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Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB)Herausgegeben von Harald WeigelBand 5
INFORMATIONS-KONZEPTEFÜR DIE ZUKUNFT ODOK ‘07
12. Österreichisches Online-Informationstreffen13. Österreichischer Dokumentartag
17. – 21. September 2007, Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgegeben von Eveline Pipp
Wolfgang Neugebauer Verlag GesmbH Graz-Feldkirch
Herausgegeben von der Arbeitsgruppe „Elektronische Medien“ in der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB)
Umschlag/Layout: Tobias NeugebauerDruck: dd-ag, BirkachPrinted in GermanyISBN 978-3-85376-285-1
© 2008 W. Neugebauer Verlag GesmbH Graz-Feldkirch
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes dar f in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Tonkopie, Mikrofilm oder ein anderes Ver fahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduzier t oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Die Tagung wurde unterstützt von:Bundesministerium für Wissenschaft und ForschungStadt GrazLand Steiermark
INHALT
VORWORT ...................................................................................................................................................................................................................... 9
EINFÜHRUNG – FESTVORTRAG
Walter Koch, Heinz Hauffe
Keine Zukunft ohne Vergangenheit - Ein Abriss der Geschichte
der Datenbanken und ihrer Nutzung .................................................................................................................... 11
INFORMATIONSSYSTEME UND IHRE ERSCHLIESSUNG
Engelbert Zass
SciFinder Scholar und Crossfire und Web of Science
und … - Luxus oder Notwendigkeit ? .................................................................................................................. 27
Tamara Pianos
Bunte Blumenwiese versus Nutzbarkeit – Virtuelle Fachbibliotheken
und andere Fachportale im Kontext von vascoda und Möglichkeiten
der Homogenisierung ................................................................................................................................................................. 39
Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl
ERIS - Ein thesaurusbasiertes Bildretrievalsystem
mittels Zoomable User Interface .................................................................................................................................. 47
Regine Stein
Museumsdaten in Portalen – Die Vernetzungsstandards
museumdat und museumvok ..................................................................................................................................................... 61
INFORMATIONSDIENSTLEISTUNGEN
Nicole Krüger
LOTSE - Ein ganzheitlicher Ansatz zur Online-Vermittlung
von Informationskompetenz ............................................................................................................................................... 71
Peter Mayr
Für uns sind Sie keine (Ticket-)Nummer! Erfahrungen
aus dem virtuellen Auskunftsverbund DigiAuskunft ..................................................................... 83
Christine Krätzsch
Optimierung von Dienstleistungen an Hochschulbibliotheken
auf Basis von Web 2.0 Technologien ...................................................................................................................... 93
Michaela Putz
Wikis als Wissensmanagementtool für Bibliotheken. Ein Praxisbericht ...... 103
OPEN ACCESS IM BIBLIOTHEKSWESEN
Monika Bargmann
Wein predigen und Wasser trinken? Theorie und Praxis
von Open Access im österreichischen Bibliothekswesen ...................................................... 113
Michael Katzmayr
Zwei Jahre österreichische Beteiligung an E-LIS:
Status Quo und Perspektiven ........................................................................................................................................ 127
ÖFFENTLICHE SITZUNG DES FORUMS GESIG E.V.
Adalbert Kirchgäßner
Zeitschriftenkonsortien. Angebotsausweitung
auf Kosten der Flexibilität .................................................................................................................................................. 137
ÖGDI-PREIS FÜR INFORMATION UND DOKUMENTATION
Verena Kern
Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten (1.Preis) ................................................... 147
Bernhard Wenzl
RFID in der Hauptbücherei Wien (3.Preis) ........................................................................................... 157
PRÄSENTATION UND VERWALTUNG VON E-MEDIEN
Heiko Jansen
DigiBib – Die Digitale Bibliothek: Das Komplett-Angebot
zur Informationsvermittlung .......................................................................................................................................... 167
AUS- UND WEITERBILDUNGSEINRICHTUNGEN
Jutta Bertram
10 Jahre Studienstandort Eisenstadt ................................................................................................................... 181
ABSCHLIESSENDER FESTVORTRAG
Sirje Virkus
LIS Education in Europe: Challenges and Opportunities ............................................... 193
9
VORWORT
Verehrte Leserin, verehrter Leser!
Ich darf Ihnen diesen Tagungsband als Rückblick und Nachlese der ODOK’07 in
Graz vorlegen.
Es freut mich ganz besonders, dass ich zwei Keynote-Vorträge in den Tagungsband
aufnehmen konnte. Ich danke Prof. Virkus und Prof. Koch, dass sie neben Ihren
zahlreichen Verpflichtungen die Zeit fanden, ihre Vorträge schriftlich niederzulegen.
Heinz Hauffe schickt uns die Zusammenfassung seiner reichen Erfahrung aus
dem Bereich der Datenbanken aus seinem Ruhestand, für den wir ihm alles Gute,
besonders Gesundheit, wünschen.
Von den vier Hauptthemen der Tagung – Informationsdienstleistungen, Informations-
systeme, Informationsmanagement sowie Ausbildung und Forschung – sind vor
allem die ersten beiden im Tagungsband gut repräsentiert. Bei den Beiträgen handelt
es sich mehrheitlich um Berichte über von Bibliotheken entwickelte Mehrwert-
Dienste, die entweder anderen Bibliotheken zur Mitnutzung angeboten würden,
oder über die ein Erfahrungsaustausch möglich wäre. Ich freue mich auch sehr,
dass Engelbert Zass und Adalbert Kirchgäßner ihre Erfahrungen über chemische
Fachdatenbanken bzw. die Bestandespolitik bei elektronischen Zeitschriften mit
uns teilen.
Die Vorträge über „ERM-Systeme aus der Anwendersicht“ finden Sie leider nicht vor.
Die Vortragenden waren übereinstimmend der Meinung, dass die Implementationen
noch zu wenig weit gediehen und die kommerziellen Systeme auch noch zu wenig
ausgereift seien. Die In-House-Lösung des Forschungszentrums Jülich wurde bereits
an anderer Stelle publiziert.
Auf der ODOK’07 wurde erstmals der ÖGDI-Preis für Information und
Dokumentation verliehen. zwei der drei Preisarbeiten werden ebenfalls im Rahmen
dieses Tagungsbandes vorgestellt.
Verehrte Leserin, verehrter Leser, ich hoffe, dass Sie die Beiträge mit Genuss und
mit Nutzen für Ihre eigene Arbeit lesen und dass der Tagungsband Sie anregt, sich
an der nächsten ODOK, die im Herbst 2010 stattfinden wird, aktiv zu beteiligen.
Innsbruck, August 2008 Eveline Pipp
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EINFÜHRUNG – FESTVORTRAG
KEINE ZUKUNFT OHNE VERGANGENHEITEIN ABRISS DER GESCHICHTE DER DATENBANKEN UND IHRER NUTZUNG
WALTER KOCH, HEINZ HAUFFE
ABSTRACT
Die Entwicklung neuer Methoden und Techniken im Bereich der Dokumentation und
Information ist seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts durch den Einfluss der
elektronischen Datenverarbeitung (EDV) gekennzeichnet. Dabei haben sich die – immer
wieder – „neuen“ Dienstleistungen im Informations-, Dokumentations- und Bibliothekswesen
den gerade aktuellen technologischen Entwicklungen angepasst: konnten Literaturrecherchen
zu Beginn der Entwicklung nur auf Basis von Magnetbändern durchgeführt werden (z.B.
SDI-Dienste) , so brachte der Einsatz von Magnettrommeln und Magnetplatten (mit
schnellen Datenzugriffen) den Aufbau von Online-Literaturdiensten mit sich, die heute
noch ein unverzichtbarer Bestandteil bibliothekarisch-dokumentarischer Dienstleistungen
sind.
Zu Beginn der 1960er Jahre begannen die Hersteller gedruckter Referateorgane EDV-
unterstützte Methoden zu entwickeln, um Register automatisch zu erstellen, um wöchentliche
oder monatliche Ausgaben zu Vierteljahres-, Halbjahres- und Jahresbänden zu kumulieren.
Gleichzeitig beauftragte die NASA die Flugzeug- und Raketenf irma Lockheed mit der
Erstellung einer technischen Dokumentation zur Vorbereitung der Mondlandung.
Als Nebenprodukt der Aktivitäten dieser Firma und denen anderer Institutionen f ielen
Magnetbänder an, die dann sequentiell durchsucht werden konnten (SDIs). In Österreich
nahm sich das Institut für Maschinelle Dokumentation in Graz dieser Aufgabe an und
entwickelte eigene Datenbankprogramme. Gegen Ende der 1960er Jahre wurden die Inhalte
dieser Bänder invertiert und in lineare und invertierte Dateien aufgeteilt. Diese Datenbanken
konnten nun extern via Datenleitungen abgefragt werden. Dialog, eine Abteilung der Fa.
Lockheed, wurde 1972 selbständig und öffnete sich externen Kunden; weitere Hosts folgten.
1975 nutzten erste amerikanische Bibliotheken dieses Angebot, 1978 erste österreichische
Bibliotheken. Deren Informationsvermittlungsstellen blieben für zehn Jahre die einzigen
Orte an den Universitäten mit einem Online-Zugang zu den Datenbanken.
Ab 1988 kamen die ersten dieser Datenbanken auf CD-ROM auf den Markt; ab 1995
wurden sie in zunehmendem Maße im Web aufgelegt. 1997 ist das Startjahr für
Schriften der VÖB 5, 11 – 26
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Verlagsplattformen (Springer, Elsevier, Wiley etc.), in denen Zeitschrifteninhalte nachgewiesen
und im Volltext elektronisch aufgerufen werden können. Bibliotheken und Informations-
abteilungen der Industrie wissen diese verstärkt in Anspruch zu nehmen.
GESCHICHTE DER ZUGRUNDE LIEGENDEN HARD- UND SOFTWARE
Keine Zukunft ohne Vergangenheit - „... und keine Datenbank ohne EDV
(Elektronische Datenverarbeitung)“. So könnte ein weiterer Untertitel lauten. Betrachtet
man den Aufbau einer EDV-Anlage, so erkennt man, dass sich am Konzept das
diesem Gerät zu Grunde liegt, seit einem halben Jahrhundert nicht viel geändert
hat. Schon im Jahre 1945 beschrieb der Mathematiker John von Neumann eine
Rechnerarchitektur, die aus Steuereinheit und arithmetischer Einheit sowie einer
Speichereinheit bestand (Neumann, 1945).
Untersucht man eine „moderne“ Computeranlage des 21. Jahrhunderts, so erkennt
man dasselbe Konzept wie es Abbildung 1 (links) zeigt. Geändert haben sich die
technischen Komponenten wie Ein- und Ausgabegeräte, Zentraleinheit, Speicher,
etc. Bestimmende Elemente waren und sind die elektronischen Bauteile, die man
auch bei Geräten der Unterhaltungselektronik wieder findet, wie Elektronenröhren,
Transistoren oder Integrierte Schaltungen (Abbildung 1, rechts).
Abbildung 1: Aufbau eines Computers (links) und elektronische Bauteile (rechts)
Diese immer kleiner werdenden Bauteile haben anfangs auch die „Computer-
Generationen“ bestimmt: Computer der 1. Generation (Anfänge bis etwa 1955)
arbeiteten mit Relais und Elektronenröhren (18.000); sie waren ca 30 Tonnen schwer
und benötigten eine Fläche von ca.120m2. Die 2. Generation (etwa bis 1965) benutzte
außer Elektronenröhren zunehmend Transistoren, größere Arbeitsspeicher und -
neben Lochkarten und -streifen - auch immer öfter magnetische Speichermedien.
Walter Koch, Heinz Hauffe
13
Die Rechner der 3. Generation (etwa bis 1975) verwendeten integrierte Schaltkreise.
Computer der 4. Generation (etwa bis Mitte der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts)
benutzen hoch integrierte Schaltkreise, schnelle Arbeitsspeicher und große
Massenspeicher. Ob es eine 5. und 6. Generation gibt bzw. geben wird, ist
umstritten.
Neben der Geräteausstattung eines Computers (Hardware) hat man auch bei dem
zweiten wesentlichen Merkmal eines Computers, der Software (Menge von Befehlen
die die Maschine auszuführen hat), versucht die Entwicklung der Programmier-
sprachen in Generationen darzustellen: Die 1.Generation brachte die Anfänge der
Entwicklung von Programmiersprachen (Assembler). In der 2.Generation (1950er
Jahre) entstanden erste moderne Programmiersprachen (Compiler: COBOL, Algol,
Fortran). Die 1960er und 1970er Jahre bestimmten die Entwicklung neuer Paradigmen:
3.Generations (3GL)-Sprachen wie Pascal oder C. Die 4.Generation in den 1980er
Jahren brachte eine Konsolidierung (4GL-Sprachen) und Objektorientierung. Auch
hier gibt es bei der weiteren Entwicklung keine einheitliche Zählung der Generationen
mehr. Bei den Betriebssystemen die auch zur Software zählen gibt es auch kaum
noch sensationelle Entwicklungen. „Ubuntu“ (kein Volksstamm eines fernen Landes)
ist ein aktuelles Produkt einer Serie von Betriebssystemen (UNIX, Linux, etc) deren
Ursprung am Beginn der 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts liegt. Auch die heute noch
stark verbreitete „relationale Datenbanktechnik“ ist etwa zur selben Zeit entstanden.
Neben Verkleinerung der Geräte und der Erhöhung der Verarbeitungsgeschwindigkeiten
ist wohl nur noch die Vergrösserung des Bankkontos des Erfinders von „Windows“
bemerkenswert.
Welche Geräte haben nun den Menschen in der Vergangenheit auf seinem Weg zur
Wissensgesellschaft begleitet (Abbildung 2).
Abbildung 2: Der Mensch auf dem Weg zur Wissensgesellschaft
Schriften der VÖB 5, 11 – 26
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Waren die Produkte der 1. (Abbildung 3, links oben: ENIAC, 1945) und 2.
Computergeneration (Abbildung 3, rechts oben: IBM-701, 1952) noch kaum für
den Aufbau und die effektive Nutzung von Datenbanken geeignet, so brachte die
3.Computergeneration (ca 1965 – 1975) eine Änderung.
Abbildung 3, links unten zeigt ein Grossrechenanlage des ehemaligen Grazer
Rechenzentrums mit deren Hilfe zu Beginn der 70-er Jahre des 20. Jahrhundert eine
Reihe von Literatur-Informationsdiensten (Chemie, Mathematik, Physik,
Elektrotechnik, Medizin, Philosophie, etc) in Zusammenarbeit mit der
Universitätsbibliothek Graz aufgebaut wurden.
Die Ergebnisse der Literaturrecherchen wurden mit „Schnelldruckern“ auf
„Endlospapier“ ausgegeben und an die Literatursuchenden verteilt. Abbildung 3,
rechts unten zeigt ein derartiges nicht gerade geräuscharmes Gerät in geöffnetem
Zustand. Die Qualität des Ausdruckes des hier abgebildeten „Walzendruckers“ war
zeitweise allerdings gerade noch als leserlich zu bezeichnen.
Abbildung 3: Computer der 1. bis 3. Generation: ENIAC, 1945 (links oben); IBM-701, 1952 (rechts oben); UNIVAC-494 des Grazer Rechenzentrums,
1973 (links unten) und Walzendrucker, 1973 (rechts unten)
Ausgangspunkt für die „EDV-Recherchen“ waren Magnetbänder, die von Produzenten
verschiedener Referateorgane (Chemical Abstracts, IEEE, Excerpta Medica, etc) an
die Anbieter von Informationsdiensten verkauft wurden. Diese Bänder wurden mit
imposanten Magnetbandgeräten (Abbildung 4) verarbeitet.
Walter Koch, Heinz Hauffe
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Abbildung 4: Magnetbandlesegerät UNISERVO
In diese Zeit fällt auch eine wesentliche Entwicklung im Druckereigewerbe, nämlich
die Ablöse von Bleisatz durch Lichtsatz. Als Vorstufe zur Produktion von Biblio-
graphien (z.B. Österreichische Historische Bibliographie, Steirische Bibliographie,
EUSIDIC - Data Base Guide) erfolgte bereits am Computer die Sortierung und
Druckaufbereitung der späteren Druckwerke. Als Ergebnis „schoss“ aus der Grossre-
chenanlage (Abbildung 5, links zeigt ein „Lochstreifenstanzgerät“) ein mindestens
hundert Meter langer Lochstreifen heraus (Abbildung 5, rechts), der dann mühsam
mit einer Handkurbelmaschine wieder aufgewickelt werden musste, um der Druckerei
übergeben zu werden.
Abbildung 5: Lochstreifenstanzgerät (links) und Lochstreifen (rechts)
Der Prozess des „Lochstreifenstanzens und –aufwickelns“ musste ab und zu wiederholt
werden, wenn ein unglücklicher Operator (Bediener der Grossrechenanlage) beim
Aufwickeln auf dem Lochstreifen stand und dieser riss.
Schriften der VÖB 5, 11 – 26
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In den frühen 70-er Jahren wurden international
die ersten „Online“-Dienste zur Abfrage
bibliographi scher Datenbanken aufgebaut
(Lockheed-Dialog, SDC-Orbit, ESA-Recon,
Medlars, etc). Die erste Online Recherche in
Österreich dürfte 1974 oder 1975 im Grazer
Rechenzentrum durchgeführt worden sein. Als
Datenendgerät wurde ein moderner Fernschreiber
der Marke Teletype (Abbildung 6) verwendet.
Abbildung 6: Fernschreiber Marke Teletype
Über ein – damals der nationalen Postgesellschaft vermutlich unbekanntes – Netzwerk
der Firma Timeshare (Tymnet) konnten einige Netzwerk-Knoten in Europa die mit
den USA verbunden waren „angewählt“ werden. Der für Österreich nächste
Knotenrechner (Abbildung 7) stand in Lausanne in der Schweiz.
Abbildung 7: TYMNET-Knotenrechner, Lausanne
Anstelle der bereits seit dem zweiten Weltkrieg bekannten „Teletypes“ (Fernschreiber)
mit einer noch nicht berauschenden Geschwindigkeit von 300 baud (Zeichen per
Sekunde) wurden später Bildschirmgeräte eingesetzt. Abbildung 8, links zeigt ein
derartiges Gerät der „ersten Online-Stunde“. Damit konnte die
Übertragungsgeschwindigkeit zwischen dem Datenendgerät und dem entfernten
Computer auf beachtliche 1200 baud gesteigert werden.
Walter Koch, Heinz Hauffe
17
An das normale Telefon-Netzwerk angeschlossen war das Bildschirmgerät über einen
„Akustik-Koppler“, der eine Halterung für die damals üblichen Telefonhörer hatte
(Abbildung 8, rechts). Diese Geräte wurden bald durch „Modems“ ersetzt.
Abbildung 8: Hazeltine-2000 Bildschirmgerät (links) und Akustik-Koppler (rechts)
Damit war der Siegeszug der Online-Dienste in Österreich nicht mehr aufzuhalten.
GESCHICHTE DER DATENBANKEN UND ONLINE-DIENSTE
Periodische Publikationen, in denen die Inhalte von Fachzeitschriften nachgewiesen
und referiert werden, erschienen erstmals in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als
Anzahl und Umfang dieser Zeitschriften zu unübersichtlich geworden waren, als dass
man durch deren bloßes Durchblättern auf dem Laufenden bleiben konnte. Zu den
ersten Referateorganen dieser Art gehörte das „Pharmaceutische Centralblatt“ (später
umbenannt in „Chemisch-Pharmaceutisches Centralblatt“), das ab 1830 erschien. 1878
kam der „Index Medicus“ heraus (eingestellt 2004); seit 1907 werden die „Chemical
Abstracts“ produziert. Jahrzehntelang wurden diese Organe in derselben Aufmachung
und Anordnung publiziert, meist nach sachlichen Gesichtspunkten: Der „Index Medicus“
war alphabetisch nach Haupt- und Unterschlagwörtern („Main Headings“ und
„Subheadings“) angeordnet; andere Organe bedienten sich einer Klassifikation (Reinitzer
und Gossler 1988). Diese Strukturen sind vielfach auch heute noch in ihren
Nachfolgeprodukten, den Datenbanken zu finden. Dazu gab es Autoren-, Stich- oder
Schlagwortregister; die wöchentlichen oder monatlichen Ausgaben wurden regelmäßig
zu Viertel-, Halbjahres- und Jahresausgaben zusammengemischt.
In den 1950er Jahren begannen die Hersteller gedruckter Referateorgane EDV-
unterstützte Methoden zu entwickeln, um diese per Lichtsatz zu produzieren und um
die Register und Kumulierungen automatisch zu erstellen. Als Nebenprodukt fielen
Schriften der VÖB 5, 11 – 26
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Magnetbänder an. 1960 erprobte Hans Peter Luhn (IBM) die sequentielle Suche in
diesen „linearen Dateien“, eine Methode, die lange Zeit „Selective Dissemination of
Information“ (SDI) hieß, bevor sie in „Alerting Service“ umbenannt wurde. Im Regelfall
wurden damit die aktuellen Bänder durchsucht, sodass die neu erschienene Literatur
überwacht werden konnte. In Österreich wurde diese Methode erstmals ab 1973 am
Rechenzentrum Graz angewandt, wo 1976 das Institut für Maschinelle Dokumentation
(IMD) gegründet wurde (siehe Koch, 1978). 1973 nahm auch der Literaturdienst Medizin
(LID), eine Einrichtung des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen,
seine Tätigkeit als Vermittlungsstelle medizinischer Literaturinformationsdienste auf,
vorwiegend in Kooperation mit dem 1969 gegründeten Deutschen Institut für
Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln (Csepan, 1978).
Das Medium Magnetband erlaubte nur äußerst zeitaufwendige retrospektive
Recherchen. Um z.B. einen Jahrgang der wöchentlich erscheinenden Chemical
Abstracts zu durchsuchen, mussten 52 Magnetbänder eingelegt und abgearbeitet
werden. Ab 1965 begannen deshalb einschlägige Institutionen, die Dateien zu
invertieren. Beispiele hiefür sind die American Chemical Society mit den „Chemical
Abstracts“ (Schulz, 1985), oder die National Library of Medicine (NLM) mit dem
„Index Medicus“ Die NLM entwickelte zwischen 1960 und 1964 Medlars (Medical
Literature Analysis and Retrieval System). Teilweise wurden mit diesen Aufgaben
Computerabteilungen kommerzieller Firmen beauftragt.
Ziel war die Erstellung von Indices, in denen dann die Suche erfolgte. Zugleich
wurden die Inhalte der Bänder auf ein Medium mit wahlfreiem Zugriff (Trommel,
Platte) überspielt, sodass über die in der invertierten Datei gefundenen
Dokumentennummern die dazugehörigen Dokumente in der linearen Datei direkt
aufgerufen werden konnten.
Am 25. Mai 1961 verkündete der amerikanische Präsident John F. Kennedy in einer
Rede an den amerikanischen Kongress seinen ehrgeizigen Plan einer bemannten
Mondlandung. Mit der technischen Dokumentation dazu wurde die Flugzeug- und
Raketenfirma Lockheed beauftragt, die 1964 das „Information Science Laboratory“
(später Dialog) gründete (Summit 2002). Federführend war Roger Summit (Abbildung
9). 1967 wird in einem Vertrag zwischen Lockheed und der European Space Research
Organisation (ESRO), später umbenannt in European Space Agency (ESA), der
Austausch der Retrievalsoftware und der Daten vereinbart (Bjørner und Ardito,
Pt.1-2, 2003).
Der einzige ernstzunehmende Konkurrent zu Lockheed war die Firma System
Development Corporation (SDC), an deren Aufbau maßgeblich Carlos Cuadra
Walter Koch, Heinz Hauffe
19
(Abbildung 9) beteiligt war. SDC entwickelte Anfang der 1960er Jahre für die
amerikanische Luftwaffe die Software ORBIT.
1968 schloss SDC einen Vertrag mit dem Educational Resources Information Center
(ERIC) ab und entwickelte ab 1969 ein Retrievalprogramm (ELHILL) für die
National Library of Medicine (NLM), das in der Folge vom British Library Automated
Information Service (BLAISE) für die Abfrage von Medline eingesetzt wurde. Parallel
dazu entwickelte IBM das Datenbanksystem STAIRS (STorage And Information
Retrieval System), das u.a. von den Bibliographic Retrieval Services (BRS) New York
(gegründet 1976) oder DataStar Bern (gegründet 1981) verwendet wurde. Siemens
erfand die „Großspeicher-orientierte listenorganisierte Ermittlungs methode“
(GOLEM), die vom Informationszentrum Raum und Bau (IRB) Stuttgart bis 1986
eingesetzt und von den Rechercheuren als extrem unpraktisch empfunden wurde.
Alle diese Retrievalsprachen waren kommando-orientiert und mussten in Kursen
erlernt werden. Eine kompakte Übersicht über die wichtigsten Retrievalbefehle der
verschiedenen Systeme findet sich bei Vom Kolke (1994, S. 147-178) oder im
„UKOLUG quick guide to online commands“ (1994).
Abbildung 9: Die Online-Pioniere Carlos Cuadra (li) und Roger Summit (re) [1]
Nach der Mondlandung 1969 kamen speziell in den Vereinigten Staaten kommerzielle
Interessen mit ins Spiel. 1972 wird Dialog selbständig und öffnet sich Nicht-
Regierungs-Kunden (Datenbanken: NASA, Nuclear Science Abstracts, ERIC, Pandex).
1968 wird SDC kommerziell (Datenbanken: ERIC, Chemical Abstracts Condensates).
1975 gehen erste amerikanische Bibliotheken online und neben dem IMD Graz
erstmals auch eine weitere österreichische Institution, nämlich das Österreichische
Forschungszentrum Seibersdorf.
1978 folgten auf Grund einer Initiative des Bundesministeriums für Wissenschaft
und Forschung eine Reihe österreichischer Bibliotheken, an denen
Informationsvermittlungsstellen etabliert wurden. Diese wurden mit den heute
legendären Hewlett Packard 2645A Terminals samt Nadeldruckern und Modems
ausgestattet, die zusammen je umgerechnet EUR 14.500,- kosteten, damals eine
astronomische Summe.
Schriften der VÖB 5, 11 – 26
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Abbildung 10: Hewlett Packard 2645A Terminal
Die mit Recherchen befassten Personen waren eine kleine – oft argwöhnisch
beobachtete – Gruppe von Spezialisten, die alsbald einen regen Meinungsaustausch
pflegten. Zunächst kommunizierten sie über die VÖB-Kommission der EDV-
Anwender, in der 1984 die Österreichische Online-Benutzergruppe (1991 umbenannt
in „Arbeitsgruppe Elektronische Medien“) gebildet wurde [2]. Mitglieder dieser
Gruppe waren nicht nur Bibliothekare, sondern auch Informationsfachleute aus der
Industrie. Eine Plattform für die Kommunikation waren die „Online-Mitteilungen“
[3], eine andere die alle zwei Jahre veranstalteten Österreichischen Online-Informations-
treffen, deren erstes 1985 von 18 Teilnehmern gestaltet wurde. Seit 1997 wird diese
Konferenz gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Dokumentation
und Information (ÖGDI) unter der Bezeichnung „ODOK“ veranstaltet [4].
Voraussetzung für den Zugriff auf die Datenbanken waren funktionierende
Telekommunikationsnetze. 1979 nahm Radio Austria, eine Tochterfirma der Post,
einen Tymnet-Knoten in Betrieb, der auch einen Zugang zum amerikanischen Telenet
ermöglichte. Allerdings war die Übertragungsgeschwindigkeit nach heutigen
Maßstäben extrem langsam (300 Baud, gemütlich zum Mitlesen!). Und nicht alle
Hosts waren eingebunden: BLAISE war lange Zeit nur per Telefon-Fernwahl (ATS
13,50 pro Minute) erreichbar.
Die für Online-Recherchen zu entrichtenden Gebühren waren zeit- und
nutzungsabhängig. Bei den Hosts kam eine Stunde Anschlusszeit auf USD 70,- bis
120,- zu stehen; Offline-Prints kosteten USD 0,15 bis 0,30 pro Datensatz (Kosten
für Online-Prints fielen in der Anfangszeit angesichts der niedrigen Übertragungsrate
nicht an). Die Hosts hatten ihrerseits an die Datenbankhersteller zeit- und
nutzungsabhängige Lizenzen („Royalties“) zu entrichten; z.T. floss damit mehr Geld
aus den Vereinigten Staaten nach Europa als europäische Kunden zu zahlen hatten.
Walter Koch, Heinz Hauffe
21
Für das Netz schlugen sich die Anschlusszeit mit ATS 11,- bis 15,- pro Minute
sowie das Datenvolumen mit ATS 10,- pro Kilobyte zu Buche.
Angesichts dieser Kostenstruktur verwundert es nicht, dass die Recherchestrategien
völlig anders waren als heute, da man ohne Kostendruck in den pauschal finanzierten
Datenbanken auf CD-ROM oder im Web stöbern kann. Seinerzeit verzichtete man
oft auf eine Verfeinerung der Recherche, nahm zwecks Wahrung der Vollständigkeit
eine gewisse Ungenauigkeit in Kauf und bestellte die Literaturliste offline. Der
Postweg konnte ein bis zwei Wochen dauern (Oberhauser et al. 1984)!
An deutschen Bibliotheken begann das Online-Zeitalter (von früheren Vorreitern
abgesehen) 1979. Ein Programm der deutschen Bundesregierung zur Förderung der
Information und Dokumentation (1974–1977) hatte zum Ziel, Datenbankbetreiber
als Fachinformationszentren zu errichten (oder bereits bestehende zu fördern) und
diese durch „zentrale Dezentralisation“ planmäßig staatlich zu lenken. Zum Teil
werden diese Einrichtungen bis heute staatlich finanziert oder gefördert, teilweise
besteht heute eine vollständige Eigenfinanzierung. 1984 belief sich der
Kostendeckungsgrad durchschnittlich auf 27%. Die Geschäftsmodelle und Träger
der Institutionen sind vielfältig, ebenso die Bandbreite ihrer Leistungsangebote. Eine
Liste der heute noch aktiven Institutionen findet sich in der „Übersicht über
Fachinformationszentren und überregionale Informations einrichtungen“ (2005).
Am Datenbankmarkt herrschten alsbald hektische Aktivitäten. Lizenzverhandlungen
zwischen Datenbankherstellern und -anbietern führten oft zu Aufkündigungen von
Exklusivlizenzen, sodass zum Vorteil der Konsumenten dieselben Datenbanken bei
mehreren Hosts auflagen. So wurde z.B. 1981 Medline (bis dahin exklusiv bei BRS
und BLAISE) in das Datenbankprogramm von Dialog aufgenommen. Derwent,
der Produzent des World Patents Index, kündigte 1984 den Exklusivvertrag mit
SDC. Die Datenbankversionen des Science Citation Index und des Social Science
Citation Index vom Institute for Scientific Information (ISI) gab es bei mehreren
Hosts, nur der Arts and Humanities Citation Index lag exklusiv bei BRS auf.
1982 gab es in Deutschland 250 Online-Anschlüsse in der Industrie und 100 an
Universitäten. 1983 wird STN (Scientific Technical Network) gegründet, ein
gemeinsames Unternehmen des FIZ Karlsruhe und des Chemical Abstracts Service
(CAS) in Columbus, Ohio. Diese Unternehmensstruktur ermöglichte es STN, die
Chemical Abstracts inklusive Abstracts aufzulegen, während sich alle anderen Hosts
mit den Chemical Abstracts Condensates (also einer Version ohne Abstracts) begnügen
mussten. Ein Rechtsstreit zwischen Dialog und dem CAS auf Freigabe der Abstracts
und der Strukturinformationen dauerte von 1990 bis 1993, ohne dass dem Ansinnen
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Dialogs statt gegeben wurde. Die Strukturinformationen hatte dagegen jahrelang
exklusiv der französische Host Questel, bevor auch STN Substrukturrecherchen
ermöglichte. Diese Konkurrenz bewog Questel schließlich, sich hauptsächlich auf
Informationen zu Patenten und Handelsmarken zu konzentrieren.
Die Retrievalsysteme wurden indes zügig weiterentwickelt: Manche Systeme (wie
ORBIT, ESA/IRS, GOLEM) boten Suchen nach Zeichenketten in vorselektierten
Mengen an. 1987 kamen Dialog (das zuvor einen Gesamtindex namens DIALINDEX
bereitgestellt hatte) und ESA/IRS mit einer simultanen Suche in mehreren
Datenbanken unter gleichzeitiger Eliminierung von Duplikaten heraus. Nachdem
die Anfänge der Datenbanken in die Mitte der 1960er Jahre datieren, vermisste man
bald die Nachweise älterer Literatur: Georef ergänzte 1985 seinen Umfang um Zitate
ab 1785; die Rückerfassung bei den Chemical Abstracts betraf Zeitschriftenartikel
und Patente (1878-), Substanzen (1957-) und Reaktionen (1840-); das Institute for
Scientific Information (ISI) erfasste jüngst ältere Zitate bis 1900 zurück; Inspec geht
nunmehr zurück bis 1898. Zu den bibliografischen Datenbanken gesellten sich alsbald
Faktendatenbanken (Firmenverzeichnisse, Wirtschaftsstatistiken, Pharmakopöen
etc.).
Konkurrenz war auch die Triebfeder für Ver- und Aufkäufe einschlägiger Firmen.
1986 kauft Pergamon SDC und verkauft dieses 1988 an Maxwell weiter. 1988 kauft
der Medienkonzern Knight Ridder (in Konkurrenz zu Maxwell, AT&T und Mead
Data Central) Dialog um USD 353 Mio („quite a sum!“, hieß es damals, nachdem
sich der Kaufpreis einer Firma üblicherweise in der Größenordnung ihres
Jahresumsatzes bewegte). Dialog verzeichnete damals 91.000 eingetragene Benutzer
und Benutzerinnen aus 86 Ländern, die 1987 bei einem Umsatz von USD 98,1 Mio
für einen Gewinn von USD 9,2 Mio sorgten. 1993 kauft Knight Ridder auch Data-
Star. Seit 2000 gehören Dialog und Data-Star (wie auch ISI) zu Thomson Scientific.
1994 wurde BRS von Ovid Technologies aufgekauft, Ovid 1998 von Wolters Kluwer,
das BRS nicht mehr weiterbetrieb. Es ist bemerkenswert, dass die amerikanischen
Datenbankanbieter durch die Bank kommerziell agierten, während die europäischen
Hosts zumeist auf staatliche, halb- oder überstaatliche Finanzmittel zurückgreifen
konnten. Die Datenbankhersteller hingegen waren (und sind) oft nicht-
gewinnorientierte Institutionen, die – auch in den USA – in den Genuss staatlicher
Förderungen kamen.
1988 trat eine Zäsur am Datenbankmarkt ein. Waren bis dato die Informations-
vermittlungsstellen der Bibliotheken die einzigen Orte an der jeweiligen Universität
mit grenzüberschreitenden Datenleitungen und damit die einzigen Stellen, die auf
Datenbanken zugreifen konnten, so kamen nunmehr dieselben Datenbanken auf
Walter Koch, Heinz Hauffe
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CD-ROM auf den Markt. Zunächst wurden diese auf Einzelplätzen installiert, die
jedoch bald der Nachfrage nicht mehr Herr werden konnten. 1992 wurden erste
CD-ROM-Netze an österreichischen Bibliotheken aufgebaut, die einen breiten
universitätsweiten Zugriff durch die Endnutzer und –nutzerinnen auf diese
Datenbanken ermöglichten (Hauffe 1993, Seidler und Oberhauser 1996), mit dem
Effekt, dass die klassischen vermittelten Online-Recherchen rapide zurückgingen
(Abbildung 11). 1990 gab es 3525 weltweit online verfügbare Datenbanken (1985
waren es vergleichsweise 2500) und „nur“ 433 Datenbanken auf CD-ROM, die
allerdings die am meisten nachgefragten Produkte enthielten und entsprechend viel
stärker genutzt wurden.
Abbildung 11: Erwähnung des Begriffs „Online“ in ausgewählten Datenbanken (NCJRS, PAIS, ERIC, SSCI) in % aller Einträge
Eine weitere Zäsur ereignete sich 1995, als erste Datenbanken im World Wide Web
(WWW) aufgelegt wurden. Dieses hatte 1989 Tim Berners-Lee erfunden; die erste
Nutzanwendung war das 1991 gegründete Los Alamos National Laboratory (LANL)
Preprint Archive. Die Software zur Anzeige der Dokumente hielt Schritt (1993
bringt Adobe Systems den nunmehr allgegenwärtigen Acrobat Reader heraus).
Abbildung 12: Tim Berners Lee
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Schriften der VÖB 5, 11 – 26
24
Mittlerweile haben die im WWW verfügbaren Datenbanken jene auf CD-ROM
überflügelt; diese gelten nunmehr als Produkte einer veralteten und damit auslaufenden
Technologie. Diese Tendenz wird auch durch die Nutzungsstatistik 2007 der
Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Tirol, die vielleicht als repräsentativ für
ähnliche große Universalbibliotheken anzusehen ist, belegt (Tabelle 1):
Tabelle 1: Datenbankangebot und Nutzungsdaten 2007 der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol
Anzahl CD-ROM- und Web-Datenbanken: 110Zugriffe auf Webdatenbanken: 140.502Downloads von Volltextdokumenten aus 15 Volltextdatenbanken:
124.633
Zugriffe auf CD-ROM Datenbanken: 384Online-Recherchen für 39 BenützerInnen: 179Daueraufträge (SDIs): 7
Die meist genutzten Web-Datenbanken waren die Rechtsdatenbank (16.766 Zugriffe),
SciFinder 1907 ff. (=Chemical Abstracts; 14.977 Zugriffe), Academic Search Elite
/ Premier (14.950 Zugriffe), Web of Science (=Science Citation Index, Social Science
Citation Index und Arts & Humanities Citation Index; 14.035 Zugriffe) und Business
Source Elite / Premier (13.093 Zugriffe). Rund 1.500 weitere Datenbanken können
im Rahmen einer durch ULB-Personal durchgeführten kostenpflichtigen Online-
Recherche bei den Datenbankanbietern The Dialog Corporation, FIZ Technik und
STN International genutzt werden. Über die Hälfte der punktuellen Online-
Recherchen waren Zitationsanalysen.
Schließlich etablierten sich ab 1997 Verlagsplattformen mit Nachweisen der
Zeitschrifteninhalte und der Möglichkeit des Aufrufs der elektronischen Volltexte.
Auch hier sprechen die Nutzungszahlen 2007 der ULB Tirol für die außerordentlich
starke Akzeptanz dieses Mediums (Tabelle 2) – die Nutzungszahlen betreffen
Titelaufrufe via EZB (Elektronische Zeitschriftenbibliothek), direkte Zugriffe auf
die Homepage des Verlages oder Volltextanbieters bzw. Zugriffe über Links aus
Datenbanken sind in den angegebenen Nutzungszahlen nicht enthalten.
Tabelle 2: Angebot und Nutzung (= Zugriffe über die Elektronische Zeitschriftenbibliothek) 2007 für elektronische Zeitschriften
Anzahl der angebotenen E-Zeitschriften: 27.700Anzahl der Zugriffe via EZB: 182.573
Walter Koch, Heinz Hauffe
25
Die am meisten nachgefragten Verlage waren Elsevier, Springer, Blackwell und Wiley;
die am häufigsten aufgerufenen Titel (jeweils über 1000 Zugriffe) waren das New
England Journal of Medicine, Lancet und Nature.
Manche Verlage bezeichnen diese Produkte als die größten Datenbanken, die es je
gegeben hat, und sind dabei, die Inhalte jeweils zurück bis zu den ersten Jahrgängen
der Zeitschriften nachzuerfassen. Doch dies gehört zur Gegenwart und wird
Gegenstand der Geschichtsschreibung späterer Generationen sein.
LITERATURVERZEICHNIS(Links zuletzt geprüft am 18.07.2008)
Bjørner, Susanne and Stephanie Ardito: Online Before the Internet: Early Pioneers Tell Their
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Schriften der VÖB 5, 11 – 26
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3 Online-Mitteilungen. Beigebunden an die Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer
Bibliothekarinnen und Bibliothekare. 1.1979 - 92.2007.
http://www.univie.ac.at/voeb/php/publikationen/om/
4 Tagungsbände der Österreichischen Online-Informationstreffen (ODOK).
1.1995 - 12.2007. http://www.univie.ac.at/voeb/php/veranstaltungen/odok/
ADRESSE DER AUTORENUniv.-Prof. Dr. Walter Koch
Technische Universität Graz
Klosterwiesgasse 32/1, A-8010 Graz
E-Mail: kochw@ait.co.at
HR Dr. Heinz Hauffe
Dr.-Stumpf-Straße 29, A-6020 Innsbruck
E-Mail: heinz.hauffe@uibk.ac.at
Walter Koch, Heinz Hauffe
27
INFORMATIONSSYSTEME UND IHRE ERSCHLIESSUNG
SCIFINDER SCHOLAR UND CROSSFIRE UND WEB OF SCIENCE UND … - LUXUS ODER NOTWENDIGKEIT ?
ENGELBERT ZASS
ABSTRACT
Das Informationsangebot in der Chemie ist, im Unterschied etwa zur Biologie, fast völlig
von kommerziellen Anbietern dominiert, deren elektronische Produkte vor allem einen
zahlungskräf tigen Industriemarkt bedienen. Das ist eine für Hochschulen problematische
Situation, trotz zahl reicher „academic programs“ für solche Datenbanken. Die Produzenten
haben in den letzten Jah ren u.a. durch Erweiterung der inhaltlichen Erfassung, Erwerb
weiterer Datenbanken und Opti mierung ihrer Benutzeroberflächen für Endnutzer
versucht, ihre Marktanteile zu vergrössern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
ob nicht eine oder zwei dieser kostspieligen, umfangrei chen Quellen für Endnutzer die
wesentlichen Bedürfnisse im Bereich Sekundär/Tertiärliteratur abdecken kann. Aufgrund
unserer langjährigen Rechercheerfahrung und von Datenbankverglei chen müssen wir diese
Frage leider verneinen.
EINLEITUNG
Das wissenschaftlich-technische Informationsangebot, von Gratisquellen wie Wikipedia
und Google Scholar bis zu den kommerziellen, kostenpflichtigen Datenbanken hat
inzwischen einen Umfang angenommen, der selbst für Spezialisten nur noch schwer
überschaubar ist. Vielfalt und Komplexität nehmen weiter zu, vor allem in der Chemie
und verwandten Gebieten mit ihrem zahlungskräftigen und informationshungrigen
Markt in der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Dies ist ein Problem
sowohl für Benutzer dieser Datenbanken als auch für Bibliothe kare: letztere müssen
in einer Zeit eingefrorener oder gekürzter Budgets eine den Bedürfnissen ihrer Klientel
angemessene Auswahl bereitstellen (lizenzieren), und das nicht nur bei ständig neuen
Quellen, sondern auch steigenden Preisen für bereits lizenzierte Datenbanken.
Schriften der VÖB 5, 27 – 37
28
Um ein angemessenes Kosten/Nutzen-Verhältnis zu erreichen, sind Datenbanken
aber nicht nur zu finanzieren und zu lizenzieren, sondern man muss auch
entsprechende Benutzerunterstützung anbieten, d.h. Ausbildung, Schulung,
Betreuung und Beratung zur Informationsbeschaffung und Datenbanknutzung.
Die heutige Generation der Studierenden nutzt zur Informationsbeschaffung mit
Selbstverständlichkeit das World Wide Web, Suchmaschinen wie Google und überall
frei zu gängliche Quellen wie Wikipedia. Eines der wesentlichen Probleme bei
Studienanfängern ist da her die Vermittlung der Tatsache, dass dies im Studium
und in der wissenschaftlichen Tätigkeit bei weitem nicht ausreicht, und dass alle
Quellen nur mit entsprechender kritischer Bewertung zu nutzen sind. Weiter ist
zu vermitteln, dass mit traditionellen Informationsquellen gleichmässige Qualität,
dauernde Verfügbarkeit, und repräsentative (angemessene), nachvoll ziehbare Abde-
ckung von Themenbereichen eher gewährleistet sind. Mit einer solchen Erweiterung
der Infor mationsbeschaffung ist das Problem aber nicht gelöst: Benutzer neigen nach
unse rer Beobach tung in einem problematischen Ausmass dazu, für ein Problem statt
der fallweise je weils geeig netsten Informationsquelle diejenige zu nehmen, welche sie
am besten kennen, oder die am ein fachsten zugänglich bzw. zu benutzen ist. Dafür
verantwortlich sind sowohl die (ab schreckende) Vielfalt des Datenbankangebots, als
auch die Tatsache, dass in der Chemie grosse Datenbanken wie Chemical Abstracts
(CA [1]) oder Beilstein [2] tatsächlich Antworten auf sehr viele Fragen bieten - aber
eben nicht auf alle, und nicht immer die beste Antwort. Äusserun gen von Benutzern
wie z.B. «Warum DiscoveryGate testen, ich finde alles in SciFinder Scholar» er hellen
die Prob lematik der Einführung neuer Informationsressourcen, selbst wenn Bib-
liothekare sie zuvor sorg fältig getestet und die lokalen Informationsbedürfnisse
analysiert haben.
An der ETH Zürich haben wir uns immer schon bemüht, im Rahmen der Ziele
dieser Hochschule mit den verfügbaren Erwerbungsmitteln eine möglichst optimale
Informationsversorgung zu bie ten. Für die vom Informationszentrum Chemie
Biologie Pharmazie [3] abgedeckten Fachberei che sind das zur Zeit über 40
kostenpflichtige Datenbanken wie SciFinder Scholar [4] (Chemi cal Abstracts [1]),
CrossFire [5] Beilstein [2] und Gmelin [6], Web of Knowledge [7] (Web of Science
[8]), und zahlreiche Spezialdatenbanken, z.B. Bretherick›s Reactive Chemical Hazards
Database, die elektronische Fassung eines wichtigen Handbuches mit Sicherheitsinfor-
mationen über chemische Reaktionen auf CD-ROM. Dieses breite Angebot für
Endnutzer (Zu griff am Arbeitsplatz oder via WLAN in öffentlichen Räumen)
wird ergänzt durch das Angebot vermit telter Recherchen durch Spezialisten in
Datenbanken der Hosts STN International [9] und Dialog [10].
Engelbert Zass
29
DATENBANKANGEBOT UND BEWERTUNG
Im Folgenden wird skizziert, aufgrund welcher Argumente und Kriterien wir ein
solches, in der Lizenzierung kostspieliges und in der Betreuung aufwändiges Angebot
aufrechterhalten und weiterentwickeln. Unsere Diskussion beschränkt sich dabei auf
Datenbanken aus dem Bereich der Sekundärquellen, d.h. Information des Typs, der
gedruckt in Handbüchern und Referateorga nen angeboten wurde, unter Ausschluss
von elektronischen Zeitschriften und Monographien.
Sorgfältige Evaluierung führte dazu, dass wir aufgrund von Bedarfsanalysen, Kosten/
Nutzen-Ab schätzungen einschliesslich Berücksichtigung alternativer elektronischer
Quellen z.B. neben der gedruckten Ausgabe des Bretherick auch die erwähnte
Datenbank anbieten, während wir uns etwa beim Merck Index [11] oder beim
Kleemann-Engel [12], die beide auch elektronisch ver fügbar sind, auf die gedruckte
Version beschränken.
Zum Datenbankangebot gehört nicht nur die Lizenzierung, sondern auch technische
Unterstüt zung, Propagierung auf Webseiten und im WebOPAC, denn bei einem
umfangreichen Angebot ist die Information darüber an Benutzer eine zentraler
Aufgabe. Während dies bei Monographien und Periodika unabhängig vom Medium
(Papier oder elektronisch) durch Nachweis in unserem WebOPAC CLICAPS
[13] geschieht, pflegen wir für Datenbanken eine «meta-Datenbank» [14], in der
«Google-like» nach an der ETH Zürich verfügbaren Datenbanken zu Chemie,
Biologie, Pharmazie gesucht werden kann. Aufgeführt sind sowohl kostenpflichtige,
lizenzierte als auch gratis im Web verfügbare Quellen. Ausserdem kann man
sich zu wichtigen Themenbereichen wie z.B. Kataloge, Patente, Toxikologie die
jeweils ver fügbaren Datenbanken anzeigen lassen. Hier wird auch organisatorisch-
technische Information, Zugriffsberechtigungen, oder Installationsan leitungen für
ggf. benötigte spezielle Client-Software bereitgestellt; für via Web-Browser abfrag-
bare Datenbanken ist natürlich jeweils der direkte Link dazu verfügbar.
Die enorme Vielfalt der Quellen wird bei Datenbanken noch durch die Vielfalt der
Benutzerober flächen vergrössert, denn praktisch alle wichtigen Datenbanken sind
unter mehreren Benutzer oberflächen verfügbar, im Falle von Chemical Abstracts -
einem zugegebenermassen extremen Beispiel - sind es derzeit nicht weniger als neun:
SciFinder [15], SciFinder Scholar [4], CA on CD [16], CA Student Edition [17], STN
Messenger [18], STN on the Web [19], STN Easy [20] sowie die Retrievalsprachen
der Hosts Dialog [10] und DataStar [21]. Typischerweise be deuten unterschiedliche
Benutzeroberflächen auch unterschiedliche Zugriffsmöglichkeiten zur Informa-
tion, dahinter können sich aber auch bezüglich Inhalt oder zeitlicher Abdeckung
Schriften der VÖB 5, 27 – 37
30
unter schiedliche Versionen einer Datenbank verbergen, z.B. CAplus [22] bei
SciFinder Scholar, wahlweise CA [23] oder CAplus [24] bei STN International
[9]; Science Citation Index [25] oder Science Cita tion Index Expanded [26], und oft
auch unterschiedliche Preismodelle wie ein jährlicher Festpreis für Web of Science
gegenüber «pay-per-use» für den Science Citation Index bei den Hosts STN [9],
Dialog [10], DataStar [21].
Für wichtige Quellen kann es erforderlich sein, mehr als eine Benutzeroberfläche
(Datenbankver sion) vorhalten zu müssen - in der Chemie ist Chemical Abstracts [1]
zweifellos die umfas sendste und bedeutendste einzelne Informationsquelle, und
SciFinder Scholar [4] ist die Benut zeroberflä che der Wahl für Endnutzerrecherchen
im Hochschulbereich. Wir bieten aber als Al ternative trotz der zusätzlichen Kosten
auch noch vermittelte Recherchen in Chemical Abstracts via STN [9] an. Dies wegen
Systemgrenzen bei der Substrukturrecherche in SciFinder Scholar («AutoFix»), und
weil einige wichtige Typen von Fragestellungen - in der Biochemie Sequenzen
und Subsequen zen von Biopolymeren, die Zusammensetzung anorganischer
Verbindungen und Werkstoffe («alle Ti-N-Verbindungen ohne weitere Elemente»),
Suche nach «therapeutic use» von Verbin dungen, usw. - in SciFinder Scholar im
Unterschied zu den Chemical Abstracts Da tenbanken bei STN nicht suchbar sind.
Bei thematischen Recherchen in Chemical Abstracts ge nügt SciFinder Scho lar dann
nicht, wenn diese Recherchen komplex sind, oder wenn hohe Präzi sion bei mög lichst
umfassender Abdeckung gefordert ist: eine Suche nach «nuclear overhauser effect
diffe rence spectroscopy» gab 56 Literaturzitate in SciFinder Scholar gegenüber 859
in STN. Solche Recher chen gehören in die Hand von Spezialisten, und dafür wurde
das Endnutzer system SciFin der Scholar auch nicht entwickelt.
Auch wenn sie als solche angepriesen werden, sind die derzeitigen Benutzeroberflächen
nicht benutzerfreundlich, sie sind lediglich bedienungsfreundlich. Das ist
ein Unterschied, der lei der nicht nur von den Produzenten, sondern auch
in Anwenderkreisen zu wenig differenziert wird. Bedienungsfreundliche
Benutzeroberflächen wie etwa SciFinder Scholar oder Web of Knowledge erwecken
leider beim Benutzer den Eindruck, alles sei so einfach. Dieser Eindruck wird
durch das Marketing der Produzenten noch verstärkt. Dabei müssten diese am
besten wis sen, wie ge fährlich z.B. eine einfach wirkende Benutzeroberfläche über
einer so komplexen Da tenbank wie Chemical Abstracts sein kann - diese Diskrepanz
ist andererseits eine überzeugende raison d›etre für Ausbildung, Schulung und
Betreuung von Benutzern durch Bibliothekare und Informations spezialisten! Nur so
sind Chemiker in der Lage, zu entscheiden, ob sie ein Problem selber am Ar beitsplatz
lösen können, oder ob sie die Hilfe eines Spezialisten, und damit ggf. auch andere
Be nutzeroberflächen oder Datenbanken als die gewohnten benötigen.
