sin' 0

sin' r � cos' 00 0 1

1CA = r :

Für einen Bereich B $ P � R , sein Bild D = �(B) $ Q � R und eineintegrierbare Funktion f : D → R gilt also:∫ ∫ ∫

Df (x ; y ; z )d x d y d z =

∫ ∫ ∫Bf (r � cos'; r � sin'; z ) � r d r d'd z :

2.3.7. Beispiel (Kugelkoordinaten).

Kugelkoordinaten liefern eine Parametrisierung von R3 durch denAbstand vom Nullpunkt sowie den (mathematischen) Längen- undBreitengrad; vgl. 2.1.2. Man erhält sie, indem man zunächst denÄquator der Kugel vom Radius r > 0 durch den Längengrad' 2 [0; 2�) parametrisiert, und anschließend den zugehörigenLängenkreis durch den gegen die positive z -Achse gemessenenBreitengrad # 2 [0; �] . Um die Eindeutigkeit der Parametrisierung undihre Differenzierbarkeit zu erzwingen, entfernen wir die Randpunkteund erhalten nur eine Parametrisierung von R3 ohne die Halbebeney = 0; x = 0. Wir setzen also:

P = {(r ; '; #) 2 R3 | r > 0; 0 < ' < 2�; 0 < # < �};

Q = R3 r {(x ; 0; z ) | x = 0};

und definieren � : P → Q durch:

�(r ; '; #) = cos#

0B@ 0

0r

1CA + sin#

0B@ r cos'

r sin'0

1CA =

0B@ r cos' sin#

r sin' sin#r cos#

1CA :

Für die Jacobimatrix ergibt sich

J�(r ; '; #) =

0B@ cos' sin# −r sin' sin# r cos' cos#

sin' sin# r cos' sin# r sin' cos#cos# 0 −r sin#

1CA

und für die Funktionaldeterminante

detJ�(r ; '; #) = −r2 sin#:

Für einen Bereich B $ P , sein Bild D = �(B) $ Q und eineintegrierbare Funktion f : D → R gilt also:∫ ∫ ∫

Df (x ; y ; z )d x d y d z

=

∫ ∫ ∫Bf (r cos' sin#; r sin' sin#; r cos#) � r2 sin#d r d'd#:

2.3.8. Beispiel (Schwerpunkt einer Halbkugel).

Wir betrachten die Halbkugel

B = {(x ; y ; z ) 2 R3 | x 2 + y2 + z 2 5 R2; z = 0}

vom Radius R > 0. Gemäß 1.3.7 ist das Volumen von B gegebendurch V = V (B) = 2

3�R3 . Die x -Koordinate des Schwerpunktes von

B berechnet man nach der Formel

xs(B) =1

V (B)

∫ ∫ ∫Bx � d x d y d z :

Für die y - und die z -Koordinate des Schwerpunktes gelten analogeFormeln.Aus Symmetriegründen liegt der Schwerpunkt von B auf der z -Achse,d.h. es gilt xs(B) = ys(B) = 0.Mit der Kugelkoordinatenabbildung � gilt

B = �

�[0;R]� [0; 2�]�

�0;�

2

��;

und damit folgt∫ ∫ ∫Bz � d x d y d z =

∫ ∫ ∫[0;R]�[0;2�]�[0;�2 ]

r cos# � r2 sin#d r d'd#

=

∫R0

∫ �

2

0

∫2�

0r3 cos# sin#d'

!d#

!d r

=

∫R0

∫ �

2

0

�2�r3 cos# sin#

�d#

!d r

=

∫R0

∫ �

2

0�r3 sin(2#)d#

!d r

=

∫R0

�−12�r3 cos(2#)

�#=�

2

#=0

!d r

=

∫R0

��r3

�d r =

�14�r4

�R0

=14�R4:

Also gilt

zs(B) =14�R

4

23�R

3=

38R:

2.4. Der Integralsatz von Gauß

Wir betrachten eine geschlossene Fläche S (vgl. 2.2.7) im Raum. Dieseberandet eine beschränkte offene Menge V $ R3 , so dass V = V [ Skompakt ist. Man nennt V auch das Innengebiet von S .Für jeden Punkt p 2 S sei n(p) 2 R3 der nach außen weisendeNormaleneinheitsvektor in p auf S .