Engelbert Zass
31
ERFASSUNG UND ERSCHLIESSUNG IN DATENBANKEN
Wichtige Kriterien für die Auswahl von Datenbanken und Benutzer oberflächen
sind also Suchbarkeit (Zugriff ), Bedienungsfreundlichkeit und Preismodelle;
Festpreise etwa lohnen sich nur für intensiv genutzte Datenbanken. Noch wichtiger
ist natürlich der Inhalt der Datenbanken - die beste Oberfläche nützt ja nichts,
wenn die Datenbank die gewünschte Information nicht, nicht mehr oder noch nicht
enthält, denn Erfassung und Erschliessung der Primärliteratur haben sich im Laufe
der Zeit bei den meisten Datenbanken wesentlich geändert. Die entsprechende
meta-Information ist viel zu wenig bekannt, und sie wird von den Produzenten allzu
oft gar nicht zur Verfügung gestellt.
Wichtige Kriterien für die Bewertung von Datenbanken sind:
• Erfassungskriterien (Auswahl der einzelnen Publikationen)
o Typen der Quellen (Primärliteratur: Zeitschriften, Patente, usw.)
o Zahl der Titel (Zeitschriften, Patentbehörden, usw.)
o Zeitrahmen der Erfassung
• Erschliessungstiefe (Indexierung)
• Aktualität
Die aufgrund dieses Bewertungsrasters erhobenen qualitativen und vor allem die
quantitativen Daten erfordern aber einen sorgfältigen Umgang. Im Vergleich von
Chemical Abstracts [1] und Beilstein [2] ist die Tatsache, dass letzterer Patente nur bis
1980 erfasst hat, während CA dies von Anfang an getan hat (allerdings mit grossen
Unterschieden in der Auswahl der Patentdoku mente der einzelnen Länder, die im
Laufe der Zeit immer wieder erweitert wurde) ein klares qualitatives Kriterium. Ein
simpler quantitativer Vergleich der erfassten Zeitschriftentitel hinge gen - CA ca. 9›500,
Beilstein z.Z. 174 - lässt nicht nur ausser Acht, dass der Beilstein vor 1980 mehr Zeit-
schriften erfasste, sondern diese Zahlen sind so gar nicht vergleichbar: betrachtet
man bei CA nur die organischen Sektionen (ohne organometallische Chemie, d.h.
den vom Beilstein erfassten Be reich der Chemie), dann findet man für das Jahr 2000
26›151 Artikel aus insgesamt nur 1›173 ver schiedenen Zeitschriften; davon wurde
aber aus nicht weniger als 387 Zeitschriften nur je ein Ar tikel für die Erfassung
ausgewählt, während die 150 wichtigsten Zeitschriften 81 % aller Artikel lieferten.
Chemical Abstracts ist die umfassendste Quelle für die Chemie, die Abde ckung des
Beilstein für den Bereich der organischen Chemie ist aber durchaus vergleichbar. Diese
Vorsicht gilt auch für einzelne vergleichende Recherchen: die detaillierte Analyse der
Re sultate einer Lite raturrecherche zur Isolierung von Steroiden aus der chinesischen
(!) Medizinal pflanze Artemisia annua gab zwei Literaturzitate im CrossFire Beilstein
[2] gegenüber 10 in Chemical Abs tracts [1]. Bei den neun exklusiv in CA gefundenen
Schriften der VÖB 5, 27 – 37
32
Artikeln handelt es sich, mit Ausnahme der in Ir land erscheinenden Zeitschrift
Plant Science, um Artikel chinesischer Zeitschriften, also in ei ner Sprache, mit der
ein durchschnittlicher Benutzer an einer Hochschule kaum etwas anfangen kann.
Je ein Artikel aus der Zeitschrift Phytochemistry wurde aber exklusiv nur in CA bzw.
Beil stein gefunden, obwohl die betreffenden beiden Artikel von beiden Datenbanken
erfasst wurden - der Unterschied im Re sultat ist hier durch die unterschiedliche
Erschliessung (Indexierung) be dingt. Alle gefundenen Artikel ausser den chinesischen
sind auch im Science Citation Index [25] er fasst, dort aber mit unserer Fragestellung
nach Verbindungsklassen (Steroide) nicht auffindbar, denn es gibt in dieser Datenbank
weder die Möglichkeit der (Sub)struktursuche (wie in Beilstein und CA), noch eine
Indexierung von Verbindungsklassen mit Stichworten.
Dieses Beispiel illustriert, dass eben nicht nur die Erfassung der Primärquellen, sondern
auch ihre Erschliessung in der Datenbank ein wichtiges Kriterium für die Auswahl
von Datenbanken ist. Diese Bewertung muss sowohl aufgrund der Erfas sungs- und
Erschliessungskriterien, als auch aufgrund von Ver gleichsrecherchen erfolgen [27].
Eine Suche nach Literatur zum Heterozyklus 6,7-Dimethoxy-1,2,3,4-tetrahydro-
isochinolin, ins besondere zu seiner Herstellung, gab in den Datenbanken von
Chemical Abstracts [1] bzw. Beil stein [2] folgende Resultate:
CAplus [22] Beilstein [2]Literatur total 189 121Literatur zur Herstellung 26 36
Von den Literaturzitaten zur Herstellung kommen 17 sowohl in Chemical Abstracts als
auch im Beilstein vor. Von den 9 Zitaten exklusiv in CAplus war eines aus dem Jahr 2004
noch zu neu - Hand bücher hatten wegen ihrer aufwändigen Erfassung traditionell
einen grösseren Zeitrückstand auf die Originalliteratur als Referateorgane wie
Chemical Abstracts, und das hat sich auf die ent spre chenden Datenbanken übertragen:
wichtige CAS-Datenbanken werden täglich aktualisiert, der Beil stein nur viermal pro
Jahr. Vier Artikel stammen aus den Zeitschriften Acta Poloniae Pharma ceutica, Journal
of Heterocyclic Chemistry und Phytochemistry, die vom Beilstein an sich erfasst werden, in
diesem Fall aber offensichtlich nicht. Die übrigen stammen aus Informati onsquellen,
die im Beilstein nicht erfasst werden: ein japanisches Patent, Journal of Chroma tography,
B: Biomedical Applications, Dokladi na Bulgarskata Akademiya na Naukite (bulga risch)
und Sze gedi Tanarkepzo Foiskola Tudomanyos Kozlemenyei (ungarisch). Die 19 Publikati-
onen zur Her stellung exklusiv nur im Beilstein stammen alle aus Zeitschriften, die
an sich für CA ausgewertet werden, und aus dem von CA abgedeckten Zeitraum.
Auch hier liegen die Unter schiede wieder in der nach unterschiedlichen Kriterien
Engelbert Zass
33
und Richtlinien erfolgenden in haltlichen Erschliessung der Primärliteratur. Aus
diesem und vielen ähnlichen von uns analysier ten Bei spielen geht klar hervor, dass
für eine einigermassen umfassende Literaturrecherche zur Herstel lung organischer
Verbindungen sowohl Beilstein als auch Chemical Abstracts erforderlich sind. Die
Unterschiede zwischen CA und Beilstein sind oft noch ausgeprägter für die Zeit
vor 1967, in der die CAS-Da tenbanken erst durch nachträgliche Erfassung und
maschinelle Informati onsverar beitung der ge druckten Chemical Abstracts erweitert
worden sind; dies gilt zwar auch für die Beilstein-Daten bank, nur war hier die
Erfassung aus dem Handbuch wegen der andersarti gen Datenstruktur ein facher,
und die Er schliessung von Verbindungen und Reaktionen war im Beilstein-Handbuch
derjenigen in CA damals oft überlegen: aus der Publikation zur ersten Total synthese
des Steroid hormons Östron (1942) wurden von den insgesamt 60 organischen und
anor ganischen Verbin dungen und 38 Re aktionen in diesem Zeitschriftenartikel
im Beilstein 35 Ver bindungen und 36 Reaktionen erfasst, in CA hingegen nur 15
Verbindungen und 2 Reaktionen.
Gravierende Unterschiede in wichtigen Datenbanken existieren auch bei der scheinbar
so einfa chen Autorensuche: Der Beilstein als Verbindungsdatenbank reflektiert
weiterhin Zielsetzung und Datenstruktur des gedruckten Handbuchs, aus dem die
Datenbank entwickelt wurde. Auto rennamen waren da nicht wichtig, und es wurden
daher bis 1979 nur maximal zwei Autoren er fasst, ab 1980 dann maximal 6, jeweils mit
et al., wenn die Originalpublikation mehr Autoren hatte. In Literaturdatenbanken wie
dem Science Citation Index oder Chemical Abstracts sind Autorennamen ein wichtiger
Teil der Datenbank; dennoch hat CA bis 1996 die Erfassung auf maximal 10 Autoren
beschränkt, erst seit 1997 werden mehr Autoren erfasst: nach unseren Tests nicht alle,
aber mindestens 150 - leider fehlt auch hier wieder einmal eine klare Angabe des Da-
tenbankproduzenten. Im Science Citation Index hingegen sind alle Autoren und alle
Adressen erfasst. Adressen fehlen im Beilstein völlig, und in CA ist immer noch nur
die Adresse des ers ten Autors angegeben; das ist aber oft nicht der Hauptautor oder
der in der Publikation als Kor res pondenzautor angegebene Ansprechpartner.
Diese Beispiele zur unterschiedlichen Erfassung und Erschliessung der Primärliteratur
in wichti gen Datenbanken zeigen auch, dass für zuverlässige Rechercheresultate
entsprechende Kennt nisse über die Datenbankinhalte (Erfassungsrahmen,
Erschliessungskriterien) unverzichtbar sind. Diese Kenntnisse können aber derzeit
weder aus den «help messages» noch aus der Dokumenta tion (Manuals, Webseiten)
der Datenbankproduzenten in hinreichendem Masse gewonnen wer den, gerade hier
ist Schulung und Betreuung durch versierte Informationsspezialisten unverzicht bar
- leider ist dies aber bei vielen Benutzern und Bibliotheken noch nicht ausreichend
ange kommen!
Schriften der VÖB 5, 27 – 37
34
EINSATZ DER DATENBANKEN
Für Recherchen in der Chemie existierte lange eine relativ klare Aufgabenteilung für
häufige Fragestellungen in den wichtigsten grossen Datenbanken, z.B. für:
• Autorenrecherchen: primär Chemical Abstracts [1] (nicht alle Autoren, aber mehr
Chemie-Zeitschriften), sekundär Science Citation Index [25]
• Verbindungsrecherchen: Beilstein [2] (organische Verbindungen) / Gmelin [6]
(anorgani sche und metallorganische Verbindungen) und Chemical Abstracts
• Eigenschaften und Daten von Verbindungen: Beilstein/Gmelin
• Zitationsrecherchen: Science Citation Index
Für spezielle Fragestellungen nach Reaktionen, Patenten, Spektren, usw. benutzte
(und benutzt) man neben diesen «zentralen» Datenbanken entsprechende
Spezialdatenbanken.
Diese relativ klare Aufgabenteilung und Rangordnung wurde durch eine ganze
Reihe neuerer Entwicklungen verwischt und kompliziert. Im Kampf um grössere
Anteile im attraktiven, zah lungskräftigen Markt der Chemieinformation begannen
die Datenbankproduzenten den von den gedruckten Quellen her überlieferten
Rahmen zu sprengen und gewissermassen in «fremden Re vieren zu wildern»: ab
1985 produzierte der Chemical Abstracts Service eine eigene Reaktions datenbank
CASREACT [28], Beilstein erfasste ab 1980 auch Abstracts und Titel der Publikatio-
nen, aus denen bis dahin nur Verbindungen und deren physika lische und chemische
Eigenschaf ten (einschliesslich Reaktionen) erfasst wurden; CA brach mit den ab
1999 (zurück bis 1997) er fassten Zitationen das quasi-Monopol des Science Citation
In dex für Zitationsrecherchen, der Science Citation Index sah sich auf der anderen
Seite genötigt, auch Literatur vor 1945 zurück bis 1900 zu erfassen (Projekt Century
of Science [29]). Chemical Abstracts stärkte seine Position im wichtigen Feld der
Eigenschaftssuche durch die umfassende Inkorporierung von berechneten (2001)
und ab 2003 auch gemessenen Eigenschaften von Ver bindungen, und bietet damit
eine direkte Konkurrenz zu Beilstein und Gmelin, welche bis dahin diesen Bereich
dominierten. Auch das bedarf einer genaueren Analyse: für die anorganische, auch
technisch bedeutende Verbin dung Siliziumtetrafluorid etwa fand man in Chemical
Abstracts (Verbindungsdatenbank CAS Re gistry [30]) 10 gemessene physikalische
Eigenschaften, in CrossFire Gmelin [6] dagegen nicht weniger als 64. Für das
Mykotoxin Deoxynivalenol z.B. bot der Beilstein 6 physikalische und 26 biologische/
pharmakologische Eigenschaften, gegenüber 7 bzw. 1 in Chemical Abstracts. Lite ratur
zur Toxikologie dieser problematischen Verunreini gung in Getreideprodukten fanden
wir wie folgt: Chemical Abstracts, 262 Zitate; CrossFire Beil stein, 27; MDL Toxicity
Database [31], 34; dabei fand man unter den 27 bzw. 34 Zitaten in Beilstein bzw.
Engelbert Zass
35
Toxicity Database ledig lich vier Zitate in beiden Datenbanken. Dies zeigt wieder den
umfassenden Charakter von CA, man cher Praktiker wird aber die beiden anderen
Quellen vorziehen, denn weniger ist of mehr bei zu lesender Literatur.
SCHLUSS: EIGENSCHAFTEN-QUELLEN-INDEX
Die Beispiele sollen veranschaulichen, warum wir an der ETH Zürich im Bereich Chemie/
Biologie/Pharmazie ein derart grosses und aufwändiges Angebot an Datenbanken
vorhalten und in ständigem Kontakt mit den Benutzern und Produzenten weiter pflegen
und optimieren. In die sem Prozess ist es auch erforderlich, Monopolisierungsansprüchen
der grossen Anbieter («bei uns fin den Sie alles was Sie brauchen») entgegenzutreten,
indem eine vernünftige Vielfalt an Quellen lizenziert und vor allem auch unterstützt wird.
Bei einem solchen grossen Datenbankangebot ge nügt es nämlich nicht, den Benutzern
eine Übersicht über die lokal verfügbaren (lizenzierten) Datenbanken zu bieten, wie wir
das mit unserer bereits erwähnten meta-Datenbank [14] tun, es ist etwa im komplexen
Bereich der chemischen Verbindungen, für die mehrere hundert physi kalische und
chemische Eigenschaften existieren können, eine entsprechende Benutzerunterstüt zung
zum gezielten Suchen nach solchen Eigenschaften zu bieten. Dabei sollten nicht nur die
bekannten Datenbanken, sondern auch für den Benutzer weniger offensichtliche Werke
berücksichtigt werden. Für diese Thematik wurde von M. Brändle (InfoZentrum) ein
dreisprachi ger Eigenschaften-Quellen-Index (EQI) geplant und unter Mitarbeit von
Jana Sonnenstuhl (HU Berlin), Arun Kumar (InfoZentrum), Francine Dreier, Cédric
Noir, Rachel Bays (alle Univ. Ge nève, französische Fassung) realisiert. Der seit April
2007 öffentlich zugängliche EQI [32] ver knüpft derzeit insgesamt 1›042 verschiedene
Eigenschaften mit den jeweiligen Quellen (821, elektronisch oder gedruckt) und
chemischen Systemen, wobei die Quellen nach gemessenen bzw. berechneten Daten,
Definition, Messmethode und Vorhersage zu den Eigenschaften differenziert sind. Ein
zunehmender Anteil der Quellen ist hinsichtlich ihrer Nützlichkeit (Qualität, Quantität
und Auffindbarkeit der Daten, Zugänglichkeit und Bedienungs freundlichkeit der
Quellen) bewertet. Zu den Eigenschaften sind nicht nur die korrekten Einheiten und
Symbole sowie Synonyme und Übersetzungen angegeben, es wird auch ein Link auf
die entsprechende Beschrei bung einer Eigenschaft im Römpp On line [33] angeboten.
Gegenwärtig führt der EQI die an der ETH Zürich verfügbaren und die frei zugänglichen
Quellen auf. Beabsichtigt ist, den EQI mit Reference Linking zu erweitern, damit weitere
Bibliotheken und Verbünde mitwirken können und deren lokaler Bestand nachgewiesen
wird. Um die Sichtbarkeit des EQI im WWW zu erhöhen, haben wir die Eigenschaften
und verknüpften Quellenangaben durch Google indizieren lassen. Der EQI wurde als
System polyhierarchischer Thesauri reali siert, die für die Sprachen Deutsch und Englisch
sowie Französisch ausge legt und auch für zusätzliche Sprachen erweiterbar sind. Mit
Schriften der VÖB 5, 27 – 37
36
dem EQI manifestieren wir un sere Politik, Datenbanken nicht nur sorgfältig vor und
nach Lizenzierung zu evaluieren, sondern im Hinblick auf die knappen Mittel mit einer
ganzen Palette von Massnahmen - von elektroni schen Hilfsmittel wie WebOPAC [13]
und EQI [33] bis hin zu Kursen und elektronischem Unterrichtsmaterial [34] - dafür
Sorge zu tragen, dass sie angemessen genutzt werden.
Der Autor dankt dem Team des Informationszentrums Chemie Biologie Pharmazie für
die Unter stützung, insbesondere Dr. M. Brändle für Ergänzungen zum Manuskript.
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 16.07.2008)
1 CAS (Chemical Abstracts Service) Chemical Abstracts (CA): http://www.cas.org/
expertise/cascontent/index.html; unter «Chemical Abstracts» verstehen wir hier der
Einfachheit halber eine oder mehrere dieser Datenbanken, wenn nichts anderes erwähnt
ist.
2 Beilstein-Datenbank: http://www.crossfirebeilstein.com/ (CrossFire);
http://www.stn-international.de/stndatabases/databases/beilstei.html (STN).
3 Informationszentrum Chemie Biologie Pharmazie (ETH Zürich):
http://www.infochembio.ethz.ch.
4 CAS (Chemical Abstracts Service) SciFinder Scholar:
http://www.cas.org/products/sfacad/index.html.
5 CrossFire: http://www.beilstein.com/; http://www.infochembio.ethz.ch/Xfire.html.
6 Gmelin-Datenbank: http://www.gdch.de/taetigkeiten/gmelin.htm;
http://info.crossfiregmelin.com/.
7 Thomson Reuters Web of Knowledge: http://www.isiwebofknowledge.com/.
8 Thomson Reuters Web of Science: http://scientific.thomsonreuters.com/products/
wos/.
9 Host STN International: http://www.stn-international.de/.
10 Host Dialog: http://www.dialog.com/.
11 Merck Index: http://www.merckbooks.com/mindex/.
12 Kleemann-Engel, Pharmaceutical Substances: http://www.thieme.com/
SID2394652840960/productsubpages/pubid-368040547.html.
13 CLICAPS (Chemistry Library Information Control and Presentation System): integrier-
tes Bibliothekssystem zur EDV-Unterstützung aller Arbeitsprozesse und der Informati-
onsvermittlung an die Benutzer; Eigenentwicklung in der ETH Chemiebibliothek (jetzt
Informations zentrum [3]) auf der Basis der kommerziellen Datenbanksoftware FileMaker
Pro;öffentlicher WebOPAC: http://www.clicaps.ethz.ch/.
14 Datenbanken zur Chemie/Biologie/Pharmazie an der ETH Zürich (“meta-Datenbank”):
http://www.infochembio.ethz.ch/db.html.
Engelbert Zass
37
15 CAS SciFinder: http://www.cas.org/products/scifindr/index.html.
16 CA on CD wurde für 2008 noch angeboten, erscheint aber nicht mehr auf den CAS-
Webseiten.
17 CA Student Edition: http://www.cas.org/support/academic/pricing.html.
18 STN Messenger (Retrievalsprache des Hosts STN International [9]):
http://www.stn-international.de/training_center/rl/retrieval_short.pdf;
http://www.stn-international.de/training_center/mat_sea_stn.html.
19 STN on the Web (Web-Oberfläche für STN Messenger [18]):
http://www.cas.org/products/stnweb/index.html.
20 STN Easy (Web-Interface für Datenbanken beim Host STN International [9]):
http://stneasy.cas.org/easy5/index.html.
21 Host DataStar: http://www.dialog.com/products/datastar/.
22 CAplus: http://www.cas.org/expertise/cascontent/caplus/index.html.
23 CA (STN): http://www.stn-international.de/stndatabases/databases/ca.html.
24 CAplus (STN): http://www.stn-international.de/stndatabases/databases/caplus.html.
25 Science Citation Index: http://scientific.thomson.com/products/sci/.
26 Science Citation Index Expanded: http://scientific.thomson.com/products/scie/.
27 Nach unserer Erfahrung ist die veröffentlichte Information der Produzenten für eine ange-
messene Beurteilung von Datenbanken völlig unzureichend, man benötigt persönliche
Kontakte zu den Produzenten, Erfahrungsaustausch mit Kollegen (im Falle der Chemie
auch aus der Industrie!), und muss Zeit in aufwändige Vergleichs recherchen oder
beta-Tests neuer Informationsprodukte investieren.
28 CASREACT: http://www.cas.org/expertise/cascontent/casreact.html.
29 Projekt Century of Science: http://webofknowledge.com/currentuser_wokhome/
backfiles/centsci/.
30 CAS Registry: http://www.cas.org/expertise/cascontent/registry/index.html.
31 MDL Toxicity Database: http://www.mdl.com/products/predictive/toxicity/index.jsp.
32 EQI: http://www.eqi.ethz.ch/.
33 Römpp Online: http://www.roempp.com/index.shtml.
34 Kurse des InfoZentrums: http://www.infochembio.ethz.ch/kurse.html.
ADRESSE DES AUTORSDr. Engelbert Zass
ETH Zürich
Informationszentrum Chemie Biologie Pharmazie
Wolfgang-Pauli-Str. 10, CH-8093 Zürich
E-Mail: zass@chem.ethz.ch
http://www.infochembio.ethz.ch
Schriften der VÖB 5, 27 – 37
39
BUNTE BLUMENWIESE VERSUS NUTZBARKEIT – VIRTUELLE FACHBIBLIOTHEKEN UND ANDERE FACHPORTALE IM KONTEXT VON VASCODA UND MÖGLICHKEITEN DER HOMOGENISIERUNG
TAMARA PIANOS
ABSTRACT
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das deutsche Bundesministerium für
Bildung und Forschung fördern seit Ende der 1990er Jahre den Aufbau von fachspezifischen
Informationsportalen. Mittlerweile gibt es ca. 40 einzelne Fachportale für fast alle
Wissenschaftsfächer. Diese Fachportale orientieren sich an den spezifischen Nutzerinteressen
vor allem in der Forschung und Lehre. Dadurch haben sich Besonderheiten jedes einzelnen
Portals herausgebildet, es gibt aber auch viele Gemeinsamkeiten, wie z.B. Literatursuche,
Internetquellen etc. Alle Portale sind außerdem gemeinsam über vascoda.de durchsuchbar.
Die ZBW bearbeitet zwei Bereiche im Kontext der Fachportale: Zum einen werden im Projekt
„Wissenstransfer für Fachportale“ u.a. Workshops zu übergreifenden Themen organisiert und
Hilfestellungen für im Aufbau befindliche Fachportale gegeben. Ziel ist dabei, eine größere
Homogenisierung der Einzelportale zu erreichen. Zum anderen begleitet die ZBW eine externe
Studie, die die Relevanz der Fachportale bei ihren jeweiligen Zielgruppen untersucht.
Im Beitrag wird über den aktuellen Stand der Fachportale im Kontext der beiden ZBW-
Projekte berichtet; ferner werden die Entwicklungs optionen aufgezeigt.
EINLEITUNG: WIE ES DAZU KAM – DIE GESCHICHTE DER BLUMENWIESE
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das deutsche Bundesministerium
für Bildung und Forschung fördern seit Ende der 1990er Jahre den Aufbau von
fachspezifischen Informationsportalen. Mittlerweile gibt es ca. 40 einzelne Fachportale
für fast alle Wissen schaftsfächer.
Diese Fachportale orientieren sich an den spezifischen Nutzerinteressen vor allem
in der Forschung und Lehre. Dadurch haben sich Besonderheiten jedes einzelnen
Portals herausgebildet. Hierzu hat auch beigetragen, dass es 1998 bzw. 1999 noch
keinen Masterplan für ein ideales Fachportal geben konnte, da zu dieser Zeit viele
Internettechnologien erst in der Entstehungsphase waren. So gab es zwar Konzepte und
Empfehlungen zu den Inhalten, aber keine genauen Struktur- oder Technikvorgaben[1].
Schriften der VÖB 5, 39 – 46
40
Die ersten Portale haben zunächst über Verlinkung, zunehmend auch über Metasuchen
versucht, die für ihre Zielgruppe relevanten Inhalte einzubinden, wobei sie mit einer
Reihe von Widrigkeiten zu kämpfen hatten: Technische Lösungen waren nicht
immer ausgereift, Schnittstellen fehlten oder waren nicht kompatibel, wichtige
Datenbanken des eigenen Faches waren unerschwinglich, die Datenbankanbieter
unkooperativ oder die technischen Möglichkeiten zur Darstellung der überregionalen
Lizenzsituation fehlten noch. Einige dieser Rahmenbedingungen haben sich im Laufe
der Jahre verbessert bzw. viele Lösungen scheinen sich abzuzeichnen. So löst die
komfortablere Suchmaschinentechnologie, wo es geht, die Metasuchen ab und über
Rechteverwaltung sowie Authentifizierungs- und Autorisierungsverfahren lassen
sich Zugriffe auf lizenzierte Materialien regeln. Wenn also im Laufe der Jahre neue
Fachportale entstanden, orientierten sich diese zwar an den Erfahrungen der älteren
Fachportale, sie haben aber oft genug eigene Lösungen aufgebaut, weil sich mittlerweise
neue technische Möglichkeiten boten. Zur heterogenen Entwicklung haben außerdem
weitere Faktoren beigetragen, z.B. die föderale Struktur und die Ressourcenausstattung
einzelner Häuser und Projekte. Ist ein Fachportal an einem Haus angesiedelt, an
dem ohnehin in großem Maßstab IT-Knowhow vorhanden ist und möglicherweise
zudem Lizenzen für entsprechende Softwareprodukte verfügbar sind, ergeben sich
andere Entwicklungsmöglichkeiten als in Häusern, in denen das nicht der Fall ist.
Vielfach sind die einzelnen Einrichtungen auch bemüht, die Fachportale in Optik und
Funktionalität in die Angebotsstruktur des eigenen Hauses einzupassen. So ergibt sich
über die Fachportallandschaft hinweg zwangsläufig ein heterogenes Bild.
Es gibt dennoch aber auch viele inhaltliche und funktionale Gemeinsamkeiten bei
den Fachportalen, wie z.B. Literatursuche, Internetquellen etc. Letztlich sind auch
über Fächergrenzen hinweg viele Anforderungen der Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler ähnlich, selbst wenn in einem Fach eher nach Aufsätzen, in einem
zweiten eher nach Monographien, grauer Literatur oder Preprints und in einem dritten
Fach vornehmlich nach Statistiken gesucht wird. Unterschiedliche Anforderungen kann
es dort geben, wo wie z.B. in der Chemie nach Strukturformeln, in der Kunstgeschichte
nach Bildern, oder bei Regionalportalen in Sprachen mit anderen Zeichensätzen gesucht
wird. Einige Grundfunktionalitäten bleiben aber auch in diesen Fällen ähnlich.
Die ZBW bearbeitet zwei Bereiche im Kontext der Fachportale, die eine
Homogenisierung zum Ziel haben: Zum einen werden im Projekt „Wissenstransfer
für Fachportale“ u.a. Workshops zu übergreifenden Themen organisiert und
Hilfestellungen für im Aufbau befindliche Fachportale gegeben. Ziel ist dabei, eine
größere Homogenisierung der Einzelportale zu erreichen.
Zum anderen begleitet die ZBW eine externe Studie, die die Relevanz der Fachportale
Tamara Pianos
41
bei ihren jeweiligen Zielgruppen untersucht. In dieser Studie geht es um Angebot und
Nutzung der Fachportale und um Möglichkeiten der Weiterentwicklung.
STATUS QUO – WAS GIBT ES?
Derzeit gibt es über 40 Fachportale (teilweise mehrere) in folgenden Fächern:
• Altertumswissenschaften
• Anglistik / Anglo-Amerikanischer Kulturraum
• Baltikum
• Biologie
• Buchwissenschaft
• Ethnologie
• Forstwissenschaft
• Germanistik
• Geschichte
• Geowissenschaften/ Geographie
• Holztechnologie
• Ibero-Amerika / Spanien / Portugal
• Kunst
• Mathematik
• Medizin
• Musik
• Naturwissenschaften und Technik / Informatik
• Niederländischer Kulturkreis
• Osteuropa
• Ost- und Südostasien
• Pädagogik
• Pharmazie
• Physik
• Politikwissenschaft + Friedensforschung
• Psychologie
• Rechtswissenschaft
• Romanistik
• Sozialwissenschaften
• Sportwissenschaften
• Südasienwissenschaften
• Theologie und Religionswissenschaft
• Veterinärmedizin
• Vorderer Orient + Nordafrika
• Wirtschaftswissenschaften
Schriften der VÖB 5, 39 – 46
42
Die einzelnen Fachportale haben ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild (siehe
Abbildung 1).
Bezeichnung von Diensten als Beispiel für die Heterogenität:
Oftmals ähneln sich die Dienste der Fachportale, aber die Bezeichnungen für diese
Dienste sind unterschiedlich. So gibt es in vielen Fachportalen ein Modul, das
hochwertige Internetquellen sammelt und erschließt. Bezeichnungen für dieses Modul
sind u.a. Fachinformationsführer, Internetquellen, Internetressourcen, Subject Guide,
SSG-FI Guide, Web-Verzeichnis etc. Ein weiteres Modul ist einmal unter dem Namen
Personen- und Institutionendatenbank zu finden, ein anderes Mal als Forscher/innen-
Verzeichnis oder Forschungsführer. Schon allein die unterschiedliche Bezeichnung der
Produkte erschwert die parallele Nutzung mehrerer Fachportale.
Abbildung 1: Startseiten von sechs unterschiedlichen Fachportalen.
Tamara Pianos
43
DIE PROJEKTE AN DER ZBW: WISSENSTRANSFER UND STUDIE ZU ANGEBOT UND NUTZUNG DER FACHPORTALE
Im Rahmen von vascoda sollen die Fachportale soweit homogenisiert werden,
dass eine parallele Nutzung nicht durch eine unterschiedliche Struktur behindert
wird. Zwei Projekte, die u.a. eine Homogenisierung bzw. eine Verbesserung der
Angebotsstruktur zum Ziel haben, sind an der ZBW angesiedelt, in einem Fall in
Kooperation mit dem GESIS IZ Sozialwissenschaften in Bonn.
Das erste Projekt: Fachportale: Übergreifende Strukturen und Aufgaben wird
gemeinsam mit dem IZ Sozialwissenschaften durchgeführt. Das IZ arbeitet
dabei an einem Referenzmodell für Fachportale[2], die ZBW betreut den
Teilbereich „Wissenstransfer für Fachportale“.[3] Im Rahmen dieses Projektes
wurde zunächst eine Bestandsaufnahme der Heterogenität durchgeführt, die
offenbarte, wie viele Unterschiede es auf den verschiedenen Ebenen gibt.
Durch Wissenstransfer, hauptsächlich in Form von Workshops zu bestimmten
Themen sowie durch einen Fachportal-Newsletter und ein Fachportal-Wiki soll
der Austausch unter den Fachportalen erleichtert werden. Lösungen einzelner
Fachportale werden vorgestellt, andere Fachportale haben so die Möglichkeit
diese Lösungen zu übernehmen. Workshop- oder Newsletter-Themen waren
u.a. kooperative Verfahren, beispielsweise zur Erschließung von Internetquellen,
oder Nutzungsevaluationen oder fachliche Repositorien. Gerade bei kooperativen
Verfahren ergibt sich meist von selbst eine Homogenisierung als Nebeneffekt der
auf Synergien ausgerichteten Zusammenarbeit. Im Fachportal-Newsletter und
im Fachportal-Wiki finden sich Hinweise z.B. zum Umgang mit bestimmten
Content-Management-Systemen oder Nationallizenzen etc. Des Weiteren wurde
im Rahmen des Projektes die Erstellung von Sammlungsbeschreibungen also einer
Collection Level Description (CLD) unterstützt. Diese CLD trägt wiederum zu
einer Homogenisierung der Bezeichnungen der Dienste bei. Die CLD beinhaltet
Informationen zu den Informationsmodulen und Datenbanken der Fachportale.
Dabei wurden beispielsweise bislang unterschiedliche Begriffe für einzelne Module
normiert [4].
Im zweiten Projekt der ZBW wird eine externe Studie zu Angebot und Nutzung der
Fachportale begleitet. Die Studie wurde von der Hamburger Firma Heinold, Spiller
& Partner durchgeführt. Teil der Studie war eine inhaltliche Analyse der Fachportale
zur Frage, ob die wichtigsten Inhalte des Faches eingebunden sind. Des Weiteren
gab es Funktionalitätstests, bei denen überprüft wurde, welche Funktionalitäten
(Suchtechnologie, Verfügbarkeit) zur Verfügung stehen. Ferner wurden
Nutzerbefragungen durchgeführt, einmal unter der wissenschaftlichen Zielgruppe
Schriften der VÖB 5, 39 – 46
44
der Fachportale und einmal im Bibliotheks- und Informationsumfeld. Die Wünsche
der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind meist wenig überraschend,
werden aber bei weitem noch nicht von allen Fachportalen erfüllt[5].
Zu den Wünschen: Eine Übersicht über die wichtigsten Publikationen wird zügig
und komfortabel gewünscht, die Suchfunktion sollte im Mittelpunkt stehen, mehrere
Suchfelder mit der Möglichkeit der Kombination sind gewünscht, Quellen sollten
vor der Suche auswählbar sein, die Suche sollte Bibliotheken, Fachzeitschriften und
Fachdatenbanken einschließen, Internetquellen sollten optional wählbar sein, sollten
aber eindeutig gekennzeichnet werden.
Die Befragung von Bibliotheken hatte das Ziel zu ermitteln, unter welchen Umständen
Fachportale zentraler in das lokale Angebot (z.B. von Universitätsbibliotheken)
eingebunden werden würden, bzw. was dem entgegensteht. Dabei kam heraus,
dass Fachportale sowohl als Ergänzung als auch als Konkurrenz gesehen werden.
Momentan werden die Fachportale wegen ihres inhomogenen Erscheinungsbildes
und der inhomogenen Dienstleistungen nicht eingebunden, aber auch deshalb nicht,
weil sich die Lizenzsituation für in Fachportale eingebundene Datenbanken vor
Ort oft nicht abbilden lässt oder weil ein Branding der eigenen Bibliothek nicht
möglich ist. Zudem wurde mehrfach auf die Notwendigkeit von Nutzerschulungen
zur Erhöhung der Informationskompetenz allgemein sowie zum Umgang mit
Fachportalen und Datenbanken verwiesen.
Die Studie mündet in Empfehlungen an die DFG zur Weiterentwicklung
der Fachportallandschaft in Deutschland. Eine Homogenisierung der
Fachportallandschaft ist wohl letztlich nur durch klare Vorgaben und Standards zu
erreichen.
Die Ergebnisse der Studie sind derzeit noch in den Gremien der DFG zu diskutieren.
Außerdem sollen sie mit den Vertreterinnen und Vertretern der Fachportale in einem
gemeinsamen Workshop erörtert werden. Infolge dieser Diskussionen können die
Fachportale dann entsprechend der Empfehlungen und im Sinne der Nutzerinnen
und Nutzer weiterentwickelt werden.
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 11.07.2008)
1 Zu Konzepten und Empfehlungen der DFG vgl.:
Weiterentwicklung der überregionalen Literaturversorgung - Memorandum, DFG, 1998,
http://www.dfg.de/aktuelles_presse/reden_stellungnahmen/download/memo.pdf
Tamara Pianos
45
Nutzungsanalyse des Systems der überregionalen Literatur- und Informationsversorgung:
infas und Universitäts- und Landesbibliothek Münster, 2003
Teil I: Informationsverhalten und Informationsbedarf der Wissenschaft
http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/
ssg_bericht_teil_1.pdf
Teil II: Zur Nutzung der SSG-Bibliotheken
http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/
ssg_bericht_teil_2.pdf
Das DFG-System der überregionalen Sammelschwerpunkte im Wandel; http://www.dfg.
de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/strategiepapier_
ueberreg_lit_versorgung.pdf
Anhang „Weiterentwicklung des SSG-Plans“, DFG, 2004
http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/
strategiepapier_ueberreg_lit_versorgung_tab.pdf
Richtlinien zur überregionalen Literaturversorgung der Sonder sammelgebiete und der
Virtuellen Fachbibliotheken, DFG 2006 http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/
wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/richtlinien_lit_versorgung_ssg_0607.pdf
Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme: Schwerpunkte der
Förderung bis 2015. DFG, 2006
http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/
positionspapier.pdf
2 Zu den Tätigkeiten am IZ vgl u.a.: Heinz, Sabine; Stempfhuber, Maximilian
(2007): Eine Informationsarchitektur für wissenschaftliche Fachportale in vascoda.
S. 485-508. In: Oßwald, Achim; Stempfhuber, Maximilian; Wolff, Christian
(Hrsg.): Open Innovation: Neue Perspektiven im Kontext von Information
und Wissen. Konstanz: UVK. (Schriften zur Informationswissenschaft; Bd. 46)
http://www.gesis.org/Forschung/Informationstechnologie/Dateien/IuK2007_Heinz_
Stempfhuber_Preprint.pdf (Preprint-Version)
3 Zu den Projekten an der ZBW vgl.: Beschreibungen der Projekte:
Fachportale: Übergreifende Strukturen und Aufgaben – Wissens transfer für Fachportale:
http://www.zbw.eu/ueber_uns/projekte/vascoda.htm
Virtuelle Fachbibliotheken im System der überregionalen Literatur- und Informations-
versorgung: Angebot und Nutzung (VifaSys):
http://www.zbw.eu/projekte/vifasys.html
4 Zu Details der Sammlungsbeschreibungen (CLD), vgl. Justine Haeberli, Henning
Manske und Matthias Schulze: „Mit mehr Informationen schneller zum Ziel:
Sammlungsbeschreibungen der in vascoda eingebundenen Fachangebote“, In:
Lokal - Global: Vernetzung wissenschaftlicher Infrastrukturen, 12. Kongress
der IuK-Initiative der Wissenschaftlichen Fachgesellschaft in Deutschland,
Maximilian Stempfhuber (Hrsg.), Bonn: GESIS – IZ Sozialwissenschaften 2007
Schriften der VÖB 5, 39 – 46
46
http://www.gesis.org/Information/Forschungsuebersichten/Tagungsberichte/Vernetzung/
Haeberli.pdf
5 Die Ergebnisse ähneln den Erkenntnissen, die in anderen Kontexten und mit etwas anderen
Fragestellungen erhoben wurden:
Nutzung elektronischer Fachinformation, -publikation und -kommunikation in der
Hochschulausbildung, Barrieren und Potenziale in der innovativen Mediennutzung im
Lernalltag der Hochschulen, Stefi, Sozialforschungsstelle Dortmund, Kurzbericht und
Endbericht unter: http://www.stefi.de/
Zukunft der wissenschaftlichen und technischen Information (Strategiekonzept), Arthur
D. Little, BMBF, 2002. http://www.bmbf.de/pub/zukunft_der_wti_in_deutschland.pdf
Strategische Erfolgsfaktoren von wissenschaftlichen Portalen: Content-Studie, ZB MED,
Mummert, 2004
http://www.dl-forum.de/dateien/Endbericht_Content-Studie_DL-Forum.pdf
Evaluation von vascoda.de aus Benutzersicht, Ergebnisse der Nutzerbefragung 2005,
Nutzerbefragung, IwFB ULB Münster, 2005
http://www.dl-forum.de/dateien/Evaluation_vascoda_Ergebnisse_Befragung_2005.pdf
Evaluation von vascoda.de aus Benutzersicht, Ergebnisse der Fokusgruppenbefragung 2005,
IwFB+ ULB Münster, 2006. http://www.dl-forum.de/dateien/vascoda_Ergebnisse_2005_
Fokusgruppen.pdf
ADRESSE DER AUTORINDr. Tamara Pianos
Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW)
Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
Düsternbrooker Weg 120, 24105 Kiel
E-Mail: t.pianos@zbw.eu
http://www.zbw-kiel.de
Tamara Pianos
47
ERIS - EIN THESAURUSBASIERTES BILDRETRIEVALSYSTEM MITTELS ZOOMABLE USER INTERFACE
FREDRIK GUNDELSWEILER, SONJA ÖTTL
ABSTRACT
Mit der zunehmenden Digitalisierung von Kulturgütern gewinnen Systeme zur
Verwaltung und Suche innerhalb großer Datenmengen immer mehr an Bedeutung.
ERIS ist ein thesaurusbasiertes System zur Bildsuche, das im Gegensatz zu herkömmlichen
Bildsuchsystemen den direkten Zugriff auf das integrierte Bildmaterial über die visuelle
Repräsentation des Thesaurus mittels semantischen Zoomings erlaubt. Der Nutzer / die
Nutzerin erhält durch den als Baum visualisierten Thesaurus einen Überblick über die
jeweilige Domäne und kann je nach Aspect-of-Interest in die einzelnen Blätter zoomen, so
dass er / sie Thumbnails der Bilder oder schließlich auch das gewünschte Bildmaterial samt
Metadaten angezeigt bekommt. Der Bruch zwischen semantischem und visuellem Zugriff
wird somit durch den Einsatz eines Zoomable User Interfaces minimiert. Angepasste
Filter- und Suchfunktionen erlauben die Einschränkung des Ergebnisraumes oder auch
den unscharfen Zugriff auf Informationen durch die Auswertung von Synonymen und
verwandten Begriffen.
Das System wurde domänenunabhängig konzipiert und wird momentan unter Nutzung
eines Thesaurus aus dem Museumsbereich weiterentwickelt.
1. EINLEITUNG
Alternative Suchsysteme haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung
gewonnen, nachdem zahlreiche Studien (z.B. Feldman, 2004; Swaak, 2005; Swaak
et al 2004) die Problematik der Informationssuche in der digitalen Welt aufgezeigt
haben. Zur Optimierung der Suchprozesse werden unterschiedliche Strategien
verfolgt. Zunehmend werden Visualisierungen zur Repräsentation des Ergebnisraumes
herangezogen, um von der herkömmlichen Listendarstellung abzuweichen und
die kognitive Belastung des Informationssuchenden zu reduzieren. Auch den
Schwierigkeiten, die bei der Formulierung von Suchanfragen auftreten, versucht man
entgegen zu wirken, in dem man unscharfe Suchanfragen über die Integration von
Ontologien, Thesauri und anderen Technologien aus dem Bereich des Semantic Web
ermöglichen will. Im Rahmen des folgenden Beitrags wird nach einer Untersuchung des
Schriften der VÖB 5, 47 – 60
48
momentanen Standes der Technik und einer Anforderungsanalyse das thesaurusbasierte
Bildretrievalsystem (ERIS) exemplarisch an einem Thesaurus für Möbel vorgestellt.
ERIS soll die BenutzerInnen adäquat mittels eines innovativen Oberflächenkonzeptes
bei der Suche und Exploration von Bildmaterial unterstützen.
Wirft man einen Blick auf den Markt der webbasierten visuellen Suchsysteme,
so findet man ein breites Spektrum an unterschiedlichen Anwendungen, wie
Websuchmaschinen mit integrierter Visualisierungs komponente (z.B. Dogpile [2],
Langreiter [7], Grokker [4], Ujiko [15], Quintura [12], Webbrain [16], mexSearch
[10], SearchCrystal [14]) oder visuelle Bildsuchsysteme (z.B. Designklicks [1],
Retrievr [13], Photomesa ([11]; siehe Bederson, 2001 sowie Bederson et al.,
2002). Zudem gibt es eine Reihe von Anwendungen, die sich durch alternative
Informationszugänge auszeichnen (Flickr [3], Liquid [8], Interact10Ways [6]) sowie
Bildverwaltungs- und Suchsysteme, die Techniken des Semantic Web einsetzen
(Living Memory [9], iFind [5]).
Fasst man die zentralen Features der von uns untersuchten Systeme zusammen, so
zeichnen sich folgende Trends ab: Zunächst wird bei einer Vielzahl der Systeme eine
Kombination aus semantischen und visuellen Zugängen bevorzugt. Semantische
Zugänge werden primär über die Integration von Technologien aus dem Semantic
Web wie Thesauri und Ontologien einerseits oder aus künstlichen Netzwerken aus
meist mittels linguistischer Verfahren ermittelten Termini andererseits dargeboten.
Auch Tagging spielt eine zunehmende Rolle bei der semantischen Repräsentation
von Bildmaterial. Visuelle Zugänge erfolgen über die Präsentation von Thumbnails.
Um eine große Anzahl an Bildern adäquat darstellen zu können, werden Cluster
Techniken und Zoomable User Interfaces eingesetzt (Combs & Bederson, 1999).
Zugänge über Bildwerte wie Farbwerte oder ähnlichkeitsbasierte Suchen werden
zwar eingesetzt, liefern aber nur bedingt zufriedenstellende Ergebnisse. Insbesondere
Konzepte wie Living Memory heben sich durch die Vielfalt an Zugangsmöglichkeiten
ab, da sie sowohl für Laien als auch Experten gezielten und explorativen Zugang zu
Bildmaterial erlauben.
Photomesa sticht durch die Kombination von Techniken, die versuchen den
Bildschirmplatz möglichst optimal ausnutzen, und Zoomable User Interfaces
zunächst besonders hervor, da der Nutzer / die Nutzerin einen Überblick über den
gesamten Informationsraum erhält, bevor er / sie auf Details zugreifen kann (vgl.
Shneidermans Mantra der Informationssuche in Shneiderman, 1996). Die Anordnung
des Bildmaterials unter Nutzung herkömmlicher Visualisierungstechniken erscheint
dem entsprechend vor allem bei grossen Bildmengen sinnvoll.
Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl
49
Systeme wie Designklicks, Liquid und Interact10Ways weisen zwar innovative
Zugänge zum jeweiligen Informationsmaterial auf, erweisen sich aber im Rahmen
der zu konzipierenden Bildersuche weniger geeignet, da sie keine gezielte Suche nach
Informationen unterstützen und der Nutzer / die Nutzerin nur schwer entscheiden
kann, ob er / sie alle relevanten Informationen entdeckt hat (fehlende Overview-
Funktionalitäten und Filtermethoden).
2. ANFORDERUNGSANALYSE
Da die Konzeption unseres Systems zunächst domänenunabhängig erfolgte, war es
nicht möglich, umfassende, konkrete Nutzer- und Anforderungsanalysen zu erheben.
Das entwickelte User Interface kann dennoch jederzeit in Abhängigkeit des jeweiligen
Anwendungsfalles gezielt angepasst werden. Um dennoch eine grundlegend benutzer-
freundliche Oberfläche zu gestalten, wurden generelle Richtlinien zum UI-Design und
Erfahrungswerte in die Konzeption miteinbezogen.
Folgt man Shneiderman (1996), Rose (Rose & Levinson, 2004), Bates (2002), Schaffer
(Schaffer & Straub, 2005) und Lagus (2002), so wechselt ein Nutzer / eine Nutzerin
seine / ihre Suchstrategien und interagiert mit dem System in einem Wechselspiel aus
Browsen und gezielter Suche. Zur geeigneten Unterstützung des Anwenders bei der
Informationssuche sollte eine Kombination der unterschiedlichen Zugriffsstrategien
zu Verfügung stehen, um den Suchaufwand entsprechend der Foraging-Theorie
von Pirolli und Card (1995, 1997) möglichst gering zu halten. Bezieht man
zudem die Untersuchungen aus Abschnitt 1 in die Auswertung der dargestellten
Anwendungsszenarien mit ein, so kommt man zu folgenden Anforderungen, die das
System erfüllen sollte:
• Bereitstellen einer zentralen Suchfunktion zum gezielten Informationszugriff
• Alternative Darstellungsform zur Unterstützung bei der explorativen Erkundung
• Gewährleistung des Überblicks über den Informationsraum
• Bereitstellen von angepassten Filterfunktionen zur Einschränkung der Ergebnis-
menge
• Unmittelbare Kombination visueller und semantischer Zugänge
• Personalisierbarkeit der Benutzeroberfläche
Weiterhin soll ERIS als plattformunabhängige Webanwendung umgesetzt werden.
Um die Nutzerfreundlichkeit des Systems zu gewährleisten, sollen gängige Richtlinien
wie das Mantra der Informationssuche „Overview first, zoom and filter, then Detail-
on-demand“ von Shneiderman (1996) oder Nievergelts Ortus-Modus-Weg-Prinzip
(Nievergelt, 1983) Berücksichtigung finden und insbesondere die ISO-Normen 9241-
Schriften der VÖB 5, 47 – 60
50
10 (Deutsches Institut für Normung, 1995) und 9241-12 (Deutsches Institut für
Normung, 1995a) in die Konzeption des Systems eingehen.
3. KONZEPT UND REALISIERUNG
Auf den in den vorigen Kapiteln ermittelten Anforderungen und Voraussetzungen
galt es nun, ein Konzept zu entwickeln, so dass die verschiedenen Bausteine des
Systems benutzerfreundlich umgesetzt werden konnten. In der Designphase unseres
Entwicklungsprozesses entstanden nach mehreren Iterationen die Visualisierung
des Thesaurus, eine Suchfunktion und ein an die Daten angepasstes Filterkonzept.
Als nächstes wählten wir ein Visualisierungs-Framework aus, um unser Konzept
umzusetzen. In den folgenden Abschnitten wird zunächst das Framework kurz
beschrieben, dann der Thesaurus und die Datenbasis und zuletzt die Visualisierungs-,
Filter- und Suchkomponenten des von uns entwickelten Prototyps.
3.1 Visualisierungs-Framework Prefuse
Prefuse (Heer et al., 2005) ist ein auf der Programmiersprache Java basierendes
Open-Source Framework, das entwickelt wurde, um Softwareentwicklern
die Implementierung von dynamischen Visualisierungen strukturierter und
unstrukturierter Daten ohne großen Aufwand zu ermöglichen. Zahlreiche
Visualisierungen und Interaktionselemente (z.B. Zoomen und Pannen, also das
Verschieben des sichtbaren Bereichs auf den Informationsraum) sind bereits in Prefuse
integriert und können mit relativ geringem Aufwand auf den eigenen Datenraum
aufgesetzt und an die spezifischen Bedürfnisse angepasst werden. Prefuse zeichnet
sich besonders durch eine sehr gute Struktur und durch leichte Adaptierbarkeit
aus und wir wählten dieses Framework als Basis zur Umsetzung von ERIS. Trotz
zahlreicher Vorteile führte die Wahl von Prefuse jedoch zu einigen Schwierigkeiten
bei der Umsetzung. Die Einarbeitung in das Framework dauert einige Zeit und zu
Beginn ist es oft schwierig den Überblick zu behalten und das Zusammenspiel der
Komponenten in der stark objektorientierten Architektur zu verstehen.
3.2 Datenraum
Der Thesaurus (Deutsches Institut für Normung, 1999) bildet die Struktur-
und Datenbasis des entworfenen Konzepts und soll den Anwender bei der
Informationssuche und beim explorativen Erkunden des zur Verfügung stehenden
Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl
51
Informationsraumes unterstützen. Zudem soll ein semantischer Zugang zum
Bildmaterial, wie er / sie sich im Rahmen der Anforderungsanalyse als notwendig
erwiesen hat, gewährleistet werden. Der Einsatz eines Thesaurus hat einerseits
den Vorteil, dass unscharfe Suchanfragen über verwandte Begriffe und Synonyme
ermöglicht werden und andererseits linguistische Zweideutigkeiten (Synonyme,
Homonyme, etc.) gezielt abgefangen werden können. Zudem kann der Thesaurus
die Mehrsprachigkeit des Systems sichern. Nachdem unterschiedliche Thesauri
wie WordNet34 (Miller et al., 1990) untersucht wurden, entschieden wir uns für
die Möbeltypologie [17] als Datenraum, die vom Westfälischen Museumsamt, der
Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, im Rahmen des Projektes
Museumsvokabular aufgebaut wurde. Museumsvokabular.de ist eine Initiative
zur „Bereitstellung, Bearbeitung und Angleichung von Museumsvokabular“ [18]
– initiiert durch die Fachgruppe Dokumentation/DMB, das Zuse-Institut Berlin,
das digicult-SH-Projekt und das Institut für Museumsforschung. Der Thesaurus
entspricht den Kriterien der ISO-Norm 2788 (Deutsches Institut für Normung,
1999) und umfasst 422 Knoten und 421 Kanten. Das jeweilige Bildmaterial wurde
zunächst aus frei zugänglichen Onlinequellen bezogen.
Berücksichtigt wurden zunächst die XML-Strukturen Concept, about (ID des
Knotens), PrefTerm (Begriff ) , altTerm (Synonyme), inScheme (Vokabular, erst bei der
Verschmelzung von Thesauri signifikant), broader (Elternknoten), narrower (Kindknoten),
definition (Beschreibung). Metadaten zum Status des Thesaurus oder zu den Erstellern
wurden zunächst nicht berücksichtigt.
3.3 Aufbau der Benutzeroberfläche und Visualisierung des Thesaurus
Die semantische Repräsentation des Thesaurus findet sich in der Baumvisualisierung
des Datenraums wieder (in Abbildung 1 mit dem sog. Radial Layout) und das
jeweilige Bildmaterial wird - im Unterschied zu den in Kapitel 2 vorgestellten
Systemen - direkt an die entsprechenden Knoten des Baumes eingehängt.
In Abbildung 1 ist zu sehen, dass die Visualisierung die zentrale Rolle der Anwendung
einnimmt. Dabei werden zunächst nur die Namen der Knoten angezeigt. Die
Knoten sind je nach Tiefe in der Hierarchie unterschiedlich farbig markiert. Falls
Bildmaterial zu einem Knoten vorhanden ist, wird ein kleines Vorschaubild, das
zufällig aus dem passenden Ordner ausgewählt wurde, als Icon im Knoten angezeigt.
Die hierarchischen Beziehungen zwischen den Knoten werden als Kanten visualisiert,
wobei die Tiefe von innen nach außen zunimmt.
Schriften der VÖB 5, 47 – 60
52
Es werden keine komplexen Filterformulare oder Konfigurationsdialoge
vorgeschaltet, stattdessen wird dem Benutzer bzw. der Benutzerin eine Hauptansicht
des Datenraums geboten, die am oberen Bildschirmrand eine Volltextsuche und
verschiedene Metadatenfilter (hier nach Bildart, Auflösung und Bild-ID) enthält,
die je nach verfügbaren Metadaten erweitert werden können. Die Navigations-,
Interaktions- und Suchmöglichkeiten unseres Prototyps machen eine Unterteilung der
Benutzeroberfläche in Teilsichten überflüssig, so dass der Benutzer bzw. die Benutzerin
stets das Gefühl von Kontrolle hat und die Daten stets im Gesamtzusammenhang
explorieren kann. Nun aber zunächst zur Visualisierung; für diese stellt Prefuse
verschiedene Layoutalgorithmen für Bäume und Graphen zur Verfügung. Wir haben
die einfache Baumstruktur, ein radiales Layout und das Fruchtermann-Reingold
Layout in ERIS integriert. Durch Tastaturbefehle kann zwischen den Layouts
umgeschaltet werden, was durch eine Animation verdeutlicht wird.
Abbildung 1: Benutzeroberfläche der prototypischen Anwendung
3.4 Navigation durch den Informationsraum und Interaktion mit der Visualisierung
Am Beispiel des Radial Layouts wird im Folgenden aufgezeigt welche Navigations-
möglichkeiten direkt auf der Visualisierung des Datenraums ausgeführt werden
können. Die BenutzerInnen können gezielt von oben nach unten entlang der
hierarchischen Struktur navigieren.
Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl
53
Des Weiteren gilt es zwei verschiedene Zoominteraktionstechniken zu unterscheiden,
den geometrischen Zoom und den semantischen Zoom.
BenutzerInnen können mittels geometrischem Zoom die gesamte Visualisierung
vergrößern und verkleinern. Diese Skalierung erlaubt es, interessante Knotengruppen
genauer zu betrachten und dabei irrelevante Knoten aus dem sichtbaren Bereich
zu bewegen. Diese Aktion kann vom Benutzer bzw. von der Benutzerin bei
gedrückt gehaltener rechter Maustaste erfolgen, wobei die Maus nach oben für eine
Verkleinerung und nach unten für eine Vergrößerung bewegt werden kann.
Während beim geometrischen Zoom keine zusätzlichen Informationen in den Knoten
angezeigt werden, reichert der semantische Zoom die Knoteninformationen in drei
Zoomstufen mit zusätzlichen Informationen an. Um einen semantischen Zoom
auszuführen wird das Mausrad verwendet. Ein Scrollen nach unten bewirkt eine
Informationsanreicherung, ein Scrollen nach oben eine Informationsreduktion der
Knoten um eine Stufe. Der semantische Zoom wirkt sich wie auch der geometrische
auf alle Knoten aus. Abbildung 1 (weiter vorne im Text), 2A und 2B zeigen die
semantische Vergrößerung der Knoten.
Abbildung 2A (oben) und 2B (siehe Seite 54): Erläuterung siehe Text
Schriften der VÖB 5, 47 – 60
54
In den unterschiedlichen Stufen werden folgende Knoteninformationen angezeigt:
• Stufe 1: Name und zusätzlich ein Icon, falls Bilder im Knoten enthalten sind
(=Startansicht, siehe Abbildung 1)
• Stufe 2: Name, ID und alle Bilder des Knotens als Icons (siehe Abbildung 2 A)
• Stufe 3: Name, ID, Definition und alle Bilder als vergrößerte Icons (siehe
Abbildung 2 B)
Abbildung 3A: Gesamte Visualisierung, Überblicksansicht
Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl
55
In den Abbildungen 3A, 3B und 3C wird ein reiner, geometrischer Zoom auf der
2. semantischen Zoomstufe illustriert. Die Abbildungen zeigen ein schrittweises,
geometrisches Zoomen auf konkrete Knoten hin. Bei Abbildung 3C wurde der
Hauptknoten Möbel so vergrössert, dass die meisten anderen Knoten aus dem
sichtbaren Bereich verschwinden.
Abbildung 3B (oben) und 3C (unten): Erklärung siehe Text
Schriften der VÖB 5, 47 – 60
56
Um den BenutzerInnen auch in den unterschiedlichen Zoomstufen eine einfache
Exploration zu ermöglichen, bietet sich die Möglichkeit, den dargestellten
Bildschirmausschnitt mittels Panning zu verschieben. Dazu wird der Hintergrund
der Visualisierung anklickt und bei gedrückter linker Maustaste verschoben. So
können interessante Bereiche auch bei vergrößerter Visualisierung exploriert werden.
Bei Überfahren mit der Maus werden dem Benutzer bzw. der Benutzerin einige
Details zum jeweiligen Knoten angezeigt, mit einem Doppelklick auf den Knoten
wird dieser, unabhängig von der momentanen Zoomstufe, in Detailansicht dargestellt
(Detail-On-Demand – siehe Abbildung 4).
Abbildung 4: Detailansicht eines Knotens mit Metadaten (Weitere Anreicherung möglich)
In der Detailansicht in Abbildung 4 wird nun genügend Platz geboten, um alle
Inhalte des Knotens - in unserem Fall alle Bilder und Metadaten - anzuzeigen. Über
die Volltextsuche und die anderen Filter am oberen Bildschirmrand ist es möglich,
irrelevante Knoten mit direktem Feedback auf eine minimale Größe zu verkleinern
(siehe Abbildung 5).
Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl
57
Abbildung 5: Filtern der Knoten mittels Dynamic Queries (Auswahl der Filterkriterien am oberen Bildschirmrand)
Abbildung 5 zeigt wie mittels Dynamic Queries irrelevante Knoten der Visualisierung
verkleinert werden können. Die Knoten werden dann als kleine Quadrate angezeigt,
während die anderen Knoten, die die Filterkriterien erfüllen in der gewählten
Zoomstufe dargestellt werden. Ein genaueres Bild von unserem System bekommt
man durch Betrachtung des Videos auf der Webseite der AG Mensch-Computer
Interaktion der Universität Konstanz [19].
4. AUSBLICK UND FAZIT
Das aufgezeigte Konzept wurde als lauffähiger Prototyp umgesetzt, mit dem Ziel, einen
gangbaren Weg bezüglich eines geeigneten Interaktionsdesigns zur thesaurusgestützten
Exploration von Bildmaterial für die Zukunft aufzuzeigen. Innovativ ist die unmittelbare,
direkte Kombination des Thesaurus mit dem entsprechenden Bildmaterial, auf das
mittels eines semantischen Zoomable User Interfaces zugegriffen wird. Da ERIS
auf keinen konkreten Anwendungsfall hin entwickelt wurde, standen relevante
Basisinformationen (Datenvolumen des Bildmaterials, Nutzerrollen, Nutzerbedarf )
nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.
Somit gibt es eine Reihe an Weiterentwicklungen und Features, die erst nach
einer anwendungsspezifischen Anforderungsanalyse verfeinert oder umgesetzt
werden können, wie beispielsweise die Anpassung der Filterfunktionen, die
Schriften der VÖB 5, 47 – 60
58
Personalisierbarkeit der Benutzeroberfläche, Workflowunterstützungen oder gezielte
Extraktionmechanismen, wie sie z.B. in Shneiderman (1996) aufgeführt werden.
Weiterhin könnte insbesondere die Integration von Web 2.0 Prinzipien und Praktiken
(z.B. O’Reilly, 2005) einen Mehrwert darstellen. In zukünftigen Arbeiten möchten
wir die Möglichkeit untersuchen, in einen Knoten wiederum eine Visualisierung
mit den gleichen Interaktionsmöglichkeiten einzubinden, die dann zum Beispiel alle
Bilder eines Knotens, verschiedene andere Metadaten oder sogar multimediale Daten
anzeigt. In Kapitel 3 wurden Anforderungen an das System spezifiziert, die eine
gute Benutzbarkeit gewährleisten sollen. Mittels Benutzertest muss geprüft werden,
ob diese Usability-Kriterien hinreichend erfüllt sind und welche Schwierigkeiten
unterschiedliche Benutzergruppen mit dem System haben. Die zudem geforderte
Individualisierbarkeit der Oberfläche, sowie die Fehlertoleranz des Systems sind in
unserem Prototyp nicht realisiert, sondern bedarf weiterer Programmierarbeiten.
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ADRESSE DES AUTORS UND DER AUTORINM. Sc. Fredrik Gundelsweiler
Universität Konstanz
Universitätsstraße 10, D 78457 Konstanz
Fredrik.Gundelsweiler@uni-konstanz.de
http://hci.uni-konstanz.de
Sonja Öttl, M.A.
HTW Chur
Ringstrasse/ Pulvermühlestrasse 56, 7000 Chur
Sonja.Oettl@fh-htwchur.ch
http://www.informationswissenschaft.ch
Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl
61
MUSEUMSDATEN IN PORTALEN – DIE VERNETZUNGSSTANDARDS MUSEUMDAT UND MUSEUMVOK
REGINE STEIN
ABSTRACT
Die Publikation von Kerndaten zu Museumsobjekten in museums übergreifenden Portalen
und Repositorien ist zur Alltagsanforderung für Museen geworden. Noch glücklicher
schätzen sich Service-Anbieter, wenn durch die Verwendung kontrollierter Vokabulare
bessere Suchergebnisse erzielt werden können. Doch in welcher Form soll die Information zu
Objekten und Vokabularen bereitgestellt werden? Mit den auf internationalen Standards
basierenden Formaten museumdat und museumvok stellt die Fachgruppe Dokumentation
im Deutschen Museumsbund zwei Instrumente vor, die die Integration von Objektdaten
in Museumsportale vereinfachen und Recherchemöglichkeiten erweitern - ein Beitrag zur
besseren Vernetzung vielleicht nicht nur deutscher Museen?
EINLEITUNG
Die Publikation von Kerndaten zu Museumsobjekten in museumsübergreifenden
Portalen und Repositorien ist zur Alltagsanforderung für Museen geworden.
Noch glücklicher schätzen sich Service-Anbieter, wenn durch die Verwendung
kontrollierter Vokabulare bessere Suchergebnisse erzielt werden können. Doch in
welcher Form soll die Information zu Objekten und Vokabularen bereitgestellt
werden?
Die Fachgruppe Dokumentation im Deutschen Museumsbund [1] hat sich in den
vergangen zwei Jahren in verschiedenen Arbeitsgruppen mit der Frage beschäftigt,
mit welchen Instrumenten einerseits den Museen als Daten-Anbietern und
andererseits Portalbetreibern als Service-Anbietern, aber etwa auch Software-
Anbietern das Leben ganz praktisch erleichtert werden kann. Ausgangspunkt waren
dabei selbstverständlich internationale Entwicklungen und verbreitete Standards. Im
Folgenden werden die bisherigen Arbeitsergebnisse vor- und zur Diskussion gestellt
– museumdat als Format zur Publikation von Kerndaten und museumvok als Format
zur Beschreibung von kontrollierten Vokabularen, die über einen WebService auf
der Online-Plattform museumsvokabular.de verfügbar sind.
Schriften der VÖB 5, 61 – 69
62
MUSEUMDAT: FORMAT ZUR PUBLIKATION VON KERNDATEN ZU MUSEUMSOBJEKTEN
Auf der Suche nach einem geeigneten Harvestingformat für Portale, das reichhaltigere
Recherchemöglichkeiten bereitstellt, als es mit dem vielfach für Portale verwendeten
DublinCore-Standard möglich ist, fand vorrangig eine aktuelle Entwicklung des J.
Paul Getty Trusts unsere Aufmerksamkeit: Das aktuell in der Version 1.1. verfügbare
Metadatenformat CDWA Lite [2] - eine Übersicht der Elemente findet sich
in Abbildung 1 - wurde mit dem Ziel entwickelt, Kerndaten bereitzustellen für
museumsübergreifende Repositorien auf Basis des Open Archives Initiative Harvesting
Protokolls OAI-PMH. Schon die Referenz im Namen CDWA – Categories for the
Description of Works of Art – verdeutlicht, dass der Fokus des Dokumentationsstandards
primär auf kunsthistorische Sammlungsbestände, insbesondere Objekte der bildenden
Kunst und Architektur, gerichtet ist. Dies schlägt sich sowohl in der Auswahl der
Kerndatenfelder als auch in der Definition der Pflichtfelder nieder: So sind z.B.
Angaben zum Künstler/Hersteller eines Objekts nicht nur die einzigen im Format
enthaltenen Personenangaben, sondern sie sind auch verpflichtend. Damit erwies
sich der Fokus von CDWA Lite schnell als zu eng im Hinblick auf deutschsprachige
Museumsportale, in denen Objekte aus unterschiedlichsten – etwa kultur-, technik-
oder naturhistorischen – Sammlungsbeständen nachgewiesen werden.
Abbildung 1: Elemente-Übersicht „CDWA Lite“
Der überzeugende Aufbau des CDWA Lite-Formats, nämlich die Trennung in
einerseits für die Präsentation optimierte und andererseits für die Recherche optimierte
Elemente, sowie die sehr gute Ausarbeitung von Dokumentation und Schema-
Regine Stein
63
Definition legten den Ansatz nahe, den vorhandenen Standard so zu verallgemeinern,
dass er auch für weitere Objektklassen anwendbar ist. In Abstimmung mit dem J.
Paul Getty Trust und mit dem erklärten Ziel, dass das verallgemeinerte Format durch
einfache XSL-Transformation auf CDWA Lite abgebildet werden kann, wurde von
der Arbeitsgruppe das Harvestingformat museumdat entwickelt.
Als Grundlage für die Rekonfiguration galt der Arbeitsgruppe dabei das vom Fachkomitee
Dokumentation CIDOC des internationalen Museumsbundes ICOM entwickelte
„Conceptual Reference Model“, das als ISO-Standard 21127 das Referenzmodell
für die Entwicklung von Metadatenformaten im Bereich des Kulturerbes bildet [3].
Das CIDOC-CRM beschreibt die in der Museumsdokumentation verwendeten
impliziten und expliziten Konzepte und Beziehungen in einem objekt-orientierten
Modell, es ist sozusagen der „semantic glue“ zur Integration und zum Datenaustausch
zwischen verschie denen Ressourcen. museumdat beschreibt nun ein XML Schema,
das die Integration von Objektdaten unterschiedlichster Herkunft erlaubt. Das
Ausgangsformat CDWA Lite wurde dazu auf Basis einer Analyse mit dem CIDOC
CRM restrukturiert und entlang der im CRM Core [4] definierten Metadaten-
Elemente in Wrappern organisiert: I. Objektklassifikation, II. Identifikation,
III. Beschreibung, IV. Ereignisse, V. Beziehungen sowie VI. Verwaltungsangaben. Eine
Übersicht des Formats bietet Abbildung 2.
Die wesentlichen Änderungen im Vergleich zu CDWA Lite ergeben sich in den
folgenden Elementen:
1. Das Element zur Angabe des Künstlers/Herstellers eines Objekts – Indexing
Creator Set – wurde verallgemeinert zu einem Element zur Angabe von
Akteuren, also Personen oder Institutionen, die über ein Ereignis vermittelt
mit dem Objekt in Beziehung stehen.
2. Im museumdat-Format gibt es ein Element indexingLocationSet zur Angabe
von (mit dem Objekt in unterschiedlichster Weise in Beziehung stehenden)
Orten sowie ein Element repositorySet zur Angabe von Identifikatoren und
Aufbewahrungsinformationen – diese beiden sind im CDWA Lite in einem
Element Location/Repository Set zusammengefasst .
3. Die Information zu Akteuren, Datierung und Ort – letztere beiden werden in
CDWA Lite durch Angabe eines Typs näher qualifiziert, alle drei Elemente
sind aber völlig unabhängig voneinander definiert – wurde in einem Ereignis-
Element zusammengefasst, welches durch einen Ereignistyp wie Herstellung,
Gebrauch, Fund, Sammelereignis, Zerstörung etc. näher qualifiziert wird.
4. Die Information zu Akteuren, Datierung und Ort – letztere beiden werden in
CDWA Lite durch Angabe eines Typs näher qualifiziert, alle drei Elemente
sind aber völlig unabhängig voneinander definiert – wurde in einem Ereignis-
Schriften der VÖB 5, 61 – 69
64
Element zusammengefasst, welches durch einen Ereignistyp wie Herstellung,
Gebrauch, Fund, Sammelereignis, Zerstörung etc. näher qualifiziert wird.
Abbildung 2: Elemente-Übersicht „museumdat“
Um den Mehrwert dieser Änderungen und Verallgemeinerungen zu illustrieren,
seien die folgenden Beispiele angeführt:
• Im Bestand des Deutschen Historischen Museums in Berlin befindet sich
der „Bücherschrank aus dem Arbeitszimmer Wilhelm Piecks in Schloss
Niederschönhausen“. Dieses Möbelstück wurde von einem unbekannten
Schreiner gefertigt, seine historische Bedeutung resultiert einzig und allein aus
der Tatsache, dass es vom ersten (und einzigen) Präsidenten der Deutschen
Demokratischen Republik gebraucht wurde. In einer Recherche nach Objekten,
die in Beziehung mit der Person Wilhelm Pieck stehen, möchte man unter
Umständen auch diesen Bücherschrank finden – dies ist nun im museumdat-
Format mit der Dokumentation eines Ereignisses vom Typ „Gebrauch“ mit
dem Akteur „Wilhelm Pieck“ möglich. Abbildung 3 zeigt den entsprechenden
museumdat-Datensatz im Ausschnitt.
• Das typische Objekt eines naturhistorischen Museums ist das Exemplar
einer Spezies, das von einer bestimmten Person an einem bestimmten Ort zu
einem bestimmten Zeitpunkt gesammelt wurde. Die Dokumentation dieses
Sammelereignisses mit beteiligten Akteuren, Ort und Zeitpunkt erlaubt etwa
die Recherche nach Objekten, die Aimé Bonpland zwischen 1799 und 1804 in
Amerika gesammelt hat.
Regine Stein
65
Abbildung 3: Beispielobjekt aus dem Deutschen Historischen Museum im museumdat-Format
Neben den beschriebenen Änderungen gegenüber dem CDWA Lite wurden zur
Vervollständigung noch Anzeigeelemente für den Herstellungsort sowie für weitere
Ereignisse eingeführt. Weiters wurden Elementen, die mit Datenwerten belegt
sind, Attribute beigefügt, die der Kontrolle bei Datentransformationen dienen. Als
Pflichtelemente wurden nur drei Elemente deklariert: Der Objekttyp, ein Objekttitel
resp. Objektname sowie das Datensatz-Element mit ID und Quelle (i.d.R. die
aufbewahrende Institution). Damit wird der Diversität der Objekte Rechnung
getragen, die im Fokus des verallgemeinerten Formats stehen.
Das Ergebnis ist ein CRM-kompatibles Harvesting-Format museumdat, das bereits
von verschiedenen Portalbetreibern in Deutschland wie dem BAM-Portal, dem
Museumsportal Schleswig-Holstein, dem Bildarchiv Foto Marburg und dem
Gemeinsamen Bibliotheksverbund für eine breite Vielfalt von Objektdaten genutzt
wird. Museen als Datenanbieter haben damit ein Exportformat zur Verfügung, mit
dem sie ihre Sammlungsdaten verschiedenen Service-Anbietern standardmäßig
weitergeben. Service-Anbieter haben umgekehrt ein Standard-Importformat zur
Verfügung – wenn sie nicht gleich museumdat als Portal-Format verwenden, wie es
z.B. vom Museumsportal Schleswig-Holstein geplant ist. Aktuelle Entwicklungen
und technische Dokumente zu museumdat sind verfügbar auf der von der Fachgruppe
Dokumentation und dem Institut für Museumsforschung geführten Plattform zur
Museumsdokumentation [5].
Schriften der VÖB 5, 61 – 69
66
MUSEUMVOK: FORMAT ZUR BESCHREIBUNG VON KONTROLLIERTEN VOKABULAREN
Die Recherchemöglichkeiten nicht nur in Portalen gewinnen nun noch erheblich an
Qualität, wenn die für die Objektdokumentation verwendeten kontrollierten Vokabulare
in die Recherche einbezogen werden können. Das eben vorgestellte Harvestingformat
museumdat bietet zwar prinzipiell die Möglichkeit, etwa auch synonyme Bezeichnungen
oder übergeordnete Begriffe in die Recherche-Elemente zusätzlich aufzunehmen, doch
gibt es hierfür bekanntermaßen weitaus elegantere Lösungen.
Um von vorne zu beginnen: Im Ergebnis zweier Konferenzen zur Vokabularkontrolle
in der Museumsdokumentation bildete sich im Jahr 2005 im Rahmen der Fachgruppe
Dokumentation die Initiative museumsvokabular.de [6] mit dem Ziel, bislang oft weit
zerstreute und, wenn nicht durch Lizenzen geschützt, häufig unkoordiniert verwendete
und weiterentwickelte Vokabulare in einem Portal zu bündeln und mit Hilfe neuerer
Technologien verfügbar zu machen. Seit 2006 sind nun frei verwendbare Vokabulare, die
von verschiedenen Institutionen der deutschen Museumslandschaft entwickelt wurden,
auf der Online-Plattform www.museums vokabular.de unter der CreativeCommons-
Lizenz für die Museen verfügbar. Hierzu gehören in erster Linie Systematiken und
Typologien zur allgemeinen Sacherschließung, aber auch spezialisierte Vokabulare
wie die „Systematik für Spitzen und Stickereien“ oder eine „Möbeltypologie“ sowie
z.B. eine Geographie-Datei. Diese Vokabulare liegen einerseits im PDF-Format zur
Lektüre und Weiterverwendung und andererseits im XML-Format zur elektronischen
Weiterverarbeitung vor.
Im XML-Format – hier stellt sich dem vorgebildeten Publikum sofort die Frage, in
welchem? Für die Bereitstellung der Vokabulare auf museumsvokabular.de wurde
mit museumvok ein Format zur Beschreibung von unterschiedlichsten kontrollierten
Vokabularen wie einfachen Wortlisten, Klassifikationen, Thesauri etc. vorgeschlagen,
das sich auf das SKOS Core Vokabular [7] stützt. Neben den in SKOS Core
definierten Bezeichnungen und semantischen Beziehungen der in einem Vokabular
zusammengefassten Begriffe lassen sich noch Angaben zu Erstellung und Status
der Begriffe machen. Insbesondere aber bietet das Format die Möglichkeit, Cross-
Referenzen zwischen Begriffen in unterschiedlichen Vokabularen herzustellen, hierfür
wird das SKOS Mapping Vokabular [8] genutzt. Wenngleich noch kein stabiler
W3C-Standard, wird mit der Anwendung des SKOS Vokabulars der Anschluss an
die vielfältigen Entwicklungen im Bereich der Wissensorganisation sichergestellt.
Das – in Abbildung 4 in einer Übersicht dargestellte – Format findet neben der
Nutzung als Importformat für die elektronisch verfügbaren Vokabulare aber auch in
Regine Stein
67
anderer Hinsicht Anwendung: Implementiert in einem webbasierten Verwaltungstool
für kontrolliertes Vokabular, welches im Rahmen des schleswig-holsteinischen Projekts
DigiCult entwickelt wurde, wird dieses bereits eingesetzt zur geographisch verteilten
Bearbeitung und Weiterentwicklung von Vokabularen – ein großer Schritt hin zur
gemeinsamen und koordinierten Arbeit an Vokabularen an Stelle von unzähligen
Mehrfach-Entwicklungen.
Abbildung 4: Elemente-Übersicht „museumvok“
Doch zurück zum Anwendungsszenario Museumsportal: Auch der bei jeder
Aktualisierung zu wiederholende Import von Vokabularen ist nur die zweitbeste
Lösung. Ziel der Aktivitäten ist es, die Vokabulare über einen Web Service [9]
verfügbar zu machen, der den Import in lokale Anwendungen überflüssig macht,
und dies nicht nur für Portalanwendungen, sondern auch für im Museum eingesetzte
Informationssysteme.
Derzeit wird in Zusammenarbeit des Instituts für Museumsforschung und des Zuse-
Instituts Berlin ein entsprechender SOAP Web Service [10] aufgebaut, über den die
auf museumsvokabular.de verfügbaren Vokabulare für verschiedenste Anwendungen
genutzt werden können. Der Fokus richtet sich dabei zunächst auf die passive
Nutzung der Vokabulare, perspektivisch ist aber auch die Unterstützung der aktiven
Bearbeitung über Web Services geplant. Die vorgeschlagene Schnittstellendefinition
sieht neben eher administrativen Funktionen wie getSchemeMetadata drei zentrale
Funktionen zur Abfrage der verfügbaren Vokabulare vor:
• searchConceptsByID: sucht für jede Id aus einer Liste die zugehörigen Konzepte
• searchConceptsByTerm: sucht für jeden Term aus einer Liste die zugehörigen
Schriften der VÖB 5, 61 – 69
68
Konzepte. Die zu durchsuchenden Felder (Vorzugsbezeichnung, alternative
Bezeichnungen, Notation, versteckte Bezeichnungen sowie Kombinationen
daraus) sind ebenso parametrisiert wie der Suchmodus (exakte Suche,
Teiltextsuche, Normalisierung von Schreibweisen).
• fetchHierarchy: gibt für eine Id den angeforderten Hierarchiezweig aus. Suchtiefe
und Suchrichtung sind parametrisiert.
Als Ergebnis liefert der Web Service, neben der Trefferanzahl und einem Fehlercode,
eine XML-Datei im museumvok-Format zurück. Die Dokumentation des Formats
sowie die Schnittstellendefinition ist zu finden auf der Plattform museumsvokabular.
de [11].
FAZIT
Mit den vorgestellten Instrumenten, die innerhalb der Fachgruppe Dokumentation
mit Vertretern von Museen, Verbünden und Software-Anbietern entwickelt wurden,
stehen den Museen als Datenanbietern einerseits und Portalbetreibern, aber auch
Software-Herstellern, als Service-Anbietern andererseits zwei wichtige Schlüssel für
eine standard-basierte und effizientere Ressourcen-Nutzung zur Verfügung:
• museumdat als CRM-kompatibles Harvesting-Format zur Publikation von
Kerndaten zu Museumsobjekten
• museumvok als SKOS-basiertes Format zur Beschreibung von kontrollierten
Vokabularen inklusive des Web Service zur automatisierten Nutzung der
Vokabulare.
Abbildung 5: museumdat und museumvok als Vernetzungsstandards für Museumsportale
Regine Stein
69
Eine beispielhafte Architektur eines Museumsportals unter Verwendung von
museumdat und museumvok als Vernetzungs standards ist in Abbildung 5 dargestellt.
Die Fachgruppe Dokumentation des Deutschen Museumsbundes leistet hiermit
einen praktischen und in der aktuellen Museumspraxis häufig nachgefragten Beitrag
zur Vernetzung der Museen.
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 9.01.2008)
1 http://www.museumsbund.de > Fachgruppen & Arbeitskreise > Fachgruppe
Dokumentation
2 http://www.getty.edu/research/conducting_research/standards/ cdwa/cdwalite.html
3 http://cidoc.ics.forth.gr
4 http://cidoc.ics.forth.gr/working_editions_cidoc.html#crm_core
5 http://www.museumsdokumentation.de
http://www.museumdat.org
6 http://www.museumsvokabular.de
7 http://www.w3.org/2004/02/skos/
http://www.w3.org/TR/2005/WD-swbp-skos-core-spec-20051102/
8 http://www.w3.org/2004/02/skos/mapping/spec/
9 http://en.wikipedia.org/wiki/Web_service
10 http://en.wikipedia.org/wiki/SOAP
http://www.w3.org/TR/soap12-part1/
11 http://www.museumsvokabular.de > „Tech-Dok“
ADRESSE DER AUTORINRegine Stein, Dipl.-Mathematikerin
Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg
Philipps-Universität Biegenstraße 11, D-35037 Marburg
r.stein@fotomarburg.de
www.fotomarburg.de, www.bildindex.de
Schriften der VÖB 5, 61 – 69
71
INFORMATIONSDIENSTLEISTUNGEN
LOTSE - EIN GANZHEITLICHER ANSATZ ZUR ONLINE-VERMITTLUNG VON INFORMATIONSKOMPETENZ
NICOLE KRÜGER
ABSTRACT
LOTSE steht für „Library Online Tour and Self-Paced Education“. Dabei handelt es sich
um ein Navigations- und Schulungssystem für Wissenschaftler/-innen und Studierende.
Mit dem Aufbau von LOTSE wurde von Anfang an ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt.
So vermittelt das Angebot unter einer Oberfläche
• fachübergreifende Inhalte zum Erwerb von Informationskompetenz
• Informationen über fachspezifische Ressourcen
• ortsübergreifende Inhalte
• Informationen zu ortsspezif ischen Besonderheiten der Informationsrecherche und -
beschaffung
LOTSE ist nicht auf einen Teilbereich der Informationskompetenz beschränkt, sondern
bietet Informationen zur Recherche, Beschaffung und Evaluation von Ressourcen genau
so an wie z.B. Informationen zum Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten und der Nutzung
des Internet.
In dem Beitrag wird zunächst auf das Thema Informationskompetenz und Online-
Tutorials im Allgemeinen eingegangen und dann anhand von LOTSE aufgezeigt, wie
die Anforderungen an ein Online-Tutorial zur Vermittlung von Informationskompetenz
dort umgesetzt wurden. Abschließend werden die Möglichkeiten einer Kooperation mit
LOTSE dargestellt.
1 INFORMATIONSKOMPETENZ
1.1 Warum Informationskompetenz?
Durch den zunehmend schnelleren Wandel in der Gesellschaft, der Wissenschaft, der
Technologie und den Medien, reicht es nicht mehr aus, Fertigkeiten und Wissen nur
am Anfang des Berufslebens oder des Lebens zu erlernen bzw. aufzunehmen. Sowohl
Schriften der VÖB 5, 71 – 81
72
im Beruf als auch im täglichen Leben nimmt die Notwendigkeit des lebenslangen
Lernens zu (Lux & Sühl-Strohmenger, 2004, S.32). Dabei spielt das selbständige
Lernen, das außerhalb des organisierten Bildungswesens stattfindet, eine immer
größere Rolle. Die Informationskompetenz, eine sogenannte Metakompetenz, die
dazu befähigt, sich Fertigkeiten und Wissen selbständig anzueignen, ist hierfür
eine Grundvoraussetzung. Sie versetzt den Lebenslang-Lernenden in die Lage,
sich unabhängig von Institutionen und zu dem Zeitpunkt weiterzubilden bzw. zu
informieren, an dem der spezifische Bedarf besteht. Informationskompetenz wird
von der American Library Association (ALA) folgendermaßen definiert:
„To be information literate, a person must be able to recognize when information is
needed and have the ability to locate, evaluate, and use effectively the needed informa-
tion.“ (American Library Association, 1989)
Ein weiterer Faktor, der die Informationskompetenz zu einer Schlüsselkompetenz
macht, ist der sogenannte Information Overload. Dieser macht es immer wich-
tiger, gezielt zwischen relevanter und nicht relevanter sowie zwischen qualitativ
gesicherter und nicht qualitativer Information unterscheiden zu können (Lux &
Sühl-Strohmenger, 2004, S.33).
1.2 Statistiken zur Informationskompetenz
Obwohl die Informationskompetenz für die heutige Gesellschaft als
Schlüsselkompetenz eingeschätzt wird, zeigen verschiedene Studien, dass diese z.B.
bei Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland
noch nicht ausreichend vorhanden ist. So schätzen laut der SteFi-Studie (Studieren
mit elektronischen Fachinformationen) [1] nur 23,7 % der befragten Studierenden
den eigenen Kenntnisstand, die für das Studium relevante elektronische wissen-
schaftliche Information zu erlangen, als
hoch ein (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Einschätzung des eigenen Kenntnisstandes Studierender, die für das Studium relevante elektronische wissenschaftliche Information zu erlan-gen (Aus: Klatt et al., 2001, S.133)
Nicole Krüger
73
Nur 39,2 % der Studierenden sind der Auffassung, dass ihre Informationsbedarfe mit
den Ergebnissen elektronischer Recherchen hinreichend oder vollständig gedeckt
werden (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1: Zufriedenheit der Studierenden mit den Ergebnissen der eigenen Recherchen (Aus: Klatt et al., 2001, S.148)
Antworten der Studierenden (%)
Informations-Bedarf wird mit Ergebnissen VOLLSTÄNDIG gedeckt
3,3%
Informations-Bedarf wird mit Ergebnissen HINREICHEND gedeckt
35,9%
Die erzielten Rechercheergebnisse REICHEN NICHT AUS
51,4%
Es wird KEINE elektronische Recherche bzw. KEINE Recherche MEHR durchgeführt
9,3%
In Österreich wurde meines Wissens keine Studie zur Informationskompetenz
durchgeführt. Im Rahmen der auch in Österreich durchgeführten PISA-Studie
wurde jedoch die sogenannte Lesekompetenz untersucht, die laut Umlauf beträcht-
liche Überschneidungen mit der Informationskompetenz aufweist:
„Wenn man die Kriterien der Lesekompetenz gemäß der PISA-Studie mit den
Standards der Informationskompetenz vergleicht, entdeckt man beträchtliche
Überschneidungen: Hier wie dort geht es um Ermittlung und Bewertung von
Informationen, in der PISA-Studie beschränkt auf vorgegebene Texte.“ (Umlauf,
2004, S.41)
Die Lesekompetenz könnte als eine Voraussetzung für die Erlangung von
Informationskompetenz betrachtet werden. In der PISA-Studie von 2003 be-
fand sich Österreich im Bereich Lesekompetenz exakt gleichauf mit Deutschland
auf Platz 18 / Platz 19, und lag damit etwa im Durchschnitt der betrachteten 29
OECD-Länder (OECD, 2004, S.323).
2 WARUM ONLINE-TUTORIALS?
Der wachsende Bedarf an Informationskompetenz und die Statistiken, die besagen,
dass der Weg zu einer informationskompetenten Gesellschaft (in Deutschland) noch
weit ist, veranlassten Bibliotheken dazu, einerseits Online-Tutorials zur Vermittlung
Schriften der VÖB 5, 71 – 81
74
von Informationskompetenz anzubieten, andererseits Konzepte für persönlich
betreute Kurse zur Einführung in die Informationskompetenz zu erarbeiten. Online-
Tutorials kommen dabei insbesondere der wachsenden Gruppe derer zugute, die
institutionen-unabhängig lernen und z.B. nicht an Einführungsveranstaltungen
in der Bibliothek teilnehmen können oder wollen. Auch können Online-Tutorials
zur Vor- oder Nachbereitung von Kursen genutzt werden, da sie über einen länge-
ren Zeitraum zur Verfügung stehen und beliebig häufig wieder abrufbar sind. Ein
wichtiger Vorteil von Online-Tutorials im Internet ist die Verfügbarkeit am „Point
of Need“ zu der Zeit und an dem Ort, an dem Fragen zur Informationsrecherche,
-beschaffung, -bewertung oder -nutzung auftreten. Das Lern-Tempo kann von den
Nutzerinnen und Nutzern selbst bestimmt werden. Auch können Tutorials modu-
lar aufgebaut werden, was das selbstbestimmte Lernen weiter unterstützt, da der
Einstiegspunkt in das Tutorial individuell gewählt werden kann und nur die Inhalte
abgerufen werden müssen, die wirklich für die Lösung einer aktuellen Fragestellung
benötigt werden. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Online-Tutorials
sowie Kurse immer zielgruppenspezifisch und fachspezifisch angeboten werden
sollten (Hütte, 2006, S.42), um den Nutzerinnen und Nutzern die Anwendbarkeit
des Erlernten zu verdeutlichen und sie so zum Lernen zu motivieren.
Die Vermittlung von Informationskompetenz in wissenschaftlichen Bibliotheken
muss der Zielgruppe der erwachsenen Lernenden gerecht werden, deren Lernen sich
u.a. durch folgende Merkmale auszeichnet (Knowles et. al., 2007, S. 58 – 62):
• Erwachsene lernen autonom und selbstgesteuert.
• Erwachsene bringen verschiedene Vorerfahrungen mit. Lerninhalte müssen
darum individuell auf die Lernenden zugeschnitten sein.
• Erwachsene lernen zielorientiert, lebensorientiert und problemorientiert.
Online-Tutorials können die Anforderungen erwachsener Lernender aufgrund der
zu Beginn dieses Abschnitts beschriebenen Eigenschaften besonders gut erfüllen.
Zusätzlich können Online-Tutorials dem Verhalten der "Generation Internet", zu
der die heutigen Studierenden gehören, gerecht werden. Hütte schreibt hierzu:
„Der amerikanische Medienpädagoge Marc PRENSKY vertritt die These, dass die
spezielle Medienerfahrung, mit der die Generation heutiger Schüler und Studenten
aufgewachsen ist, auch einen spezifischen kognitiven Stil prägt, der u.a. gekennzeich-
net ist durch nicht-lineares Vorgehen, Grafikorientierung, Ausprobieren und Zufall,
aktive Beteiligung, Ungeduld sowie die Bedeutung spielerischen Erlebens.“ (Hütte,
2006, S.153)
Hieraus lässt sich schließen, dass Online-Tutorials auch bei einem vorhandenen
Angebot von persönlich betreuten Kursen für einen Teil der Zielgruppe sinnvoll sind
Nicole Krüger
75
und auch in Zusammenhang mit diesen Kursen zur Vorbereitung, Durchführung oder
Nachbereitung eingesetzt werden können, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
3 DAS ONLINE-TUTORIAL LOTSE (LIBRARY ONLINE TOUR AND SELF PACED EDUCATION)
Das Projekt LOTSE [2] wurde von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster
(ULB Münster) initiiert und in der ersten Projektphase vom Herbst 2000 bis zum
Frühjahr 2003 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
gefördert. Eine weitere Förderung erfuhr es durch das Ministerium für Innovation,
Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Abbildung 2: Struktur des LOTSE-Fachtutorials Wirtschaftswissenschaften [3]
LOTSE ist ein webbasiertes, kostenlos zugängliches Online-Tutorial, das mo-
dular aufgebaut und fachspezifisch angelegt ist. Die Nutzerinnen und Nutzer
können gezielt die Informationen abrufen, die Sie zum Zeitpunkt der LOTSE-
Nutzung benötigen und das Tutorial steht dort zur Verfügung, wo die Fragen zur
Informationskompetenz auftreten, am eigenen Arbeitsplatz bzw. im Internet, wo die
meisten Nutzerinnen und Nutzer nach Informationen recherchieren.
Ziel von LOTSE ist es, alle Schritte des wissenschaftlichen Arbeitens abzubilden und
Informationskompetenz im Zusammenhang mit der Recherche, der Beschaffung, der
Evaluation und der Nutzung von Informationen zu vermitteln (vgl. Abbildung 2).
Schriften der VÖB 5, 71 – 81
76
Verschiedene Navigations-Werkzeuge verdeutlichen an jeder Stelle des Tutorials, wo
sich die Nutzerin / der Nutzer gerade befindet und lassen es zu, von jedem Artikel
aus in beliebige andere Inhalte zu wechseln (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: Seitenaufbau und Navigation eines LOTSE-Artikels aus dem Tutorial Wirtschaftswissenschaften (Farbliche Hervorhebungen im
Tutorial sind hier durch Umkreisungen deutlich gemacht.)
3.1 Fachspezifische und fachübergreifende Inhalte in LOTSE
Ziel von LOTSE ist es, zu möglichst vielen Fachgebieten fachspezifische Inhalte
anzubieten, damit die Nutzerin/der Nutzer bei ihrer/seiner Fragestellung bzw. in
ihrem/seinem fachlichen Kontext abgeholt werden kann und es ihr/ihm leichter
fällt, die bereitgestellten Informationen für sich zu übernehmen und zu adaptieren.
So umfasst LOTSE einerseits fachübergreifende Inhalte, die in jedem einzelnen
Fachtutorial angezeigt werden, andererseits aber auch fachspezifische Inhalte zu
bisher 13 Fächern. Häufig sind Artikel aus fachübergreifenden und fachspezifischen
Inhalten zusammengesetzt, so z.B. der Artikel „Fachbibliographien“ in Abbildung 3,
der zunächst allgemein erläutert, was Fachbibliographien sind und wann diese ver-
wendet werden (fachübergreifend) und dann einzelne Fachbibliographien aufzeigt
und beschreibt (fachspezifisch). Bisher sind Inhalte zu den Fächern Elektrotechnik,
Ethnologie/Volkskunde, Geographie, Geschichte, Medizin, Niederlandistik,
Pädagogik, Physik, Psychologie, Philosophie, Slawistik, Sozialwissenschaften und
Wirtschaftswissenschaften in LOTSE enthalten. Das benötigte Fach kann zu
Nicole Krüger
77
Beginn der LOTSE-Nutzung aus einem Pulldown-Menü ausgewählt werden. Ist
ein Fach (noch) nicht in LOTSE vorhanden, kann das fachübergreifende Tutorial
genutzt werden, das keine fachspezifischen Informationen enthält, die allgemeinen
Inhalte zur Informationskompetenz jedoch ebenso umfassend vermittelt.
Da alle LOTSE-Fachtutorials weitestgehend auf einer Struktur basieren (siehe
Abbildung 2) und auf einer Plattform verfügbar sind, kann das Tutorial sowohl
fachspezifisch als auch interdisziplinär genutzt werden.
3.2 Ortsspezifische und ortsübergreifende Inhalte in LOTSE
Neben den Inhalten, die für Nutzerinnen und Nutzer im gesamten deutschspra-
chigen Raum relevant sind, können Bibliotheken, die sich an LOTSE beteiligen,
zusätzlich Informationen einbringen, die ausschließlich für Nutzerinnen und Nutzer
ihrer Bibliothek vor Ort relevant sind. Momentan stehen den Nutzerinnen und
Nutzern ortsspezifische Inhalte folgender Einrichtungen zur Verfügung [4]:
• Bibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien
• Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW)
• Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB Göttingen)
• Universitätsbibliothek Bochum (UB Bochum)
• Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität Berlin
• Universitätsbibliothek Dortmund (UB Dortmund)
• Universitätsbibliothek Leipzig (UB Leipzig)
• Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB Münster)
• Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB Köln).
LOTSE-Nutzerinnen und -Nutzer einer Teilnehmer-Bibliothek haben den Vorteil
auch die Instrumente kennen lernen zu können, die vor Ort für sie relevant sind bzw.
auf die sie vor Ort in ihrer Bibliothek kostenlos zugreifen können. Sie bekommen
einen Überblick über die Informationsangebote ihrer Stadt bzw. ihrer Bibliothek.
3.3 Inhalte für Anfänger und Fortgeschrittene
Mittels eines Pulldown-Menüs kann in LOTSE zwischen Inhalten für Anfänger
und Experten unterschieden werden. So gibt es Artikel, die für Anfänger zusätz-
liche Informationen enthalten oder anders herum speziellere Informationen für
Experten beinhalten, die für Anfänger noch nicht unbedingt relevant sind. Diese
Unterscheidung ist vor allem für die Nutzerinnen und Nutzer von LOTSE gedacht,
die das Tutorial häufiger verwenden und es über einen längeren Zeitraum hinweg als
Schriften der VÖB 5, 71 – 81
78
Nachschlagewerk gebrauchen. Diese können Informationen ausblenden, die bei einer
häufigeren Nutzung bereits bekannt sind und zusätzlich speziellere Informationen
vermittelt bekommen.
3.4 Kooperation mit LOTSE
Die Inhalte von LOTSE werden unter Federführung der ULB Münster von den
teilnehmenden Bibliotheken kooperativ erstellt. Die ULB Münster übernimmt dabei
die Erstellung und Pflege der fach- und ortsübergreifenden Inhalte und hat verschie-
dene Fächer in LOTSE eingepflegt. Andere Teilnehmer-Bibliotheken pflegen ein
Fach und / oder tragen ortsspezifische Informationen zu ihrer eigenen Einrichtung
in LOTSE ein.
Der kooperative Aufbau von LOTSE ist für ein Online-Tutorial meiner Meinung
nach einzigartig im deutschsprachigen Raum. Dieser Aspekt gewinnt jedoch im
Zusammenhang mit knappen Personal-Ressourcen und einer sich ständig wan-
delnden Technologie und Informationslandschaft immer mehr an Bedeutung. Eine
Kooperation mit LOTSE ist in drei Abstufungen möglich.
a. „Kooperation“ als LOTSE-externe Einrichtung
LOTSE steht weltweit kostenlos online zur Verfügung und es wurde so angelegt,
dass es im gesamten deutschsprachigen Raum gleichermaßen genutzt werden kann.
Die teilnehmenden Bibliotheken legen großen Wert darauf, dass möglichst viele
Nutzerinnen und Nutzer sowie Bibliotheken von der Arbeit an LOTSE profitieren
und dass LOTSE noch bekannter wird. Sie können LOTSE unterstützen, indem Sie
das Tutorial auf Ihrer Website verlinken, Flyer in Ihrer Einrichtung auslegen oder
Ihre Nutzerinnen und Nutzer in Schulungen auf LOTSE hinweisen.
b. Eingabe von ortsspezifischen Inhalten bzw. Informationen zu Ihrer Einrichtung in
LOTSE
Wenn Sie Ihren Nutzerinnen und Nutzern in LOTSE zusätzlich zu den be-
reits vorhandenen Informationen auch Inhalte anbieten möchten, die speziell
auf Ihre Einrichtung zugeschnitten sind, können Sie in LOTSE die Aufgaben
einer Ortsredaktion übernehmen. Sie können so z.B. die Nutzung Ihres eigenen
Bibliothekskatalogs in LOTSE erläutern, auf Dienstleistungen Ihrer Bibliothek
hinweisen oder aufzeigen, welche Datenbanken in Ihrer Bibliothek lizensiert sind.
LOTSE-Inhalte werden über ein webbasiertes Content Management System
(CMS) gepflegt, für das Sie als Ortsredaktion einmalig eine Lizenz erwerben müs-
sen. Von Ihrer Seite aus sind keine technischen Vorarbeiten zu leisten. Für neue
Nicole Krüger
79
LOTSE-Partner werden Schulungen für das CMS angeboten. Für den Eintrag
ortsspezifischer Informationen in LOTSE werden inklusive der Einarbeitungszeit
ca. fünf Arbeitstage benötigt.
Für die Sicherung der nachhaltigen Pflege und Weiterentwicklung von LOTSE
wird in Kürze ein tragfähiges Geschäftsmodell erarbeitet.
c. Übernahme einer LOTSE-Fachredaktion
Wenn Sie LOTSE z.B. in fachspezifischen Schulungen einsetzen möchten oder
Ihren Nutzerinnen und Nutzern auf Ihrer Website ein Online-Tutorial für ein Fach
anbieten möchten, das noch nicht in LOTSE vertreten ist, können Sie in LOTSE die
Aufgaben einer Fachredaktion übernehmen. Genau wie für die Ortsredaktionen gilt,
dass Sie einmalig eine Lizenz für das webbasierte LOTSE-Content Management
System (CMS) erwerben müssen. Für die Einarbeitung eines Faches in LOTSE
muss mit einem Arbeitsaufwand von ca. sieben Wochen gerechnet werden, da nahezu
alle LOTSE-Artikel auch fachspezifische Inhalte umfassen.
Kontaktperson für die Kooperation mit LOTSE oder den Versand von Flyern ist
Herr Przibytzin aus der ULB Münster (LOTSE Geschäftsstelle). Seine aktuellen
Kontaktdaten finden Sie im Impressum von LOTSE [5].
4 FAZIT
Die Informationskompetenz wird - besonders für die Zielgruppen wissenschaftlicher
Bibliotheken - immer wichtiger. Konzepte zur Vermittlung der Informationskompetenz
in der Gesellschaft schließen immer auch Bibliotheken mit ein, so dass diese hier vor ei-
ner wichtigen Aufgabe stehen. Online-Tutorials sind ein Weg, dieser Herausforderung
zu begegnen und es wird deutlich, dass diese auch bei einem bestehenden Kursangebot
in der Bibliothek hilfreich sind. Sie stehen Nutzerinnen und Nutzern jederzeit als
Nachschlagewerk zur Verfügung und können auch von den Personen genutzt werden,
die nicht an Kursen teilnehmen können und z.B. nicht in studienbegleitende Kurse
eingebunden sind. Mit LOTSE wurde ein Tutorial geschaffen, das den Anforderungen
Lebenslang-Lernender gerecht wird und einen ganzheitlichen Ansatz zur Vermittlung
von Informationskompetenz verfolgt. Der kooperative Aufbau von LOTSE ist im
deutschsprachigen Raum einmalig und sichert eine nachhaltige Pflege und die
Weiterentwicklung des Tutorials. Die angestrebte Vollständigkeit ist nur mit einer
größeren Anzahl von Partnern zu leisten. Das Hinzukommen von fünf neuen Fächern
und vier neuen Partner-Einrichtungen in den letzten zwei Jahren zeigt jedoch, dass
LOTSE auch nach Ende der Drittmittel-Förderung nicht stagniert, sondern ständig
ausgebaut und verbessert wird.
Schriften der VÖB 5, 71 – 81
80
LITERATURVERZEICHNIS(Links zuletzt geprüft am 10. 10.2007)
American Library Association / Presidential Committee on Information Literacy, 1989: Final
Report. - Washington D.C., 1989.
http://www.ala.org/ala/acrl/acrlpubs/whitepapers/presidential.htm
Hütte, 2006: Zur Vermittlung von Informationskompetenz an Hochschulbibliotheken -
Entwicklung, Status quo, und Perspektiven / vorgelegt von Mario Hütte. - Köln, 2006.
- V, 176 Bl. - Köln, Fachhochsch., Masterarbeit, 2006
http://eprints.rclis.org/archive/00008476/01/MT-_Mario-_Huette.pdf
Klatt et al., 2001: Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Information in der
Hochschulausbildung : Barrieren und Potenziale der innovativen Mediennutzung
im Lernalltag der Hochschulen ; eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung, Projektträger Fachinformation / Rüdiger Klatt ...