2.4.1. Definition.Sei U j R3 eine offene Teilmenge mit V $ U , und sei g : U → R3 einstetig differenzierbares Vektorfeld. Der Ausfluss des Vektorfeldes gdurch die geschlossene Fläche S ist definiert durch:

A(g ;S) =∫ ∫

Sg � n dO :

Gemäß A 5.2.1 heißt div g : U → R mit

div g =@g1

@x+@g2

@y+@g3

@z

die Divergenz von g .

2.4.2. Integralsatz von Gauß.

Unter den obigen Voraussetzungen gilt:

A(g ;S) =∫ ∫

Sg � n dO =

∫ ∫ ∫Vdiv g d x d y d z :

2.4.3. Erläuterungen.

1 Zur Berechnung des links stehenden Flächenintegrals von g � nüber S zerlegt man die geschlossene Fläche S in Flächenstücke,bildet die Flächenintegrale über diese gemäß 2.1.9 und summiert.

2 Rechts steht das Gebietsintegral einer Funktion über V . ZurBerechnung kann man V in Normalbereiche zerlegen.

2.4.4. Bemerkung.

Wenn g das Geschwindigkeitsfeld einer Strömung ist, ergibt sichfolgende physikalische Deutung des Satzes von Gauß.Die Komponente der Geschwindigkeit senkrecht zur Fläche nach außenist gegeben durch g � n ; multipliziert mit einem kleinenFlächenstückchen von S ergibt sich die Flüssigkeitsmenge, die in derZeiteinheit durch dieses Stückchen fließt. Integration über S ergibt dieFlüssigkeitsmenge, die pro Zeiteinheit durch die Fläche S nach außenströmt.Der Satz von Gauß besagt, dass diese Menge gleich derFlüssigkeitsmenge ist, die im Inneren von S , also im Bereich V ,erzeugt wird. Die Divergenz beschreibt dabei die Quelldichte von g .

Ein Vektorfeld g heißt quellenfrei, falls seine Divergenz gleich Null ist;analog heißt g wirbelfrei, wenn seine Rotation gleich Null ist; vgl. A5.2.5. Als unmittelbare Folgerung aus den Sätzen von Gauß und Stokesergibt sich

2.4.5. Satz.

• Für ein quellenfreies Feld g gilt A(g ;S) = 0 für jedegeschlossene Fläche S im Definitionsbereich von g .

• Für ein wirbelfreies Feld g gilt Z (g ;K ) = 0 für jedegeschlossene Kurve K im Definitionsbereich von g .

2.4.6. Bemerkungen.

1 Gemäß A 5.2.8 gilt div rot g = 0 für jedes 2 mal differenzierbareVektorfeld g .Umgekehrt kann man zeigen, dass sich jedes quellenfreieVektorfeld g auf einem konvexen Gebiet als Rotation einesanderen Vektorfeldes h schreiben lässt; dabei heißt ein Gebietkonvex, wenn es mit je zwei Punkten auch die ganzeVebindungsstrecke enthält, vgl. A 4.4.6. Man bezeichnet h dannals Vektorpotential von g .

2 Gemäß A 5.2.4 lässt sich jedes wirbelfreie Feld auf einem konvexenGebiet als Gradient einer (skalaren) Potentialfunktion schreiben.

3 Der Satz von Helmholtz besagt, dass sich jedes 2 maldifferenzierbare Vektorfeld g auf einem konvexen Gebiet alsSumme aus einem quellenfreien und einem wirbelfreien Vektorfeldschreiben lässt; g = rot h + gradU .

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