Teil: [1]: Endbericht. - Dortmund : Sozialforschungsstelle Dortmund [u.a.], 248 S.,
http://www.stefi.de/download/bericht2.pdf
Knowles et al., 2007: Lebenslanges Lernen : Andragogik und Erwachsenenlernen / Malcolm
S. Knowles; Elwood F. Holton III; Richard A. Swanson. - 6. Aufl. - Heidelberg [u.a.] :
Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, XII, 341 S., ISBN: 3-8274-1699-X
Lux & Sühl-Strohmenger, 2004: Teaching library in Deutschland: Vermittlung von
Informations- und Medienkompetenz als Kernaufgabe für Öffentliche und
Wissenschaftliche Bibliotheken / von Claudia Lux und Wilfried Sühl-Strohmenger.
- Wiesbaden : Dinges & Frick, 248 S. (B.I.T. online : Innovativ ; 9),
ISBN: 3-934997-11-2
OECD, 2004: Lernen für die Welt von morgen : erste Ergebnisse von PISA 2003 ; in-
ternationale Schulleistungsstudie PISA / OECD, Organisation für Wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung / Organisation for Economic Co-operation and
Development. - Paris : OECD, 527 S., ISBN: 3-8274-1637-X
http://www.oecd.org/dataoecd/18/10/34022484.pdf
Umlauf, 2004: Lernen in und mit Bibliotheken / Konrad Umlauf. In: Auskunft : Zeitschrift
für Bibliothek, Archiv und Information in Norddeutschland 24(2004)1, S. [25] – 58
http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h117/Lernen%20mit%20und%2
0in%20Bibliotheken%20Rendsburg.pdf
Nicole Krüger
81
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 10.10.2007)
1 SteFi : Studieren mit elektronischen Fachinformationen / Ein Forschungsprojekt
der Sozialforschungsstelle Dortmund im Auftrag des bmb+f / Projektträger
Fachinformation (GMD). - © 2001. http://www.stefi.de
2 http://lotse.uni-muenster.de
3 Dies ist die Grundstruktur aller Fach-Tutorials in LOTSE.
4 Liste der zurzeit an LOTSE beteiligten Bibliotheken
(Stand Oktober 2007).
5 http://lotse.uni-muenster.de/impressum/
ADRESSE DER AUTORINNicole Krüger
Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW)
Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
Düsternbrooker Weg 120 ; 24105 Kiel
E-Mail: n.krueger@zbw.eu
http://www.zbw.eu
Schriften der VÖB 5, 71 – 81
83
FÜR UNS SIND SIE KEINE (TICKET-)NUMMER! ERFAHRUNGEN AUS DEM VIRTUELLEN AUSKUNFTSVERBUND DIGIAUSKUNFT
PETER MAYR
ABSTRACT
Die individuellen Stärken nutzen. Das war eine der Motivationen der Projektteilnehmer,
die Dienstleistung Auskunft im Verbund anzu bieten. 11 Stadt- und Hochschulbibliotheken
haben sich zusammen geschlossen und Fragen zum spanischen Theater genauso wie Fragen
zu brasilianischen Fußballstars bearbeitet.
Doch lohnt sich ein Auskunftsverbund überhaupt? Die Bibliothek als Informationsdienstleister
ist noch nicht im Bewusstsein unserer Benutzer-/innen angekommen. Weitaus zahlreicher
sind Anfragen zu Service und Benutzung.
In diesem Bereich kommt der Punkt Anfragemanagement ins Spiel. Mit der DigiAuskunft
können auch diese „alltäglichen“ Benutzer anfragen eff izienter als mit Mailverteilern
bearbeitet werden.
Schwierige Informationsanfragen können in den Verbund oder direkt an Partnerbibliotheken
weitergeleitet werden. Auch die Bildung von lokalen Verbünden (z.B. auf Stadtebene) ist
möglich.
Der Beitrag beschreibt die Entwicklung des Systems mit Open-Source Komponenten und
die bisherigen Erfahrungen aus den 20 Praxismonaten.
EINLEITUNG
Informationsvermittlung ist eine klassisch-bibliothekarische Dienstleistung. Im
Laufe der Zeit hat sich lediglich das Medium der Fragestellung verändert.
Wenn früher ein Großteil der Fragen persönlich oder per Telefon und Brief gestellt
wurde, so wird heute durch die vermehrte Präsenz der Bibliotheken im Internet die
Kontaktaufnahme über Email immer wichtiger.
Aber nicht nur Auskunftsanfragen erreichen die Bibliotheken. In der Praxis sind
der Großteil der eingehenden BenutzerInnen-Fragen keine Informationsfragen,
sondern betreffen Benutzungsmodalitäten, den Umgang mit dem OPAC etc. Auch
diese Anfragen müssen effizient bearbeitet werden. Daher wird in diesem Artikel
Schriften der VÖB 5, 83 – 91
84
auch der Begriff Anfragemanagement verwendet um einem umfassenderen Ansatz
gerecht zu werden.
Die leichte Erreichbarkeit der BibliothekarInnen bringt zwei Probleme mit sich:
• Masse
eine steigende Zahl von Anfragen steht immer geringeren Personalressourcen
gegenüber
• Wir wissen nicht alles ..
Anfrage decken ein weites Spektrum von Sachgebieten ab die unter Umständen
nicht mit den Informationsressourcen der Bibliothek beantwortet werden
können.
Wie ist historisch im Bibliothekswesen mit solchen Heraus forderungen umgegangen
worden?
Mit Blick auf die Geschichte der Katalogisierung könnte man folgende Ausrufe
tätigen: Ein System! Ein Verbund!
In der Katalogisierung sind interne Arbeitsprozesse beim Übergang von der
Schreibmaschine zu EDV-gestützten Systemen wesentlich vereinfacht worden und
ermöglichten so ein effizienteres Erstellen der Katalogisate.
Des weiteren konnte durch die Gründung von Katalogisierungs verbünden die
Doppelaufnahme von Titeln vermieden werden was zu einer wesentlichen
Arbeitsersparnis für die einzelnen Bibliotheken führte.
Diese lessons learned kann man nun auch für den Bereich des Auskunftsdienstes/des
Anfragemanagements übernehmen.
HISTORIE DES PROJEKTS
Das hbz ist eine Dienstleistungs- und Entwicklungseinrichtung für Bibliotheken
innerhalb und außerhalb von Nordrhein-Westfalen und übernimmt als solche zentrale
Dienstleistungen für Hochschul- und öffentliche Bibliotheken. Aus diesem Grund
lag nahe, daß auch ein Projekt für die Errichtung eines virtuellen Auskunftsverbunds
vom hbz zentral begleitet und unterstützt wird.
Bereits 2005 traf sich eine erste Ad-Hoc AG mit Teilnehmern verschiedener
Bibliotheken mit dem Ziel im Bereich der Auskunft zu kooperieren. In einem
ersten Schritt wurde im April des Jahres ein umfangreiches Pflichtenheft erarbeitet.
Peter Mayr
85
Mit Hilfe dieses Dokuments wurden in einem nächsten Schritt verschiedene
Systeme evaluiert. Im Test waren dabei nicht nur klassische Auskunftssysteme
sondern auch sogenannte Ticketing-Systeme. Dies „ist eine Art von Software, um den
Empfang, Bestätigung, Klassifizierung und Bearbeitung von Kundenanfragen (Trouble-
Tickets) zu handhaben“ [1] und wird beispielsweise in großen Firmen eingesetzt um
Kundenanfragen zu bearbeiten. Die Arbeitsabläufe ähneln dem Auskunftsprozess:
Anfragen kommen in das System werden gegebenenfalls auf verschiedene Mitarbeiter
oder Abteilungen aufgeteilt und gemeinsam bearbeitet.
Ein solches System - das schließlich als Favorit aus der Testphase hervorging - war
OTRS. OTRS oder „Open Ticket Request System“ ist ein open-source Projekt dass
2001 in Deutschland gestartet wurde und 2007 laut Wikipedia Angaben bereits
49.000 mal installiert wurde [2]. Referenzkunden sind z.B.: NASA, Daimler oder
Siemens oder auch die Wikimedia Foundation selbst.
Wichtig für die Teilnehmer war neben den Funktionalitäten auch eine deutsche
Oberfläche. Dadurch, dass OTRS „open source“ ist, konnte das System im hbz
optimal an die Bedürfnisse der teilnehmenden Bibliotheken angepasst werden und
Erweiterungen (z.B.: flexible Textbausteine) konnten hinzugefügt werden
Nach einer eingehenden Test- und Schulungsphase, in der auch ein Handbuch [3]
erstellt wurde, startete der Praxisbetrieb planmäßig im Jänner 2006. Pilotbibliothek
war die StLB Dortmund, kurze Zeit später folgten die USB Köln, die UB Dortmund
und die StB Köln.
DIE TEILNEHMER
Die DigiAuskunft ist eine Kooperation zwischen öffentlichen und
Hochschulbibliotheken. Dadurch kann ein grosses Spektrum an Fragen abgedeckt
werden (von „Haben Sie Bücher über Ronaldinho bis zur Literaturanfragen zum
spanischen Theater der Barockzeit). Sollten Fragen in der eigenen Institution nicht
beantwortet werden können, so besteht die Möglichkeit diese in einen allgemein
zugänglichen Ordner oder direkt zu einer bestimmten Institution zu verschieben.
Mit dem Stand Dezember 2007 nehmen 15 Bibliotheken am Auskunftsverbund teil,
neben den oben genannten auch beispielsweise die UB Potsdam, FHB Köln, FHB
Dortmund, ZIB Unna, FHB Aachen – um nur einige zu nennen. Eine Übersicht
über Teilnehmer und Frageaufkommen gibt auch Abbildung 1.
Schriften der VÖB 5, 83 – 91
86
Abbildung 1: Fragenaufkommen
EIN SZENARIO
Folgendes Szenario zeigt, wie typischerweise eine Auskunftsanfrage abläuft (siehe
hierzu auch Abbildung 2):
Abbildung 2: Schematische Darstellung der DigiAuskunft
Lisa Literatin ist Studentin an der UB Dortmund. Für ein Referat in einem
Seminar über österreichische Literatur möchte sie das Werk der Nobelpreisträgerin
Elfriede Jelinek vorstellen.
Peter Mayr
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Sie weiß, dass einer ihrer Romane verfilmt wurde und möchte gerne ihren Vortrag mit
einem kurzen Filmbeispiel daraus auflockern, nur leider fallen ihr weder Regisseur
noch Titel des Filmes ein. Da sie unlängst auf der Homepage ihrer Bibliothek einen
Hinweis auf die DigiAuskunft gesehen hat, beschließt sie, diesen Dienst gleich zu
testen. Sie füllt das entsprechende Formular aus und schickt ihre Anfrage ab [4].
Im System werden die Anfragen in verschiedene Ordner einsortiert, es gibt
standortspezifische [5] (StB Köln, UB Dortmund…) und mit dem Auskunftsverbund
einen allgemeinen, für alle sichtbaren Ordner. In diesen können Anfragen verschoben
werden, welche lokal nicht beantwortet werden können.
Zunächst aber landet Lisas Anfrage automatisch im Ordner UB Dortmund.
Sebastian Sucher ist ein altgedienter Informationsbibliothekar an der UB Dortmund.
Da er ohnehin oft mit der DigiAuskunft arbeitet, hat er die E-Mail-Benachrichtigung
über neue Anfragen abgeschaltet. Normalerweise meldet er sich in der Früh mit
seiner persönlichen Kennung am System an und bleibt angemeldet. Nach einer Weile
bemerkt er die neue Anfrage im Ordner und sperrt diese damit nicht versehentlich
noch eine weitere Kollegin/ein weiterer Kollege zu recherchieren beginnt. Durch
die Sperre landet die Anfrage in seiner persönlichen To-Do Liste und wird anderen
BearbeiterInnen nicht mehr angezeigt.
Sollte eine gesperrte Frage nicht in einer festgelegten Zeit beantwortet werden, so
erfolgt eine Warnung an alle BearbeiterInnen eines Standorts, später - falls notwendig
- auch an den gesamten Verbund.
Sebastian Sucher beginnt mit seinen Recherchen und hat schon nach kurzer Zeit
herausgefunden, dass es sich bei dem gesuchten Film um „Die Klavierspielerin“ unter der
Regie von Michael Haneke handelt. Der Bibliothekar sucht noch einige Rezensionen
und findet auch heraus, dass der Film als DVD in der Stadtbibliothek am Ort verfügbar
ist. Mit diesen Angaben - nebst automatisch eingefügter Begrüßungs- und Grußformel
- formuliert er seine Antwort. Diese wird per Mail an Lisa Literatin verschickt,
eine Kopie wird im Archiv gespeichert und ist anonymisiert für spätere Suchen nach
ähnlichen Anfragen verfügbar. Die Studentin ist über die rasche, kompetente Antwort
begeistert, leiht die DVD aus und hält einen ausgezeichneten Vortrag.
VORTEILE GEGENÜBER DEM VERFAHREN MAIL-VERTEILER
Standardverfahren zur Bearbeitung eingehender (Auskunfts-)Anfragen in Bibliotheken
sind häufig Mail-Verteiler. „Als Mail-Verteiler bezeichnet man im Computerumfeld
Schriften der VÖB 5, 83 – 91
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eine einfache Mailingliste, die auf der Weiterleitung einer E-Mail-Adresse an mehrere
Empfänger beruht.“ [6]. Im oben geschilderten Szenario treten schon einige Vorteile
dezidierter Anfragemanagement-Systeme gegenüber Verteilern hervor: Anfragen
können gesperrt werden, was unnötige Doppelarbeit verhindert. Durch verschiedene
Eskalationsstufen (Entsperren, Warnmeldungen) wird verhindert, dass E-Mails
vergessen werden.
Weitere Erleichterung ist die Möglichkeit Textbausteine zu verwenden und erhöhte
Transparenz durch die Möglichkeit Nachrichten immer im Kontext einer Anfrage
zu sehen (Nachfragen werden automatisch mit der Ursprungsmail verknüpft, auch
die Antworten und eventuelle Notizen werden in einer Baumstruktur übersichtlich
dargestellt) oder durch Historieneinträge.
Des Weiteren kann einmal im Auskunftsprozess erworbenes Wissen anderen
zugänglich gemacht werden, entweder durch das Fragenarchiv oder aber durch die
Möglichkeit FAQs für Mitarbeiter oder Benutzer anzulegen.
Ein Vorteil des reinen Mailverfahrens ist, dass die MitarbeiterInnen in den
Bibliotheken mit bereits vertrauten Programmen arbeiten können und nicht
gezwungen sind die Bedienung eines neuen Systems zu erlernen.
WAS HABEN WIR GELERNT?
Hemmschwellen und Einstieg
Diese Hemmschwelle vor einem neuen System zeigt sich auch bei ersten Tests in
der Pilotgruppe. Speziell das ungewohnte Vokabular der Ticketing-Systeme (Ticket,
Agent, Queue,..) führte zu Verständnisproblemen und wurde durch vertrautere
Begriffe (Anfrage, Bibliothekar, Ordner...) ersetzt.
Die Oberfläche wurde vereinfacht und in den Schulungen lag der Fokus auf den
Grundfunktionalitäten für die tägliche Arbeit um den Auskunftsprozess möglichst
einfach für die MitarbeiterInnen zu gestalten. Alle „Feinheiten“ sind aber nochmals
im Wiki dokumentiert.
Ein Drittel Informationsanfragen
Periodisch durchgeführte Stichproben haben ergeben dass nur etwa ein Drittel der
Anfragen reine Informationsanfragen sind. der weitaus größere Teil betrifft Fragen
zu Benutzung (vgl. Abbildung 3).
Peter Mayr
89
Abbildung 3: Typologie der Anfragen (Juni 06, Okt. 06, Feb. 07)
Diese Fragen können überwiegend nur lokal beantwortet werden.
Lohnt sich trotzdem die Einrichtung eines Auskunftsverbundes?
Darauf ein klares Ja. Anfragen gleich welcher Art erreichen die Bibliothek und müssen
ohnehin bearbeitet werden. Durch das Zurückgreifen auf Anfragemanagement-
Systeme kann diese Arbeit aber wesentlich einfacher und effizienter (siehe den
vorherigen Abschnitt) erledigt werden.
Durch die Hosting-Lösung eines Verbundes liegt der technische Aufwand der
Installation, Wartung und des Supports der Software nicht an der einzelnen Bibliothek
sondern kann ausgelagert werden. Auch Schulungen und Dokumentationen können
einfacher durchgeführt werden.
Und selbst wenn nicht jeden Tag Anfragen an andere Bibliotheken weitergeleitet
werden, so ist es doch ein beruhigendes Gefühl die KollegInnen „in der Hinterhand
zu haben“[7].
Virtuelle Auskunft als neue Dienstleistung
Der Anteil der Informationsanfragen hängt sicherlich auch davon ab, wie die
Dienstleistung Auskunft im Bibliotheksangebot platziert wird. Vielfach müssen
die BenutzerInnen auch dafür sensibilisiert werden, dass Auskunftsfragen gestellt
werden können.
Geschicktes zielgruppenorientiertes Marketing ist notwendig um die Auskunft im
Bewusstsein zu verankern. Beispielsweise ließ die StLB Dortmund zur Einführung
Schriften der VÖB 5, 83 – 91
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der DigiAuskunft Postkarten drucken und bemühte sich speziell um SchülerInnen
die im Zuge ihrer Facharbeiten mit Recherchefragen in Berührung kamen.
Eine andere Möglichkeit ist ausgewählte Beispielfragen auf der Homepage zu
präsentieren um das Serviceangebot zu präzisieren.
Einheitliches Auftreten im Verbund
Gerade weil bei einem Auskunftsverbund unterschiedliche Bibliotheken und
MitarbeiterInnen mitwirken ist ein einheitliches Auftreten nach außen wichtig.
Für die NutzerInnen muss eine gleichbleibend hohe Qualität gesichert werden.
Aus diesem Grund ist es zweckmäßig Richtlinien [8] aufzustellen, die definieren
welche Art von Anfragen beantwortet werden, wie lange die Reaktionszeit
üblicherweise dauern sollte, welchen Umfang die Antwort hat, etc..
Diese Informationen sollten auch auf den Frageformularen zumindest verlinkt sein
um die notwendige Transparenz zu schaffen.
In internen Richtlinien werden darüber hinaus beispielsweise noch Standards
zu Anreden und Schlussformeln definiert oder eine Abgrenzung gegenüber
kostenpflichtigen Angeboten vorgenommen.
EINEN SCHRITT WEITER – CHATINTEGRATION
Nach erfolgreichem Start der DigiAuskunft war der nächste logische Schritt die
Integration einer Chatfunktion um Bibliotheksnutzerinnen noch besseren Service
zu bieten.
Nach Evaluierung verschiedener Systeme wurde auf Rakim zurückgegriffen. Rakim
ist ein rekursives Akronym und wird mit „RAKIM: A Knowledge Instant Messenger“
aufgelöst. Diese Software ist ebenfalls „open source“ und wird in Deutschland in
10 Biblio theken eingesetzt[9].
Im DigiAuskunft Verbund setzt die UB Dortmund Rakim ein. Die Benutzer-
verwaltung ist dabei mit der DigiAuskunft synchronisiert so dass nur eine Kennung
verwendet werden muss. Eine tiefergehende Integration besteht im Bereich der
Chatprotokolle: wenn eine Anfrage im Chat nicht sofort beantwortet werden kann
so wird das Protokoll als neue Anfrage in die DigiAuskunft verschoben und kann
dort weiterbearbeitet werden.
Peter Mayr
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WEITERFÜHRENDE LITERATURDaniel Frank, Maier, Christine, Mayr Peter, Wirtz Hans-Christian (2006): Die Kunden dort
bedienen wo sie sind. In: BuB – Forum für Bibliothek und Information 58 (7/8): 558 – 562.
http://www.hbz-nrw.de/dokumentencenter/presse/anw/bub_7_8_2006_digiauskunft.pdf
Link zuletzt geprüft am 23.07.08
ANMERKUNGEN1 Artikel „Trouble-Ticket-System“. In: Wikipedia, Die f reie Enzyklopädie.
Bearbeitungsstand: 27. November 2007, 15:34 UTC. http://de.wikipedia.org/w/index.
php?title=Trouble-Ticket-System&oldid=39436238 Link zuletzt geprüft am 12.12.2007
2 Artikel “Open Ticket Request System”. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
Bearbeitungsstand: 1. November 2007, 23:20 UTC. http://de.wikipedia.org/w/index.
php?title=Open_Ticket_RequestSystem&oldid=38508214
Link zuletzt geprüft am 12.12.2007
3 Später in ein Wiki umgewandelt
4 Alternativ könnte Sie auch ein E-Mail an die Auskunftsadresse der Bibliothek schicken,
da diese ebenfalls in den Dienst eingebunden ist
5 Am Standort selber lassen sich noch Unterordner einfügen, wenn mehrere Abteilungen
mit dem System arbeiten, im Beispiel die StB Köln
6 Artikel „Mail-Verteiler“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6.
Dezember 2007, 21:04 UTC.
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mail-Verteiler&oldid=39771826
Link zuletzt geprüft am 12.12.2007
7 Und diese Zusammenarbeit funktioniert, wie die Praxis zeigt
8 Empfehlungen für die Beantwortung von Anfragen an die DigiAuskunft.
http://digiauskunft.digibib.net/docs/richtlinien.pdf Link zuletzt geprüft am 13.12.2007
9 Eine Auflistung findet sich unter http://onlineauskunft.netbib.de/doku.php/rakim:
bibliotheken; Link zuletzt geprüft am: 28.03.2008
ADRESSE DES AUTORSMag. (FH) Peter Mayr
hbz - Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen
Jülicher Straße 6, 50674 Köln
E-Mail: mayr@hbz-nrw.de
http://www.hbz-nrw.de
Schriften der VÖB 5, 83 – 91
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OPTIMIERUNG VON DIENSTLEISTUNGEN AN HOCHSCHULBIBLIOTHEKEN AUF BASIS VON WEB 2.0 TECHNOLOGIEN
CHRISTINE KRÄTZSCH
ABSTRACT
Ziel des an der Universitätsbibliothek Mannheim durchgeführten DFG-Projekts „Weblogs
als Steuerungsinstrument in Hochschulbibliotheken“ (kurz „Weblogs“) ist die Entwicklung
eines Steuerungsinstruments zur Optimierung der Kundenzufriedenheit und eine stärkere
Ausrichtung der Organisation auf die konkreten Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden.
Vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Partizipations- und Kommunikationskultur
im Internet wurden zunächst neuere Kommunikationsstrategien im Online-Marketing
privatwirtschaftlicher Unternehmen analysiert und hinsichtlich einer Adaption für den
Non-Profit-Bereich von Hochschulbibliotheken geprüft. Zentrales Element dieser Online-
Marketing-Ansätze ist eine beziehungsorientierte Kommunikation, die den Kunden
mit seinen Wünschen und seiner Kritik ernst nimmt und in den Mittelpunkt stellt. Der
vorliegende Beitrag möchte darlegen, wie im Rahmen des Projekts an der UB Mannheim
versucht wurde, Informationsdienstleistungen durch interaktive und partizipative Services
kundenorientierter zu gestalten und die von den Kundinnen und Kunden bereitgestellten
Informationen (user generated content) als steuerndes Instrument einzusetzen.
NEUE STRATEGIEN IM MARKETING
Die Analyse aktueller Entwicklungen im Marketing privatwirtschaftlicher
Unternehmen zeigt, dass sich Unternehmen verstärkt mit einer wandelnden
Medienrezeption (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2007) und neuen Partizipations-
und Kommunikations kulturen im Internet auseinandersetzen (müssen). Gründe
dafür liegen in der sinkenden Rezeption und abnehmenden Wirkung klassischer
Werbung in den konventionellen Medien (vgl. Röthlingshöfer 2006). Die immensen
Werbe- und Informationsfluten überfordern mittlerweile viele Konsumentinnen und
Konsumenten, die sich über Produkte informieren wollen. Diese orientieren sich heute
stärker an den Empfehlungen von Bekannten oder anderen Kundinnen und Kunden
im Internet, als den blumigen Versprechen der Werbeindustrie zu vertrauen. In diesem
Zusammenhang wächst das Interesse an der Wirksamkeit von Mundpropaganda -
im Marketing auch mit Word of Mouth bezeichnet. Der Austausch über Produkte
Schriften der VÖB 5, 93 – 102
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im Internet war für Unternehmen bisher durchaus problematisch, da sie einen
nicht unwesentlichen Teil der Kommunikation über die eigenen Produkte gar nicht
kannten, geschweige denn beeinflussen konnten. Unternehmen haben jedoch ein
großes Interesse, die Kommunikation über die eigenen Produkte zu kontrollieren.
Im Zuge eines sich stärker partizipativ und interaktiv organisierenden Internets
mit neuen, einfach zu nutzenden Webtechnologien eröffnen sich für Unternehmen
eine Reihe von Möglichkeiten, die digitale Mundpropaganda im Internet zu steuern
oder zumindest zu beobachten (vgl. Oetting 2007). Gelingt es Unternehmen eine
authentische dialogorientierte Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden
zu initiieren, können sie nicht nur diese Gruppe stärker an das Unternehmen
und die eigenen Produkte binden, sondern unabhängige Fürsprecherinnen und
Fürsprecher gewinnen, denen i. d. R. mehr Vertrauen entgegengebracht wird als
reinen Unternehmensäußerungen. Vor allem Unternehmen, die mit ihren Produkten
jüngere Zielgruppen ansprechen wollen, sind heute mehr oder weniger gezwungen,
die neuen Kommunikationsmöglichkeiten im Internet zu nutzen - einerseits um sich
jenseits der Massenmedien ins Gespräch zu bringen und andererseits um zusätzliche
Distributionskanäle zu etablieren.
Auch in der betriebswirtschaftlichen Forschung wird in den letzten Jahren ein
Paradigmenwechsel im Marketing konstatiert (vgl. Huber 2006). Das lange Zeit mehr
oder minder erfolgreiche auf Produkt und Leistung fokussierte Transaktionsmarketing
mit dem Primärziel der Kundenakquise sehen die Forscher zunehmend abgelöst
durch ein stärker auf die spezifische Klientel orientiertes Beziehungsmarketing
dessen Hauptziel in der langfristigen Bindung von Kundinnen und Kunden liegt.
Eine wichtige Voraussetzung für Kundenbindung ist eine möglichst kontinuierliche
Kundenzufriedenheit. Nur zufriedene Kundinnen und Kunden entwickeln Vertrauen
in Produkte und Unternehmen und tätigen Wiederkäufe. Eine hohe Akzeptanz
wiederum lässt sich nur dann sicherstellen, wenn die Bedürfnisse und Ansprüche der
Kundinnen und Kunden bekannt sind und ihre Kritiken ernst genommen werden.
Firmen wie Amazon profitieren schon seit einiger Zeit von der „Kritik“ ihrer
Kundschaft, die sogenannten user generated content in Form selbst verfasster
Rezensionen von Produkten direkt auf der Plattform des Onlinehändlers einstellt.
Diese i. d. R. unentgeltlich bereitgestellten Inhalte dienen anderen Interessentinnen
und Interessenten als Orientierung, ob ein Produkt ihren Wünschen gerecht wird.
Auf diese Weise erhalten sowohl Amazon als auch die Herstellerfirmen von
Produkten eine Menge an Information – zum einen über die eigenen Kundinnen
und Kunden – zum anderen über ihre Zufriedenheit mit den gekauften Waren. Diese
Informationen sind sehr wertvoll, erlauben sie doch die Anpassung von Services
und von Produkten an die Wünsche derjenigen, die dafür Geld ausgeben (sollen).
Christine Krätzsch
95
Darüber hinaus sichern die zusätzlich angebotenen Informationen Vorteile im
Wettbewerb mit anderen Warenanbietern im Internet und unterstützen auf diese
Weise die Kundenbindung. Bei den Kundenrezensionen auf Amazon handelt es sich
um digitale Mundpropaganda. Im Unterschied zu herkömmlichen Gesprächen unter
einander bekannten Personen bleibt sie dauerhaft im Internet zugänglich und kann
auf diese Weise einen potentiell wesentlich größeren Interessentenkreis erreichen.
Diese Öffentlichkeit von Mundpropaganda stellt Unternehmen aber auch andere
Organisationen vor neue Herausforderung im Marketing.
Web 2.0 Anwendungen bieten Unternehmen verschiedene Möglichkeiten, die
Kundinnen und Kunden einzubeziehen und am Gespräch über Produkte zu beteiligen.
Die Nutzung von user generated content für die Anpassung von Geschäftsprozessen
ist in zahlreichen Szenarien denkbar und nicht auf den Onlinehandel beschränkt. Die
Bedeutung von Weblogs als dialogorientierte News- und Diskussionsportale wächst.
Sie eignen sich für verschiedene Organisationstypen, seien es Unternehmen, freie
Initiativen oder auch öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken (vgl. Wolf 2006).
Mit Hilfe eines Weblogs kann Interessentinnen und Interessenten ein alternativer
Zugang zu Informationen eröffnet und zugleich ein kommunikativer Austausch
ermöglicht werden. Weblogs werden von einer wachsenden Zahl von Unternehmen
u. a. zu Promotionszwecken, zur Trendforschung, zum Kundenkontakt oder auch zur
Krisenbewältigung eingesetzt.
HERAUSFORDERUNGEN FÜR BIBLIOTHEKEN
Auch Bibliotheken haben gute Gründe, sich verstärkt Gedanken darüber zu machen,
wie sie ihre Angebote gegenwärtigen und zukünftigen Kundinnen und Kunden
besser vermitteln können. Insbesondere Hochschulbibliotheken müssen seit einiger
Zeit beobachten, dass ihre Angebote gegenüber anderen Informationsanbietern im
Internet an Attraktivität verlieren (vgl. OCLC 2005). Der damit einhergehenden
Trivialisierung des Informationszugriffes sind sich die Nutzerinnen und Nutzer
meist nicht bewusst. Bibliotheken sind daher gut beraten, ihre als qualitativ
hochwertig eingeschätzten Angebote (vgl. ebd.) durch stärker auf ihre Zielgruppen
orientierte Dienstleistungen besser zu vermarkten und ihre Sichtbarkeit auf dem
Informationsmarkt zu erhöhen.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Bibliotheken stärker als bisher dazu übergehen,
zu agieren, statt lediglich auf externe Entwicklungen zu reagieren (vgl. Halle 2005).
Bibliotheken könnten neue Entwicklungen und Trends aufgreifen und hinsichtlich
einer sinnvollen Adaption und Integration in die eigenen Angebote prüfen und
Schriften der VÖB 5, 93 – 102
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testen. Das erfordert ein bisschen Mut und das Antizipieren von Erwartungen
zukünftiger Generationen von Kundinnen und Kunden. Eine sicherlich nicht
leichte Aufgabe, die zu lösen voraussetzt, schon die heutigen Nutzinnen und Nutzer
mit ihren Bedürfnissen möglichst genau zu kennen und Veränderungen in ihrem
Verhalten sensibel wahrzunehmen. Die Mühe lohnt sich jedoch insofern, als nur ein
passgenaues und serviceorientiertes Angebot von Informations dienstleistungen auf
dem zukünftig sich weiter ausdifferenzierenden Informationsmarkt konkurrenzfähig
sein wird.
Auf der Basis der vorangehenden Überlegungen ergeben sich eine Reihe relativ
neuer Aufgaben für Bibliotheken und das Bibliotheksmarketing. Zunächst ist es
erforderlich, die Kundenzufriedenheit möglichst detailliert zu evaluieren. Ohne
einen Dialog auf gleicher Augenhöhe wird dies nicht möglich sein. Kundinnen
und Kunden wollen sich ernst genommen fühlen und selbst entscheiden, welche
Angebote sie wahrnehmen. Die Bibliothek könnte sich in Zukunft stärker als
Ansprechpartnerin (in allen die Informationsbedürfnisse betreffenden Themen)
und weniger als Auskunftsgeberin (über ein festes Informations-Portfolio) verstehen.
Ein Schlüsselwort ist Zuhören. Nur wer weiß, was die eigenen Kundinnen und
Kunden wirklich wollen und diese Äußerungen ernst nimmt, kann sein Angebot
auf die konkreten Bedürfnisse ausrichten oder auch argumentieren, warum etwas
nicht möglich ist. Dies erfordert von Bibliotheken ein nicht immer schmerzfreies
Umdenken: Die Kundin, der Kunde als steuerndes Element?
DFG-PROJEKT „WEBLOGS ALS STEUERUNGSINSTRUMENT IN HOCHSCHULBIBLIOTHEKEN“
Das seit Dezember 2006 an der Universitätsbibliothek Mannheim laufende
Projekt „Weblogs“ umfasst zwei Teilbereiche: Zum einen wurde im Online-
Katalog eine Rezensionsfunktion integriert, über die die Nutzinnen und Nutzer
das Medienangebot bewerten und kommentieren und sich an der inhaltlichen
Erschließung beteiligen können. In einem zweiten Schritt wurde innerhalb des
Webauftritts der UB Mannheim ein Weblog installiert, in dem die aktuellen
Meldungen der Bibliothek veröffentlicht werden. Das Weblog fungiert als eine
Art Fenster, durch das die Leserinnen und Leser quasi weltweit mit der Bibliothek
kommunizieren können - auch ohne die Bibliothek zu betreten. Neu ist, dass diese
Kommunikation – anders als an der Auskunftstheke – für alle transparent ist und
über Kommentare mitgestaltet werden kann.
Christine Krätzsch
97
Die Rezensionsfunktion im Online-Katalog
Im Verlauf des Projekts wurde im Online-Katalog ein Rezensionstool integriert, in das
die Angehörigen der Universität Mannheim ihre Kommentare zu den angebotenen
Medien eintragen können [1]. Die Kundinnen und Kunden können jeden Titel
direkt im Online-Katalog mit einer kurzen (freien) Rezension und durch die Vergabe
von Sternchen (von 5 für sehr empfehlenswert bis 1 für nicht empfehlenswert)
bewerten. Auf die Rezension und Bewertung können alle Nutzinnen und Nutzer des
Online-Katalogs weltweit zugreifen. Die Angehörigen der Universität Mannheim
haben die Möglichkeit, die einzelnen Rezensionen als hilfreich oder nicht hilfreich
zu kennzeichnen. Als unzulässig empfundene Rezensionen können von allen
Leserinnen und Lesern gemeldet werden. Entsprechen die Rezensionen den
Rezensionsrichtlinien bleiben sie dauerhaft im Online-Katalog abrufbar.
Bis Anfang August 2007 wurden insgesamt 402 Rezensionen eingetragen. Dabei
zeigt sich, dass hauptsächlich positive Bewertungen abgegeben werden. Sehr kritische
Kommentare bilden die Ausnahme. Die überwiegend positive Resonanz auf das
Angebot spiegelt sich noch nicht in der Menge an eingetragenen Rezensionen
wieder. Als Hemmnis wurde neben dem zeitlichen und intellektuellen Aufwand
vor allem die Angst, als nicht ausreichend kompetent von Lehrenden oder
Studierenden wahrgenommen zu werden, benannt. In Reaktion darauf wurde das
Rezensionsformular im Online-Katalog um den Hinweis ergänzt, dass weder Namen
noch Authentifizierungskennung veröffentlicht werden.
Auf der Basis der ersten Ergebnisse wird jedoch sichtbar, dass für eine längere
Startphase eine dauerhafte Werbung und die Schaffung von Anreizen für eine
Beteiligung notwendig sind. Als einen kleinen materiellen Anreiz verlost die
UB Mannheim jeden Monat einen Büchergutschein unter allen eingetragenen
Rezensionen. Darüber hinaus werden in Kooperation mit den Lehrstühlen der
verschiedenen Fakultäten an der Universität Mannheim, zukünftig für die im jeweils
aktuellen Semester in den Lehrveranstaltungen empfohlenen Titel Hinweise im
Online-Katalog eingetragen. Auf diese Weise soll vor allem die Sichtbarkeit des
Angebots im Online-Katalog erhöht werden.
Eine erste Auswertung der eingetragenen Rezensionen zeigt, dass sich die
Fachbereiche in unterschiedlichem Umfang beteiligen. Mit einem Anteil von
49 % an allen eingetragenen Rezensionen haben die Angehörigen der Fakultät
für Betriebswirtschaftslehre bisher am meisten zum Rezensionspool beigetragen.
Das ist insofern nicht überraschend, als es sich bei dieser Gruppe um die größte
Fakultät an der Universität Mannheim handelt. Die Philosophische Fakultät trägt
Schriften der VÖB 5, 93 – 102
98
einen Anteil von 16 % bei, die Informatiker und Mathematiker liegen bei 10 %.
Verhältnismäßig wenige Einträge kamen dagegen von Angehörigen der Fakultät
für Sozialwissenschaften (4 %) und der Fakultät für Rechtswissenschaften und
Volkswirtschaftslehre (3 %). Der mit 18 % hohe Anteil von Rezensionen von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitätsbibliothek ist bedingt durch
die gute Bekanntheit des Projekts im Kollegium.
Von besonderem Interesse ist eine Auswertung der eingetragenen Rezensionen
hinsichtlich ihrer Einordnung in eine systematische Klassifikation. Auf diese Weise
kann ermittelt werden, in welchen Teilen einzelner Fachgebiete Beteiligung und
Nachfrage besonders hoch sind. Dies ermöglicht Rückschlüsse, welche Themen
in Forschung oder Lehre aktuell von besonderer Bedeutung sind. Da die Bestände
der UB Mannheim zu ca. 80 % mit der Regensburger Verbundklassifikation (RVK)
erschlossen sind, bietet die Aufschlüsselung der vergebenen RVK-Notationen eine
sinnvolle Möglichkeit, Interessenschwerpunkte in der Nutzerschaft zu erkennen.
Auf der Basis der Punkteverteilung von fünf bis eins lässt sich zudem prüfen, ob die
Bewertung von Medien durch die Nutzerinnen und Nutzer in einzelnen Bereichen
unterdurchschnittlich ist, was eine Überprüfung der Erwerbungstätigkeiten in
diesem Bereich veranlassen könnte.
Die Verteilung der Rezensionen nach Fakultäten spiegelt sich in etwa auch in
der Aufteilung nach Fachsystematiken wieder. 37 % der Rezensionen haben eine
RVK-Notation aus dem Bereich Wirtschaftswissenschaften, gefolgt von Informatik
(14 %), Geschichte (9 %), Germanistik/Niederlandistik/Skandinavistik (7 %),
Anglistik/Amerikanistik und Psychologie (je 6 %). Für jedes Fach können durch
eine Feingliederung der RVK-Systemstellen die relevanten Teilbereiche ermittelt
werden.
Gliedert man beispielsweise die RVK-Notationen der rezensierten Titel für
den Bereich Wirtschaftswissenschaft (RVK-Notation Q) in die Unterbereiche
der Systematik auf, wird ersichtlich, dass die meisten Rezensionen im Bereich
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (RVK-Notation QP) abgegeben wurden. Die
weitere Aufgliederung zeigt ein erhöhtes Interesse im Bereich Aufbauelemente des
Unternehmens (RVK-Notation QP 410-890) mit dem Unterbereich Investition
und Finanzierung (RVK-Notation QP 700-780), insbesondere Allgemeines
(RVK-Notation QP 720). Eine Analyse der Rezensionen nach Klassifikation für
alle Fachsystematiken identifiziert die Teilbereiche der an der UB Mannheim
angebotenen Medien und ermöglicht die Identifikation von im Zeitverlauf sich
ändernden Priorisierungen in der Nutzung. Aufgabe der Fachreferentinnen und
-referenten ist es, diese Ergebnisse im Hinblick auf Anschaffungsüberlegungen
zu überprüfen und ggf. einzubeziehen. Wirklich sinnvolle Empfehlungen können
Christine Krätzsch
99
jedoch erst dann abgeleitet werden, wenn die Basis der ausgewerteten Rezensionen
größer ist. Derzeit erlauben es die Ergebnisse lediglich, Trends auszumachen.
Ein Weblog für die aktuellen Meldungen
Im zweiten Teil des Projekts wurde ein Weblog konzipiert, das eine interaktive
Online-Kommunikation mit den Nutzinnen und Nutzern ermöglichen soll. Konkret
sollen über das Weblog alle aktuellen Meldungen, Nachrichten und Serviceangebote
der Bibliothek kommuniziert werden. In einem Weblog werden alle Beiträge mit
einer festen Internetadresse veröffentlicht. Alle Einträge werden automatisch
nach Veröffentlichungsmonat und auf Basis der ihnen zugeordneten inhaltlichen
Kategorien archiviert und bleiben auf diese Weise jederzeit abrufbar. Über eine
Kommentarfunktion ermöglichen Weblogs eine Kommunikation der Leserschaft
eines Blogs mit den Autorinnen und Autoren und untereinander. Dieses Feature
unterscheidet Weblogs von anderen Kommunikationsformaten, wie z.B. Newslettern,
deren Kommunikation nur in eine Richtung fließt.
Im Hinblick auf die Implementierung einer Kommentarfunktion gab es im Vorfeld
einige Bedenken und Diskussionen. Es war jedoch ein gewünschtes Ziel, eine
interaktive Kommunikation mit den Nutzerinnen und Nutzern zu initiieren. Im
Weblog der UB Mannheim können alle Beiträge kommentiert werden, es ist lediglich
die Angabe eines Namens und einer E-Mail-Adresse notwendig. Die Kommentare
werden moderiert, d.h. sie werden erst nach einer Prüfung von Seiten der Bibliothek
freigeschaltet. Alle Kommentare werden veröffentlicht. Ausnahmen bilden lediglich
Äußerungen, denen jeder Bezug zum Beitrag oder dem Themenbereich der
Bibliothek fehlt, die persönlich beleidigende Aussagen enthalten oder aggressiv
eine Diskussion um ihrer selbst willen befördern wollen.
Das Weblog wurde im Webangebot der Bibliothek unter der Rubrik Aktuelles
platziert, in die vorher die aktuellen Meldungen in ein Content Management System
eingetragen wurden. Zusätzlich werden die Überschriften der Top News auf der
Startseite der Bibliothek platziert und direkt ins Weblog verlinkt. Ein weiterer
Link auf der Startseite verweist auf weitere aktuelle Meldungen im Weblog. Das
Informationsangebot wird von den Studierenden sehr gut angenommen, was zum
einen durch die Zugriffszahlen auf die einzelnen Beiträge, aber auch durch die hohe
Anzahl an Kommentaren belegt wird. Im Durchschnitt wird ein Beitrag neun Mal
kommentiert.
Es ist für Bibliotheken eine wichtige Aufgabe, herauszufinden, welche Themen und
Informationen für die eigenen Kundinnen und Kunden von besonderer Relevanz
Schriften der VÖB 5, 93 – 102
100
sind. Die Auswertung der Zugriffszahlen auf einzelne Beiträge im Weblog verweist
auf ein hohes Interesse an Informationen, die die direkte Nutzung der Bibliothek
betreffen. Weniger interessant erscheinen zusätzliche Angebote und die Werbung für
neue Datenbanken. Im Zuge einer umfassenden Systemmigration auf ein integriertes
Lokalsystem und der Implementierung eines neuen Online-Katalogs gab es im
Sommer 2007 eine Reihe von befristeten Einschränkungen und einige Neuerungen
in der Benutzung. Die damit im Zusammenhang stehenden Informationen wurden
vergleichsweise stark nachgefragt [2].
Auch die Kommentare weisen auf einen erhöhten Kommunikationsbedarf bei
Themen der (Einschränkung der) Nutzung hin, wobei gerade bei diesen Themen
ein hoher Anteil der Kommentare sehr kritisch ausfällt. Im Zusammenhang mit der
Einführung des neuen Online-Katalogs wurden schon in der ersten Stunde nach
dem Release eine ganze Reihe an kritischen Kommentaren und Anmerkungen
abgegeben [3]. Auf diese Weise war es möglich, kleine Fehler sehr zügig zu beheben.
Als sich schon nach kurzer Zeit abzeichnete, dass eine große Gruppe an Nutzern die
Schrift im neuen Online-Katalog als zu klein empfand, konnte bereits vor Ablauf
von 48 Stunden nachgesteuert und die Schrift vergrößert werden.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Dialogangebot sehr gut von den Nutzinnen
und Nutzern angenommen wird. Dies bedeutet jedoch auch, dass eine ganze
Menge an Kritik an die Bibliothek herangetragen wird, die im Weblog dauerhaft
abgebildet bleibt. Dennoch überwiegen die positiven Aspekte dieser offenen
Kommunikation deutlich, denn nur auf der Basis von Kritik, die die Bibliothek
erreicht, können Services kurzfristig nachgebessert werden. Zudem wird sichtbar,
welche Punkte besonders wichtig sind. Im Falle der Katalogumstellung wurden die
Literaturverwaltung und die Zeitschriftensuche besonders ungeduldig eingefordert.
Mit diesem Wissen konnte eine Priorisierung der Arbeiten in der Migrations-
Arbeitsgruppe vorgenommen werden.
Ein weiterer Vorteil dieser öffentlichen Kommunikation ist die große Reichweite
von (teils persönlichen) Fragen der Kundinnen und Kunden, die von den
Weblogverantwortlichen auch für andere lesbar beantwortet werden können.
Darüber hinaus kommunizieren die Nutzinnen und Nutzer auch miteinander.
Sie beantworten Fragen, weisen heftige Kritik anderer gelegentlich zurück und
diskutieren untereinander. Dabei zeigt sich jedoch auch, dass sich nicht alle
Themen eignen, auf der Plattform der Universitätsbibliothek diskutiert zu werden.
Diskussionen, die in eine allgemeine, gesellschaftspolitische Debatte münden oder die
zu persönlichen Streitgesprächen werden, überschreiten den Zuständigkeitsbereich
der Universitätsbibliothek. Dennoch kam es bei einer Anzahl von bisher 271
Christine Krätzsch
101
Kommentaren nur zwei Mal vor, dass ein Kommentar nicht freigeschaltet werden
konnte. Das Schreiben eines Weblogs und die Moderation von Kommentaren
erfordert allerdings neben einer engagierten Pflege und einem ausgeprägten
Feingefühl ein großes Maß an Toleranz und Kritikfähigkeit sowie Erfahrung in der
Kunden- und Onlinekommunikation.
FAZIT
Die Erfahrungen im Projekt „Weblogs“ zeigen, dass eine stärkere Kundenorientierung
auf der Basis interaktiver Kommunikation auch an Hochschulbibliotheken
möglich ist. Web 2.0 Anwendungen bieten eine Reihe von Möglichkeiten, diese
Kommunikation zu gestalten. Vor dem Hintergrund der wachsenden Internet-
Erfahrungen der jüngeren und zukünftigen Studierendengenerationen empfiehlt es
sich auch für Bibliotheken, den Einsatz von Social Software frühzeitig hinsichtlich
sinnvoller Einsatzmöglichkeiten zu prüfen. Die ersten Ergebnisse des Projekts
zeigen, dass die angebotenen Services jedoch nicht automatisch Selbstläufer sind.
Social Software muss mit Leben gefüllt werden. Im Falle der Rezensionen bedeutet
dies eine kontinuierliche Werbung für das neue Angebot. Erst wenn eine kritische
Masse an Rezensionen im Online-Katalog eingetragen ist, wird sich das Angebot
selbst tragen. Ob die Zahl potentieller Rezensentinnen und Rezensenten an einer
Universität groß genug ist, wird sich noch zeigen müssen. Generell sollte im Punkt
Kataloganreicherung auch im Bereich von Web 2.0 Technologien über Kooperationen
mit ähnlichen Einrichtungen nachgedacht werden.
Das Weblog hat sich in kurzer Zeit als interaktives Kommunikationsmedium an der
UB Mannheim etabliert. Grundlage dieses Erfolgs sind engagierte Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, eine offene Diskussionskultur und Rückhalt in der Organisation.
Vor dem Umstieg auf das Dialogmedium Weblog empfiehlt sich eine sorgfältige
Konzeption, die auch Überlegungen zu Verantwortlichkeiten, Themenspektrum und
Umgang mit Kritik einbeziehen. Eine interne Testphase kann helfen, Bedenken in
der eigenen Organisation auszuräumen.
LITERATURVERZEICHNISARD/ZDF-Medienkommission (Hrsg.) (2007): Internet zwischen Hype, Ernüchterung
und Aufbruch. 10 Jahre ARD/ZDF-Onlinestudie. Baden-Baden.
http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/fileadmin/Fachtagung/ARD_ZDF_Onlinebrosch_
re_040507.pdf Link zuletzt geprüft am 21.07.08
Schriften der VÖB 5, 93 – 102
102
Halle, Axel (2005): Chancen und Risiken der Bibliotheken im Informationszeitalter: vom
Knowbody zum Nobody? In: Kolding-Nielsen, Erland et al. (Hrsg.): Die innovative
Bibliothek. München: Saur, S. 29-39.
Huber, Andreas (2006): Marketing. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl., München: Vahlen.
OCLC (2005): Perceptions of libraries and information resources: a report to the OCLC
membership. Dublin, Ohio: OCLC Online Computer Library Center;
http://www.oclc.org/reports/pdfs/Percept_all.pdf. Link zuletzt geprüft am 15.03.2008.
Oetting, Martin (2007): Web 2.0 wirkt – offline! In: Connected Marketing [Weblog]:
http://www.connectedmarketing.de/cm/2007/09/web-20-wirkt-of.html.
Link zuletzt geprüft am 12.09.2007.
Röthlingshöfer, Bernd (2006): Marketeasing. Werbung total anders. Berlin: Erich Schmidt
Verlag.
Wolf, Peter (2006): Die Macht der Blogs. Chancen und Risiken von Corporate Blogs und
Podcasting. Frechen: Datakontext.
ANMERKUNGEN1 Um eine Rezension einzutragen ist eine Authentifikation als Universitätsangehöriger
erforderlich. Nach dem Eintragen ist die Rezension ohne weitere Moderation sofort
online. Die Authentifizierung dient in erster Linie Sicherheitsaspekten. Die Rezensenten
bleiben anonym, es wird lediglich veröffentlicht, ob sie Student oder Mitarbeiter sind und
welcher Fakultät sie angehören.
2 Der Vergleich beruht auf den gezählten Aufrufen der einzelnen Beiträge im Weblog.
Etwas verzerrt wird der Vergleich durch die prominente Verlinkung von Schlagzeilen
auf der Homepage mit Weblogbeiträgen, bei Informationen, die von der Bibliothek als
besonders wichtig eingeschätzt werden. Diese „Top News“ werden öfter aufgerufen, da
der Link auf der Homepage direkt zum (gezählten Aufruf des) Weblogartikel leitet.
3 Die gesamte Diskussion kann im Weblog der UB Mannheim nachgelesen werden:
http://www.bib.uni-mannheim.de:8080/blog/?p=173.
Link zuletzt geprüft am 15.03.2008.
ADRESSE DER AUTORINChristine Krätzsch
Universitätsbibliothek Mannheim
Schloss Ostflügel, 68131 Mannheim
E-Mail: kraetzsch@bib.uni-mannheim.de
http://www.bib.uni-mannheim.de
Christine Krätzsch
103
WIKIS ALS WISSENSMANAGEMENTTOOL FÜR BIBLIOTHEKEN. EIN PRAXISBERICHT
MICHAELA PUTZ
ABSTRACT
Das InfoCenter ist die zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Literaturrecherchen und für die
Suche nach Fachinformationen in der Universitätsbibliothek der Wirtschaftsuniversität
Wien. Infodienste werden von MitarbeiterInnen aus allen Abteilungen der Bibliothek
geleistet - durch die große Anzahl der Beteiligten ist es oft schwierig, alle auf dem aktuellen
Wissensstand zu halten. Weiters gibt es keinen schnellen und einheitlichen Zugriff auf alle
Informationen, da diese teils in Printform, teils in elektronischer Form oder überhaupt nur
in den Köpfen der MitarbeiterInnen vorliegen. Auch die Aktualität der Information ist
oft unklar. Aus diesem Grund haben wir, ausgehend von einer Analyse der vorhandenen
Informationsmaterialien und -bedürfnisse, verschiedene Technologien für das Informati-
onsmanagement und zur Verbesserung der Kooperation verglichen und uns dann für ein
Wiki entschieden. Es soll hier der Weg von der Erhebung der Ausgangssituation über die
Definition von Kriterien, die Auswahl geeigneter Tools sowie Erfahrungen bei Installation
und Anpassung des Systems bis hin zu ersten Eindrücken von der Benutzung des Wikis
beschrieben werden.
AUSGANGSLAGE
Das InfoCenter ist die zentrale Anlaufstelle der Universitätsbibliothek der Wirt-
schaftsuniversität Wien (im Folgenden: WU-Bibliothek) für Fragen zur Biblio-
theksbenutzung, zu Literaturrecherchen und für die Suche nach Fachinformationen.
Hier werden Fragen zu allen Medienarten (Büchern, Zeitschriften und elektro-
nischen Fachinformationen) an einem Punkt beantwortet. Infodienste werden von
25 Mitarbei terInnen aus allen Abteilungen der Bibliothek geleistet. Durch die große
Anzahl der Beteiligten, die durchschnittlich 1-2 Mal/Woche jeweils für einige Stun-
den im InfoCenter ihren Dienst versehen, ist es oft schwierig, alle auf dem aktuellen
Wissensstand zu halten.
Folgende Probleme wurden identifiziert:
• Viel Kommunikation im InfoCenter verläuft als so genannte "Stille Post" (z.B.
bei vergessenen Kopierkarten, Anfragewellen): Wenn jemand auf etwas stößt,
das auch für nachfolgende Dienste interessant sein könnte, wird meistens ein
Schriften der VÖB 5, 103 – 112
104
Zettel/Post-it hinterlegt, der/die Nachfolgende ist sich aber nie sicher, ob die
Information noch aktuell ist. Es ist auch nicht geklärt, wer für das Entfernen des
Zettels/ Post-it zuständig ist.
• Viele Informationen sind redundant vorhanden, oft in verschiedenen Versionen:
InfoCenter-Mappe, Website, Folder, InfoCenter-Ordner am Server usw. (siehe
Abbildung 1)
• Zur Information aller InfoCenter-MitarbeiterInnen über Neuerungen, Ände-
rungen etc. findet monatlich eine Besprechung statt, deren Protokoll am Server
für alle bereitgestellt wird. Falls es dazwischen wichtige Informationen für alle
gibt, werden diese über einen Email-Verteiler an alle InfoCenter-Mitarbeite-
rInnen geschickt. Im InfoCenter hat man aber keinen Zugriff auf seine (alten)
Emails.
Die Arbeitsgruppe „InfoCenter-Kommunikation“ hatte die Aufgabe, für die WU-
Bibliothek ein System zur Unterstützung der Kommunikation und der Zusam-
menarbeit im InfoCenter zu finden. Dieses System soll als Kommunikations- und
Kollaborationsplattform für alle MitarbeiterInnen des Infodienstes dienen. In einer
ersten Phase sollte mit dem Tool primär die Informationsversorgung im InfoCenter
verbessert werden, in einer zweiten Phase ist die Erweiterung in Richtung Informa-
tions- und Kommunikationsplattform für die gesamte Bibliothek geplant.
Bereits zu Beginn des Projekts wurde begonnen, ein Pflichtenheft zu erstellen, das
im Zuge diverser Besprechungen und Gespräche mit MitarbeiterInnen ständig
gewachsen ist. Darin wurden die bereits vorhandenen Informationsquellen und
die Probleme bei deren Nutzung, die gewünschten Funktionalitäten sowie die zur
Lösung möglichen Technologien beschrieben. Als Kriterien für das neue System
wurden definiert:
• Dezentrale Wartung (jede/r soll selbst etwas eingeben können)
• Es sollen keine HTML-Kenntnisse notwendig sein, um etwas im System er-
fassen zu können (Verfügbarkeit eines WYSIWYG-Editors [1])
• Möglichkeit zur Einbindung von Links zu Webseiten sowie von Dateien
• Browsing und Volltextsuche
• Ausdrucken
• Änderungen sollen nachvollziehbar sein
• Arten der zu speichernden Informationen:
o Speicherung von Informationen, die längerfristig interessant sind, aber
geändert werden können
o Veröffentlichung von kurzfristig interessanten Informationen, die
nicht gespeichert werden müssen
Michaela Putz
105
Abbildung 1: Übersicht über die im InfoCenter verwendeten Informationsquellen
Weiters haben wir begonnen, offene Fragen von InfodienstmitarbeiterInnen in einer
Excel-Datei zu dokumentieren. Jede/r konnte dort beim Infodienst auftauchende
Fragen, die nicht gleich beantwortet werden können und/oder die auch für andere
InfodienstmitarbeiterInnen interessant sein könnten, eintragen. Bei der monatlichen
Infodienstbesprechung wurden sie dann besprochen und die Antworten in der Datei
ergänzt. Diese Fragen und Antworten dienten bei der Wiki-Einführung als Basis
für die FAQs (Frequently Asked Questions) sowie für Wiki-Seiten und werden als
Wiki-Seite „offene Fragen“ weitergeführt.
TECHNOLOGIEVERGLEICH UND -AUSWAHL
In einem nächsten Schritt haben wir verschiedene Technologien verglichen und
geprüft, ob sie die genannten Kriterien erfüllen.
Intranet/GroupwareGroupware bietet viele Möglichkeiten zur Unterstützung der Zusammenarbeit:
Diskussionsforen, gemeinsame Dokumentbearbeitung mit Versionskontrolle, Grup-
penkalender, Zur-Verfügung-Stellen von Dateien/Dokumenten für ausgewählte
BenutzerInnen, Email, Präsenzstatus von Teammitgliedern (wer ist im System an-
gemeldet). Der Nachteil dieser Lösungen ist, dass sie bei der Einrichtung sehr
kostenintensiv sind und man im Vorhinein nicht weiß, ob die BenutzerInnen sie
auch annehmen.
Schriften der VÖB 5, 103 – 112
106
WeblogEin Weblog ist eine regelmäßig aktualisierte Webseite mit chronologisch angeord-
neten Beiträgen eines oder mehrerer AutorInnen. Weblogs sind autorInnenzentriert
und die Einträge können außer vom Verfasser selbst nicht verändert, sondern nur
kommentiert werden, daher eignen sie sich eher für die Verbreitung von Neuig-
keiten.
WikiDer Name kommt aus der hawaiischen Sprache und wird mit „schnell“ übersetzt.
Ein Wiki ist eine Sammlung von Intranet- oder Internetseiten, die von berechtigten
BenutzerInnen nicht nur gelesen, sondern auch in Echtzeit online geändert werden
können [2]. Wikis ähneln damit Content-Management-Systemen, unterstützen aber
keine streng geregelten Arbeitsabläufe. Technische Grundlage ist die Wiki-Software,
die zentral am Server installiert und meistens mit einer Datenbank verknüpft ist.
Die bekannteste Anwendung ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia, die als zu-
grundeliegende Software das MediaWiki verwendet.
Wikis und Weblogs werden oft in einem Atemzug als Kollaborationstools genannt,
dabei wird aber zu wenig auf die grundlegenden Unterschiede (zentralisiert vs.
dezentral; One-to-Many-Kommunikation vs. Many-to-Many-Kommunikation;
Schwerpunkt auf Veröffentlichen neuer Inhalte, um die LeserInnen „bei der Stange
zu halten“ vs. Schwerpunkt auf Verbesserung und Ausbau bereits bestehender In-
halte) eingegangen, sodass der Eindruck entstehen kann, dass diese Technologien
ähnlich bzw. austauschbar sind [3].
Wir entschieden uns für ein Wiki, weil diese Technologie die meisten der im Pflich-
tenheft definierten Kriterien erfüllt:
• Es sind weder spezielle Software (HTML-Editor, FTP-Programm) noch ein
Webmaster notwendig, um Seiten zu aktualisieren
• Mittels Versionskontrolle und Änderungshistorie können Änderungen zurück-
verfolgt und notfalls wieder rückgängig gemacht werden
• Einbinden von externen Links und Mediendateien (Bild- und Tondateien, Präsen-
tation, PDF-Dateien u.v.m.)
• Rechtemanagement: Beschränkung des Zugriffs auf bestimmte Teams oder Ab-
teilungen
• Volltextsuche und Browsingmöglichkeit in den Kategorien
• Strukturierung der Information durch Zuordnung von Wiki-Seiten zu Katego-
rien und Vergabe von Schlagwörtern
• Überblick über zuletzt geänderte Seiten (Wiki-Seite „recent changes“, Email-
Benachrichtigung, RSS-Feeds)
Michaela Putz
107
Mittlerweile gibt es über 100 Wiki-Softwarepakete mit einem vielfältigen Spektrum
an Funktionalitäten. Einen Überblick bietet die Webseite wikimatrix [4], auf der der
Vergleich von Wiki-Software nach verschiedenen Kriterien möglich ist, sowie die
Wikipedia-Seite „Comparison of Wiki Software“ [5].
Bei der Softwareauswahl muss als erstes entschieden werden, ob das Wiki bei einem
Anbieter gehostet oder auf einem eigenen Server installiert werden soll. Die Ent-
scheidung ist abhängig von lokalen Ressourcen und Kenntnissen: Steht kein Server
zur Verfügung, kommt nur eine gehostete Lösung in Frage. Gibt es Serverplatz,
aber keine IT-Betreuung, sollte man eine einfachere Wiki-Software (eventuell ohne
Datenbank) wählen.
INSTALLATION UND ANPASSUNG DES WIKIS
Anhand der im Pflichtenheft definierten Kriterien wurden fünf Softwarepakete
ausgewählt und Testinstallationen durchgeführt (mithilfe von XAMPP, einem Pa-
ket freier Software, das das einfache Installieren und Konfigurieren des Webservers
Apache mit der Datenbank MySQL und den Skriptsprachen Perl und PHP am
lokalen Rechner erlaubt bzw. über die Webseite opensourcecms [6], die das Testen
von Web 2.0-Anwendungen wie Wikis, Blogs, Foren usw. erlaubt, ohne die Software
installieren zu müssen).
Die Entscheidung fiel auf TikiWiki, vor allem, weil es zusätzliche Groupware-
Funktionalitäten (Kalender, Diskussionsforen, Abstimmungen usw.) aufweist. Die
Installation am Server konnte rasch durchgeführt werden, leider war es aber nicht
möglich, eine Anbindung an das WU-Authentifizierungssystem herzustellen. Diese
Anforderung war für uns wichtig, da wir einerseits die Administration der Benut-
zerInnenkennungen nicht selbst übernehmen und andererseits den BenutzerInnen
nicht durch die Notwendigkeit, sich ein zusätzliches Login und Passwort merken zu
müssen, die Nutzung des Wikis erschweren wollten. Als wir vor der Entscheidung
standen, dieses Pflichtkriterium fallen zu lassen oder doch eine andere Wiki-Soft-
ware zu wählen, erfuhren wir per Zufall, dass learn@WU, die eLearning-Plattform
der WU, auch ein Wiki anbietet (XoWiki [7]). Ein Test zeigte, dass es die von uns
definierten Kriterien erfüllt und zusätzliche Funktionalitäten wie Kalender, Ankün-
digungen und FAQs implementiert sind, daher erfolgte rasch der Einstieg.
Auf der Plattform können verschiedene Gruppen (z.B. für Abteilungen, Projekte)
angelegt und für jede Gruppe AdministratorInnen und TeilnehmerInnen hinzuge-
fügt werden. Zuerst wurden die Gruppen InfoCenter sowie die „Sandkiste“ angelegt;
Schriften der VÖB 5, 103 – 112
108
letzteres ist eine Gruppe, in der alle MitarbeiterInnen volles Zugriffsrecht haben und
in der sie das Erstellen und Ändern von Wiki-Seiten üben können und die auch für
die Schulungen verwendet wird.
Zugriff auf das Wiki haben alle MitarbeiterInnen der WU-Bibliothek, indem sie
sich auf der learn@wu-Plattform mit ihrer WU-Kennung einloggen. Bei der Rechte-
vergabe gingen wir vom ursprünglichen Plan ab und erteilten allen MitarbeiterInnen
der Bibliothek volle Lese- und Schreibrechte für die Gruppe InfoCenter, weil durch
die Änderungshistorie irrtümliche Änderungen jederzeit rückgängig gemacht wer-
den können und das Löschen von Seiten nur für AdministratorInnen möglich ist.
Es besteht zwar die Möglichkeit, einzelne Seiten für die Bearbeitung zu sperren bzw.
für BenutzerInnen nicht anzuzeigen; das sollte allerdings nur gemacht werden, wenn
sie gerade grundlegend überarbeitet werden, da Zugriffsbeschränkungen dem Wiki-
Prinzip widersprechen. Informationen, die nicht geändert und/oder ausgedruckt
werden dürfen wurden als geschützte PDF-Dateien ins Wiki eingebunden.
Als nächster Schritt wurde die inhaltliche Struktur in Form eines (nachträglich
erweiter- und veränderbaren) Kategorienbaums erarbeitet und implementiert (siehe
Abbildung 2, linke Seite). Die Struktur des Wikis sollte anfangs eher nur ein Skelett
der zukünftig geplanten Themen darstellen, das auch offen für neue Ideen ist [8]. Al-
lerdings ist es sinnvoll, bereits zu Beginn genug Inhalte einzubringen, sodass es sich
für die BenutzerInnen von Anfang an lohnt, das Wiki zu nutzen. Das Einbringen der
Inhalte erfolgte anfangs von nur wenigen Personen, es ist jedoch geplant, in Zukunft
in jeder Abteilung AnsprechpartnerInnen zu finden, die Inhalte aus der Abteilung
einbringen und betreuen. Begonnen wurde mit der Erfassung bereits in schriftlicher
Form vorhandener Informationen, wie diverser Informationsblätter, Handbücher
und Protokolle sowie der in der Excel-Datei gesammelten „offenen Fragen“. Sobald
diese im Wiki erfasst waren, wurden die ursprünglichen Quellen vom Server bzw.
aus dem InfoCenter entfernt, sodass die aktuelle Information nur mehr im Wiki zu
finden ist. Dadurch entfallen Doppelerfassungen und die MitarbeiterInnen werden
sanft gezwungen, das Wiki zumindest passiv zu nutzen [9].
Parallel zu den eigentlichen Inhalten wurde eine Dokumentation, das so genannte
Wiki-Handbuch, erstellt, in dem die Erstellung und Änderung von Wiki-Seiten,
das Einbinden von Dateien, Bildern und Links sowie die Beschlagwortungs- und
Suchmöglichkeiten beschrieben werden. Weiters wurde die Einstiegsseite mit ei-
ner Kurzbeschreibung, was im Wiki zu finden ist und wie man es benutzen kann,
versehen.
Michaela Putz
109
Abbildung 2: Wiki-Einstiegsseite
Bei der Erstellung des Schulungskonzepts haben wir uns überlegt, dass wahrschein-
lich nicht alle MitarbeiterInnen das Wiki gleich nutzen werden und uns für ein
mehrstufiges Konzept entschieden:
• Einführung für alle MitarbeiterInnen (für die passive Nutzung) sowie detaillierte
Vorstellung des Wikis in den Abteilungen
• Schulungen in Kleingruppen am PC (für die aktive Nutzung), hierzu konnten
sich die MitarbeiterInnen freiwillig anmelden
• Einzelschulungen bei Bedarf
ERSTE ERFAHRUNGEN
Bei der Vorstellung des Wikis in den Abteilungen bestand eher die Bereitschaft,
Fragen und Wünsche zu äußern. Die freiwilligen Schulungen in Kleingruppen haben
sich bewährt, nach jeder Schulung stieg die Nutzung des Wikis. Eine der meistgele-
senen Seiten zu Beginn waren die Anekdoten aus dem Infodienst-Alltag. Sehr viele
Zugriffe erhielten auch Seiten mit Informationen, die bisher noch nicht schriftlich
existiert hatten, z.B. die Zuständigkeiten (an wen wende ich mich, wenn es keine
Folder, Handouts etc. mehr im InfoCenter gibt, wohin kommen Fundgegenstände,
woher bekommt man Papier und Toner für den Drucker u.v.m.). Darin liegt auch die
besondere Stärke des Wikis, dass das implizite bzw. nicht kodifizierte Wissen relativ
einfach verschriftlicht und damit anderen zugänglich gemacht werden kann.
Schriften der VÖB 5, 103 – 112
110
Kleinere technische Probleme konnten in Zusammenarbeit mit dem learn@WU-
Entwicklungsteam schnell gelöst werden, es wurden aber auch zusätzliche Funktio-
nalitäten auf unseren Vorschlag hin implementiert, z.B. die Suche nach den von den
BenutzerInnen vergebenen Schlagwörtern (tags). An der Möglichkeit, Formulare
einzubinden, wird gerade gearbeitet. Ziel ist es, auch den Dienstkalender und das
PC-Logbuch, in dem Fehlermeldungen bei den Recherche-PCs eingetragen werden,
im Wiki abzubilden.
Derzeit wird das Wiki von den meisten passiv genutzt, es gibt noch wenig aktive
Beteiligung, und wenn, dann werden eher Seiten bearbeitet als erstellt. Ein Grund
dafür könnte sein, dass sich MitarbeiterInnen nicht vor anderen „bloßstellen“ wollen,
da ja auch noch nicht ausformulierte Ideen für alle sichtbar sind [10]. Ein Wiki-
Eintrag erzielt mehr Aufmerksamkeit als z.B. ein Email an einen eingeschränkten
Personenkreis, außerdem würden viele auch sonst nicht an gemeinsamen Doku-
menten arbeiten. Dazu kommen Bedenken, wem der Inhalt einer Wiki-Seite ge-
hört. Wir haben versucht, diese Bedenken zu zerstreuen, indem wir, sobald jemand
einen Ergänzungs-/Änderungswunsch an uns herangetragen hat, diese Änderung
mit ihm/ihr gemeinsam durchgeführt haben. Walker [3] weist darauf hin, dass die
technische Barriere beim Wiki zwar wegfällt und man per Mausklick etwas bei-
tragen kann, „but conceptually, this mouse-click represents a huge barrier for many
who espouse traditional notions of learning and knowledge creation“. Ein weiterer
Hinderungsgrund, sein Wissen zu dokumentieren und damit anderen zugänglich zu
machen, liegt in der Organisationskultur: Da Wissen auch Macht bedeutet, wollen
MitarbeiterInnen, aber auch Führungskräfte ihr Wissen oft nicht oder nur innerhalb
der eigenen Abteilung weitergeben.
WEITERE ANWENDUNGSBEREICHE FÜR WIKIS IM BIBLIOTHEKSBEREICH
Ein Wiki kann auf vielfältige Weise eingesetzt werden [11], verbreitet ist es vor
allem als Wissensspeicher und Plattform zur Zusammenarbeit innerhalb einer Or-
ganisation (z.B. als Bibliotheksintranet wie die University of Minnesota Libraries
Staff Website [12]), zwischen verschiedenen Organisationen (z.B. das Verbund-
Wiki GBV [13]) oder für ein Thema (z.B. das Library Success Wiki [14], ein „Best
Practices“ Wiki für BibliothekarInnen).
Ein weiterer Einsatzbereich liegt in der Kommunikation mit den BenutzerInnen,
ein Wiki kann z.B. auch als Subject/Resource Guide auf der Bibliothekswebsite
(wie z.B. das Ohio University Libraries Biz Wiki [15]) oder zur Unterstützung von
Michaela Putz
111
Schulungen (wie z.B. das E-Rhetoric Wiki [16]) als Plattform, auf der Lehrende
und TeilnehmerInnen während und nach dem Kurs Inhalte einbringen, verwendet
werden.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Gerade im Auskunftsdienst einer Bibliothek bietet sich ein weites Feld an Ein-
satzmöglichkeiten für Wikis an. Neben der Dokumentation von administrativen
Abläufen sowie diverser Anleitungen kann ein Wiki als Wissensspeicher für häufig
gestellte Fragen dienen und damit auch das Wissen, das bisher nur implizit vorhan-
den war, zu kodifizieren und für andere nutzbar machen. Der erfolgreiche Einsatz
eines Wikis setzt allerdings eine Organisationskultur voraus, in der das Teilen von
Wissen gefördert wird und in der sich jedes Individuum in einer Organisation als
Teil des organisationalen Wissensbildungsprozesses sieht [17].
Der hier beschriebene Ablauf bei der Einführung eines Wikis sollte exemplarisch
den Lösungsansatz der WU-Bibliothek zur Verbesserung des Informationsma-
nagements und der Zusammenarbeit im InfoCenter aufzeigen. Das Wiki wird
vorerst nur intern eingesetzt, für die Zukunft könnte aber auch eine Öffnung von
Teilen des Wikis für BenutzerInnen angedacht werden, um auch ihnen Zugang zu
Antworten auf oft gestellte Fragen zu geben und sie in den Wissensbildungsprozess
einzubinden [8].
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 14.12.2007)
1 d.h. bei der Erstellung eines Textes wird dieser genauso angezeigt, wie er dann später am
Bildschirm oder am Ausdruck aussieht
2 Artikel Wiki. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. Dezember
2007, 15:45 UTC. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wiki&oldid=39952127
3 Mehr zu den Unterschieden zwischen Wikis und Weblogs findet man bei Walker, John
(2006): Identifying and Overcoming Barriers to the Successful Adoption and Use of Wikis in
Collaborative Knowledge Management. Master Thesis, School of Information and Library
Science, University of North Carolina at Chapel Hill http://hdl.handle.net/1901/267
4 http://www.wikimatrix.org
5 Comparison of wiki software. (2007, December 12). In Wikipedia, The Free Encyclopedia.
http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Comparison_of_wiki_
software&oldid=177437025
6 http://www.opensourcecms.com
Schriften der VÖB 5, 103 – 112
112
7 http://alice.wu-wien.ac.at:8000/xowiki-doc/
8 Blake, Peter (2007): Using a wiki for information services: principles and practicalities,
http://www.information-online.com.au/docs/Presentations/using_a_wiki_for_informa-
tion_services_(io2007_paper).pdf
9 Malo, Markus (2006): Wiki als Werkzeug für das Wissensmanagement in Bibliotheken.
A.B.I. Technik, 26 (4) 230-236
10 Tebbutt, David (2006): Genie in a bottle. Information World Review, 224 (May 2006)
19-21
11 siehe dazu auch Farkas, Meredith (2007): Wikis: Basics Tools and Strate-
gies, http://www.slideshare.net/librarianmer/wikis-basics-tools-and-strategies
sowie Farkas, Meredith (2007): Social software in libraries: building collaboration, com-
munication, and community online. Medford, NJ: Information Today
12 https://wiki.lib.umn.edu/
13 Das Verbund-Wiki (http://www.gbv.de/wikis/cls/Startseite) ist eine “Arbeitsplattform, die
die Kommunikation und Kooperation der Bibliotheken im Verbund verbessern möchte“.
Dort werden Informationen zu Projekten, Protokolle, Anleitungen u.v.m. bereitgestellt,
die Verbundmitglieder können auch selbst Inhalte einbringen.
14 http://www.libsuccess.org
15 Beim Ohio University Libraries Biz Wiki können Studierende und Mitglieder des Lehr-
körpers am Subject Guide der Bibliothek mitarbeiten: http://www.library.ohiou.edu/sub-
jects/bizwiki
16 http://biro.bemidjistate.edu/~morgan/e-rhetoric/wiki.php
17 Stover, Mark (2004): Making tacit knowledge explicit: The ready reference database as
codified knowledge. Reference Services Review, 32(2), 164-173
ADRESSE DER AUTORINMag. (FH) Michaela Putz
Universität Wien, Bibliotheks- und Archivwesen
Dr. Karl Lueger-Ring 1, 1010 Wien
Michaela.Putz@univie.ac.at
http://www.ub.univie.ac.at
Michaela Putz
113
OPEN ACCESS IM BIBLIOTHEKSWESEN
WEIN PREDIGEN UND WASSER TRINKEN? THEORIE UND PRAXIS VON OPEN ACCESS IM ÖSTERREICHISCHEN BIBLIOTHEKSWESEN [1]
MONIKA BARGMANN
ABSTRACT
Zunehmend erwarten Bibliotheken von Zeitschriftenverlagen, ihren AutorInnen
Selbstarchivierung zu ermöglichen, und zugleich von den WissenschaftlerInnen, ihre
Publikationen auch tatsächlich auf ihren persönlichen Websites, in institutionellen oder
thematischen Repositorien zur Verfügung zu stellen. Wie sieht es aber mit der Praxis im
eigenen Berufsfeld aus? Im Beitrag wird untersucht, wie es in Österreich um den freien
Zugang zu bibliothekarischer Fachliteratur bestellt ist. Außerdem werden mögliche Gründe
für die Zurückhaltung der bibliothekarischen Fachwelt, ihre eigenen Publikationen frei ins
Netz zu stellen, identif iziert. Diese lassen sich den Bereichen Klima, Wissen, Usability,
Zeit und Recht zuordnen. Als Abschluss werden mögliche Lösungen für dieses Dilemma
angeboten.
EINLEITUNG: OPEN ACCESS UND SELBSTARCHIVIERUNG
Unter Open Access (OA) versteht man generell den freien, ungehinderten Zugang zu
wissenschaftlicher Information. John Willinsky unterscheidet in seinem Buch „The
access principle“ (Willinsky, 2006) folgende zehn Spielarten von Open Access (die
Autorin bemühte sich, Willinskys Beispiele wenn möglich durch bibliotheksrelevante
Pendants zu ersetzen):
• Home page: Autorinnen und Autoren stellen ihre Publikationen auf ihrer privaten
oder institutionellen Website frei zur Verfügung.
• E-Print archive („green road“): Publikationen einer bestimmten Institution oder
zu einem bestimmten Fachgebiet werden mit den entsprechenden Metadaten
in ein Online-Repositorium eingestellt (Beispiel: E-LIS; DoIS; E-Theses der
Universität Wien, [2]).
• Author fee („gold road“ oder „golden road“): Autorinnen und Autoren bzw. ihre
Institutionen bezahlen einen bestimmten Beitrag an den Verlag, um den freien
Schriften der VÖB 5, 113 – 126
114
Zugang zur Zeitschrift bzw. zum jeweiligen Artikel zu ermöglichen (Beispiel:
BioMed Central; Public Library of Science).
• Subsidized: Durch Subventionen wird der freie Zugang gewährleistet (Beispiele:
First Monday; Electronic Journal of Academic and Special Librarianship; D-Lib
Magazine).
• Dual-mode: Durch kostenpflichtige Abonnements der gedruckten Zeitschrift
werden die gedruckte und die online frei zugängliche Ausgabe finanziert (Beispiel:
Journal of Postgraduate Medicine).
• Delayed: Der Zugang zu einer elektronischen Zeitschrift ist erst nach Ablauf
eines bestimmten Zeitraums frei; wer vorher Zugang zur elektronischen Version
oder die gedruckte Version erhalten möchte, muss bezahlen (Beispiel: Learned
Publishing; Bibliothek. Forschung und Praxis).
• Partial: Nur eine Auswahl an Artikeln ist frei zugänglich. Diese teilweise Freigabe
hat meistens die Anwerbung von AbonnentInnen zum Ziel und ist weniger im
OA-Gedanken begründet (Beispiel: Law Library Journal).
• Per capita: Für Studierende und ForscherInnen in Entwicklungsländern ist der
Zugriff frei (Beispiel: HINARI-Programm der World Health Organization).
• Indexing: Bibliographische Angaben und Abstracts sind frei zugänglich
(Beispiele: LISTA [3]; ScienceDirect; Zeitschrift für Bibliothekswesen und
Bibliographie). Anmerkung dazu: Dieser eingeschränkte Zugang wird von den
wesentlichen OA-Initiativen nicht als „Open Access“ bezeichnet – beispielsweise
sind gemäß der „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the
Sciences and Humanities“ [4] „free, irrevocable, worldwide, right of access to,
and a license to copy, use, distribute, transmit and display the work publicly and
to make and distribute derivative works” und „a complete version of the work“
Grundvoraussetzungen dafür, dass man von OA sprechen kann.
• Cooperative: Mitgliedsinstitutionen tragen zur Unterstützung von Open Access-
Publikationen bei und stellen die Infrastruktur zur Verfügung (Beispiel: German
Academic Publishers; German Medical Science)
Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die Selbstarchivierung, also das Einstellen
von Fachliteratur in einem Open Access-Repositorium (in Folge auch OA-Archiv
genannt) durch den Autor oder die Autorin. Für den Bereich „BibliothekarInnen
und ‚golden road’“ siehePeterson (2006).
AUSGANGSLAGE IN ÖSTERREICH
Bibliothekarische ZeitschriftenAufgrund der gemeinsamen Sprache, Bibliothekstradition und Gremialarbeit
Monika Bargmann
115
erscheinen Beiträge aus Österreich häufig in deutschen bibliothekarischen
Zeitschriften. Der folgende Abschnitt konzentriert sich aber auf die spezifisch
österreichische Situation.
Die „Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und
Bibliothekare“ (VÖB-Mitteilungen) sind ab 1977 bei Austrian Literature Online
und ab der Ausgabe 3+4 (2002) auf der VÖB-Website frei zugänglich. Allerdings
sind die Artikel nicht einzeln abzurufen; es gibt keine Abstracts oder eine andere
weitergehende Inhaltserschließung [5].
Die Zeitschrift „Büchereiperspektiven“, die vom Büchereiverband Österreichs
(BVÖ) herausgegeben wird, ist seit der Ausgabe 1 (2005) online auf der BVÖ-
Website abzurufen. Auch hier gibt es keine Abstracts und eine Gesamtdatei pro
Ausgabe [6].
Bei der Zeitschrift „Biblos. Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift“, die von der
Österreichischen Nationalbibliothek publiziert wird, sind zwar die Titel der einzelnen
Beiträge ab 1994, aber weder Abstracts noch der Volltext online abrufbar [7].
„Bibliotheck“, eine Fachzeitschrift für öffentliche Bibliotheken, wird von der
Bibliotheksfachstelle der Diözese Linz herausgegeben und erscheint drei Mal
pro Jahr. Seit der ersten Ausgabe im März 2003 können die einzelnen Artikel im
HTML-Format auf der Website abgerufen werden [8].
Die Zeitschrift „bn.bibliotheksnachrichten. Impulse - Informationen -
Rezensionen“ [9] des Österreichischen Bibliothekswerks erscheint vier Mal
jährlich. Inhaltsverzeichnisse oder Abstracts sind nicht auf der Website abrufbar, die
enthaltenen Rezensionen fließen aber in die frei zugängliche Rezensionsdatenbank
[10] ein.
Abschlussarbeiten bibliothekarischer Ausbildungsgänge
Die Master-Thesen, die an den Universitätslehrgängen „Library and Information
Studies“ [11] verfasst wurden, sind zum Teil im Gesamtkatalog des Österreichischen
Bibliothekenverbundes nachgewiesen, Abstracts oder Volltexte sind derzeit
aber nicht zentral online abrufbar. Ähnliches gilt für die Master-Arbeiten der
Studiengänge „Bibliotheks- und Informationsmanagement“ und „Strategisches
Informationsmanagement“ [12] an der Donau-Universität Krems, diese sind im
Bibliothekskatalog nachgewiesen, aber ebenfalls ohne Abstracts bzw. Volltexte.
Schriften der VÖB 5, 113 – 126
116
Derzeit sind vier einschlägige Kremser Arbeiten in E-LIS eingestellt (Stand Mitte
Dezember 2007).
Die Diplomarbeiten der Fachhochschulstudiengänge „Informations berufe“ und
„Angewandtes Wissensmanagement“ [13] in Eisenstadt werden seit 2006 – die
schriftliche Einwilligung der AutorInnen vorausgesetzt – auf den Bibliotheks-
Server gestellt und vom Online-Katalog aus verlinkt. In das Wahlmodul „Online
Publishing“ wurden zwei Gastvorträge – über Open Access generell und über
Creative Commons – integriert, die auch für HörerInnen anderer Module bzw.
anderer Studiengänge zugänglich waren. Thematisch passende Diplomarbeiten
werden vom Bibliothekspersonal auch in E-LIS eingestellt – im Dezember 2007
waren das insgesamt 41. Dazu muss offen gesagt werden, dass es eine viel kleinere
Zahl wäre, wenn die Bibliothek nicht die Rolle eines Intermediärs übernehmen,
sondern ausschließlich das Prinzip der Selbstarchivierung durch die AutorInnen
verfolgen würde. Ob in Zukunft grundsätzlich auch Bachelorarbeiten eingestellt
werden sollen, ist noch offen – wahrscheinlich wird man sich hier aber, wenn
überhaupt, auf besonders herausragende Exemplare beschränken.
Die Projektarbeiten, die im Rahmen der Ausbildungslehrgänge für BibliothekarInnen
Öffentlicher Bibliotheken verfasst wurden, sind mit Kurzbeschreibungen und
teilweise auch Volltexten in einer Datenbank des Büchereiverbandes (BVÖ) erfasst,
die über die Website abgefragt werden kann [14].
Die Abschlussarbeiten am Lehrgang für Information und Dokumentation der
Österreichischen Gesellschaft für Dokumentation und Information (ÖGDI) sind
ebenfalls in einer Datenbank und teilweise online im Volltext abzurufen [15].
WARUM SELBSTARCHIVIERUNG?
„We can’t reasonably go out and evangelize self-archiving to faculty when we aren’t
doing it ourselves. We can’t evangelize open-access journals when we don’t publish
in them. We can’t evangelize open-access search engines and materials if we don’t
use them” – so brachte es Dorothea Salo in ihrem Weblog-Eintrag „Open access to
the library literature“ (Salo, 2006) auf den Punkt – BibliothekarInnen sollten nicht
Wein predigen und Wasser trinken. Die Veröffentlichung in Datenbanken (also im
„Deep Web“) oder auf den Websites der jeweiligen Institutionen ist löblich, zugleich
aber ist die Auffindbarkeit verbesserungswürdig. Dokumente in OA-Archiven mit
entsprechender Aufbereitung sind mit Metadaten wie Abstracts, Klassifikation und
freien Schlagwörtern angereichert und können leicht über Suchdienste von Google
Monika Bargmann
117
Scholar über Scirus bis OAIster gefunden werden. Es ist somit nicht notwendig, eine
bestimmte Zeitschrift bereits zu kennen und deren Website gezielt aufzusuchen, um
darin enthaltene Veröffentlichungen zu finden [16].
HINDERNISSE BEI DER SELBSTARCHIVIERUNG
Wir haben in der Fachliteratur und durch eigene Überlegungen und Erfahrungen
mögliche Gründe für die Zurückhaltung der bibliothekarischen Fachwelt bei der
Selbstarchivierung identifiziert, und zwar in den Bereichen Klima, Interface, Wissen,
Zeit und Recht. Ein Hinweis: Die Auflistung bestimmter Einwände bedeutet nicht,
dass die Autorin diese teilt oder dass diese tatsächlich zutreffen, aber auch nicht
automatisch das Gegenteil.
Klima
• „Allgemeines Phlegma“ (Graf, 2003) / „Inertia“ (Pinf ield, 2004) / „Indifference“
(Ware, 2004)
Wohl zu den wichtigsten Gründen zählen mangelndes Interesse und/oder mangelndes
Engagement – die LeserInnen kennen sicher „Killerphrasen“ unterschiedlichen
Niveaus wie „kenn ich nicht, interessiert mich nicht, haben wir noch nie so gemacht,
überlegen wir lieber noch; wer soll denn das machen; das kann ich nicht entscheiden;
ich hab eh die Literatur, die ich brauche, in der Bibliothek“ (vgl. Harnad, 2006).
Teilweise durchaus verständlich – die Zeitbudgets von BibliothekarInnen und
die Möglichkeit, neue Entwicklungen mitzuverfolgen, haben eben ihre Grenzen.
Aber „auch wenn man prinzipiell gegenüber der ‚Open-Access‘-Bewegung positiv
eingestellt ist, scheut man angesichts des knappen Zeitbudgets den Aufwand einer
E-Publikation“, stellte Graf (2003) fest. Und Swan (2006) bemerkt: „Researchers
whose institution has a repository and who fully identify with the aims and objectives
of Open Access still grin ruefully if challenged informally as to why they have not
deposited their articles, or have done so in a less than systematic fashion — depositing
some but not others, perhaps, or omitting the most recent ones — and say they will
‘get round to it’”.
• Mangelnde institutionelle Unterstützung von EditorInnen
EditorInnen von thematischen, nicht-institutionellen OA-Archiven arbeiten im
Regelfall ehrenamtlich und nicht immer mit Unterstützung oder zumindest Duldung
ihres Arbeitgebers.
Schriften der VÖB 5, 113 – 126
118
• Mangelnde institutionelle Unterstützung von AutorInnen
Publizieren zählt bei den meisten BibliothekarInnen nicht zur Tätigkeitsbeschreibung,
wird auch nicht als wesentlicher Teil des Berufs gesehen und bringt nichts für die
Karriere. Das gilt dann natürlich auch für Selbstarchivierung.
• Eigene Publikationen werden von den AutorInnen nicht für wichtig genug gehalten
• Open Access-Beiträge gelten nicht als „richtige“ Wissenschaft
„Teilweise gelten Online-Veröffentlichungen immer noch als ‘junk science’“
(Mruck, 2003). Dieser mögliche Einwand wird mitunter von wissenschaftlichen
MitarbeiterInnen geäußert, deren Karriere nicht unwesentlich vom
Publikationsaufkommen und der Akzeptanz in Fachkreisen abhängt, ist auf
BibliothekarInnen im Regelfall aber nicht anwendbar.
• BibliothekarInnen lesen nur selten bibliothekswissenschaftliche Literatur…
…also messen sie dem Zugang dazu auch nur geringe Bedeutung bei. Um diese
auf persönlichen Eindrücken basierende Annahme zu überprüfen, müsste zunächst
untersucht werden, ob BibliothekarInnen aus der Praxis ihr Wissen aus einschlägiger
Literatur beziehen bzw. wie viele BibliothekarInnen die Möglichkeit oder das Interesse
haben, die neueste, auch internationale Fachliteratur zu lesen. „We certainly have a large
disenfranchised constituency of librarians too resource-starved to read our subscription
journals or attend our conferences (…) the disenfranchised are disproportionately
public librarians, such that there is a disconnect between available open access resources
(which are mostly geared toward academic libraries) and those who most need their
resources to be open access“ (Salo, 2006). Dieser Punkt hängt auch eng mit der
Bewertung der Bibliothekswissenschaft als Wissenschaft und ihrer institutionellen
Verankerung zusammen, aber auch mit der Zeit, die BibliothekarInnen von ihren
Vorgesetzten für die fachliche Lektüre zugestanden wird.
Interface
• Mit dem Interface nicht zurechtkommen
BibliothekarInnen haben zwar im Regelfall mit der Erfassung von Metadaten
bestimmter Dokumente Erfahrung; die jeweilige graphische Gestaltung oder die
Anzahl der auszufüllenden Felder könnten aber auf den ersten Blick wenig ermunternd
wirken. Hier sind die AnbieterInnen der entsprechenden Softwareprodukte gefragt.
• Interface ist nicht in vertrauter Sprache
Such- und Erfassungsmasken könnten in mehreren Sprachen angeboten werden.
Monika Bargmann
119
• Verwendete Begriffe nicht kennen
Ein Beispiel: Der Unterschied zwischen den Dokumententypen „departmental
technical report“ und „technical report“ bei E-LIS [3] erschließt sich nicht auf den
ersten Blick.
• Mangelnde Ausstattung
Von einem „lack of infrastructural facilities like hardware and connectivity of high
bandwidth”, wie ihn Hirwade und Rajyalakshmi (2006) für Indien als OA-Hindernis
beschreiben, ist zumindest im wissenschaftlichen Bibliothekswesen Österreichs nicht
auszugehen.
• Langzeitarchivierung ungesichert
AutorInnen könnten zurückhaltend sein, weil sie nicht wissen, ob eingestellte
Dateien langfristig verfügbar sein werden. In einer aktuellen Studie von Hess et
al. (2007) gaben 53 Prozent der Befragten an: „Open Access publications lack a
guarantee of long-term availability”. In der Untersuchung von Swan und Brown
(2004) stimmten 29 % der OA- und 43 % der NOA-AutorInnen [AutorInnen, die
noch nicht in einer OA-Zeitschrift publiziert haben, Anm.] der Aussage „I am not
confident of the permanence of my published work” zu.
Wissen
• Nicht wissen, was OA bzw. Selbstarchivierung ist
Hahn (2005) stellt in ihrer Studie über britische WissenschaftlerInnen fest: „Of
those who had not used self-archiving, 71% reported being unaware of the option”.
Vergleichbare Zahlen erhielten auch Swan und Brown (2004): „NOA authors
[AutorInnen, die noch nicht in einer OA-Zeitschrift publiziert haben, Anm.] were
presented with a list of reasons why they have not chosen to publish in an OA
journal (…). The reason that scored highest (70%) was that authors were not familiar
enough with OA journals in their field” [25]. Entsprechende Untersuchungen unter
Österreichs BibliothekarInnen sind der Autorin nicht bekannt. Durch die vielfältigen
Diskussionen über die „Zeitschriftenkrise“ und die Behandlung des Themas in den
verschiedenen Ausbildungsgängen sieht das Bild aber vielleicht anders aus.
• Nicht wissen, welche OA-Repositories für BID es gibt
Mit den Grundbegriffen des OA vertraut zu sein bedeutet noch lange nicht, auch
die Repositorien im Bereich Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen
zu kennen.
Schriften der VÖB 5, 113 – 126
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• „Konkurrenz“ fachlicher mit institutionellen Repositories
Bietet die jeweilige Institution – zum Beispiel eine Universität – ein institutionelles OA-
Archiv an, müssen AutorInnen überlegen, ob sie ihre Beiträge besser in diesem oder in
einem thematischen Repositorium einstellen sollen. Ist dann die Entscheidung für ein
thematisches Archiv gefallen, stehen AutorInnen von Publikationen im BID-Bereich
immer noch vor der Frage, in welchem sie archivieren sollen: E-LIS? DoIS? dLIST?
Oder doch Portal Informationswissenschaft? Für das Auffinden der Publikationen
in Wissenschaftssuchmaschinen wie Google Scholar oder mit OAIster macht das
eigentlich keinen Unterschied, sofern das jeweilige Archiv die Metadaten entsprechend
aufbereitet – hier spielen auch sprachliche und persönliche Präferenzen mit.
• Generell nicht f irm im Umgang mit dem Internet sein
Zeit
• Vertrautmachen mit dem Repository / Einstellen dauert subjektiv zu lange
Eine ungeklärte Frage ist, wie man den Einstellprozess ohne Verlust an
Metadaten(qualität) verkürzen kann. Fest steht, dass man bereits nach kurzer Zeit
eine gewisse Routine entwickelt.
• Abstractschreiben dauert subjektiv zu lange
In den größeren bibliothekarischen Fachzeitschriften Österreichs, wie den VÖB-
Mitteilungen [5] und den Büchereiperspektiven [6], ist kein Abstract erforderlich.
Für eine Einstellung beispielsweise in E-LIS sind aber ein Abstract in der
Dokumentensprache und ein Abstract in englischer Sprache erforderlich.
• Ältere Publikationen müssen erst eingescannt werden
• Texte stehen ohnedies auf privater oder institutioneller Website
Vgl. dazu den Abschnitt „Warum Selbstarchivierung?“
Recht
• Nicht wissen, ob Verlag zustimmt / Unkenntnis rechtlicher Regelungen
Tipp von Dorothea Salo (2006): „Read all copyright transfer agreements. It’s flat-
out irresponsible not to. (…) For those agreements that do not appear to allow
self-archiving or do not address self-archiving, ask the editor ‘May I self-archive
this paper?’ Editors and publishers need to hear that their authors want to do this;
Monika Bargmann
121
we mustn’t let publishers hide behind ‘but our authors don’t care!’. Gerade bei
österreichischen bibliothekarischen Zeitschriften, die ohnedies ohne Gewinnabsicht
produziert werden bzw. ohnedies auch frei zugänglich sind, ist der Widerstand der
Verlage im Regelfall sehr gering; bei Hochschulschriften gibt es dieses Problem im
Normalfall gar nicht. Die Autorin hat aber auch durchaus positive Erfahrungen mit
kommerziellen Verlagen gemacht – so war die Rückmeldung des Verlages Edward
Elgar auf die Anfrage, ob ein Buchbeitrag in E-LIS eingestellt werden dürfte:
„We would have no objection to this providing an acknowledgement is made to
the book as the original source of publication. As you point out, this could actually
generate some further interest” [17]. Fazit: einfach fragen!
• Furcht vor Plagiaten
Die Gefahr besteht natürlich grundsätzlich, aber abgesehen davon, dass man in
Folge auch mit einer einfachen Suchmaschinenanfrage herausfinden kann, ob ein
Plagiat vorliegt, erscheint die Annahme, dass ein österreichischer Bibliothekar einen
Artikel aus den VÖB-Mitteilungen plagiiert, den er im Infodata-eDepot gefunden
hat, um damit dann ungerechtfertigterweise in den Büchereiperspektiven Furore
zu machen, eher absurd. Außerdem, wie Harnad (2006) feststellt: „The only way to
make plagiarism impossible is to neither publish nor make it accessible to anyone”.
Siehe dazu auch Graf(2003).
• Restriktive Verlagsverträge
WAS TUN?
Empfehlungen für AutorInnen
• Verlagsvereinbarungen lesen (Salo, 2006)
• Den Verlag nach Selbstarchivierung fragen
• Text bei Verlagen einreichen, die Selbstarchivierung erlauben
In der sogenannten ROMEO-Liste [18] werden die entsprechenden Regelungen von
Verlagen aufgelistet. Je nach ihrer OA-Politik werden die Verlage in vier Kategorien
eingeteilt.
• Open Access-Ressourcen im eigenen Bereich kennen
Es gibt eine Fülle an aktuellem, qualitativ hochwertigem Material aus dem BID-
Bereich, auf das man frei zugreifen kann. Gerade wenn die finanziellen Mittel
Schriften der VÖB 5, 113 – 126
122
für den Ankauf bibliothekswissenschaftlicher Medien eingeschränkt sind, sind die
verschiedenen OA-Archive interessant [siehe auch 19].
• Einfach einmal ausprobieren
Alleine die Möglichkeiten, sich per eMail oder RSS-Feed die neuesten Einträge zu
bestimmten Themen oder Stichwörtern zusenden zu lassen, lohnt es auszuprobieren.
Beim Einstellen eigener Publikationen helfen Ihnen die EditorInnen der
verschiedenen Repositorien gerne über Anfangsschwierigkeiten hinweg.
• andere BibliothekarInnen auf die Möglichkeiten hinweisen
Empfehlungen für EditorInnen und Repositories
• Selbstarchivierung erleichtern / übernehmen?
Joint (2006) und Pinfield (2004) sprechen sich dafür aus, dass Bibliotheken
oder andere Dienstleistungseinrichtungen die Einstellung in OA-Archive
zumindest zum Teil übernehmen. Und tatsächlich: Spricht man AutorInnen,
die beispielsweise Artikel auf ihrer persönlichen Website veröffentlichen, direkt
auf Selbstarchivierung an, bekommt man nicht selten zur Antwort: „Gute Idee.
Hier ist meine Publikationsliste, machen Sie“ (Harnad, 1999). Die Übernahme
der Archivierung durch die EditorInnen würde auch sicher die Zahl der Beiträge
entscheidend erhöhen: „All that‘s needed is enough of a budget so that web-savvy
students or document specialists from the Library can do the self-archiving for the
first generation of authors/papers (dead-easy, as anyone who has tried it can confirm).
Once that‘s done, the rest will take care of itself, for the literature will be up there
in the sky, and not having a paper up there will become more and more of a liability
(and necessity will be the mother of invention then)“ (Ware, 2004). Abgesehen von
der Schwierigkeit, die rechtliche Situation bei Beiträgen anderer Personen zu klären
und ggf. dafür auch Abstracts zu verfassen, ist dafür allerdings die Unterstützung der
jeweiligen Organisation bzw. ein offizieller Auftrag erforderlich, denn diese Aufgabe
kann nur mehr schwer in der Freizeit bewältigt werden.
• Open Access-AutorInnen gezielt ansprechen
„Dass man von Seiten des E-Print-Archivs dem Autor so weit wie möglich
entgegenkommt und aktiv Texte einwirbt“ (Graf, 2007), hat sich als durchaus
praktikabel erwiesen. Personen, die ihre Publikationen bereits auf ihrer Website
anbieten, sind leichter von den Vorteilen eines Open Access-Archivs zu überzeugen.
• Widerstände erforschen (Graf, 2007)
Monika Bargmann
123
Empfehlungen für EntscheidungsträgerInnen
• Open Access-Thematik (weiterhin) in Ausbildungspläne einbauen
Hier gibt es bereits ermunternde Erfahrungen aus verschiedenen bibliothekarischen
Lehrgängen.
• Tagungsbände zumindest nach Embargo frei zugänglich machen
Es ist begrüßenswert, wenn beispielsweise Beiträge aus einem Tagungsband nach
einer bestimmten zeitlichen Verzögerung frei zugänglich gemacht werden dürfen.
Das ist beim vorliegenden Band erfreulicherweise der Fall.
• Bezahlte Stelle?
Eine bezahlte Stelle, beispielsweise bei einem Bibliotheks- oder Berufsverband
angesiedelt, deren InhaberIn die Selbstarchivierung bewerben oder gar übernehmen,
fehlende Abstracts ergänzen und die rechtlichen Bedingungen klären könnte, wäre
durchaus eine reizvolle Option (vgl. den Abschnitt „Selbstarchivierung erleichtern /
übernehmen?“). Von der baldigen Realisierung ist allerdings wohl nicht auszugehen.
Sollten innerhalb einzelner Organisationen, zum Beispiel an Universitäten,
Personen dafür abgestellt werden, dann wohl eher für institutionelle Repositories.
Für die Autorin vorstellbar und am ehesten realisierbar wäre wohl ein befristetes
Projekt, bei dem bibliotheks- und informationswissenschaftliche Literatur, deren
urheberrechtlicher Schutz bereits abgelaufen ist, eingescannt, mit Metadaten
versehen und in ein OA-Archiv eingestellt wird.
• Verpflichtung zur Selbstarchivierung?
„Where self-archiving is a voluntary issue, researchers succumb to the aforementioned
inertia, unfounded anxieties, or just lack of awareness” (Swan, 2006). Eine Verpflichtung
scheint allerdings für BibliothekarInnen nur schwer vorstellbar – wenn Publizieren
kein Teil der Job Description ist, wie kann es Selbstarchivierung sein? Hier empfiehlt
sich eher, innerhalb der jeweiligen Organisation ein entsprechendes Klima gegenüber
Open Access-Resourcen zu schaffen und die MitarbeiterInnen bei Publikationen
und bei der – auch retrospektiven – Selbstarchivierung zu unterstützen.
FAZIT
Auch auf die Gefahr hin, allzu missionarisch zu wirken, lautet das Fazit dieses
Beitrags: Gehet hin und archivieret selbst!
Schriften der VÖB 5, 113 – 126
124
LITERATURVERZEICHNIS(Links zuletzt geprüft am 21.12.2007)
Graf, Klaus: Wie füllt man die Open-Access-Dokumentenserver?. In: Archivalia,
31. Jänner 2007, http://archiv.twoday.net/stories/3264283/
Graf, Klaus: Wissenschaftliches E-Publizieren mit ‚Open Access‘ - Initiativen und Widerstände.
In: Zeitenblicke 2 (2003) 2, http://www.zeitenblicke.de/2003/02/graf.htm
Hahn, Karla: Seeking a global perspective on scholarly communication: contributions from
the UK. In: ARL Bimonthly Report (241) 2005,
http://www.arl.org/newsltr/241/scholcom.html
Harnad, Stevan: Free at Last: The Future of Peer-Reviewed Journals. In: D-Lib Magazine 5
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Open Access: Key Strategic, Technical and Economic Aspects. Oxford: Chandos 2006,
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Hess, Thomas / Wigand, Rolf T. / Mann, Florian / Walter, Benedikt von: Open Access &
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Access Publishing. München: Ludwig-Maximilians-Universität 2007,
http://openaccess-study.com/Hess_Wigand_Mann_Walter_2007_Open_Access_
Management_Report.pdf
Hirwade, Mangala / Rajyalakshmi, D.: Open Access: India is moving towards Third world
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Mruck, Katja: Crossing Borders: Vier Jahre ‘Forum Qualitative Sozialforschung / Forum:
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Pinfield, Stephen: Self-archiving publications. In: Gorman, G.E. / Rowland, Fytton (Hrsg.):
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Salo, Dorothea: Open Access to the library literature. In: Caveat Lector, 16. Oktober 2006,
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Swan, Alma / Brown, Sheridan: Authors and open access publishing. In: Learned Publishing
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Swan, Alma: The culture of Open Access: researchers’ views and responses. In: Jacobs, Neil
(Hrsg.): Open Access: Key Strategic, Technical and Economic Aspects. Oxford: Chandos
2006, Kapitel 7, http://eprints.ecs.soton.ac.uk/12428/
Monika Bargmann
125
Ware, Mark: Institutional repositories and scholarly publishing. In: Learned Publishing 17
(2004) 2, S. 115 - 124, http://dx.doi.org/10.1087/095315104322958490
Willinsky, John: The access principle. The case for open access to research and scholarship.
Cambridge: MIT Press 2006, S. 212 - 213
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 21.12.2007)
1 Wertvolle Anregungen kamen von Michaela Putz, mit der gemeinsam der
zugrundeliegende Vortrag im Rahmen der ODOK erarbeitet wurde, von Michael
Katzmayr und Klaus Graf.
2 E-LIS, e-prints in library and information science: http://eprints.rclis.org/
DoIS, documents in information science: http://wotan.liu.edu/dois/
E-Theses der Universität Wien: http://othes.univie.ac.at/
3 Die bibliographische Online-Datenbank Library, Information Science & Technology
Abstracts (LISTA) wird von Ebsco kostenlos und frei zugänglich angeboten.
http://www.libraryresearch.com/
4 Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities,
http://oa.mpg.de/openaccess-berlin/berlindeclaration.html
5 http://www.univie.ac.at/voeb/php/publikationen/vm/index.html
6 http://www.bvoe.at/Serviceangebote/Buechereiperspektiven/
7 http://www.onb.ac.at/biblos/
8 http://www.dioezese-linz.or.at/pastoralamt/dib/inhalte/bibliotheck/Bibliotheck.htm
9 http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html
10 http://www.biblio.at/literatur/rezensionen/suche.html
11 http://ub.uni-graz.at/ausbildung/lis/index.php, http://www.uibk.ac.at/ub/lis/,
http://www.onb.ac.at/about/aus/grau/grau_start.htm
12 http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/bibliotheksmanagementundinformation/,
http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/strategischesinformationsmanagement/
13 http://www.fh-burgenland.at/Eisenstadt/KKB_I/kkb.asp
14 http://www.bvoe.at/Aus-_und_Fortbildung/Projektarbeiten/
15 Datenbank http://csc000.cscaustria.at/oegdi/ zum Zeitpunkt der Einreichung nicht
verfügbar. Website der ÖGDI: http://www.oegdi.at/
16 vgl. den Beitrag „Zwei Jahre österreichische Beteiligung an E-LIS: Status Quo und
Perspektiven“ von Michael Katzmayr in diesem Band.
17 eMail vom 28. Juni 2007.
18 SHERPA: „Publisher copyright policies & self-archiving“,
http://www.sherpa.ac.uk/romeo.php
19 Morrisson, Heather: OA librarian. Open access resources by and for librarians,
http://oalibrarian.blogspot.com/
Schriften der VÖB 5, 113 – 126
126
ADRESSE DER AUTORINMag. (FH) Monika Bargmann
Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung
Rathaus, A-1082 Wien
E-Mail: Monika.bargmann@wienbibliothek.at
Monika Bargmann
127
ZWEI JAHRE ÖSTERREICHISCHE BETEILIGUNG AN E-LIS: STATUS QUO UND PERSPEKTIVEN [1]
MICHAEL KATZMAYR
ABSTRACT
E-LIS: E-prints in Library and Information Science ist ein 2003 gegründetes
internationales Open-Access-Archiv zu den Bibliotheks- und Informationswissenschaften
mit mittlerweile über 7.000 Voll texten. Seit 2005 werden auch österreichische Beiträge
darin nachgewiesen – derzeit etwa 200 (Stand der Zahlen: Dezember 2007). Zwar
ist dies im internationalen Vergleich eine durchaus gute Leistung, aber gemessen an der
Anzahl der hierzulande erscheinenden einschlägigen Publikationen scheint eine bedeutende
Steigerung möglich. Im folgenden Beitrag soll dargestellt werden, was E-LIS ist und wie
es organisiert ist, wie es sich in das Angebot bestehender einschlägiger Open Access-Archive
eingliedert, was es den AutorInnen bietet und welche Herausforderungen überwunden
werden müssen. Schließlich werden Kooperationen und Konzepte zur Erhöhung der
Anzahl österreichischer Beiträge in E-LIS vorgestellt.
EINLEITUNG
Um Open Access (OA), den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information
via Internet, auf breiter Basis zu verwirklichen, stehen zwei sich ergänzende
Strategien zur Verfügung [2]. Die erste ist die Herausgabe wissenschaftlicher OA-
Fachzeitschriften (so genannter goldener Weg zu OA), die zweite Möglichkeit liegt
im Archivieren wissenschaftlicher Volltexte in OA-Archiven (grüner Weg). Je nach
Archiv können die Volltexte (in diesem Zusammenhang E-Prints genannt) entweder
in der endgültigen Fassung nach einer allfälligen Begutachtung bzw. redaktionellen
Bearbeitung durch den Verlag archiviert werden (so genannte Post-Prints) oder in
der Form, in der sie zur Publikation eingereicht werden (Pre-Prints). Dabei spielt
es keine Rolle, ob der Aufsatz in einer herkömmlichen oder einer OA-Zeitschrift
publiziert werden soll oder wurde; Voraussetzung ist lediglich, dass die AutorInnen
die Werknutzungsrechte besitzen, die ein Archivieren in OA-Archiven erlauben.
Diese OA-Archive stellen Datenlieferanten (so genannte Data-Provider)
dar – die Metadaten der darin enthaltenen Dokumente werden von Service-
Schriften der VÖB 5, 127 – 135
128
Providern gemäß OAI-PMH (Open Archives Initiative Protocol for Metadata
Harvesting) eingesammelt. Diese Service-Provider stellen ein Suchinterface im
Web zur Verfügung und ermöglichen die Metasuche über den Bestand mehrerer,
oft thematisch verwandter Archive.
Institutionelle OA-Archive werden von Universitäten, Universitätsinstituten,
Forschungseinrichtungen etc. betrieben und archivieren nur in der Institution
erschienene Publikationen. Im Gegensatz dazu sind rein themenbezogene Archive
nicht auf Volltexte einer Institution oder Organisationseinheit beschränkt, sondern
stehen der gesamten Fachöffentlichkeit zur Archivierung offen. Häufig finden sich
auch Mischformen. OA-Archive folgen häufig dem Prinzip der Selbstarchivierung,
d.h., AutorInnen stellen ihre Dokumente selbst ein und übernehmen auch die
formale und inhaltliche Erschließung.
WAS UND WER IST E-LIS?
E-LIS [3] wurde 2003 gegründet und ist das weltweit größte OA-Archiv für das
Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen (BID-Wesen). Es verfolgt
keinerlei kommerzielle Interessen und wird von ehrenamtlicher Mitarbeit getragen.
Es ist rein themenbezogen und steht somit der gesamten Fachöffentlichkeit
zur Archivierung zur Verfügung. Es kann eine Vielzahl an facheinschlägigen
wissenschaftlichen und praxisorientierten Dokumenten archiviert werden, seien es
nun Aufsätze vor oder nach einer allfälligen Begutachtung (Pre-Prints oder Post-
Prints), Tagungsbeiträge, Rezensionen, Arbeitspapiere, Bücher, Präsentationen,
Universitätsschriften und vieles mehr. Dokumente werden grundsätzlich durch die
AutorInnen selbst archiviert und in allen Sprachen akzeptiert.
In E-LIS kann direkt recherchiert werden, es ist aber auch Datenlieferant für
mehrere Service-Provider, unter anderem für Metalis (Metaresearch in Library and
Information Science) [4]. Für die inhaltliche Erschließung steht eine Klassifikation
zur Verfügung (siehe Abbildung 1 für die Hauptgruppen), zusätzlich können die
AutorInnen Stichworte frei vergeben.
Die Organisationsstruktur von E-LIS besteht aus den drei Bereichen Administration,
Redaktion und technischer Service [5]. Die Administration besteht aus acht
Personen und ist für die strategische Ausrichtung von E-LIS verantwortlich, etwa
die Formulierung des Leitbildes, die Entwicklung der Archivierungsrichtlinien sowie
allgemein für übergeordnete organisatorische Belange.
Michael Katzmayr
129
Abbildung 1: Inhaltliches Spektrum von E-LIS – Hauptgruppen der verwendeten Klassifikation
Das Redaktionsteam umfasst rund 60 Personen, die für einzelne Länder zuständig
sind – derzeit nehmen 40 Länder an E-LIS teil. Zusätzlich gibt es noch regionale
RedakteurInnen, die koordinierende Aufgaben für Kontinente oder Ländergruppen
durchführen. Die Redaktionsmitglieder sind nationale AnsprechpartnerInnen zu
allen Belangen rund um E-LIS und erfüllen folgende Aufgaben:
• formelle Kontrolle und Freischaltung der von den AutorInnen selbst angelegten
Datensätze,
• Vernetzung mit AutorInnen, PraktikerInnen, WissenschafterInnen und
VertreterInnen der Berufsvereinigungen des BID-Wesens,
• Kontakt zu Verlagen, um die Möglichkeit für ein Archivieren der Volltexte in
E-LIS zu schaffen,
• Öffentlichkeitsarbeit, etwa Teilnahme an Konferenzen, Aussendungen über
Mailinglisten, Publikationen in Fachzeitschriften etc.
Das TechnikerInnenteam besteht aus 4 Personen, die sich hauptsächlich mit Fragen
der Software befassen (Open Source Software Eprints), insbesondere mit der
Entwicklung neuer Funktionalitäten und Schnittstellen zu anderen Systemen. Der
E-LIS-Server wird vom Consorzio Interuniversitario Lombardo per l'Elaborazione
Automatica (CILEA), einem Zusammenschluss von 10 Universitäten der Region
Lombardei in Italien, betrieben.
[Theoretical and General:]
A. Theoretical and general aspects of libraries and informationB. Information use and sociology of information
[User oriented, directional, and management functionalities:]
C. Users, literacy and readingD. Libraries as physical collectionsE. Publishing and legal issuesF. ManagementG. Industry, profession and education
[Objects, Pragmatics and Technicalities:]
H. Information sources, supports, channelsI. Information treatment for information services J. Technical Services in Libraries, Archives and MuseumsK. Housing TechnologiesL. Information Technology and Library Technology
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130
WAS BIETET E-LIS DEN AUTORINNEN UND AUTOREN?
Seit 2005 gibt es eine österreichische Beteiligung an E-LIS [6], mit Dezember 2007
sind über 200 Dokumente österreichischer AutorInnen in E-LIS verzeichnet. Zwar
ist dies, verglichen mit anderen Ländern, nicht gerade wenig – es ist aber auch nicht
gerade viel. Warum aber sollten AutorInnen ihre Publikationen überhaupt in OA-
Archive bzw. in E-LIS einstellen?
Es ist evident, dass Literatur in OA-Zeitschriften bzw. -Archiven eine ungleich
stärkere Wahrnehmung erfährt, als wenn sie ausschließlich konventionell
veröffentlicht wird [7]. Während bei herkömmlichen Arten der Veröffentlichung
viel an potentieller Wirkung in der Fachgemeinde ungenutzt bleibt, da
aufgrund finanzieller Restriktionen wissenschaftliche bzw. Fachliteratur für viele
unerschwinglich ist, können OA-Publikationen prinzipiell von allen frei genutzt
werden, was sich nicht zuletzt in einer größeren Zitierhäufigkeit niederschlägt.
Weiters werden die Metadaten in OA-Archiven von Service-Providern eingesammelt
und von Wissenschaftssuchmaschinen [8] indexiert, wodurch sie bei fachspezifischen
Webrecherchen sehr leicht aufzufinden sind, selbst wenn den Recherchierenden die
jeweiligen OA-Archive unbekannt sein sollten. Das heißt: OA, und hier insbesondere
das Archivieren in OA-Archiven, ist ideal für all jene AutorInnen, die nicht nur gerne
schreiben, sondern auch gelesen werden wollen. OA bedeutet „veröffentlichen“ im
eigentlichen Sinn des Wortes.
Wenn nun archivieren – warum ausgerechnet in E-LIS? Die Alternativen zu E-
LIS sind ziemlich dünn gesät. Das bekannte, 2003 gegründete frei zugängliche
Volltextarchiv INFODATA-eDepot entspricht z.B. nicht den Anforderungen des
OAI-PMH, die Datensätze können somit von Service-Providern nicht eingesammelt
werden und sind darüber hinaus auch (Wissenschafts-)Suchmaschinen nicht
zugänglich [9].
Das 2002 gegründete OA-Archiv dLIST (Digital Library of Information Science
and Technology) mit derzeit knapp 1.200 Dokumenten vorwiegend aus dem
US-amerikanischen Raum entspricht zwar den Anforderungen des OAI-PMH,
allerdings werden Dokumente ausschließlich in englischer Sprache akzeptiert und
kommt daher für z.B. deutschsprachig publizierende AutorInnen nicht in Frage [10].
Andere themenbezogene Archive haben sprachliche Restriktionen oder umfassen
nur einen Teilbereich des BID-Wesens und können deshalb bestenfalls partiell eine
Alternative darstellen [11]. E-LIS ist schlicht und einfach das größte und am meisten
etablierte OA-Archiv zum gesamten BID-Wesen und aus der Fachöffentlichkeit
nicht mehr wegzudenken.
Michael Katzmayr
131
Diese gewichtige Rolle von E-LIS kann an den beeindruckenden Nutzungszahlen
ersehen werden. So wurden etwa allein im November 2007 rund 430.000 Visits
bei E-LIS gezählt, ein Visit entspricht dabei in etwa einer Recherchesitzung (siehe
Abbildung 2):
Abbildung 2: Entwicklung der Nutzung von E-LIS
Abbildung 3: Nutzungsstatistiken in E-LIS für ein einzelnes Dokument
Schriften der VÖB 5, 127 – 135
132
E-LIS bietet den AutorInnen allerdings nicht nur die nachweislich höhere
Sichtbarkeit ihrer Arbeiten, sondern hält auch Nutzungsstatistiken für jedes einzelne
Dokument im Zeitverlauf bereit: Sowohl die Aufrufe der Metadatenblätter als auch
der Volltexte werden monatlich, jährlich oder kumulativ für den gesamten Zeitraum
der Archivierung erfasst, wobei auch eine Differenzierung nach dem Herkunftsort
der Anfrage stattfindet (siehe Abbildung 3).
Schließlich bietet E-LIS den AutorInnen – insbesondere den BibliothekarInnen unter
ihnen – die Möglichkeit, die OA-Bewegung direkt und unmittelbar zu unterstützen.
Dies ist angesichts der Vorwürfe, BibliothekarInnen würden in Bezug auf OA „Wein
predigen und Wasser trinken“ [12], eine gute Gelegenheit, um sich reinzuwaschen.
HERAUSFORDERUNGEN
Die Erfolgsgeschichte von E-LIS wird allerdings auch durch so manche
Herausforderung begleitet. Eine größere Schwierigkeit, die noch zu meistern sein
wird, ist die Sicherstellung einer hohen und einheitlichen Qualität der Metadaten.
Neben der wenig ausgefeilten Erschließungsrichtlinie liegt das Problem hauptsächlich
im fehlenden Problembewusstsein vieler RedakteurInnen: nicht von allen wird die
Notwendigkeit einer einheitlichen und regelkonformen Erschließung geteilt. Derzeit
wird nach Lösungsmöglichkeiten hierzu gesucht, so wird z.B. die Verwendung von
Normdateien für die einheitliche Ansetzung von AutorInnen, Zeitschriften- und
Konferenztitel erwogen.
Eine weitere Schwierigkeit liegt in den nur mangelhaften Instrumenten zur
inhaltlichen Erschließung: Ein kontrolliertes Vokabular zur Beschlagwortung,
geschweige denn Regeln zur Verwendung freier Schlagwörter (z.B. Singular oder
Plural, Umgang mit Komposita), fehlt leider. Weiters: die verwendete Klassifikation
hat sich als nicht ausreichend differenziert erwiesen und wesentliche Teilbereiche
des BID-Wesens sind nur unzureichend abgedeckt. Als erster Schritt wird deshalb
die Klassifikation überarbeitet werden.
Die wichtigste Herausforderung ist allerdings: wie kann der Zulauf neuer Dokumente
in E-LIS signifikant erhöht werden? Anders gefragt: wie kann ein Archivieren in E-
LIS zu einer Selbstverständlichkeit für AutorInnen aus dem BID-Bereich werden?
Michael Katzmayr
133
KOOPERATIONEN UND KONZEPTE ZUR ERHÖHUNG DER ÖSTERREICHISCHEN BETEILIGUNG
Derzeit werden neben einer allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit AutorInnen zum
Teil direkt darauf angesprochen, ob sie ihre Schriften in E-LIS archivieren wollen
– mit unterschiedlichem Erfolg. Ergänzend dazu sollen nun Kooperationen mit
den österreichischen Berufsvereinigungen sowie mit einschlägigen Ausbildungs-
einrichtungen ins Leben gerufen werden.
Die VÖB (Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare)
und der BVÖ (Büchereiverband Österreich) fungieren als Verleger der wichtigsten
einschlägigen Literatur in Österreich, etwa der „Mitteilungen der Vereinigung
österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare“, der „Büchereiperspektiven“
und der Tagungsbände zu den jährlich stattfindenden Fachkonferenzen.
Kooperationen könnten hierbei vielfältige Formen annehmen – Ziel ist es letztlich,
möglichst alle Aufsätze in Fachzeitschriften oder Tagungsbänden (bei diesen
eventuell nach einer gewissen Verzögerungszeit, um den kommerziellen Vertrieb
nicht zu unterlaufen) der Fachöffentlichkeit über OA-Archive zur freien Verfügung
zu stellen. Was die erwähnten Zeitschriften anbelangt, so steht den AutorInnen
die Selbstarchivierung in E-LIS oder anderen Archiven ohnehin frei. Es soll nun
erreicht werden, dass die Redaktionen der Zeitschriften bzw. Tagungsbände die
AutorInnen bei der Einreichung von Aufsätzen explizit auf E-LIS aufmerksam
machen und zum Selbstarchivieren ermutigen.
Noch ambitionierter wäre freilich, die AutorInnen bei der Einreichung eines Artikels
oder Aufsatzes gleich um die Einverständniserklärung zur Archivierung in E-LIS
zu bitten, vom Prinzip der Selbstarchivierung abzugehen und die Dokumente
zentral in E-LIS zu archivieren. Hier stellt sich jedoch die praktische Schwierigkeit,
dass bei Aufsätzen in den genannten Zeitschriften wichtige Voraussetzungen zur
Inhaltserschließung wie Kurzreferate und Autorenschlagwörter fehlen, die dann erst
von den E-LIS-RedakteurInnen erstellt werden müssten.
Ein zweiter Schwerpunkt wird in Kooperationsansuchen mit Ausbildungseinrichtungen
des österreichischen BID-Wesens liegen. Derzeit bestehen schon Vereinbarungen mit
den Fachhochschulstudiengängen Burgenland und der Donau-Universität Krems,
wo AbsolventInnen einschlägiger Studiengänge ausdrücklich auf E-LIS aufmerksam
gemacht und zur Selbstarchivierung ihrer Abschlussarbeiten ermutigt werden. Diese
Kooperation soll nach Möglichkeit auf alle einschlägigen Ausbildungseinrichtungen
ausgedehnt werden – etwa auf die Universität Wien, Universität Innsbruck und Karl-
Franzens-Universität Graz für die dort angebotenen Universitätslehrgänge „Master
Schriften der VÖB 5, 127 – 135
134
of Science (MSc) Library and Information Studies“. Ebenso soll erreicht werden,
dass die projektbezogenen Abschlussarbeiten des „Lehrgangs für Information und
Dokumentation“ der ÖGDI (Österreichische Gesellschaft für Dokumentation und
Information) bzw. der Aus- und Fortbildung für öffentliche BibliothekarInnen des
BVÖ verstärkt Eingang in E-LIS finden.
ZUSAMMENFASSUNG
Für das BID-Wesen ist E-LIS das größte und am stärksten genutzte OA-Archiv.
Solche Archive bieten eine hervorragende Möglichkeit, die darin befindlichen
Dokumente rasch, dauerhaft, leicht auffindbar und frei nutzbar zugänglich zu
machen. Um ein Archivieren der einschlägigen Literatur in diesem Bereich auf
breiter Basis durchzusetzen, bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von Archiven,
AutorInnen, Berufsvereinigungen und Ausbildungs einrichtungen. Der Nutzen für
die AutorInnen liegt dabei primär bei der erhöhten Sichtbarkeit ihrer Publikationen.
Die Berufsvereinigungen und Ausbildungseinrichtungen profitieren insofern, da sie
ihre Leistungen und Erfolge (stattgefundene Konferenzen, Abschlussarbeiten etc.)
gleichsam in das Schaufenster der Fachöffentlichkeit stellen und dabei am Aufbau und
an der Pflege eines zeitgemäßen und dynamischen Berufsbildes mitwirken können.
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 17.03.2008)
1 Basierend auf Katzmayr, Michael und Bargmann, Monika (2007): 2 Jahre österreichische
Beteiligung an E-LIS: Status Quo und Perspektiven, Vortrag gehalten am 20. September
2007 auf der ODOK‘07 an der Karl-Franzens-Universität Graz. Ich danke Monika
Bargmann und Michaela Putz für wertvolle Hinweise bei der schriftlichen Ausarbeitung
dieses Beitrages.
2 Vgl. zu diesem Abschnitt die Einleitung bei Bailey, Charles W. (2005): Open Access
Bibliography: Liberating Scholarly Literature with E-Prints and Open Access Journals,
Washington D.C.: Association for Research Libraries,
http://eprints.rclis.org/archive/00004972/
3 Siehe http://eprints.rclis.org; aktuelle Informationen zu E-LIS in Morrison, Heather;
Subirats Coll, Imma; Medeiros, Norm; De Robbio, Antonella (2007): „E-LIS: The Open
Archive for Library and Information Science“, in: The Charleston Advisor 9(1): 23, 26,
56-59, http://eprints.rclis.org/archive/00011032/
4 Metalis (http://metalis.cilea.it/) ist ein fachspezifischer Service-Provider für 9 OA-
Archive; siehe dazu auch Tajoli, Zeno (2005): „METALIS, an OAI Service Provider“, in
Proceedings 9th DELOS Network of Excellence thematic workshop: Digital Repositories –
Michael Katzmayr
135
Interoperability and Common Services, Heraklion, http://eprints.rclis.org/archive/00003612.
Weitere Service-Provider, die Metadaten von E-LIS einsammeln, sind der fachübergreifende
Suchdienst OAIster (http://www.oaister.org) und der fachspezifische Service-Provider DL-
Harvest (http://dlharvest.sir.arizona.edu/).
5 Vgl. dazu De Robbio, Antonella und Subirats Coll, Imma (2005): „E-LIS: an International
Open Archive towards Building Open Digital Libraries“, in: High Energy Physics Libraries
Webzine (11), http://eprints.rclis.org/archive/00004476/
6 Die österreichische Redaktion: Monika Bargmann, Fachhochschulstudiengänge Burgenland
(monika.bargmann@gmail.com), Michaela Putz, Universität Wien, Bibliotheks- und
Archivwesen (michaela.putz@univie.ac.at) und der Autor dieses Beitrags.
7 Vgl. dazu Harnad, Stevan; Brody, Tim; Vallières, François; Carr, Les; Hitchcock, Steve;
Gingras, Yves; Oppenheim, Charles; Stammerjohanns, Heinrich und Hilf, Eberhard R.
(2004): „The Access/Impact Problem and the Green and Gold Roads to Open Access“, in:
Serials Review 30(4): 310-314, http://eprints.ecs.soton.ac.uk/10209/
8 Z.B. Google Scholar (http://scholar.google.com/), Scirus (http://www.scirus.com),
Scientific Commons (http://www.scientificcommons.org/) etc.
9 Siehe http://www.infodata-edepot.de/ sowie Bassenge, Annette und Falke, Karen
(2005): “INFODATA-eDepot: Die neue Datenbank des Informationszentrums für
Informationswissen schaft und -praxis”, in: LIBREAS: Library Ideas (2/2005),
http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/ausgabe2/007inf.htm
10 Siehe http://dlist.sir.arizona.edu/ sowie Jacso, Péter (2007): “dLIST”, in Péter’s Digital
Reference Shelf, http://gale.cengage.com/reference/peter/200706/Dlist.htm
11 So z.B. arXiv.org (http://arxiv.org), ein Archiv zu Naturwissen schaft und Technik, wo auch
der Themenbereich “Computer Sciences” vertreten ist. Nur aus Teilen dieses Bereiches
werden Metadaten von Metalis eingesammelt (zu Metalis siehe Anm. 4)
12 Vgl. Bargmann, Monika (2008): “Wein predigen und Wasser trinken? Theorie und Praxis
von Open Access im österreichischen Bibliothekswesen”, in diesem Band.
ADRESSE DES AUTORSDr. Michael Katzmayr
Universitätsbibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien
Augasse 2-6, A-1090 Wien
http://www.wu-wien.ac.at/bib
E-Mail: michael.katzmayr@wu-wien.ac.at
Schriften der VÖB 5, 127 – 135
137
ÖFFENTLICHE SITZUNG DES FORUMS GESIG E.V.
ZEITSCHRIFTENKONSORTIEN ANGEBOTSAUSWEITUNG AUF KOSTEN DER FLEXIBILITÄT
ADALBERT KIRCHGÄSSNER
ABSTRACT
Seit mehr als zehn Jahren gibt es elektronische Zeitschriften. Die Verlage haben in den ersten
Jahren diese vielfach kostenlos zur Druckausgabe angeboten. Als die Bibliotheksbenutzer/-
innen an diesen neuen Service gewöhnt waren, wurden die kostenfreien Zugaben in
kostenpflichtige Parallelausgaben umgewandelt. Die damit verbundenen Preissteigerungen
konnten niedrig gehalten werden, wenn mehrere Bibliotheken sich zu Konsortien
zusammenschlossen und sich verpflichteten, die bestehenden Abonnements nicht oder nur in
sehr geringem Umfang zu kündigen. Dies nutzten die Verlage, um die Abonnementspreise
überdurchschnittlich anzuheben. Gleichzeitig wurden die Etats der Bibliotheken durch
die Unterhaltsträger weitgehend eingefroren. In der Folge beanspruchten die Kosten aus
den Zeitschriftenverträgen immer höhere Anteile der Bibliotheksetats. Die Bibliothek der
Universität Konstanz hat sich in den letzten Jahren diesen „Sachzwängen“ weitgehend
entzogen, indem sie auf die Beteiligung an Konsortialverträgen verzichtete. Die
Bereitstellung von zentralen Mitteln des Ministeriums für Zeitschriftenverträge, die
Bemühungen der DFG um landesweite Konsortialverträge über große Zeitschriftenpakete
und die Veränderung der Nachfrage durch die Wissenschaftler zwingt nunmehr
auch die Bibliothek der Universität Konstanz, in größerem Umfang Verträge über
Zeitschriftenpakete abzuschließen. Deshalb ist die Struktur der Erwerbung der Bibliothek
der Universität Konstanz grundsätzlich zu überprüfen, um sicherzustellen, dass auch
künftig die Wissenschaftler/-innen vor Ort die Materialien bereitgestellt bekommen, die
sie für ihre Arbeit brauchen, unabhängig davon, ob diese in großen Zeitschriftenpaketen
oder in kleinen Einzelabonnements beschafft werden.
Schriften der VÖB 5, 137 – 146
138
AUSGANGSLAGE FÜR DIE BIBLIOTHEK DER UNIVERSITÄT KONSTANZ
Die Bibliothek verfügte 2006 über etwa den gleichen Literaturetat wie im Jahre 1986
und 1996. Die Etatzuwächse der Jahre 1987 bis 1989 und ab 1997 wurden durch
Sparmaßnahmen Mitte der neunziger Jahre und in den letzten Jahren wieder zunichte
gemacht. In dieser Zeit stiegen die Zeitschriftenpreise mit fünf bis acht Prozent
im Jahr. Dies hatte zur Folge, dass sowohl Zeitschriftenabonnements abgebaut
als auch weniger Monographien beschafft wurden. Bei den Zeitschriften traf dies
in erster Linie die Naturwissenschaften, für die heute nicht einmal halb so viel
Zeitschriftenabonnements bezahlt werden wie zu Beginn der neunziger Jahre. Und
in den Monographienbeständen stellen unsere Benutzer in den Erscheinungsjahren
seit Mitte der neunziger Jahre deutliche Lücken fest.
Tabelle 1: Langfristige Etatentwicklung, Ausgaben und Zugangsmengen
JahrLiteratur-
etatZeitschriften
Fort-setzungen
EinzelkäufeAnteil
Einzelkäufe1986 2,4 Mio € 1,0 Mio € 0,4 Mio € 1,0 Mio € 42 %1996 2,4 Mio € 1,3 Mio € 0,45 Mio € 0,6 Mio € 25 % 2006 2,6 Mio € 1,5 Mio € 0,5 Mio € 0,6 Mio € 23 %
Gesamt-zugang Bände
ZeitschriftenBände Abos
Fort-setzungen
Bände
Einzelkäufe Bände
Anteil Einzelkäufe
1986 49.000 9.900 6.200 6.600 32.500 66 %1996 34.000 7.900 5.700 4.700 21.400 63 %2006 25.000 4.600 4.400 3.300 17.100 68 %
In Zahlen sieht die Etatentwicklung der Ausgaben und Zugangsmengen wie in Tabelle
1 dargestellt aus. Die Bibliothek hat durch eine sehr restriktive Beschaffungspolitik
bei den laufenden Zeitschriften und Fortsetzungen erreicht, dass trotz schrumpfender
Gesamtmittel und überproportional steigender Preise bei den Zeitschriften, der
Anteil der einzeln beschaffbaren Bände bei etwa zwei Drittel des Gesamtzuganges
stabil gehalten werden konnte. Allerdings verschob sich – durch die unterschiedliche
Preisent wicklung bei Einzelkäufen, vor allem Monographien, einerseits und
den Käufen von Zeitschriften andererseits - der Anteil, der für Monographien
ausgegeben werden konnte. Der Zugang aus Fortsetzungen und Zeitschriften ist
nach wie vor nur ein Drittel des Gesamtzuganges. Mussten dafür 1986 58 % der
Literaturmittel aufgewandt werden, so erforderte dieser Anteil 2006 bereits 77 %
der Literaturmittel. Der insgesamt erworbene Bestand verringerte sich in diesen
zwanzig Jahren von knapp 50.000 Bänder im Jahr auf etwa 25.000 Bände im Jahr.
Adalbert Kirchgäßner
139
Die Stabilisierung des Einzelkaufes bei zwei Drittel des Bandzuganges war dringend
erforderlich, um die Geistes- und Sozialwissenschaften mit den notwendigen
Büchern zu versorgen.
MASSNAHMEN ZUR AUSGABENSTEUERUNG
Der Anteil der Einzel- bzw. Monographienkäufe konnte mit folgenden Maßnahmen
stabilisiert werden:
• Globalkontingent:
Seit Anfang der achtziger Jahre gibt es in Konstanz das sogenannte
Globalkontingent. Dies bedeutet, dass jedes Fach einen Etat hat, aus dem
die Monographien und Zeitschriften des Faches zu bezahlen sind. Dies hat
verhindert, dass die überproportional steigenden Zeitschriftenpreise der
naturwissenschaftlichen Zeitschriften zu Lasten der geisteswissenschaftlichen
Monographien finanziert wurden. Über die Berücksichtigung der
unterschiedlichen Durchschnittspreisentwicklungen der verschiedenen Fächer
in der Mittelverteilung wurde erreicht, dass die Monographien und Zeitschriften
annähernd in gleichem Umfang reduziert werden mussten.
• Bindungsobergrenze und Abbestellzwang
Um sicherzustellen, dass jedes Fach seine Literatur aus den ihm zugewiesenen
Mitteln bezahlen kann, ist seit Jahren festgelegt, dass die Kosten für Zeitschriften
und laufende Fortsetzungen auf 85 Prozent in den Naturwissenschaften und 70
Prozent in den Geisteswissenschaften beschränkt werden. Wenn diese Grenze
überschritten ist, müssen die Fachbereiche ihre Zeitschriften und Fortsetzungen
so reduzieren, dass die Grenze wieder unterschritten wird.
• Abbestellfrequenz:
Die Obergrenze stellt auch sicher, dass bei normalem Verlauf in einem einzelnen
Fach höchstens alle drei Jahre Zeitschriften abbestellt werden müssen.
• Kompensation:
Werden neue Zeitschriftentitel gebraucht und ist die Obergrenze bereits
erreicht, können diese nur beschafft werden, wenn andere Zeitschriften abbestellt
werden.
• Mitwirkung der Fachbereiche
Die Zeitschriften werden bei Neubestellungen wie bei Abbestellungen von den
Fachbereichen ausgewählt. Auch bei der Auswahl der anderen Materialien wirken
die Fachbereiche durch allgemeine Vorgaben oder durch Einzelentscheidungen
mit. Damit ist sichergestellt, dass mit den knappen Mitteln möglichst genau das
beschafft wird, was am dringendsten benötigt wird.
Schriften der VÖB 5, 137 – 146
140
VERÄNDERUNGEN IM MARKT FÜR WISSENSCHAFTLICHE INFORMATION
Die beschriebenen Steuerungsmechanismen stellten sicher, dass trotz stagnierendem
Literaturetat und stark steigenden Kosten für die laufenden Zeitschriften die
Versorgung der unterschiedlichen Bereiche der Universität mit wissenschaftlicher
Information im Gleichgewicht gehalten werden konnte. Dies gelang auch, obwohl in
den letzten Jahren die großen Verlage mit verschiedenen Preisgestaltungsmaßnahmen
die Preise vor allem der naturwissenschaftliche Zeitschriften massiv in die Höhe
getrieben haben:
• In den neunziger Jahren wurden die Preise bis zu 15 Prozent je Jahr angehoben.
Dies wurde mit den hohen Investitionen in die elektronischen Parallelausgaben
begründet. Erstaunlicherweise stiegen in diesen Jahren die Gewinnmargen, und
einige Verlage erreichten Umsatzrenditen von über 30 Prozent.
• Die in den ersten Jahren kostenfrei bereitgestellten elektro nischen Parallelausgaben
wurden nach einer Eingewöhnphase kostenpflichtig. Die Preissteigerungen für
die Abonnements der gedruckten Ausgaben verliefen wieder moderat – mit fünf
bis sieben Prozent auf einer gegenüber den achtziger Jahren stark erhöhten Basis
– aber dafür waren die elektronischen Parallelausgaben zusätzlich zu bezahlen.
• Um die überproportional gestiegenen Preise in den Griff zu bekommen,
gründeten die Bibliotheken Einkaufsgemein schaften, Konsortien genannt.
Die Verlage gingen darauf ein, mit Gruppen von Bibliotheken Verträge
über die gemeinsame Nutzung elektronischer Zeitschriften abzuschließen.
Für die Zusage, keine weiteren Zeitschriften abzubestellen, d.h. alle bei
Vertragsabschluss laufenden Zeitschriften auf Dauer weiterzuführen,
räumten die Verlage den Bibliotheken den Cross-Access ein, das Recht, alle
in der Bibliotheksgruppe gehaltenen Abonnements in allen Bibliotheken
elektronisch zu nutzen. Dies brachte in den meisten Bibliotheken eine
Angebotsausweitung. Die zusätzlichen Zeitschriften waren aber nicht nach
dem jeweiligen Bedarf ausgewählt, sondern es wurden die Titel zusätzlich
bereitgestellt, die zufällig in den Partnerbibliotheken bezogen wurden.
Und die Verlage garantierten eine Obergrenze der Preisstei gerung. Wenn also die
Summe der Preise der einzelnen Abonnements gegenüber der Gesamtsumme
des Vorjahres um mehr als den vereinbarten Prozentsatz gestiegen war, wurde
der über der garantierten Obergrenze liegende Betrag in irgendeiner Form nicht
erhoben oder rückvergütet.
Für die Bibliotheken reduzierte diese Entwicklung erst einmal den Preissteigerungsdruck.
Andererseits waren die Bibliotheken in der Titelauswahl nicht mehr frei. Sie
konnten Zeitschriften, die in diesen Konsortialverträgen enthalten waren, nicht
mehr oder nur noch in sehr engen Grenzen abbestellen. Wenn also Zeitschriften
Adalbert Kirchgäßner
141
gegen Zeitschriften anderer Verlage ausgetauscht werden sollten, ging das nur noch,
wenn diese Zeitschriften nicht in einem Konsortialvertrag eingebunden waren. Da
andererseits die Preissteigerungen für diese Verträge meist über den Zuwächsen der
Literaturetats lagen, schrumpfte der Anteil, der für die Literaturversorgung außerhalb
dieser Verträge eingesetzt werden konnte. Dies führte meist zur Reduzierung von
Monographienkäufen und zur Abbestellung von Zeitschriften der kleineren Verlage.
Die Fortsetzung dieser Entwicklung sind nun die Nationallizenzen für laufende
Zeitschriften. Bisher hatte die DFG nur abgeschlossene Sammlungen finanziert. Ab
2008 wird von der DFG erstmals der flächendeckenden Zugriff auf neue, laufende
elektronische Zeitschriften finanzieren. Sie ermöglicht im ersten Schritt eine
Angebotsausweitung, die die Bibliotheken selbst nicht hätten finanzieren können. Im
Gegenzug müssen sich die Bibliotheken aber dazu verpflichten, ihre Bezugsstruktur
zu zementieren, da sie aus diesen Angeboten nicht aussteigen können, ohne jeweils
das gesamte Verlagsangebot zu verlieren. Wie die Bibliotheken in den nächsten
Jahren damit zu Recht kommen und wie sie unter diesen Voraussetzungen auf
Dauer eine breite Informationsversorgung sicherstellen können, muss sich erst noch
zeigen.
KOSTENMODELL
Um die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Informations beschaffung
unserer Universität darzustellen, wird im folgenden ein vereinfachtes Modell
der Literaturkostenstruktur vorgestellt und errechnet, wie sich die absehbaren
Entwicklungen auf diese Struktur auswirken können.
Tabelle 2: Beschaffungsstruktur 2006
Ausgangsjahr 2006 Betrag € AnzahlDurch-
schnitts-preis €
Monographien 700.000 19.975 Bände 35Datenbanken 100.000 25 Titel 4.000
Zeitschriftenpakete 700.000 500 Titel 1.400
Zeitschriften Einzeltitel 700.000 4.500 Titel 156 2.200.000 25.000
In dieser Struktur sind folgende, in Tabelle 3 aufgelisteten Zeit schriftenpakete und
eine Datenbank enthalten, die durch Konsortial verträge oder Nationallizenzen für
laufende Zeitschriften künftig festgeschrieben sind und nur noch in engen Grenzen
modifiziert werden können.
Schriften der VÖB 5, 137 – 146
142
Tabelle3: Struktur der Zeitschriftenbeschaffung
Verlag Betrag € Zeitschriften-TitelZusätzliche
TitelACS 40.000 14 2Elsevier 233.000 90SciFinder 40.000 1Springer 83.000 60 336Wiley 87.000 30 317Nationallizenzen 134.000 150 725Lokale Pakete 83.000 155Einzeltitel ZS 700.000 4.500Gesamt 1.400.000 5.000 1.370
Um die mögliche Entwicklung abschätzen zu können, wird folgende Entwicklung
angenommen:
• Die Preise steigen in allen Segmenten gleichmäßig um 5 % je Jahr. Dies ist in
zehn Jahren eine Steigerung um 63 %.
• Der Etat wird als konstant angenommen.
• Der Anteil von Monographien und Zeitschriften an der Gesamtbeschaffung soll
stabil bleiben.
• Durch die Konsortialabschlüsse und Nationallizenzen kommen neue
Zeitschriftentitel hinzu, die die Bibliothek aber nicht ausgesucht hat. Sie dürften
deshalb nicht im unmittelbaren Zentrum des Interesses stehen.
Eine Steigerung des Etats um 2 Prozent bei einer Preissteigerung von sieben statt
fünf Prozent führt zum annähernd gleichen Ergebnis. Wenn die Differenz zwischen
Etatsteigerung und Preissteigerung kleiner ist, verläuft die Entwicklung langsamer,
wenn sie größer ist, verläuft sie schneller als in dieser Modellrechnung. Die Struktur
der Entwicklung aber bleibt gleich.
Geht man davon aus, dass die Datenbanken und die in den Paketverträgen enthaltenen
Zeitschriften unverändert weitergeführt werden, muss die Preissteigerung, die
die Etatsteigerung übersteigt, durch Reduzierung der Monographien und der
Zeitschrifteneinzeltitel, die nicht in Paketen gebunden sind, aufgefangen werden.
Nach zehn Jahren ergibt sich dann die in Tabelle 4 dargestellte Beschaffungs- und
Etatstruktur.
Adalbert Kirchgäßner
143
Tabelle 4: Beschaffungsstruktur nach 10 Jahren
Kostenmodell 10. Jahr Betrag € AnzahlDurch-
schnitts-preis €
Monographien 637.000 11.150 Bände 57Datenbanken 163.000 25 Titel 6.205
Zeitschriftenpakete 1.140.000 500 Titel 2.280
Zeitschriften Einzeltitel 260.000 1.025 Titel 253 2.200.000 12.700
In der Ausgangsperiode hatten die 525 Datenbanken und Zeitschriften, die in den
Paketen der Konsortial- und Nationallizenzen festgeschrieben wurden, 800.000
€ und damit 36 % des Literaturetats gekostet. Für die weiteren 64 % konnten
24.475 Bücher und Zeitschriften eingekauft werden. Im 10 Jahr werden für die
525 festgeschriebenen Titel bereits 1.303.000 €, also fast 60 % des Literaturetats
gebraucht. Um dies bezahlen zu können, müssen die Käufe von Monographien und
nicht in Paketen festgeschriebenen Zeitschriften auf 12.175 Titel reduziert werden.
Dies ist ein Verlust von 12.300 Titeln, die nicht mehr zielgenau für den Bedarf gekauft
werden können. Dafür bekommt die Bibliothek einen sogenannten Mehrwert von
1.370 zusätzlichen Titeln aus den Konsortial- und Nationallizenzen, die aber nicht
nach dem Bedarf der Universität Konstanz ausgesucht werden konnten.
Diese Entwicklung hat Folgen:
• Der Verlust von fast der halben Zugangsmenge ist ein herber Verlust an Information
und bedeutet eine drastische Einschränkung der Informationsvielfalt.
• Die Abbestellungen der Zeitschriften gehen – unabhängig von der Qualität
der Zeitschriften und dem Bedarf der Universität - einseitig zu Lasten der
kleineren Verlage, die nicht die Marktmacht haben, Knebelverträge am Markt
durchzusetzen. Im Zweifel verdrängen Publikationen zweiter Wahl der
Großverlage die besseren Publikationen der kleineren Verlage, die ihren Absatz
nicht mittels langfristiger Verträge sichern können.
• Die Bindung der naturwissenschaftlichen Zeitschriften in Konsortial- und
Nationallizenzen, deren Anteil am Etat kontinuierlich wächst, verdrängt die
Literatur der Sozial- und Geisteswissenschaften, die eher nicht in Paketlizenzen
bezogen wird.
• Zeitschriften und Datenbanken verdrängen die Monographien, die auf
absehbare Zeit weiterhin ein wesentlicher Bestandteil der Literaturversorgung
der Geisteswissenschaften darstellen werden. Es entstehen zwangsläufig
Versorgungslücken.
Schriften der VÖB 5, 137 – 146
144
• Der Anteil, der durch längerfristige Verträge gebundenen Mittel am Gesamtetat
steigt von 36 auf 64 %. Bei weiterer Entwicklung in dieser Richtung ist absehbar,
dass nach weiteren 10 Jahren die langfristigen Verträge den gesamten Etat
aufbrauchen. Der Etat ist immer weniger steuerbar und auf Bedarfsveränderungen
in der Universität kann immer weniger reagiert werden.
HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN
Was kann die Bibliothek tun, um diesen absehbaren Folgen zu begegnen? Die
Bibliothek der Universität Konstanz ist derzeit an 15 Verträgen über Konsortial-
oder Nationallizenzen beteiligt. Und die Handlungsmöglichkeiten sind
beschränkt:
• Um den Anstieg der Dauerverpflichtungen zu bremsen und auf Veränderungen
in der Benutzernachfrage zu reagieren, kann man jedes Jahr ein oder zwei
Verträge kündigen und mit oder ohne zeitliche Lücke mit verändertem oder
verringertem Titelspektrum neu einsteigen. Die Verlage werden das nach
Möglichkeit mit kundenunfreundlicher Gestaltung der Vertragsbedingungen
beim Wiedereinstieg behindern, können aber Kündigungen nicht verhindern.
Schwieriger wird es bei diesem Verfahren sein, den Benutzern und Benutzerinnen
verständlich zu machen, dass die Bezugsunterbrechung erforderlich ist, um die
Gesamtversorgung der Universität mit Information sicherzustellen.
• Die Bibliotheken versuchen bereits heute, in die Verträge substantielle
Abbestell-möglichkeiten einzubauen, um wenig stens in engen Grenzen flexibel
zu bleiben. Dies mildert das Problem, behebt es aber nicht.
• Für die Zeitschriften, die in Konsortial- oder Nationallizenzen enthalten sind,
bekommt die Bibliothek Nutzungsstatistiken. An Hand dieser Statistiken
können die Zeitschriften ermittelt werden, bei denen die Nutzung so gering
ist, dass Einzelartikelbezug aus diesen Zeitschriften auch dann lohnender ist,
wenn die Bibliothek dafür zusätzlichen Aufwand erbringen muss. Für diese
Zeitschriften werden die Bibliotheken Zugriffsformen organisieren, die es
ermöglichen, dass die Benutzer/-innen die Titel kostenfrei beziehen können
und die Bibliothek diese mit Sammelrechnungen bezahlt. Dann kann in diesem
Bereich wieder bedarfsorientiert beschafft werden.
• Eine weitere Möglichkeit ist, künftig Verträge verbrauchs orientiert statt
bestands-orientiert zu gestalten. Eine Möglich keit wäre, mit einem Verlag einen
Vertrag über ein Paket von Zeitschriften abzuschließen, und die Bezahlung an
der Anzahl der abgerufenen Dokumente zu orientieren. Die Wissen schaftler/-
innen könnten auf alles, was sie aus diesem Angebot brauchen, zugreifen, aber
es würde nur bezahlt, was tatsächlich genutzt wird. Dann ist es nicht mehr
Adalbert Kirchgäßner
145
erforderlich, zu ent scheiden, ob bei drei oder vier Artikel im Jahr eine Lizenzie-
rung der Zeitschrift oder der aufwendigere Einzelartikelbezug den Benutzern
und Benutzerinnen anzubieten ist.
ZIELVORSTELLUNGEN
Wie können Verträge künftig aussehen, damit die Bibliotheken ihre Benutzer/-innen
bedarfsgerecht versorgen können und die Verlage an der Nutzung statt an historisch
gewachsenen Titelgesamtheiten orientiert bezahlt werden können?
• Flexible Verträge
Konsortialverträge müssen nicht fixe Titel- und Umsatz vereinbarungen
festschreiben. Sie können flexibel gestaltet werden. Auch die Verlage hätten einen
Vorteil davon, wenn die Verträge flexibler werden. Heute sind die Bibliotheken
vorsichtig, wenn sie den Bedarf nicht zutreffend einschätzen können, da sie sich
meist für mehrere Jahre binden müssen. Veränderungen in der Zusammensetzung
des Paketes und auch die Möglichkeit, substantiell abzubestellen, d.h. den
Vertragsumfang deutlich zu reduzieren, gibt die Möglichkeit, auch Verträge
abzuschließen, deren Nutzung nicht sicher zu erwarten ist und diese bei schlechter
Nutzung oder bei Etateinbrüchen auch wieder beenden zu können.
• Rahmenverträge
Rahmenverträge, denen die Bibliotheken beitreten, aus denen sie aber auch
wieder austreten können, ohne den Gesamtvertrag zu gefährden, geben die
Möglichkeit, verlässliche Bedingungen für eine Bibliotheksgruppe auszuhandeln,
aber trotzdem den Bibliotheken die Möglichkeit zu geben, beizutreten, ihren
Anteil aufzustocken oder zu vermindern und bei Notwendigkeit auch wieder
auszusteigen, ohne dass die anderen Vertragsteilnehmer in Mitleidenschaft
gezogen werden.
• Artikeldatenbanken statt Zeitschriftentitel
Einige Anbieter bieten ihre Zeitschriftentitel nicht mehr als Einzeltitel sondern
nur noch als Paket an. Diese Angebote sind dann Artikeldatenbanken, in die
die Artikel eingestellt werden und unabhängig davon genutzt werden können,
in welcher Zeitschrift sie erschienen sind. Die Zeitschriften dienen weiterhin
als Qualifizierungsinstrument für die wissenschaftlichen Beiträge, ohne dass
die einzelne Zeitschrift weiterhin als Marketinginstrument gebraucht wird. Die
Vergütung könnte nach Nutzung oder als Pauschalpreis in Anlehnung an die
Nutzung des oder der Vorjahre gestaltet werden.
• Artikelbeschaffung als Dienstleistung
Die Bibliothek kann den Nutzern und Nutzerinnen Einzelbezug von Artikeln
aus beliebigen Datenbanken anbieten, für die sie die Kosten übernimmt. Dies
Schriften der VÖB 5, 137 – 146
146
erfordert entsprechende Portale, die den unmittelbaren Zugriff der Nutzer/-innen
erlauben und die gesammelte Rechnungs stellung an ihre Institution ermöglichen.
Diese Portale werden in den nächsten Jahren sicherlich entwickelt. Vorstellbar
ist, dass Subito zu einem solchen Portal ausgebaut wird oder die zentralen
Fachbibliotheken solche Portale anbieten werden. Eine solche Dienstleistung
erfordert einen einfachen Zugang für die Benutzer und eine kostengünstige
Abwicklung für die Bibliothek, damit sie flächendeckend etabliert werden
kann.
Ziel dieser Bemühungen ist:
• die Benutzer/-innen der Bibliotheken bedarfsgerecht mit Literatur und
Informationen zu versorgen,
• die Flexibilität zu wahren, auf Bedarfsveränderungen und andere Veränderungen
im Umfeld reagieren zu können und
• für die Bibliotheken wie für die Verlage verlässliche Rahmendaten zu schaffen,
damit tragfähige und bedarfs gerechte Lösungen gefunden werden können.
Erforderlich dafür ist vor allem, die Verlage davon zu überzeugen, dass weder eine
überzogene Festlegung von Inhalten noch ein Festschreiben von Umsätzen auf
Dauer für die Verlage von Vorteil ist. Dies sichert zwar kurzfristig die Umsätze,
sorgt aber dafür, das die Nutzer/-innen der Bibliotheken Alternativen organisieren
werden, um zu verhindern, dass ihre Literaturmittel durch Dienste und Leistungen
verbraucht werden, die sie für ihre wissenschaftlich Arbeit zum großen Teil nicht
brauchen.
Bibliotheken und Verlage werden noch viel Mühe aufwenden müssen, die derzeitigen
Vertragsformen, die nur historische Verhältnisse festschreiben, so umzugestalten, dass
die künftige Literatur- und Informationsversorgung optimal gestaltet werden kann.
ADRESSE DES AUTORSDr. Adalbert Kirchgäßner
Universität Konstanz
Universitätsstraße 10, 78457 Konstanz
E-Mail: adalbert.kirchgaessner@uni-konstanz.de
www.uni-konstanz.de
Adalbert Kirchgäßner
147
ÖGDI-PREIS FÜR INFORMATION UND DOKUMENTATION
BIBLIOTHEKEN IN ÖSTERREICHISCHEN JUSTIZANSTALTEN [1]
VERENA KERN
ABSTRACT
Der folgende Beitrag beschreibt die Situation von Gefängnis bibliotheken in Österreich,
basierend auf den Ergebnissen der Diplomarbeit „Bibliotheken in österreichischen
Justizanstalten“. Einleitend wird die geschichtliche Entwicklung bis hin zum Status
Quo, über den bis jetzt kaum etwas publiziert wurde, geschildert. In Zusammenhang mit
diesem Bibliothekstyp steht auch immer die Frage nach der freien Literaturversorgung in
Justizanstalten, im Sinne des Grundrechts auf Informationsfreiheit. Rechtliche Grundlagen
sowie die länderübergreifenden IFLA Empfehlungen für Gefangenen büchereien sind
als rechtliches Rahmenwerk eine wichtige Referenz, die ausführlich erwähnt werden.
Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört der Vergleich zwischen öffentlichen Bibliotheken
und Gefängnisbibliotheken, da letztere angewiesen sind, sich am Standard öffentlicher
Bibliotheken zu orientieren. Die IFLA Richtlinien f inden in Österreich teilweise
Anwendung.
EINLEITUNG
Über Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten ist wenig bekannt. Auch in
der österreichischen Medienlandschaft fristeten sie bislang ein Schattendasein.
Zumindest solange, bis im Februar 2006 bekannt wurde, dass sich Werke des
umstrittenen britischen Historikers und Holocaust-Leugners David Irving in den
Bibliotheken der Justizanstalten Graz Jakomini, St. Pölten und Klagenfurt befanden.
Daraufhin wurde das Thema von den Medien und der Politik erstmalig aufgegriffen
und es folgte eine kritische Auseinandersetzung. Die Medienberichterstattung warf
jedoch mehr Fragen auf, als sie beantworten konnte. Wer leitet diese Bibliotheken?
Welche Bücher können dort entlehnt werden? Auf welchem Stand befinden sich diese
Bibliotheken, die laut § 59 StVG in jeder österreichischen Justizanstalt einzurichten
sind? Viele offene Fragen, die sich auch durch das Internet, eine sonst so reichhaltige
Schriften der VÖB 5, 147 – 155
148
Informationsquelle, nicht beantworten lassen. Die Diplomarbeit „Bibliotheken in
österreichischen Justizanstalten“ (Kern, 2007), die im Rahmen der Preisverleihung
für den ÖGDI Förderpreis 2007 auf der ODOK’07 vorgestellt wurde, greift diesen
Informationsbedarf auf und beschäftigt sich mit dem Stand von Bibliotheken
österreichischer Justizanstalten vor dem Hintergrund bibliothekarischer Arbeit im
Strafvollzug im Allgemeinen. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die
wichtigsten Ergebnisse der Diplomarbeit gegeben, um einen aktuellen Einblick in
die Situation österreichischer Gefängnisbibliotheken zu ermöglichen.
GESCHICHTE DER GEFÄNGNISBIBLIOTHEKEN
Gefängnisbibliotheken in Österreich, Deutschland und den USA haben eine sehr
ähnliche Entstehungsgeschichte, die in den USA bis Ende des 19. Jahrhunderts, und
in Deutschland und Österreich bis Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Die
bedeutendsten Abschnitte dieser Entwicklung werden nun geschildert.
Gefängnisbibliotheken dienten dem Zweck, Inhaftierte durch religiöse Literatur
auf den rechten Weg zurückzuführen, sie durch so genannte „Gebets- und
Erbauungsbücher“ (Peschers, 2001) zu erziehen, keinesfalls jedoch durch Literatur
zu unterhalten. Außerdem wurde die Bibliothek nach Glaubensrichtungen unterteilt.
Die Literatur wurde vom Gefängnisseelsorger individuell ausgewählt und empfohlen,
dem Büchertausch unter den Inhaftierten versuchte man entgegenzuwirken. Die
Bestände waren bescheiden, wenn sich auch die Anzahl zugelassener Genres bis
zum Ende des 19. Jahrhunderts in allen Ländern bereits etwas erhöht hatte. In den
USA wurden die strengen Auswahlgrundsätze der Literatur bereits früher gelockert
als in Europa. Neben religiösen Schriften galten fortan auch Erzählungen, Reise-
und Naturbeschreibungen sowie technische Bücher als taugliche Literatur für die
Gefängnisinsassen.
Die Bibliothek bewährte sich auf zweierlei Gebiet: einerseits hatte sie erzieherischen
Einfluss auf den Inhaftierten, andererseits trug sie zur Sicherheit innerhalb der
Justizanstalt bei: „Zu mancher Explosion des Gefangenen kommt es nicht, weil er liest.“
(Peschers, 2001). Die Anforderungen an den Bibliothekar, meist ein Lehrer, stiegen
kontinuierlich. Er wurde angewiesen, sich intensiver um den Aufbau seines Bestandes
zu kümmern, Bücherwünsche anzunehmen und sich mit anderen Bibliothekaren
auszutauschen.
Mit dem Nationalsozialismus kehrte eine strenge Zensur in die Bibliotheken ein.
„Undeutsche“ Schriften wurden ausnahmslos aus den Beständen entfernt. Auch
Verena Kern
149
Teile der Bibel fielen der Zensur zum Opfer, nach 1942 war nur noch das neue
Testament erlaubt. Der Strafvollzug erlebte eine starke Ausrichtung auf Erziehung
mit nationalsozialistischem Hintergrund. Die Möglichkeit zur Ausleihe wurde
von der Abstammung abhängig gemacht. Zwischen 1933 und 1938 wurden
mehr Bücher ausgesondert als angeschafft, bis schließlich alle unerwünschten
Bücher entfernt waren. Zu dieser Zeit war juristische Literatur generell verboten.
Die Eingriffe der Nationalsozialisten waren tief und reichten von der strengen
Zensur bis zu Anordnungen zum Bestandsaufbau (Peschers, 2001). Das Ende des
nationalsozialistischen Regimes brachte auch ein Ende der strengen Zensur und
eine neue Ausrichtung auf die Werte, die im Strafvollzug vor 1933 zum Tragen
gekommen waren. Nationalsozialistische Lektüre wurde ausgesondert und man
war darauf bedacht, ein möglichst breites Spektrum an unterschiedlichen Genres
anzubieten.
Ein Meilenstein in der Geschichte der Gefängnisbibliotheken waren die sechziger
Jahre, in denen die Bibliotheken in Deutschland und Österreich in den jeweiligen
Strafgesetzen rechtlich verankert wurden. In den Siebzigern war der Standard der
meisten Bibliotheken jedoch sehr niedrig, der Bestand dürftig und die Einstellung
der Justiz gegenüber den Bibliotheken kritisch. Ein Handlungsbedarf in der
Verbesserung der Bibliotheken wurde lange nicht erkannt, „[…] es herrschte die
Meinung, die Gefangenen sollen Dostojewski lesen – die Haft sollte schließlich kein
Vergnügen sein.“ (Freundsberger & Mann, 1993). Man argumentierte, dass Bücher von
den Inhaftierten nicht zu schätzen gewusst und missbräuchlich verwendet würden.
Ein Umdenken fand langsam statt, ein wichtiger Schritt war die Eingliederung der
Bibliotheken als außerordentliche Mitglieder des Büchereiverbandes Österreich.
INFORMATIONSFREIHEIT FÜR INHAFTIERTE
Wie aus der Entstehungsgeschichte hervorgeht, spielten die Grundsätze
der Literaturauswahl in diesen Bibliotheken seit je her eine große Rolle.
Gefängnisbibliotheken stehen symbolisch für das Grundrecht auf Informationsfreiheit,
wie in Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention beschrieben. Denn
dieses Grundrecht auf freien Informationszugang bleibt auch in Haft bestehen.
Ein Mensch in Haft leistet keinen Verzicht auf das Recht auf Lesen oder auf
Informationsfreiheit. Dieses Recht darf jedoch verhältnismäßig eingeschränkt werden
– konkret bedeutet dies, sobald die Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt
gefährdet werden könnte, zum Beispiel durch Literatur über Kampfsportarten,
Tätowierkunst oder Waffentechnik. In den österreichischen Justizanstalten ergab
eine Fragebogenerhebung [1], dass in 60 Prozent der Bibliotheken eine Liste von
Schriften der VÖB 5, 147 – 155
150
Autoren bekannt ist, deren Werke nicht in den Bibliotheken vorhanden sein dürfen.
Zu diesen Autoren zählen u.a. David Irving, Norbert Burger, Andreas Mölzer,
Gerd Honsik, Herbert Schweiger sowie der Scientology Gründer L. Ron Hubbard.
Dies geht auf einen parlamentarischen Erlass des Bundesministeriums für Justiz
zurück. In deutschen Justizvollzugsanstalten größtenteils verboten ist Literatur
zur RAF sowie „Der Ratgeber für Gefangene und Patienten mit medizinischen und
juristischen Hinweisen“ (Hrsg. Knastratgeber Redaktion), zuletzt erschienen 1989 im
Verlag Schwarze Seele. Der Ratgeber entstand in Zusammenarbeit mit Inhaftierten,
Juristen und Gefängnisseelsorgern und enthält Informationen über die Rechte der
Inhaftierten sowie nützliche Verhaltensregeln. Begründet wird dieses Verbot dadurch,
dass der Ratgeber die Sicherheit und Ordnung bzw. das Vollzugsziel gefährde, da die
Autoren das Gefängnissystem in Frage stellen und bei den Gefangenen „aggressives
Verhalten erzeugen oder verstärken“ (Feest, 1991).
RECHTLICHE GRUNDLAGEN VON GEFÄNGNISBIBLIOTHEKEN
Die rechtlichen Grundlagen österreichischer Gefängnisbibliotheken basieren auf
dem österreichischen Strafvollzugsgesetz (fortan StVG), den European Prison Rules
und den 40 Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen der United
Nations. Im Gegensatz zu öffentlichen Bibliotheken in Österreich, denen nach wie
vor die rechtliche Grundlage fehlt, sind Gefängnisbibliotheken durch § 59 StVG
verankert. Das StVG sieht weiters vor, dass Inhaftierten die Anschaffung eigener
Bücher und Zeitschriften erlaubt ist. Diese Möglichkeit zählt zu den wichtigsten
Grundrechten der Inhaftierten (Gratz & Timm, 2006). Dies setzt jedoch voraus,
dass die jeweiligen literarischen Anschaffungen die Sicherheit und Ordnung in der
Justizanstalt nicht beeinträchtigen. Deshalb können Zeitungen und Zeitschriften
für den persönlichen Gebrauch auch nur über die Anstalt bezogen werden. Von
derzeit (Stand 1. Januar 2007) rund 8.600 Inhaftierten in Österreich sind laut
Justizministerium circa 3600 keine österreichischen Staatsbürger (Bundesministerium
für Justiz, 2007). Dies entspricht einem prozentuellen Anteil von knapp 42
Prozent. Diese sollen laut StVG durch die Anschaffung fremdsprachiger Literatur
berücksichtigt werden. Ähnliche Empfehlungen gibt es auf europäischer Ebene
durch die European Prison Rules des europäischen Ministerrates. Demnach sollen
in jeder Strafvollzugsanstalt Bibliotheken vorhanden, und allen Inhaftierten frei
zugänglich sein. Weiters empfohlen wird eine große Auswahl an unterschiedlichen
Medien. Außerdem soll eine enge Zusammenarbeit mit öffentlichen Bibliotheken
erfolgen. Zur Religionsausübung sollte es jedem Inhaftierten gestattet sein, religiöse
Literatur zu besitzen. Da es sich bei den European Prison Rules lediglich um
Empfehlungen handelt, sind die EU Mitgliedsländer gesetzlich nicht zur Umsetzung
Verena Kern
151
verpflichtet. Werden die Empfehlungen missachtet, so besteht aber zumindest eine
faktische Begründungspflicht (Feest, 2004). Bereits 1955 fand sich in den „40
Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen“
die Einrichtung einer Bibliothek für Inhaftierte. So heißt es im 40. Grundsatz, „jede
Anstalt hat eine Bücherei einzurichten, die allen Gefangenen zur Verfügung steht und
über eine genügende Auswahl an Unterhaltungsliteratur und Sachbüchern verfügt; die
Gefangenen sind zu ermutigen, davon ausgiebig Gebrauch zu machen.“ (United Nations,
1955). Diese Mindestgrundsätze dienen als Anregung für die Strafvollzugssysteme
der Mitgliedsländer, sind jedoch ähnlich den Empfehlungen des europäischen
Ministerrates nicht umsetzungspflichtig. Von der UNESCO wurde 1994 eine Lese-
Charta veröffentlicht, die festhält, dass Lesen ein universales Recht sei (Lehmann &
Locke, 2006). Dies lässt die Feststellung zu, dass der Zugang zum Lesen niemandem
verwehrt bleiben darf.
IFLA RICHTLINIEN FÜR GEFÄNGNISBIBLIOTHEKEN
Die IFLA Richtlinien für Gefangenenbüchereien wurden im Jahre 1995 erstmalig
von der IFLA Sektion „Bibliotheken für benachteiligte Personen“ publiziert, und
erschienen 2006 in der 3. Auflage. Die Richtlinien wurden basierend auf einer
Fragebogenerhebung unter Gefängnisbibliothekaren in 25 Ländern entwickelt. Sie
setzen sich aus einer Reihe von Empfehlungen zusammen, die unter anderem die
Verwaltung, die Ausstattung oder den Medienbestand von Gefängnisbibliotheken
behandeln. Die IFLA Richtlinien dienen als praktisches Instrument, um das
Bibliotheksangebot von Gefängnisbibliotheken zu entwickeln bzw. ein vorhandenes
Angebot zu evaluieren. Die zahlreichen Empfehlungen sind sehr allgemein formuliert,
und können dadurch leicht auf örtliche Verhältnisse abgestimmt werden. Generell
gilt in Österreich, wie auch in Deutschland oder den USA, dass der Standard
von Gefängnisbibliotheken dem von öffentlichen Bibliotheken entsprechen soll.
Sämtliche Empfehlungen zur Ausstattung orientieren sich daher an den Richtlinien
öffentlicher Bibliotheken, sofern solche vorhanden sind. Ist dies, wie in Österreich,
rechtlich gesehen nicht der Fall, lassen sich andere Empfehlungen heranziehen. Zu
den wichtigsten Empfehlungen gehören jene der IFLA.
Die Umsetzung der IFLA Richtlinien in Österreich erfolgt teilweise. Wie in den
IFLA Richtlinien vorgesehen, werden die Lesebedürfnisse fremdsprachiger Insassen
berücksichtigt, wenn auch nicht prozentuell entsprechend dem Anteil fremdsprachiger
Inhaftierter, der in Österreich um die 41,9 Prozent liegt (Bundesministerium für
Justiz, 2007). Der Anteil fremdsprachiger Literatur am Gesamtbestand liegt im
Mittelwert bei 17,3 Prozent. Auch werden die laut IFLA formulierten Ziele von
Schriften der VÖB 5, 147 – 155
152
Gefängnisbibliotheken – die Entwicklung von Lesefertigkeiten sowie die Chance
persönlichen und kulturellen Interessen nachzugehen - durch die vielen verschiedenen
Genres in allen Bibliotheken erreicht. Die Auflage, einen Mindestbestand von zehn
Titel pro Insasse zu führen, wird von den meisten Justizanstalten erfüllt. Keine der
Bibliotheken hat einen kleineren Bestand als 1000 Bücher. Mehr als die Hälfte
(56%) der Bibliotheken verfügen über einen Bestand zwischen 5.001 und 10.000
Büchern. In zwei Justizanstalten liegt der Bestand sogar über 10.000 Büchern.
Die Vorgabe, 20 Zeitschriftenabonnements zu führen wird in den Bibliotheken
nicht erfüllt, dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass Zeitschriften und
Zeitungen von den Inhaftierten wöchentlich angekauft werden können. Was
andere Materialien betrifft, so haben alle bis auf vier Bibliotheken einen Bestand
an anderen Medien. Eine Vorgabe der IFLA, wie viele andere Medien vorhanden
sein sollten, gibt es nicht. Die Empfehlung, den Inhaftierten Computerzugänge
zu Informations-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken bereitzustellen, ist in
österreichischen Justizanstalten nicht Aufgabe der Bibliotheken und wird teilweise
durch eigene PC-Schulungsräume erfüllt, wo der Schwerpunkt auf Bildung und
Information, nicht auf Unterhaltung liegt. Internetzugang haben die Inhaftierten in
keiner der Justizanstalten. Die IFLA Richtlinien sehen vor, dass jede Bibliothek von
mindestens einem qualifizierten Beamten geleitet werden soll. Dies ist in Österreich
nicht zutreffend. Drei Bibliotheken werden ausschließlich von Inhaftierten verwaltet.
Andererseits wird die Bibliothek der JA Jakomini sogar von fünf Beamten betreut.
Auch ist in einigen Justizanstalten, die weniger als 500 Haftplätze haben, mehr als
ein Beamter in der Bibliothek zuständig, während die IFLA Richtlinien erst ab 500
Insassen zwei Vollzeitbibliothekare vorsehen. Eine zulässige Aussage über die von der
IFLA empfohlenen wöchentlichen Arbeitsstunden (24 Stunden bei 0-300 Insassen
bzw. 30 Wochenstunden bei 301 bis 499 Insassen) und die tatsächliche Arbeitszeit
kann nicht gemacht werden, da die Bibliotheken von Freizeitkoordinatoren geleitet
werden, die teilweise ihr Büro in der Bibliothek haben, und von dort aus auch
anderen Aufgaben nachgehen. Die zuständigen Justizwachebeamten kennen sich
größtenteils untereinander und tauschen sich auch über die Bibliotheksarbeit aus.
Dazu gehören unterschiedliche Themen wie Medienverwaltung, Bücherankauf,
oder auch Veranstaltungen. In den meisten Bibliotheken nutzen 25 bis 50%
der Inhaftierten die Bibliothek. Ihre bibliothekarischen Kenntnisse konnten
sich die Beamten überwiegend in Kursen oder Seminaren des österreichischen
Bibliotheksverbandes erarbeiten.
Verena Kern
153
ZUSAMMENFASSUNG UND ERGEBNISSE
Bibliotheksarbeit im Strafvollzug wird der sozialen Bibliotheksarbeit zugeordnet. Im
Unterschied zu anderen Bibliotheken wird die Bibliotheksarbeit in Justizanstalten
durch einige Faktoren erschwert. Sicherheit spielt eine größere Rolle als
Informationsfreiheit. Es gibt eine große Anzahl schwieriger Benutzer mit einer hohen
Analphabetenrate und einem generell eher niedrigen Bildungsniveau. Suchtprobleme
und psychische Probleme unter den Inhaftierten sind verbreitet. In vielen
Haftanstalten ist der Anteil sprachlicher Minderheiten groß. Der Bestandsaufbau
wird durch budgetäre Engpässe und breit gestreute Buchspenden, die keine gezielte
Sammlungspolitik ermöglichen, erschwert. Die Anforderungen an das Personal sind
hoch, Isolation und schnelles Burnout im schwierigen Arbeitsumfeld verbreitet.
Dennoch haben auch die Benutzer einer Gefängnisbibliothek Lesebedürfnisse, die
nach Möglichkeit berücksichtigt werden sollen.
Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten orientieren sich durchaus am
Standard öffentlicher Bibliotheken, ein zuverlässiger Vergleich ist aber insofern
problematisch, als ein solcher Standard für öffentliche Bibliotheken in Österreich
rechtlich nicht definiert ist. Denn während die Bibliotheken in österreichischen
Justizanstalten rechtlich durch § 59 StVG verankert sind, gibt es kein Gesetz für
die Einrichtung öffentlicher Bibliotheken. Einerseits zeigt sich die Tendenz, dass
das Lesen durch das Fernsehen zurückgedrängt wird, gerade in den Justizanstalten
sehr stark. Von anderen technologischen Entwicklungen wie dem Internet sind die
Inhaftierten aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen. Ob sie nach ihrer Haftzeit den
Anschluss an diese Entwicklungen finden können, bleibt fraglich. Der Standard
öffentlicher Bibliotheken, wird zum Beispiel durch die Vielfalt an angebotenen Genres
in allen Justizanstalten erreicht. So wie die Benutzer jeder anderen Bibliothek, haben
Inhaftierte sehr breit gestreute Leseinteressen. Der Erfolg einer Gefängnisbibliothek
ist immer wesentlich vom Engagement der zuständigen Beamten, aber auch stark
davon abhängig, welchen Stellenwert die Bibliothek für die Anstaltsleitung einnimmt.
Eine aktive Bewerbung der Bibliothek ist unerlässlich, da viele der Inhaftierten vor
ihrer Haftzeit keine Bibliotheksbenutzer waren und erst während der Haftzeit zu
Lesern werden. Dass den Inhaftierten ein völlig freier Informationszugang verwehrt
bleibt und das Grundrecht auf Informationsfreiheit zugunsten der Sicherheit und
Ordnung in den Justizanstalten eingeschränkt wird, ist nachzuvollziehen, solange
es sich dabei um eine verhältnismäßige Einschränkung handelt. Materialien, die
aufgrund ihres Inhalts im Bestand einer öffentlichen Bibliothek nicht vorhanden
sind, sollten auch nicht in Gefängnisbibliotheken vorhanden sein. Fünfzehn der
befragten Bibliotheken berufen sich auf eine Liste vom Bundesministerium für
Justiz, die Autoren anführt, deren Werke nicht im Bestand enthalten sein dürfen.
Schriften der VÖB 5, 147 – 155
154
Die Ergebnisse zeigen, dass Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten seit
Jahren ein fester Bestandteil der Freizeitgestaltung von Inhaftierten sind und die
ihnen zugedachte Aufgabe, Inhaftierten einen Informationszugang zu bieten,
der sich positiv auf ihren Haftverlauf ausüben kann, erfüllen. Doch auch für die
Justizanstalt selbst ergibt sich durch die JA-Bibliotheken ein nicht unwesentlicher
Nutzen. In „totalen Institutionen“, wie Justizanstalten es sind, ist Sicherheit ein
Zustand, der 24 Stunden lang erzeugt werden muss (Gratz, 2006). Bibliotheken
können einen Beitrag zur Gewährleistung der Sicherheit liefern, indem sie den
Inhaftierten eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung bieten, die eine Alternative zu
sicherheitsgefährdendem Verhalten darstellt. Die Benutzung der Bibliothek durch
die Inhaftierten kann zu einem positiven Haftverlauf beitragen, und den Inhaftierten
ein Gefühl von Entscheidungsfreiheit in einem stark fremdbestimmten Umfeld
vermitteln.
LITERATURVERZEICHNISBundesministerium für Justiz (2007). Strafvollzug in Österreich – Justizanstalten.
Statistische Daten. http://www.justiz.gv.at/justiz/content.php?nav=50. Link zuletzt
geprüft am 16.04.2007
Feest, J. (1991). Über den Umgang der Justiz mit Kritik. Am Beispiel von juristischen
Ratgebern für Gefangene. KritJustiz Band: 253-264.
Feest, J. (2004, April 12). Europäische Gefängnisregeln. http://www.strafvollzugsarchiv.
de/index.php?action=archiv_beitrag&thema_id=6&beitrag_id=12&gelesen=12&PHPS
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Gratz, Wolfgang (2006). Vorlesungsskriptum Strafvollzug. http://www.fbz-strafvollzug.
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Strafvollzug. http://www.fbz-strafvollzug.at/aktuell/wolfgang_gratz_fr.html. Link
zuletzt geprüft am 28.02.2008
Kern, V. (2007). Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten. Diplomarbeit Fachhoch-
schule Burgenland, Fachhochschul-Bachelorstudiengang Informationsberufe
http://eprints.rclis.org/archive/00007302/. Link zuletzt geprüft am 17.07.2008
Lehmann, V. & Locke, J. (2006). Richtlinien für Gefangenenbüchereien. 3. Aufl. The
Hague: IFLA. http://www.ifla.org/VII/s9/nd1/iflapr-95.pdf. Link zuletzt geprüft am
11.11.2006
Peschers, G. (2001). Gefangenenbüchereien als Zeitzeugen. Streifzug durch die Geschichte
der Gefangenenbüchereien seit 1850. Zeit schrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe
2001 (1): 30 – 36.
Verena Kern
155
United Nations (1955). Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen.
http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/gefangene.pdf. Link zuletzt geprüft
am 16.04 2007
ANMERKUNGEN1 Die hier dargestellten Ergebnisse wurden im Rahmen der Diplomarbeit „Bibliotheken
in österreichischen Justizanstalten“ (Kern, 2007) erarbeitet. http://eprints.rclis.org/
archive/00007302/ Link zuletzt geprüft am 17.07.2008
ADRESSE DER AUTORINMag.a (FH) Verena Kern
Universitätsbibliothek TU Graz
Technikerstraße 4, 8010 Graz.
E-Mail: verena.kern@tugraz.at
Schriften der VÖB 5, 147 – 155
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RFID IN DER HAUPTBÜCHEREI WIEN BERNHARD WENZL
ABSTRACT
2003 bezog die Hauptbücherei Wien ihr neues Gebäude am Urban-Loritz-Platz. Seither
bildet Radio Frequency Identif ication (RFID) die Grundlage für die Einarbeitung,
Verbuchung und Sicherung der Medien. Ihr RFID-System umfasst 300.000
Funketiketten, mehr als zwei Dutzend Lesegeräte und die softwaremäßige Anbindung an
weiterverarbeitende Systeme. Das Personal arbeitet die mit einem Funketikett versehenen
Neuerwerbungen ins Bibliothekssystem ein. Die Benutzer führen die Ausleihe der Medien
an Selbstverbuchungsgeräten durch. Durchgangsschleusen an den Ein- und Ausgängen
verhindern den Diebstahl unverbuchter Medien. Damit hat der Einsatz der RFID-Technik
zur Kosteneinsparung und Effizienzsteigerung an der Hauptbücherei Wien beigetragen.
RADIO FREQUENCY IDENTIFICATION
RFID bezeichnet ein technisches Verfahren zur berührungslosen Datenübertragung
mittels Funkwellen. Sie dient zur verlässlichen Kennzeichnung und Ortung von
Objekten und wird daher den Auto-ID-Systemen zugerechnet. RFID wurde in den
1970er Jahren zur Diebstahlsicherung von Waren [1] und zur Kennzeichnung von
Tieren eingesetzt. Heute kommt diese Technik in vielen Bereichen zur Anwendung:
die Wegfahrsperre im Fahrzeugschlüssel, die Zutrittskontrolle zu Gebäuden
und Skiliften, die Gebührenberechnung auf Mautstraßen, die Zeiterfassung bei
Sportveranstaltungen, die Patientenidentifikation in Kliniken, die Lokalisation von
Gepäckstücken auf Flughäfen.
RFID-Systeme bestehen grundsätzlich aus drei Teilen (siehe Abbildung 1):
Funketikett (Transponder, [2]), Lesegerät (Reader, [3]) und Rechner (Computer).
Während das Funketikett unmittelbar am zu identifizierenden Objekt angebracht ist,
befindet sich das Lesegerät an der Stelle, an der die Identifikation erfolgen soll. Das
Funketikett besteht aus einer Antenne, einem Mikrochip mit integriertem Speicher
und einer Schutzhülle, das Lesegerät besitzt eine Antenne, eine Übertragungseinheit,
eine Kontrolleinheit und eine externe Schnittstelle. Das Funketikett wird von einer
Batterie oder einem mit Induktionsstrom versorgten Kondensator betrieben, das
Lesegerät ist direkt an das Stromnetz angeschlossen. Über eine externe Schnittstelle
ist das Lesegerät mit einem Rechner verbunden, dessen Software-Applikation die
Kommunikation steuert und die Auswertung der Daten übernimmt. Die Grundlage
Schriften der VÖB 5, 157 – 165
158
für die berührungslose Datenübertragung zwischen dem Funketikett und dem
Lesegerät bilden elektromagnetische Wellen.
Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines RFID-Systems
Die Betriebsfrequenz zählt zu den wichtigsten Leistungsmerkmalen eines RFID-
Systems. Es gilt die allgemeine Regel, dass Reichweite und Lesegeschwindigkeit
bei höherer Frequenz zunehmen. Gegenwärtig stehen drei Frequenzbänder mit
unterschiedlicher Reichweite [4] zur Verfügung:
• Langwellenbereich (Low Frequency, LF):
120-135 kHz mit bis zu 1,5 cm
• Kurzwellenbereich (High Frequency, HF):
13,56 MHz mit bis zu 1 m
• Ultrakurzwellenbereich (Ultra-High Frequency, UHF):
850-950 MHz, 2,4-2,5 GHz und 5,8 GHz bis zu 15 m
Bezüglich der Energieversorgung werden drei Typen von Funketiketten unterschieden.
Aktive Funketiketten besitzen eine eigene Batterie zur Stromversorgung.
Passive Funketiketten beziehen Energie durch Induktion, d.h. sie entziehen dem
elektromagnetischen Feld Energie und speisen damit einen kleinen Kondensator.
Daneben gibt es hybride Funketiketten mit einer eigenen Batterie, die bei Aktivierung
durch das Lesegerät mittels Induktion immer wieder von neuem aufgeladen wird.
Funketiketten liegen in einer Vielzahl von Bauformen vor. In Bibliotheken kommen
Klebeetiketten zum Einsatz. Da sie sich mit Hilfe eines RFID-Druckers beliebig
– üblicherweise mit Eigentumsvermerk, Firmenlogo oder Strichcode – bedrucken
lassen, bieten sie sich als ideales Trägermedium beim allmählichen Wechsel von
der Strichcode- zur RFID-Technik an. Die Inlays bilden das Basismaterial für die
Klebeetiketten und bestehen aus drei Komponenten: Mikrochip, Aluminiumantenne
und Kondensator. Die Frequenz der Inlays ist so vorverstimmt, dass sie erst in
Kombination mit dem Etikettenmaterial und dem Untergrund, auf den es später
geklebt wird, die optimale Leistung entfaltet. Die bedruckten Klebeetiketten können
nur auf nicht-metallische Flächen aufgebracht werden. Für Metallflächen gibt es
eigene Etiketten.
Bernhard Wenzl
159
Auch wenn alle Lesegeräte technisch gleich aufgebaut sind, haben sich ein paar
Grundmodelle herausgebildet. Grundsätzlich werden stationäre und mobile
Bauformen unterschieden. Zu den häufigsten stationären Lesegeräten zählen
Einzelantennen, Durchgangsleser für Menschen oder Waren an Ein- und
Ausgängen und Tunnelleser mit einem angeschlossenen Förderband auf Flughäfen
und in Verteilerzentren. Handlesegeräte werden zu den mobilen Systemen gerechnet.
Sie sind für die unterschiedlichsten Anwendungen gebaut, wobei die geringe
Lesereichweite von maximal 20 cm eine wesentliche Einschränkung darstellt.
RFID-Anwendungen lassen sich in geschlossene und offene Systeme trennen.
Bei geschlossenen Systemen können die Funketiketten wiederverwendet werden.
In Folge der Wiederverwendbarkeit lohnt es sich, auch teure Funketiketten in
kleinen Mengen einzusetzen. Vorrangige Aufgabe dieser nicht standardisierten
Funketiketten ist die innerbetriebliche Steuerung von Arbeitsprozessen. Indessen
werden die Funketiketten in offenen Systemen nur einmal genutzt. Der Kostendruck
ist weit höher, weil die Funketiketten in größeren Mengen benötigt werden. Sie sind
standardisiert, um nicht von einem einzelnen Lieferanten abhängig zu sein und allen
beteiligten Parteien das Lesen der Funketiketten zu erleichtern. Die Funketiketten
werden hauptsächlich zu überbetrieblichen Kontrollzwecken eingesetzt.
In Bibliotheken stehen RFID-Systeme seit zehn Jahren zur Verbuchung, Sicherung
und Inventarisierung des Medienbestandes in Verwendung. Bibliotheken stellen
in sich geschlossene Systeme dar, in denen größere Mengen von Funketiketten
wiederverwendet werden. Nach der Anlieferung werden die Medien mit einem
Funketikett versehen und ins Bibliotheksverwaltungssystem eingegeben. Die Medien
werden in die Regale eingereiht und gelangen so in den Kreislauf der Ausleihe. Hat
der Benutzer Medien entnommen, begibt er sich zu einem Selbstverbuchungsgerät.
Dort identifiziert er sich mittels Besucherkarte und legt die Medien im Stapel
auf die Arbeitsfläche des Lesegeräts. Die Medien werden auf das persönliche
Konto des Benutzers verbucht und für die Mitnahme nach Hause entsichert. Nun
lösen die Medien keinen Alarm mehr beim Durchgangsleser am Ausgang aus.
Nach erfolgter Rückgabe – entweder am Rückgabegerät durch den Benutzer oder
am Rücknahmeschalter durch das Bibliothekspersonal – werden die Medien ins
Bibliotheksverwaltungssystem zurückgebucht, wieder mit dem Diebstahlschutz
versehen, durch eine Sortieranlage geschleust und schließlich in die Regale geräumt.
Zudem kann das Bibliothekspersonal in regelmäßigen Abständen mit einem
Handlesegerät eine Inventur der Medien durchführen.
Schriften der VÖB 5, 157 – 165
160
HAUPTBÜCHEREI WIEN
2001 fiel die Entscheidung für den Einsatz der RFID-Technik an der Hauptbücherei
Wien. Anlass für diesen Entschluss war der bevorstehende Neubau am Urban-
Loritz-Platz, die Gründe dafür waren indes andere. Schon damals war die finanzielle
Situation der Büchereien Wien von steigenden Kosten für Personal und AV-Medien
gekennzeichnet. Gleichzeitig wurde seitens der zuständigen Magistratsabteilung
signalisiert, dass das Budget in den kommenden Jahren nicht mehr nennenswert
erhöht werden könne. Damit standen die zu erwartenden Gelder in krassem
Gegensatz zum internen Vorhaben, durch eine organisatorisch-inhaltliche
Verbesserung und die Aufstockung des Bestands mit neuen Medien mehr Besucher
zu gewinnen. Angesichts dieser Rahmenbedingungen sah sich die Leitung der
Hauptbücherei Wien zu einer logistisch-technischen Neuerung veranlasst. Zunächst
weckten Fachartikel in bibliothekswissenschaftlichen Zeitschriften das Interesse an
der RFID-Technik. Später wurden Referenzbüchereien im Ausland besichtigt und
zusätzliche Informationen bei einschlägigen Unternehmen eingeholt. Schließlich
stand fest, dass nur die Automatisierung der Arbeitsabläufe auf Basis von RFID die
gewünschte Kostenreduktion und die angestrebte Effizienzsteigerung gewährleisten
konnte [5].
Die Hauptbücherei Wien knüpfte große Erwartungen an den Einsatz der
RFID-Technik. Der Bibliothek versprach RFID die Möglichkeit zur schnelleren
Titelaufnahme [6], zügigeren Verbuchung, einfacheren Bestandskontrolle,
verlässlicheren Diebstahlsicherung und automatisierten Vorsortierung der
Medien. Dies wiederum sollte sich in beschleunigten Medienflüssen, verbesserten
Serviceangeboten und einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit niederschlagen.
Christian Jahl erklärt dazu rückblickend: „Die neue Technologie erschien uns
als Chance, Abläufe bei der Einarbeitung der Medien, die Verbuchung und
Diebstahlsicherung zu vereinfachen. Sie verspricht uns die Möglichkeit, in absehbarer
Zeit Personal aus der Verbuchung für die Beratung frei spielen zu können“ ( Jahl,
20039. Den Benutzern sollte RFID kürzere Wartezeiten durch die Pulkverbuchung,
die bequeme Ausleihe in der Selbstverbuchung und die stressfreie Rückgabe
außerhalb der regulären Öffnungszeiten bringen. Auch mehr Betreuung durch das
fachkundige Bibliothekspersonal, ein besser geordneter Medienbestand, die raschere
Verfügbarkeit der Medien und eine Ausweitung der Öffnungszeiten wurden in
Aussicht gestellt.
Der Entscheidung der Hauptbücherei Wien für den Einsatz der RFID-Technik folgte
eine Ausschreibung. Das Auswahlverfahren gewann ein Kooperationsprojekt aus drei
führenden Unternehmen der RFID-Branche. Der österreichische Halbleiterhersteller
Bernhard Wenzl
161
Infineon Technologies AG fertigte die kreditkartengroßen Funketiketten. Ihr
Herzstück bildet der „my-d“-Chip, der bis zu 10 Kilobit Daten speichert, den ISO
15693 Standard erfüllt und mit einer Frequenz von 13,56 MHz betrieben wird. Die
ekz-Bibliotheksservice GmbH ist ein namhafter Bibliotheksausstatter aus Reutlingen,
der in Zusammenarbeit mit Infineon das RFID-System EasyCheck entwickelte und
als Vertriebspartner [7] der Bibliotheca RFID Library Systems AG auftrat. Das in
Zug ansässige Unternehmen ist ein auf Bibliotheken spezialisierter Systemintegrator,
der bereits zuvor Büchereien in der Schweiz, Belgien und Deutschland mit RFID-
Systemen ausgerüstet hatte. Im Falle der Hauptbücherei Wien sorgte die ekz-
Bibliotheksservice GmbH für Kundeninformation, Marktsichtung und Beratung,
und die Bibliotheca RFID Library Systems AG übernahm Lieferung, Aufbau und
Inbetriebnahme von EasyCheck. Auch die Einschulung des Personals und die
Wartung des Systems wurden von der Schweizer Firma durchgeführt.
Die Funketiketten an der Hauptbücherei Wien sind typische HF-Transponder mit
einer durchschnittlichen Reichweite von 50 cm. Als passive Funketiketten besitzen
sie keine eigene Batterie, sondern werden im Erfassungsbereich des Lesegeräts
durch induktive Koppelung mit Energie versorgt. Die Funketiketten bestehen aus
dem „my-d“-Chip und einer auf Plastikfolie geätzten Aluminiumantenne. Dieses
Inlay wird zwischen zwei Klebefolien aus Papier gepresst und von einem RFID-
Drucker mit Eigentumsvermerk, Bestandsnummer und Strichcode [8] versehen.
Solche Klebeetiketten gibt es in zwei Ausformungen: einerseits die rechteckigen 8 x 5
cm großen Standardetiketten für Bücher, Zeitschriften, Musikkassetten und Videos,
andererseits die ringförmigen Etiketten im Durchmesser von 3 cm für metallhältige
Medien wie CD, CD-ROM und DVD. Der Speicher des Mikrochips enthält
Angaben wie Verbuchungsnummer, Bibliothekskennung, Sicherungsmerkmal,
Signatur, ISBN, Verfasser, Titel und Verleihdatum. Der integrierte Speicher ist
durchschnittlich bis zu 100.000 Mal wiederbeschreibbar.
Das RFID-System der Hauptbücherei Wien vereint mehrere Arten von
Lesegeräten. Derzeit gibt es sechs Einarbeitungsplätze, sechs Personalarbeitsplätze,
acht Selbstverbuchungsplätze [9] und 12 Durchgangsleser. An den internen
Einarbeitungsplätzen – sie bestehen jeweils aus einem PC mit Monitor, einem
Lesegerät mit Antenne, einem Etikettenspender und einem Strichcode-Leser
– versehen die Büchereimitarbeiter alle neuen Medien mit Funketiketten und
beschreiben sie mit den Daten aus der Bibliothekssoftware. Die Personalarbeitsplätze
an den Informationstheken dienen zur Ausleihe und Rücknahme, wobei die Medien
im Stapel verbucht und automatisch ge- und entsichert werden. Dazu benötigen die
Bibliothekare kein besonderes Handlesegerät, sondern nur eine Arbeitsplatte mit
integriertem Lesegerät, die alle Verbuchungsschritte selbstständig durchführt und
Schriften der VÖB 5, 157 – 165
162
auf dem angeschlossenen PC-Monitor anzeigt. An den Selbstverbuchungsplätzen
– sie umfassen je einen PC, einen berührungssensitiven Monitor (Touch Screen),
eine Ablagefläche, ein Lesegerät mit Antenne, einen Drucker und einen Kartenleser
– können die Besucher die gewählten Medien selbst ausleihen. Die Benutzerführung
ist derzeit lediglich in Deutsch und Englisch möglich. Die Durchgangsleser sind an
den Ein- und Ausgängen der Bibliothek aufgestellt. Sie weisen eine Durchgangsbreite
von 90 cm auf und ermöglichen die wirksame Diebstahlsicherung. Sobald ein Benutzer
mit unverbuchten Medien die Sicherheitsschranken zu passieren versucht, wird
ein Alarm ausgelöst. Auch lassen sich die Durchgangsleser unter Einhaltung der
datenschutzrechtlichen Bestimmungen zur Ermittlung von Daten für statistische
Erhebungen heranziehen.
Das realisierte System schöpft die Möglichkeiten der RFID-Technik nicht in vollem
Umfang aus. Bis auf den heutigen Tag wird auf den Einsatz von Selbstverbuchungsgeräten
in der Rückgabe [10], die automatische Vorsortierung der retournierten Medien
und die vereinfachte Bestandspflege mit mobilen Handlesegeräten verzichtet. Dem
Vorwurf, die Hauptbücherei Wien habe nur eine halbherzige Einführung der RFID-
Technik betrieben, wird entgegengehalten, dass sich ein neuartiges System vorerst
durch einfache Benutzerführung und Fehlerfreiheit bewähren müsse, um von der
Kundschaft akzeptiert zu werden. „Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, die
Selbstverbuchung vorerst nur in der Entlehnung einzusetzen, da sich hier technisch
und organisatorisch weniger Probleme stellen als beim Einsatz in der Rückgabe“
( Jahl, 2003, 36). Auch Probleme rund um die Bereitstellung vorbestellter Medien
und die Bezahlung ausstehender Gebühren haben den Wechsel von der Personal- zur
Selbstverbuchung in der Rückgabe verhindert. Das Fehlen einer voll automatisierten
Vorsortieranlage erläutert der Leiter der Hauptbücherei Wien mit dem Hinweis auf
die Baugeschichte: „Als wir auf die Lösung mit den RFID-Tags stießen, war der
Neubau schon zu weit fortgeschritten. Das automatische Sortieren braucht mehr
Platz für den Auslauf der Bänder, als in der Planung vorgesehen war“ (Ostler, 2005,
S.2). Obwohl sich daran in absehbarer Zeit nichts mehr wird ändern lassen, sind
die Implementierung von Selbstverbuchungsgeräten in der Rückgabe sowie die
Anschaffung tragbarer Handlesegeräte zur Arbeit zwischen den Regalen mittelfristig
angedacht.
Die Einführung eines RFID-Systems in der Hauptbücherei Wien hat sich als enormer
Erfolgsfaktor erwiesen. Seit der Eröffnung des Neubaus am Wiener Gürtel sind die
Benutzer und Entlehnungen sprunghaft angestiegen [11], so dass heute durchschnittlich
3500 Besucher täglich in die Bibliothek strömen. Ein wesentlicher Anteil an diesem
Aufschwung darf dem Einsatz von RFID zugeschrieben werden. Denn diese Technik
hat nicht nur für eine positive Medienberichterstattung und eine große Werbewirkung
Bernhard Wenzl
163
gesorgt, sie hat deutlich zur angestrebten Effizienzsteigerung geführt. Seit 2003 gibt
es kürzere Wartezeiten bei der Medienverbuchung [12], längere Öffnungszeiten für
die Besucher und mehr Beratung durch das Büchereipersonal. Hauptgrund ist, dass
die Kunden die Ausleihe an den Selbstverbuchungsgeräten bereitwillig angenommen
haben. Mittlerweile werden die Hälfte aller Entlehnungen von den Leserinnen und
Lesern selbst durchgeführt. Zur gewünschten Kostenreduktion hat RFID jedoch nur
bedingt beigetragen. Die Stückkosten für die Klebeetiketten [13] sind relativ hoch
gewesen und sind es bis heute geblieben. Die erhoffte Preissenkung im Zuge einer
umfassenden Standardisierung ist ebenso wenig eingetreten wie die Verbilligung durch
den vorhergesagten Einsatz im Massenmarkt [14]. Bei einem gegenwärtigen Stückpreis
von ca. einem Euro [15] belastet jedes neue Funketikett das Budget. Auch wenn die
Erstausstattung der Hauptbücherei Wien mit Klebeetiketten und Lesegeräten 562.400
Euro netto betragen hat, gibt es konkrete Pläne zum Umstieg von EasyCheck auf
BiblioChip, das Nachfolgesystem von Bibliotheca RFID Library Systems AG. Fernziel
ist die allmähliche Ausstattung aller Zweigstellen mit RFID.
FAZIT
Die Hauptbücherei Wien hat mit der Einführung der RFID-Technik eine
Vorreiterrolle im österreichischen Büchereiwesen übernommen. Seit ihrer Eröffnung
im April 2003 sind Bibliotheken in Graz, Wiener Neustadt und Krems ihrem
Beispiel gefolgt und haben ihre Arbeitsabläufe in der Einarbeitung, Verbuchung
und Bestandspflege auf RFID umgestellt. Bis zum heutigen Tag hat der Einsatz
dieser Technik alle Erwartungen erfüllt. Die positiven Erfahrungen reichen von
den schnelleren Ausleih- und Rückgabevorgängen und der einfachen Handhabung
der Selbstverbuchungsgeräte über die ausgeweiteten Öffnungszeiten und die
verbesserte Diebstahlsicherung bis hin zu einer Befreiung des Personals von lästigen
Routinearbeiten und mehr Zeit für die fachkundige Betreuung der Kunden.
Der Einsatz der RFID-Technik hat sich in der Hauptbücherei Wien längst bewährt.
Obwohl die Umstellung des gesamten Verbuchungs- und Verwaltungssystems
von Strichcode zu RFID einen erheblichen Kosten-, Zeit- und Personalaufwand
verursachte, haben sich die damaligen Anstrengungen aus heutigen Sicht gelohnt.
Die Fortschritte in den vergangenen vier Jahren bestätigen die Wirksamkeit der
logistisch-technischen Reorganisation der neuen Bibliothek am Urban-Loritz-
Platz. Seither wird nicht nur ein deutlicher Anstieg der Entlehnungen, sondern eine
kontinuierlich wachsende Zahl von Benutzern verzeichnet. Ohne den erfolgreichen
Einsatz von RFID wäre die organisatorisch-inhaltliche Neuausrichtung der
Hauptbücherei Wien nicht möglich gewesen.
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LITERATURVERZEICHNISLiteraturzitateJahl Christian (2003): Transponder und Selbstverbuchung – Eine neue Technologie für ein
neues Haus. In: Perspektiven 1/2003, 36.
Ostler Ulrike (2005): In Wien funken die Bücherwürmer
http://www.zdnet.de/itmanager/tech/0,39023442,2137259,00.htm
Link zuletzt geprüft am 23.07.2008
Weiterführende LiteraturKern Christian (2006): Anwendung von RFID-Systemen. Berlin, Springer Verlag, 242 S.
Lindl Birgit (2004): RFID-Technologie für die Bibliothek der Zukunft. In: B.I.T. online
7/2, 108-112.
Mayer Angelika (2004): Die neue Hauptbücherei in Wien. Dipl.Arb., Wien, 103 S.
Randecker Matthias (2005): RFID – Mediensicherung in Bibliotheken.
In: Büchereiperspektiven 02/2005, S. 12-13.
Schoblick Robert (2005): RFID Radio Frequency Identification. Poing, Franzis Verlag, 240 S.
ANMERKUNGEN1 Dabei handelte es sich um Warensicherungssysteme mit Electronic Article Surveillance
(EAS).
2 Merke: „Transponder ist ein Kunstwort, das sich aus ‚transmit’ (übertragen) und ‚respond’
(reagieren) zusammensetzt“ ( Jahl, 2003, S.36).
3 Das Lesegerät wird auch als Leseschreibeinheit bezeichnet, weil es die Daten nicht nur
vom Funketikett ausliest, sondern sie auch darauf einschreibt.
4 RFID-Systeme werden nach Reichweite in Proximity-, Vicinity- und Long-Range-
Systeme unterschieden.
5 Vergleiche: „Effizienzsteigerung und Kostenreduzierung sind heutzutage für Bibliotheken
zentrale Schlagwörter. Automatisierung und Selbstverbuchung tragen zunehmend zu
diesen Zielen bei“ (Lindl, 2004, S.108).
6 Siehe: „Anstatt zweier Informationsträger, nämlich dem Barcode für die Verbuchung und
dem elektromagnetischen Sicherungsstreifen für die Diebstahlsicherung, wird nur der
Funkchip mit den Daten beschrieben. Je Arbeitsgang halbiert sich so der Zeitaufwand“
(Infineon-Pressemittteilung „Komplettlösung mit 300.000 Funkschips schafft neues
Bibliothekserlebnis in der Hauptbücherei Wien“ vom 10.12.2005).
7 Inzwischen gehen die einstigen Vertriebspartner getrennte Wege. Während Bibliotheca
das eigene BiblioChip-System vermarktet, haben ekz und BOND ein Unternehmen zur
gemeinsamen Entwicklung des EasyCheck-Systems gegründet.
8 Der Strichcode ist nach wie vor notwendig, weil die Medien der Hauptbücherei auch in
allen Zweigstellen entlehnbar bleiben müssen.
Bernhard Wenzl
165
9 2003 wurde vier Selbstverbuchungsgeräte des Modells Vienna in Betrieb genommen,
2006 kamen vier Selbstverbuchungsgeräte des Typs Geneva hinzu.
10 Die 2004 mit RFID-Technik ausgestattete Zweigstelle Philadelphiabrücke bietet auch
die Möglichkeit zur Selbstverbuchung der Medien in der Rückgabe.
11 Im Jahr 2003 konnte die Hauptbücherei Wien 30.000 neue Leserinnen und Leser sowie
1,200.000 Entlehnungen verzeichnen. An Führungen nahmen mehr als 6.000 Personen
teil.
12 Geschwindigkeitstests an der Hauptbücherei Wien haben ergeben, dass die Entlehnung
von Medien mit einem RFID-System mehr als doppelt so schnell erfolgt als mit einem
Strichcode-System.
13 Die Materialkosten für die Umrüstung auf Klebeetiketten beliefen sich auf 367.910 Euro,
das waren immerhin 65,42% der Gesamtkosten.
14 Die Stückkosten für passive Funketiketten richten sich nach der Größe der Auflage: bei
1 bis 10 Milliarden Stück zwischen 5 und 10 Cent, bei ca. 10.000 Stück zwischen 0,50
und 1 Euro und bei 50 bis 1.000 Stück zwischen 4 und 10 Euro.
15 Ostler berichtet, dass der ursprüngliche Anschaffungspreis der Klebeetiketten 1,30 Euro
pro Stück betrug.
ADRESSE DES AUTORSMag. Bernhard Wenzl
bernhard.wenzl@chello.at
Schriften der VÖB 5, 157 – 165
167
PRÄSENTATION UND VERWALTUNG VON E-MEDIEN
DIGIBIB – DIE DIGITALE BIBLIOTHEK : DAS KOMPLETT-ANGEBOT ZUR INFORMATIONSVERMITTLUNG
HEIKO JANSEN
ABSTRACT
Die DigiBib ist das älteste und am weitesten verbreitete Portalsystem in der deutschen
Bibliothekslandschaft mit fast 200 teilnehmenden Institutionen. Als Hosting-Lösung
des hbz konzipiert, entlastet es die Bibliothek von praktisch allen Administrations- und
Wartungs arbeiten.
Trotzdem ermöglichen die anpassbare Oberfläche und die umfangreichen Konfigurations-
optionen eine nahtlose Integration in das Angebot der jeweiligen Bibliothek. Das hbz
agiert dabei als Dienstleister im Hintergrund, der von der Akquise der Inhalte über die
Vermittlung bis hin zur Nutzungsauswertung Hilfestellung leistet.
Über die übliche (Meta-) Suche vergleichbarer Angebote hinaus führt die DigiBib eine Reihe
weiterer Produkte und Dienste (Verwaltung von Links & Datenbanken, EZB, Fernleihe,
OpenURL-Resolver, DigiAuskunft) unter einer homogenen Oberfläche zusammen.
Die nächste Version 6 wird neben einer modernisierten, barriere freien Oberfläche mit der
Integration von Suchmaschinen-Techno logie neue Recherchemöglichkeiten eröffnen. Der
Beitrag präsentiert sowohl das bestehende System wie auch die laufenden Entwicklungen
und Neuerungen.
1. DAS AKTUELLE ANGEBOT: DigiBib 5
1.1 Hintergrund
Die Digitale Bibliothek – oder kurz: DigiBib – entstand Ende der 90´er Jahre. In
Reaktion auf studentische Streiks wurden damals öffentliche Gelder aufgebracht, die
zur Verbesserung der Informationsversorgung an den Hochschulen in Nordrhein-
Westfalen verwendet werden sollten. Ein Teil des Geldes sollte dabei in ein innovatives
Schriften der VÖB 5, 167 – 179
168
Projekt zur langfristigen Sicherung und Modernisierung der Literaturrecherche und
-nutzung investiert werden. Mit diesen Mitteln wurde die erste Version des DigiBib-
Portals [1] geschaffen, das sich seitdem mit heute fast 200 Partner-Bibliotheken zum
größten Portal seiner Art in Deutschland entwickelt hat.
Gestartet waren zunächst die Hochschulen des Landes NRW. Später kamen weitere
Hochschulbibliotheken aus anderen Bundesländern sowie – teilweise im Zuge
separater öffentlicher Projekte – Öffentliche Bibliotheken aus ganz Deutschland
hinzu. Auch einige Spezial-Bibliotheken von Forschungseinrichtungen oder
Behörden gehören inzwischen zum Anwenderkreis.
Mit der Donau-Universität Krems konnte das hbz kürzlich zudem den ersten
Anwender aus Österreich willkommen heißen – für uns der Anlass, die DigiBib auf
der ODOK-Tagung einem neuen Publikum näher zubringen.
1.2 Das hbz als Dienstleister
Die DigiBib wird für alle Anwender zentral vom hbz in Köln gehostet. Lokaler
Installationsaufwand fällt damit nicht an. Dies ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für
das Portal, denn viele Anwender haben weder die technische Infrastruktur noch die
Kapazitäten, um selbst ein Portal zu betreiben.
Gerade wegen dieser Rahmenbedingungen legt das hbz großen Wert darauf, sich
nicht in den Vordergrund zu drängen, sondern agiert als für den Endkunden fast
unsichtbarer Partner und Dienstleister der Bibliotheken im Hintergrund.
Die Dienstleistungen beschränken sich dabei nicht auf die reine Software-Betreuung
des Portals, sondern gehen deutlich darüber hinaus – wieweit, dass sollen die
folgenden Ausführung kurz beleuchten.
1.2.1 Integration mit anderen lokalen Angeboten
Ein Endkunde kann i.d.R. nicht beurteilen, wie ein Online-Angebot technisch
funktioniert oder wer es betreibt. Für ihn zählt im Wesentlichen die Optik, um die
Dienstleistung zuzuordnen. Bei der Einrichtung eines neuen Kunden im Portal
(einer „Sicht“ im Sprachgebrauch der DigiBib) achtet das hbz daher sehr darauf,
die Oberfläche optisch so weit wie möglich an das Corporate Design des jeweiligen
Anwenders anzupassen. Durch die Anzeige des Logos, den Austausch von Icons
Heiko Jansen
169
und Hintergrund-Grafiken sowie die Modifikation von Cascading Style-Sheets (CSS)
lässt sich ein erstaunlich hoher Grad an optischer Angleichung erreichen, der i.d.R.
deutlich darüber hinausgeht, was die lokal betriebenen Web-OPACs bieten. Für den
Nutzer ist die DigiBib daher ein originäres Angebot seiner Einrichtung.
Dieser Eindruck kann auf verschiedene Weise noch verstärkt werden.
Zum Beispiel kann die DigiBib-Sicht an die lokale Benutzerdatenbank gekoppelt
werden. Dafür muss das Lokalsystem lediglich eine entsprechende Schnittstelle (SLNP,
LDAP usw.; notfalls etwas proprietäres) für einen lesenden Zugriff bereitstellen. Dann
kann sich ein Nutzer persönlich mit seiner Bibliothekskennung und seinem üblichen
Kennwort anmelden. Er profitiert so nicht nur von Personalisierungsfunktionen wie
einer persistenten Merkliste oder Suchhistorie, sondern erhält auch orts-unabhängig
Zugriff auf die in die Metasuche eingebundenen, von seiner Institution entsprechend
lizenzierten Angebote!
Für die Metasuche stehen im Übrigen derzeit fast 450 verschiedene Datenbanken
zur Verfügung, aus denen sich jede Institution die für sie relevanten heraussuchen
kann. Diese Auswahl wird dann in individuell sortierten Listen dem Endkunden
angeboten – und natürlich gehört dazu auch der eigene Katalog der jeweiligen
Bibliothek.
Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass auch hier das Lokalsystem eine
entsprechende Schnittstelle bieten muss. Da die DigiBib aber mit fast allem, was es
hier gibt, zurechtkommt (Z39.50, SRU, SLNP, XML oder Text via HTTP/CGI,
GRIPS, SQL usw.; notfalls kommt sog. Screen Scraping zum Einsatz), stellt dies
kaum ein Problem dar.
Ist der Katalog erstmal in der DigiBib-Metasuche enthalten, ist ein Nutzer nur noch
sehr selten gezwungen, seine Suchen doppelt – erst im Katalog, dann in der DigiBib
– durchzuführen. Aus der Trefferanzeige der DigiBib springt man per Link direkt in
die richtige Vollanzeige im Web-OPAC um dort z.B. Vormerkungen durchführen.
1.2.2 Verfügbarkeitsrecherche / OpenURL-Resolver
Die Integration des lokalen Bestands in die Suche ist nicht nur wichtig, um doppelte
Recherchen zu vermeiden, sondern stellt auch eine wesentliche Grundlage für eine
weitere Kern-Funktionalität der DigiBib dar: Die Verfügbarkeitsrecherche.
Schriften der VÖB 5, 167 – 179
170
Aufgabe der Verfügbarkeitsrecherche ist es, einem Nutzer zu zeigen, wie er an
ein beliebiges zuvor gefundenes Dokument gelangen kann. Ausgehend von einem
gefundenen Artikel beispielsweise wird unter anderem geprüft, ob dieser Artikel in einer
lizenzierten Volltextdatenbank abrufbar ist oder die entsprechende Zeitschrift sich im
Bestand der eigenen Bibliothek (oder einer anderen Bibliothek am Ort) befindet.
Alle Prüfungen erfolgen automatisch – der Benutzer muss nicht verschiedene
angebotene Optionen manuell „durchklicken“.
Mancher Leser wird sicher jetzt sagen: Das ist doch nichts Neues – genau das macht
doch ein OpenURL-Resolver. Beides stimmt. Genau das macht ein OpenURL-
Resolver und neu ist es wirklich nicht: Die DigiBib bot diese Funktionalität lange
bevor es OpenURLs gab.
Das eigentlich Neue am OpenURL-Standard [2] ist auch nicht die Funktionalität des
Resolvers, sondern die Standardisierung der Übergabe der notwendigen Parameter.
Es lag daher nahe, die DigiBib mit einer Schnittstelle zu versehen, die externe
Aufrufe in OpenURL-Syntax (0.1 und 1.0 KEV) versteht und mit den übergebenen
Daten die Verfügbarkeitsrecherche anspricht. Seit der Einführung dieses Features
erhalten alle DigiBib-Anwender somit einen vollwertigen OpenURL-Resolver ohne
Zusatzkosten gleich mit im Paket, der in beliebigen Fremdanwendungen z.B. über
ein vom hbz bereitgestelltes kleines Icon referenziert werden kann.
Für DigiBib-Anwender (Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken) in NRW
ist die Ergebnisanzeige der Verfügbarkeitsrecherche zugleich die Stelle, an der die
jeweiligen Nutzer in die Endnutzer-Fernleihe übergeleitet werden. Auch lokal nicht
direkt verfügbare Bestände gelangen so in Reichweite der Endkunden.
Das hbz ist landesweit für die Organisation der Fernleihe zuständig und hat – unter
Nutzung des etablierten Portals – somit eine benutzerfreundliche Umgebung für
Fernleihbestellungen geschaffen, die durch eine entsprechende Konto-Funktionalität
zur Bestell-Verfolgung ergänzt wird.
Übergänge zu anderen Liefersystemen wie subito [3] sind natürlich ebenfalls möglich
und implementiert.
Heiko Jansen
171
1.2.3 Inhalte
Bibliotheksbestände sind das eine - im Zeitalter von Google, Scirus und Co. sind
die Benutzer aber inzwischen verwöhnt, weil sie sehr viel Literatur direkt online
finden und vor allem auch bekommen können. Fachdatenbanken, vor allem solche
mit Volltexten, sind daher ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für Bibliotheken. Die
integrierte Präsentation dieser Ressourcen in der DigiBib steigert die Sichtbarkeit
und Nutzung dieser Angebote. Umgekehrt steigt natürlich mit der Qualität der
Suchergebnisse die Attraktivität der DigiBib.
Damit DigiBib-Anwender möglichst einfach und kostengünstig solche Inhalte anbieten
können, hilft das hbz bereits bei der Akquise. Als Konsortialführer verhandelt das hbz
stellvertretend für Bibliotheken mit Inhalts-Anbietern und kann i.d.R. so deutlich
günstigere Preise erzielen, als ein einzelner Interessent. Auch die Abrechnungen
laufen gebündelt über das hbz, so dass der Verwaltungsaufwand bei der einzelnen
Institution sinkt. Natürlich stellt das hbz auch entsprechende Nutzungsstatistiken (z.B.
hinsichtlich der Anzahl der Anfragen über die Metasuche) bereit.
Potentielle DigiBib-Anwender in Österreich könnten ebenfalls von dieser
Dienstleistung profitieren, wenn der jeweilige Inhalts-Anbieter bzw. dessen
Vertriebsstruktur dies zulässt.
1.2.4 Ergänzende Tools
Nicht alle konsortial oder individuell erworbenen Datenbanken lassen sich in die
Metasuche integrieren – sei es, weil es sich um CD-ROM Datenbanken ohne
Schnittstelle handelt, oder weil die enthaltenen Daten (z.B. Chemische Strukturen)
nicht sinnvoll in eine Literaturrecherche einzubeziehen sind.
Das hbz sieht die DigiBib aber explizit als Portal zu möglichst allen lokalen
Informationsangeboten und nicht nur als „simple“ Metasuchmaschine. Deswegen
wurde mit DigiLink [4] im hbz ein Produkt entwickelt, das Links zu elektronischen
Angeboten effizient verwalten kann und sich dabei nahtlos in die DigiBib als
übergeordnete Anwendung einfügt.
DigiLink ist angelegt als ein kooperatives System mit web-basierter Administrations-
Oberfläche. Einmal erfasste Ressourcen können von anderen Institutionen
nachgenutzt werden. Dabei kann man sich einfach „anhängen“ (was bedeutet, dass
man automatisch von Korrekturen in der Beschreibung oder im Link profitiert),
Schriften der VÖB 5, 167 – 179
172
oder eine Kopie erstellen. Egal welchen Weg man geht, ist es immer möglich, die
Ressourcen in einer beliebigen eigenen Hierarchie und Struktur zu verwalten und
zu präsentieren.
Damit und mit der obligatorischen Anpassbarkeit des Layouts fügt sich DigiLink
optimal in die lokale Angebotspalette ein.
Normalerweise nicht in der Linksammlung enthalten sind lizenzierte und
freie Elektronische Zeitschriften. Hierfür gibt es mit der Elektronischen
Zeitschriftenbibliothek EZB der UB Regensburg bereits ein ausgereiftes und
etabliertes Tool. Um aber die dort erfassten Daten ohne optischen Bruch für den
Benutzer in der DigiBib anzeigen zu können, hat das hbz auf Basis der XML-
Schnittstelle der EZB eine eigene Präsentationsschicht eingezogen, die das Browsing
und Suchen im vertrauten „Look&Feel“ der DigiBib (und damit der jeweiligen
Institution) ermöglicht.
DigiLink und das EZB-Frontend stehen allen DigiBib-Kunden automatisch
kostenfrei mit zur Verfügung. DigiLink ist im Übrigen auch als separates Tool
einsetzbar und wurde z.B. von der Bibliothek der Kunstuniversität Linz [5]
lizenziert.
Neben DigiLink existieren noch weitere Produkte wie etwa DigiAuskunft [6] (ein
kooperatives Online-Auskunftssystem auf Basis einer Open Source Lösung), deren
Beschreibung aber an dieser Stelle zu weit gehen würde.
2. DigiBib 6 – DER NÄCHSTE SCHRITT
Schon mehrfach wurde die DigiBib optisch und funktional verändert bzw.
modernisiert – ein Muss, wenn man ein Angebot über acht Jahre hinweg erfolgreich
in einem sich so rasant entwickelnden Markt und Umfeld wie dem Internet
positionieren will.
Während bei Release 5 – allen Verbesserungen der Oberfläche zum Trotz – die größten
Änderungen im Inneren, d.h. in der zugrunde liegenden Software, stattfanden, wird
bei der für Mitte 2008 geplanten Version 6 eine vollständige Neugestaltung des
Benutzer-Interfaces im Vordergrund stehen.
Seit Release 5 basiert die Portal-Software auf offenen Standards und modernen
Konzepten: Verteilte und per CORBA-Protokoll kommunizierende Dienste, interne
Heiko Jansen
173
Datenhaltung und Konfiguration in XML, verschiedene Frontend-Server (HTML,
SOAP), hoch-flexibles Templating-System, einfache Erweiterbarkeit.
Mit diesem Rüstzeug kann das hbz jetzt den Entwicklungen der letzten Zeit
begegnen. Die Modernisierung des Portals wird sich dabei auf drei wesentliche
Bereiche konzentrieren:
• Neugestaltung des Layouts und der Benutzerführung,
• Verbesserung der Suche durch den Einsatz von Suchmaschinen-Technologie,
• Flexibilisierung der Zugriffskontrolle durch den Einsatz von Shibboleth.
2.1 Neugestaltung des Layouts und der Benutzerführung
Wesentliche Strukturen des DigiBib-Layouts haben sich seit vielen Jahren nicht
geändert. So gab es beispielsweise von Anfang an eine Einteilung des Anzeigebereichs
in einen oberen Navigations- und einen unteren Inhaltsframe. Letzterer wird für
bestimmte Funktionsbereiche sogar nochmals in sich in zwei Frames aufgeteilt.
Dies stellt letztlich eine überholte Technik dar und verursacht sogar unmittelbare
Probleme. So ist der Platz im Navigations-Frame beschränkt – die zeilenweise
Aufteilung in eine Haupt- und eine davon abhängige Subnavigation stößt schnell an
ihre Grenzen. Auch der HTML-technische Aufbau der Seiten über Layout-Tabellen
ist überholt. Und schließlich spiegelt das Erscheinungsbild auch einen gewissen Stil
wieder, der schlicht nicht mehr modern ist.
Dies alles sind Gründe, das Erscheinungsbild grundlegend zu modernisieren. Jedoch
wäre es kurzsichtig, nur am Layout zu arbeiten. Seit der letzten Überarbeitung haben
sich auch neue Anforderungen (z.B. gesetzliche Vorgabe der Barrierefreiheit) und
neue Techniken (z.B. AJAX) etabliert, die ebenfalls zu berücksichtigen sind.
Release 6 wird daher auf der Basis des modernen HTML/CSS-Frameworks YAML
[7] basieren, und durch den starken Rückgriff auf CSS-Optionen noch einmal
deutlich anpassungsfähiger an kundenspezifische Gestaltungswünsche werden. Ein
3-Schichten-Modell bringt hier die notwendige Flexibilität: Zuunterst liegen die
unveränderlichen Vorgaben von YAML. Darüber wird eine Schicht DigiBib-weiter
Anweisungen gelegt, die eine grundlegende Homogenität aller Sichten erzeugt. Und
abschließend folgen die kundenspezifischen Einstellungen.
Das YAML-Framework legt allerdings abseits eines grundlegenden Rasters nicht
fest, wie die einzelnen Seiten HTML-technisch aufzubauen sind. Die wesentliche
Herausforderung hier ergibt sich aus der gesetzlichen Vorgabe in Deutschland bzw.
Nordrhein-Westfalen, öffentliche Web-Angebote barrierefrei zu gestalten.
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174
Abbildung 1: Geplante Seitenstruktur
Tatsächlich ist es aus Sicht des hbz so komplex, hier ans obere Ende der Bewertungsskala
vorzustoßen, dass wir uns entschieden haben, einen externen Experten mit einer
kontinuierlichen Begleitung und Kontrolle des Entwicklungsprozesses zu beauftragen.
Dieser Experte kann zudem – als bibliothekarischer Laie – auch die allgemeine
Bedienbarkeit des Angebots in jedem Entwicklungs stadium gut hinterfragen. Neben
einem Experten-Gremium aus dem Anwenderkreis, das während der Entwicklung
beratend tätig ist, bringt dies eine wertvolle zusätzliche Meinung ins Spiel.
Insgesamt ergab sich aus den Diskussionen die in Abbildung 1 dargestellte zukünftige
Seiteneinteilung.
Neben der reinen Gestaltung der Seiten hat das hbz auch den Workflow im Portal auf
den Prüfstand gestellt. Insbesondere der Boom von JavaScript und dessen Anwendung
im Kontext von AJAX [8] eröffnen hier neue Optionen, die einem Portal mit derart
komplexer Funktionalität besonders zu Gute kommen können.
Stellvertretend für viele Einsatzszenarien sei hier folgendes Beispiel angeführt: Bislang
erfolgt die ausführliche Anzeige der bibliographischen Daten eines Treffers immer
auf einer separaten Seite, die entweder die Trefferliste im Fenster ersetzt, oder die in
einem neuen Browserfenster geöffnet wird. Im neuen Release wird die Langanzeige
dagegen per AJAX direkt in die Trefferliste eingeblendet (vgl. Abbildung 2 und 3).
Dieses Vorgehen reißt den Benutzer nicht länger aus dem Kontext seiner Trefferliste
und erleichtert ihm allgemein das Zurechtfinden im Angebot.
Heiko Jansen
175
Abbildung 2: Trefferliste
Abbildung 3: Trefferliste mit eingeblendeter Vollanzeige
Dieses Vorgehen gilt natürlich nicht nur für die Trefferliste der Metasuche, sondern
wird genauso in den neugestalteten Oberflächen für EZB und DigiLink zum Einsatz
kommen.
Selbstverständlich müssen auch solche Funktionalitäten immer unter dem Aspekt der
Barrierefreiheit kritisch beleuchtet werden. Für jede per JavaScript implementierte
Funktion, die nicht nur rein der Bequemlichkeit dient, muss eine alternative Lösung
ohne JavaScript vorhanden sein. Da dies den Implementierungsaufwand deutlich
steigert, kommen JavaScript/AJAX-Lösungen nur dort zum Einsatz, wo sie die
Bedienungseffizienz des Portals signifikant verbessern.
Der AJAX-Einsatz ist letztlich wiederum nur ein Ansatzpunkt von mehreren, um
das DigiBib-Portal in Richtung „Web 2.0“ zu führen. Dieses Schlagwort ist ja nicht
nur technik-zentriert zu verstehen. Andere in Entwicklung befindliche Maßnahmen
sind z.B. die Bereitstellung von CoINS-Objekten [9] in den Trefferanzeigen, um
browser-basierte Tools wie Zotero [10] zu unterstützen. Die Integration „sozialer
Techniken“ wie das Tagging von Dokumenten zur anwender-gesteuerten besseren
inhaltlichen Erschließung ist dagegen derzeit noch Gegenstand von Evaluationen.
Schriften der VÖB 5, 167 – 179
176
2.2 Einsatz von Suchmaschinen-Technologie
Eine andere Option zur Steigerung der Effizienz der Recherche stellt ein Wechsel der
Suchtechnologie dar. Die bislang verwendete Metasuche stößt in vielen Bereichen
schnell an ihre Grenzen. Je mehr Datenbanken dem Nutzer zur parallelen Abfrage
zur Verfügung gestellt werden, desto größer wird die Last auf dem Server und
desto länger kann es dauern, bis die letzte Datenbank geantwortet hat. Je mehr
Datenbanken auf eine Anfrage Treffer liefern, desto unübersichtlicher wird zudem
das Ergebnis für den Benutzer, dem es schwer fällt, aus der langen Trefferliste die
für ihn relevanten Titel herauszufiltern.
Eine Lösung für dieses Dilemma bieten die Anbieter von Suchmaschinen-Software.
Diese ist darauf ausgelegt, in sehr großen Datenmengen sehr schnell Treffer zu
finden und diese zudem in einer nach Relevanz gewichteten Liste anzuzeigen. Das
hbz hat diesen Trend früh erkannt und sich mit der Software der Firma FAST
[11] für eine der weltweit führenden Suchmaschinen entschieden. Praktische
Erfahrungen im Zusammenspiel von Portal und Suchmaschine kann das hbz bereits
im vascoda Portal sammeln. Mit dieser Technik erhalten Features wie dynamische
Treffermengen-Einschränkung („Drill Down“), Relevance-Ranking, Suchtipps usw.
Einzug in das kommende Release.
Allerdings ist während der Erprobungsphase der Technik im hbz auch deutlich
geworden, dass für eine Indexierung vieler Quellen immenser Aufwand (für
Datenanalyse, Homogenisierung, Qualitätssicherung etc.) zu leisten ist. Auch
zeichnet sich ab, dass ein Teil der Datenbank-Anbieter seine Daten nicht für eine
Indexierung im hbz bereitstellen wird.
Das hbz sieht hier zwei Ausweichstrategien. Der innovativere und nutzerfreundlichere
– weil für diese letztlich „unsichtbare“ – Weg ist die Implementierung einer
sogenannten Föderierten Suche. Dabei werden mehrere Suchmaschinen parallel
durchsucht, die Trefferlisten jedoch nicht wie bei der Metasuche separat angezeigt,
sondern in eine gemeinsame Liste zusammengefasst. Eine Zusammenführung erfolgt
ebenfalls für Drill Down Elemente. Im Kontext des vascoda Projektes [12] arbeitet
eine solche Föderation über verschiedene Software-Lösungen (FAST und Lucene/
Solr) auf Basis eines standardisierten Protokolls bereits erfolgreich im produktiven
Einsatz.
Da es bis zu einem flächendeckenden Einsatz von Suchmaschinen-Software
allerdings noch ein weiter Weg ist und die bestehende Abdeckung von fast 400
Quellen im aktuellen Release bestenfalls langfristig erreicht werden kann, wird die
Heiko Jansen
177
DigiBib auch künftig die Metasuche anbieten. Das hbz legt allerdings Wert darauf,
dass es – durch die Auswahl und Zusammenstellung der zu durchsuchenden Quellen
– im Ermessen des DigiBib-Anwenders liegt, welche Suchtechnik in seiner Sicht
genutzt wird. Zum anderen soll der Endnutzer nie vor die Auswahl einer Suchtechnik
gestellt werden. Er soll stets inhaltlich auswählen, welche der angebotenen Quellen
er durchsuchen möchte. Diese Auswahl entscheidet dann in Abhängigkeit von den
unterstützten Schnittstellen der Quellen, ob es zu einer Metasuche oder zu einer
Suchmaschinensuche kommt.
2.3 Authentifi zierung mit Shibboleth
Traditionell wird im Bibliotheksumfeld der Zugriff auf Ressourcen meist über
eine Filterung von IP-Adressen geregelt. Dies bedeutet, dass ein Nutzer aus dem
Netzwerk seiner Institution auf ein Angebot problemlos zugreifen kann, weil die
IP-Adressen seiner Institution beim Anbieter bekannt sind. Versucht der gleiche
Nutzer jedoch, über seinen privaten Internet-Provider auf das gleiche Angebot
zuzugreifen, wird er abgewiesen, weil er – aus dem Netz des Providers kommend
– keiner Kunden-Institution des Anbieters zugeordnet werden kann. Dies stellt
sicher keine erfreuliche Situation dar. Zudem ist das Nachhalten der IP-Adresslisten
eine mühsame Angelegenheit. In Ermangelung besserer Techniken führte um diese
Lösung jedoch lange Zeit kein Weg herum und auch die DigiBib unterstützt natürlich
eine IP-basierte Authentifizierung. Im Unterschied zu den kommerziellen Providern
gibt es bei der DigiBib zudem noch die Möglichkeit, direkt auf Schnittstellen im
lokalen Bibliothekssystem zurückzugreifen, um so Nutzern den Login mit Kennung
und Passwort zu ermöglichen.
Seit Kurzem etabliert sich jedoch auch in Europa immer mehr das Shibboleth
Authentifizierungsverfahren [13], das einen für den Nutzer simplen Single-Sign-
On Mechanismus definiert und dabei noch großen Wert auf Datenschutz legt.
Eine ausführliche Vorstellung von Shibboleth führt an dieser Stelle zu weit. Kurz
gesagt gibt es dort zwei Rollen, die eine beteiligte Institution einnehmen kann:
Service-Provider (also jemand, der ein Service-Angebot über eine Zugriffskontrolle
gesteuert zugänglich machen möchte) und Identity-Provider (jemand, der gegenüber
einem Service-Provider bestätigt, dass ein bestimmter Nutzer von ihm authentifiziert
werden kann). Service-Provider und Identity-Provider stehen dabei in einer
Vertrauensbeziehung zueinander.
Mit Hilfe der Universitätsbibliothek Freiburg, die ebenfalls die DigiBib Portal-
Software einsetzt [14], wurde letztere bereits insofern Shibboleth-fähig gemacht,
Schriften der VÖB 5, 167 – 179
178
dass sie als Service-Provider fungieren kann. Beispielhaft ist dies am Portal der UB
Freiburg sowie beim vom hbz gehosteten vascoda Portal sichtbar.
Mit Release 6 wird auch die DigiBib zum Shibboleth Service-Provider
werden. Zudem ist für ein späteres Release 6.x geplant, die bestehende interne
Authentifizierungs-Anbindung der DigiBib an die Lokalsysteme zu nutzen, um
den DigiBib-Anwendern die Dienste eines Shibboleth Identity-Providers anbieten
zu können. Voraussichtlich wird dies kostenfrei als zusätzliches Feature in das
Gesamtpaket „DigiBib“ integriert.
3. FAZIT
Das hbz bietet mit der DigiBib ein zwar zentral installiertes und betreutes, aber
stets nach Kunden-Wunsch angepasstes Portal - im Corporate Design des Kunden
und mit den Inhalten/Datenbanken des Kunden. Rund um das Portal gruppieren
sich ergänzende Werkzeuge wie DigiLink oder DigiAuskunft und Dienstleistungen
wie die konsortiale Erwerbung, Hotline-Support, In-House-Schulungen oder die
Bereitstellung von professionellem Werbematerial. Eine faire, nach Bibliotheksgrößen
gestaffelte Kostenstruktur hat es bislang fast 200 Institutionen – von der kleinen
Gemeinde- bis hin zur großen Universitätsbibliothek – ermöglicht, von diesem
Angebot zu profitieren. Und mit dem für Mitte 2008 geplanten Release 6 wird das
Portal auch weiterhin seinen Anspruch als eines der führenden Bibliotheksportale
aufrecht erhalten können.
Heiko Jansen
179
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 13.03.2008)
1 http://www.digibib.net/ bzw. http://www.hbz-nrw.de/angebote/digitale_bibliothek/
2 http://www.niso.org/standards/standard_detail.cfm?std_id=783
3 http://www.subito-doc.de/
4 http://www.hbz-nrw.de/angebote/digilink/
5 http://www.ufg.ac.at/online-dienste.207.0.html
6 http://www.hbz-nrw.de/angebote/digiauskunft/
7 http://www.yaml.de/
8 http://de.wikipedia.org/wiki/Ajax_(Programmierung)
9 http://ocoins.info/
10 http://www.zotero.org/
11 http://fast.no/
12 http://www.vascoda.de/
13 http://shibboleth.internet2.edu/
14 http://www3.ub.uni-freiburg.de/index.php?id=ips
ADRESSE DES AUTORSHeiko Jansen
hbz NRW
Jülicher Straße 6, D-50674 Köln
E-Mail: jansen@hbz-nrw.de
http://www.hbz-nrw.de
Schriften der VÖB 5, 167 – 179
181
AUS- UND WEITERBILDUNGS-EINRICHTUNGEN
10 JAHRE STUDIENSTANDORT EISENSTADTJUTTA BERTRAM
ABSTRACT
Seit nunmehr zehn Jahren werden an den Fachhochschul-Studiengängen Burgenland am
Standort Eisenstadt Spezialisten für den Bibliotheks-, Informations- und Dokumenta-
tionsbereich ausgebildet. Zunächst wird der auslaufende Diplomstudiengang ‚Informati-
onsberufe’ bilanziert. Es werden exemplarische Karriereverläufe von Absolventen und die
Absolventenarbeit des Studiengangs vorgestellt. Anschließend werden die Veränderungen
im Curriculum des gleichnamigen Bachelorstudiengangs aufgezeigt, der im Wintersemester
2005/06 begonnen hat. Als neues Studienangebot wurde zum gleichen Zeitpunkt der Ma-
ster-Studiengang ‚Angewandtes Wissensmanagement’ eingerichtet, der im Sommer 2007
die ersten Absolventen hervorgebracht hat und ebenfalls präsentiert wird. Abschließend
wird ein Ausblick auf künftige Entwicklungsvorhaben der Studiengänge gegeben.
DER STUDIENSTANDORT EISENSTADT
Die in Eisenstadt angesiedelten Studiengänge sind in zwei sog. Kernkompetenz-
bereiche zusammengefaßt. Der Bachelorstudiengang Informationsberufe (IB) [1]
und der dazugehörige Masterstudiengang Angewandtes Wissensmanagement (AW)
[2] gehören zum Bereich Informationstechnologie und Informationsmanagement.
Der Standort Eisenstadt hat insgesamt etwa 880 Studierende, davon sind ca. 200
Personen Studierende von AW bzw. IB. Das Burgenland erhebt keine Studienge-
bühren, daher sind beide Studiengänge gebührenfrei. Der Studiengang IB stellt seit
seiner Initiierung im Jahre 1997 österreichweit den einzigen Ausbildungsgang auf
Fachhochschul-Ebene für Information Professionals dar.
Das Personal der beiden Studiengänge ist interdisziplinär zusammengesetzt. Es
besteht aus acht Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern (unter ihnen der
Studiengangsleiter), zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und drei Mitarbeite-
rinnen in der Administration des Studiengangs. Bibliothek, IT, Marketing, Personal-
und Rechnungswesen, das Facility Management und das Studentenwohnheim sind
Schriften der VÖB 5, 181 – 190
182
studiengangsübergreifend organisiert. Das interne Lehrpersonal wird unterstützt
durch über hundert externe Lektorinnen und Lektoren, die eine große Bandbreite
von Berufsfeldern repräsentieren. Einige kommen auch von anderen (vornehmlich
österreichischen oder deutschen) Hochschulen.
Die beiden Studiengänge sind international vernetzt und unterhalten aktive Ko-
operationen zu verwandten Ausbildungseinrichtungen z.B. in Deutschland, Finn-
land, Kroatien, Litauen, Schweden und Tschechien. Das betrifft den Austausch von
Studierenden ebenso wie den Lektorenaustausch im Rahmen von Erasmus oder
anderen Förderprogrammen.
DER AUSLAUFENDE DIPLOMSTUDIENGANG INFORMATIONSBERUFE
Begonnen hat alles im Jahr 1997, damals noch im Gebäude der pädagogischen Aka-
demie Eisenstadt, wo der Studiengang bis zum Jahre 2002 untergebracht war. Die 29
Studierenden des Pionierjahrgangs hatten die vier folgenden Schwerpunkte zur Aus-
wahl: das wissenschaftliche Bibliothekswesen, das öffentliche Bibliothekswesen, IuD
und das betriebliche Informationsmanagement. Das öffentliche Bibliothekswesen
wurde damals allerdings nur von einer Person gewählt und kam daher nicht zustande.
In den darauffolgenden beiden Jahrgängen stand dann nur mehr das Bibliothekswe-
sen insgesamt zur Wahl (als Kombination aus wissenschaftlichem und öffentlichem
Bereich), die Schwerpunkte IuD und das betriebliche Informationsmanagement
blieben gleich. Ab dem vierten Jahrgang wurde schließlich jene Struktur etabliert,
die bis zum achten und letzten Diplomjahrgang in etwa die gleiche blieb: Nach zwei
eingleisigen Studienjahren wählten die Studierenden im dritten Studienjahr entwe-
der Bibliothek-Information-Dokumentation (kurz: BID), Know ledge Management
oder Web and Mobile Communication Solutions als sog. Vertiefungsrichtung. Der
Studiengang gewann also im Laufe seines Bestehens an thematischer Vielfalt. Die
Anzahl derjenigen, die sich im BID-Bereich vertieften, blieb indes in den letzten
Jahren immer relativ konstant bei etwa zehn Personen pro Jahrgang. Nach einem
Zwischenaufenthalt im Technologiezentrum Einsenstadt bezog der Studiengang im
Sommer 2003 das räumlich benachbarte neuerbaute Studienzentrum, in dem auch
alle anderen Eisenstädter Studiengänge angesiedelt sind.
In Zahlen ausgedrückt, sieht die Bilanz der acht Diplomjahrgänge folgendermaßen
aus: Die Zahl der Studienanfänger schwankte zwischen ca. dreißig und achtzig
Personen pro Jahrgang. Der überwiegende Teil der Studienanfänger kam aus dem
Burgenland oder aus benachbarten Bundesländern. Das im vierten Studienjahr ange-
Jutta Bertram
183
siedelte 18wöchige Berufspraktikum absolvierten etwa drei Viertel der Studierenden
im Inland, knapp 18% suchten sich dafür Einrichtungen in Deutschland. Die ersten
sieben Jahrgänge brachten bislang 358 Absolventinnen und Absolventen hervor,
weitere werden im Herbst folgen. Von diesen sind 221 Frauen und 137 Männer.
DER NEUE BACHELORSTUDIENGANG INFORMATIONSBERUFE
Mit Beginn des Wintersemesters 2005/06 wurde der Diplomstudiengang Informa-
tionsberufe von einem gleichnamigen Bachelorstudiengang abgelöst. Die nötigen
strukturellen Anpassungen betrafen dabei in erster Linie den modularen Aufbau
und die Verkürzung der Studienzeit um ein Jahr auf sechs Semester. Entsprechend
beginnt die individuelle Schwerpunktsetzung durch die Modulwahl nun schon im
zweiten und nicht erst im dritten Studienjahr. Inhaltlich bleiben die drei alten Ver-
tiefungsrichtungen in der Konzeption der Module weiterhin erkennbar, es wurden
aber auch neue Impulse gesetzt, beispielsweise, was den Erwerb von Fremdsprachen-
kompetenz betrifft (dazu weiter unten mehr). Die ersten vier Semester werden mit
einer Kontaktzeit von 22 Semesterwochenstunden als Vollzeitstudium absolviert,
das fünfte und sechste sind so konzipiert, daß sie auch berufsbegleitend durchlaufen
werden können. Im Interesse einer Offenheit für nicht-deutschsprechende Gaststu-
dierende wird das vierte Semester weitgehend auf Englisch unterrichtet. Der Bache-
lorstudiengang hat zur Zeit ca. siebzig Studierende (verteilt auf zwei Jahrgänge) und
schließt ab mit dem Bachelor of Arts in Social Sciences. Die Tätigkeitsfelder, für die
ausgebildet wird, zielen zum einen auf den Bereich des Bibliotheks-, Informations-
und Dokumentationswesens, betreffen zum anderen Content Management und die
Gestaltung von Informationsangeboten z.B. im Kontext der Online-Redaktion oder
sind auf das Business Information Management ausgerichtet. Der Studiengang hat
eine Kapazität von fünfzig Studienplätzen und zur Zeit jährlich ca. vierzig Studien-
anfänger, Tendenz steigend. Etwa zwei Drittel von ihnen sind Frauen.
Voraussetzung für die Zulassung zum IB-Studium ist zunächst natürlich die All-
gemeine Hochschulreife. Es gibt aber auch alternative Zugangsmöglichkeiten, etwa
eine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung (u.a. als Archiv-, Bibliotheks- und
Informationsassistent/in bzw. Fachgestellte/r für Medien- und Informationsdienste,
Buchhändler/in, Buchbinder/in, EDV-Systemtechniker/in…). In diesem Fall muß
im Laufe des ersten Studienjahrs eine Zusatzqualifikationsprüfung in Deutsch und
Englisch abgelegt werden.
Abbildung 1 illustriert die Struktur des Studiengangs. Als kontinuierliche Inhalte
ziehen sich durch die drei Studienjahre:
Schriften der VÖB 5, 181 – 190
184
Themen aus dem Bereich Gesellschaft-Kommunikation-Recht, wozu im Kern etwa
informationsethische und informationsrechtliche Fragestellungen gehören, Medien-
theorie sowie eine Grundausbildung in den Methoden der empirischen Sozialfor-
schung, aber auch Präsentationstechniken und eine Schreibwerkstatt.
Die Vertiefung bestehender Englischkenntnisse sowie das Erlernen der Grund-
lagen einer osteuropäischen Sprache für all diejenigen, die bereits über sehr gute
Englischkenntnisse verfügen. Die Studierenden haben dabei die Auswahl zwischen
Kroatisch (u.a bedingt durch die kroatische Minderheit im Burgenland, siehe oben)
und Russisch. Davon unabhängig vertiefen alle Studierenden über das gesamte
Studium hinweg ihre Englischkenntnisse.
Abbildung 1: Struktur und Ablauf des Bachelor-studiengangs Informationsberufe
Projektmanagement in Theorie und Praxis: Die Studierenden durchlaufen ein halb-
jähriges und ein einjähriges Ausbildungsprojekt mit realen Auftraggebern, einem
externen oder internen Lehrbeauftragten als Projektbetreuer und einem studenti-
schen Projektleiter. Die Projekte zielen auf die praktische Umsetzung komplexer,
fachspezifischer Aufgabenstellungen und ermöglichen zugleich die Anwendung von
Methoden und Instrumenten des Projektmanagements. Sie führen zu konkreten
Projektergebnissen und werden von den Studierenden eigenverantwortlich abge-
wickelt. Beispiele für den Gegenstand solcher Projekte sind etwa: die Entwicklung
einer Kommunikationsplattform für die Teilnehmer und Besucher der ,World Sai-
ling Games 2006’ am Neusiedler See, oder: die Evaluierung von 41 Städtewebsites
anhand eines selbst erstellten Evaluierungsleitfadens, oder: die Erstellung eines
Themen portals ‚Sprachen’ für den Wissensturm Linz.
Jutta Bertram
185
Im ersten Jahr erwerben die Studierenden zudem grundlegende Kenntnisse in
Informations- und Kommunikationstechnologien, im Management (auch im
Projektmanagement), in der Wissensorganisation und in der Informationsvermitt-
lung. Im zweiten Jahr wählen sie pro Semester drei von fünf Wahlpflichtmodulen,
die frei miteinander kombinierbar sind und in Tabelle 1 aufgelistet werden.
Tabelle 1: Die Wahlpflichtmodule im zweiten Studienjahr
3. Semester (3 von 5 Modulen) 4. Semester (3 von 5 Modulen)
Indexierung 1
(Katalogisieren und Beschlagworten für Bibliotheken)
Bibliotheksmanagement
(Geschäftsprozesse von Informations-stellen, Bibliotheksmanagement)
Indexierung 2
(Thesauruserstellung, Erschließung von Text-, Bild- und Tondokumenten, maschinelle Indexierung)
Digitalisierung
(Bestandserhaltung klassischer und Neuer Medien)
Content Management
(CM Systeme, Redaktionssysteme, Digital Asset Management)
Online Publishing
(Konzeption von Informationsangeboten, Redaktion von Inter- bzw. Intranet-Auftritten)
Business Information Systems
(Betriebliche Informationssysteme, vor allem ERP-Systeme)
Software-Implementierung
(Planung von Informationssystemen, Auswahl bzw. Entwicklung von Software)
Programmierung 1
(Einführung ins Programmieren, Web-Design, Computersicherheit)
Programmierung 2
(Weiterführendes Programmieren, Bild- und Videobearbeitung)
Im dritten und letzten Studienjahr sind in höchstens zwei Einrichtungen insgesamt
500 Praxisstunden an qualifizierter und im Idealfall projektorientierter Arbeit ab-
zuleisten – der formale Beschäftigtenstatus spielt dabei keine Rolle. In jedem dieser
Semester stehen weitere zwei Wahlpflichtmodule zur Auswahl, von denen eines
gewählt werden muß (siehe Tabelle 2).
Zudem sind im fünften und sechsten Semester – und das ist eine österreichische Be-
sonderheit – statt einer ‚großen’ zwei ‚kleine’ Bache lorarbeiten anzufertigen. In Um-
fang und Anspruch entsprechen sie in etwa einer Seminararbeit. Ihre Erstellung
findet in Lehrveranstaltungen zu wechselnden Themen statt. Pro Semester werden
vier unterschiedliche Themengruppen angeboten, zwischen denen die Studierenden
wählen können. Im kommenden Wintersemester haben die Studierenden beispiels-
Schriften der VÖB 5, 181 – 190
186
weise die Auswahl zwischen folgenden Angeboten: 1. English/Academic Writing,
2. Social Software (Web 2.0, Library 2.0); 3. IT Security, Digital Rights Management
4. Neue Wissenskulturen. Mit der Wahl der Themen für die Bachelorarbeiten, der Zu-
ordnung zu Ausbildungsprojekten, der Modulwahl und den Praktika bietet das Studium
viel Raum für die Anpassung der Inhalte an individuelle Interessen und Talente.
Tabelle 2: Die Wahlpflichtmodule im dritten Studienjahr
5. Semester (1 von 2 Modulen) 6. Semester (1von 2 Modulen)
Management von Information Services
(Elektronische Dienste von Informations-einrichtungen, z.B. Digitale Bibliothek, Fachportal)
Managementinformation
(Controlling, Berichtswesen, Management-Informationssysteme)
Management Accounting
(Grundlagen der Finanzbuchhaltung und der Kostenrechnung)
Informationsorganisation
(Informationsvisualisierung und Usability)
Die Absolventenarbeit des Studiengangs Informationsberufe
Mit dem Ziel, die IB-Absolventen stärker an den Studiengang zu binden und unter-
einander besser zu vernetzen, startete im September 2006 ein einjähriges studenti-
sches Ausbildungsprojekt. Nach einer ersten Projektphase, die der Aktualisierung und
Verifizierung des vorhandenen Adreßmaterials gewidmet war, wurden im Projekt drei
Arbeitspakete geschnürt und zu einem erfolgreichen Ende gebracht:
Erstens wurden auf der Grundlage von Leitfadeninterviews berufliche Profile von
Absolventinnen und Absolventen erstellt, die typische Berufsfelder repräsentieren.
Der zu diesem Zweck entwickelte Interviewleitfaden deckte Fragen zur Berufsein-
mündung und zum Berufsverlauf, zur aktuellen Berufstätigkeit und zur retrospek-
tiven Beurteilung des Studiums ab.[3] Diese Profile können nun unterstützend
in der Beratungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Studiengangs eingesetzt werden
– Abbildung 2 zeigt ein Beispiel.
Zweitens wurde eine Kommunikationsplattform erstellt. Dazu wurde unsere beste-
hende Lehr- und Lernform Campus IB [4] um einen Bereich für die Zielgruppe
der Absolventen erweitert, wo sie fortan ihre Daten selbst verwalten und aktuali-
sieren sowie mit anderen Absolventen in Kontakt treten können. Wie Abbildung 3
illustriert, finden sie dort neben Neuigkeiten vom Studiengang und exemplarischen
Karriereverläufen z.B. auch Jobangebote.
Jutta Bertram
187
Abbildung 2: Beispiel eines Absolventenprofils
Und schließlich wurde zum Ausklang des Studienjahrs ein Absolvententreffen or-
ganisiert, bei dem sich Studierenden und Absolventen die Gelegenheit zu einem
Wiedersehen und zum Erfahrungsaustausch bot. [5]
GEORG DUNKL
hat sein Studium im Jahr 2004 abgeschlossen
Georg Dunkl ist seit vier Jahren bei Wienerberger, dem größten Ziegelproduzenten weltweit, beschäftigt. Nach seiner Ausbildung zum Keramiker kam Georg Dunkl an die FH, da er als Eisenstäd-ter das lokale Ausbildungsangebot nutzen wollte und ein praxis-orientiertes Studium anstrebte. Über ein zweisemestriges Aus-bildungsprojekt gelangte er dann zu seinem jetzigen Arbeitgeber.
„Ich habe noch während des Studiums bei Wienerberger begonnen, das heißt, ich war zuerst Projektleiter eines einjährigen Projekts, in dem es um Konzeptarbeit für die Einführung von Wissensmanagement ging, und habe dann dort mein Prakti-kum absolviert, was aber bereits eine Vollbeschäftigung bedeutete.“ Georg Dunkl ist Teamleiter der Abteilung ,Information Services’, die auf seine Initiative hin ge-gründet wurde. Zu seinem Aufgabenbereich als interner Informationsdienstleister zählen dasDesign und die Administration von Informationssystemen auf IT-Basis. „Konkret bin ich verantwortlich für das ,Technische Controlling’, dessen Anwen-dungsbausteine ich maßgeblich mitge stalte. Es handelt sich dabei in erster Linie um ein Produktionscontrollingsystem. Darüber hinaus betreue ich unterstützend die ‚Wienerberger Knowledgebase’, ein Wissensmanagement-Werkzeug, in dem Mitarbeiter-, Projekt- und Fachinformationen zu einem so genannten ,Wissensnetz’ verknüpft werden.“ Georg Dunkls Berufsalltag ist mit viel Entwicklungs- und Kon-zeptarbeit verbunden. „Man nimmt über eine solche Position auch eine gewisse Koordinatorrolle ein, in der man Anforderungen, die intern oder extern an das Unternehmen herangetragen werden, mit seinen Informationssystemen bereichs-übergreifend unterstützt.“ Mit seinem Studium verbindet er „aus heutiger Sicht betrachtet eine komplett unproblematische, einfache, lockere Zeit, in der ich viel lernen durfte.“ Die Qualitäten des Studiengangs sieht er in der guten Vernetzung und einem Repertoire häufig sehr guter Lehrbeauftragter. Sein Tipp an angehende Studentinnen und Studenten: Ein klares Ziel vor Augen haben, um sich besser aus jeder Lehrveranstaltung das herausnehmen zu können, was man selber später einmal brauchen kann. Denn gerade bei einer generalistischen Ausbildung, wie sie der Studiengang IB bietet, ist es wichtig, selbst Schwerpunkte zu setzen.
Schriften der VÖB 5, 181 – 190
188
Abbildung 3: Eine Seite der neu geschaffenen Absolventen-Plattform
DER NEUE MASTERSTUDIENGANG ANGEWANDTES WISSENSMANAGEMENT
Der Studiengang Angewandtes Wissensmanagement nahm zeitgleich mit dem
Bachelorstudiengang seinen Betrieb auf, also im Wintersemester 2005/2006. Im
Rahmen des Masterstudiums finden zwei Schwerpunkte besondere Berücksichti-
gung: Zum einen die Organisation und Verwaltung von explizitem Wissen mit Hilfe
von Dokumenten- bzw. Content-Management-Systemen, zum anderen die Online-
Moderation von Communities of Practice mit Hilfe von Kommunikationsplattfor-
men. Der Studiengang dauert vier Semester. Er ist berufsbegleitend angelegt und
gründet sich auf das Konzept des Blended Learning: Bei einer Kontaktzeit von 18
Semesterwochenstunden werden 50% der Lehreinheiten in Fernlehre absolviert, die
größtenteils mittels eLearning über eine zentrale Lehr- und Lernplattform abgewik-
kelt wird. Der Präsenzunterricht findet alle 14 Tage jeweils freitag nachmittag und
samstags ganztägig statt. Der Studiengang ist prinzipiell mit der gleichen Anzahl
von ECTS pro Studienjahr wie der Bachelorstudiengang konzipiert (nämlich 60),
aber eben mit einem entsprechend größeren Anteil an Fernstudienelementen. Die
Zulassungsvoraussetzung ist der Abschluß eines mindestens dreijährigen Studiums
Jutta Bertram
189
an einer Fachhochschule, Universität, Pädagogischen Akademie oder Sozialakade-
mie. Der Abschluß lautet Master of Arts in Business
Der Studiengang war ursprünglich auf zwanzig Studienanfänger ausgelegt. Nachdem
die Anzahl der Bewerbungen diese Kapazität jedoch bereits im Gründungsjahr um
ein Vielfaches überstieg, wurde er kurzerhand auf 35 Studienplätze aufgestockt. Der
erste Jahrgang befindet sich derzeit in der Studienabschlußphase. 15 Teilnehmer
haben ihr Studium im Juni dieses Jahres erfolgreich beendet, weitere 14 werden
voraussichtlich im Herbst folgen. Etwa die Hälfte der Teilnehmer am Masterstudi-
engang weist eine pädagogische Erstqualifikation auf – viele von ihnen arbeiten als
Volks- oder Hauptschullehrer.
Wie aus Abbildung 4 hervorgeht, läßt auch das Masterstudium Raum zur Schwerpunkt-
setzung gemäß individueller Bedürfnisse. Zudem ist es durch einen hohen Praxisanteil
gekennzeichnet. Im ersten Semester durchlaufen die Studierenden eine Grundausbil-
dung, im zweiten Semester folgen praktische Projektarbeit, Management, Wissensma-
nagement-Konzepte und eLearning, das im Studium zugleich als Methode und Inhalt
fungiert. Im dritten Semester stehen Instrumente für das Wissensmanagement, Medien-
didaktik und konzeptionelle Überlegungen für die Diplomarbeit auf dem Programm.
Flankiert von Modulen zu fortgeschrittenen Instrumenten der Wissensorganisation und
Community Management wird die Diplomarbeit im vierten Semester fertiggestellt.
Abbildung 4: Struktur und Ablauf des Masterstudiengangs Angewandtes Wissensmanagement
AUSBLICK
Bilanziert man die Umstellung des Diplomstudiengangs auf das Bachelor-/Master-
System, so kann festgehalten werden, daß sich die neuen Studiengänge gut angelas-
Schriften der VÖB 5, 181 – 190
190
sen haben und allmählich in ihre Konsolidierungsphase treten. Der Bachelorstudien-
gang hat steigende Bewerberzahlen zu vermelden und im Masterstudiengang fällt die
erstaunlich niedrige Abbrecherquote bei zugleich immens hoher Arbeitsbelastung
auf, die für eine hohe Motivation der Studierenden spricht. Von 40 Studienanfänge-
rinnen und -anfängern des zweiten Jahrgangs haben nach Ablauf der ersten beiden
Semester lediglich vier das Studium vorzeitig beendet. Einige Teilnehmer des Pio-
nierjahrgangs haben noch während des Studiums eine neue berufliche Perspektive
entwickelt und umgesetzt, andere haben eine neue Weichenstellung innerhalb der
eingeschlagenen beruflichen Pfade vorgenommen.
Was die Zukunft angeht, so gibt es Überlegungen, den Bachelorstudiengang um
eine berufsbegleitende Variante zu ergänzen und damit zugleich neue Zielgruppen
zu erschließen: Z.B. ist an eine Öffnung für Personen gedacht, die bereits im BID-
Bereich (vor allem in öffentlichen Bibliotheken) arbeiten und auf dem Wege eines
Studiums eine formale Qualifikation für ihre Tätigkeit nachholen wollen. Zudem ist
an eine Ausweitung der Studieninhalte des Bachelorstudiums in Richtung auf Online-
Journalismus und Online-Redaktion gedacht, da es für diese Inhalte an Österreichs
Fachhochschulen bislang keine berufsbegleitenden Ausbildungsangebote gibt.
ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 16.07.2008)
1 http://www.ib.fh-burgenland.at
2 http://www.aw.fh-burgenland.at
3 Den Interviewleitfaden stellen wir bei Bedarf gerne zur Nachnutzung zur Verfügung.
4 http://campusib.fh-burgenland.at
5 Ein herzlicher Dank geht an dieser Stelle noch einmal an das 10köpfige Projektteam,
bestehend aus Christian Dorn, Angelika Halbauer, Nicole Jursitzky, Julia Kantner (Pro-
jektleitung), Barbara Meyerhofer, Michael Pfalz, Jeannine Rybin, Christin Scharaditsch,
Gerda Wegleitner und Andrea Weiß.
ADRESSE DER AUTORINDipl. Soz. Jutta Bertram
Fachhochschulstudiengänge Burgenland
Campus 1, 7000 Eisenstadt
E-Mail: jutta.bertram@fh-burgenland.at
http://www.fh-burgenland.at/
Jutta Bertram
191
ABSCHLIESSENDER FESTVORTRAG
LIS EDUCATION IN EUROPE: CHALLENGES AND OPPORTUNITIES
SIRJE VIRKUS
ABSTRACT
In the last two decades an increasing interest in internationalization has been evident
in library and information science (LIS) education in Europe. However, quite recently
expansion and intensif ication of collaborative initiatives can be identif ied; European
LIS schools have started to participate more actively in joint activities to respond to the
challenges of globalization, to improve, innovate and strengthen the LIS curricula and
courses to serve the changing needs of students and the global employment market, and to
meet the international standards of quality in teaching, research and services. This paper
examines current trends and developments in higher education and the responses of library
and information science education to these changes. The overview is based on literature
reviews and personal observations and involvement.
INTRODUCTION
European library and information science (LIS) higher education (HE) is a part of the
European Higher Education Area (EHEA) and changes and challenges in European
HE influence also LIS education and its community. In the last two decades an
increasing interest towards academic collaboration has been evident in LIS education
in Europe. However, quite recently expansion and intensification of collaborative
initiatives can be identified; European LIS schools have started to participate more
actively in joint activities to respond to the challenges of globalization, to improve,
innovate and strengthen the LIS curricula and courses to serve the changing needs of
students and the global employment market, and to meet the international standards
of quality in teaching, research and services.
This paper describes the collaboration in LIS education in Europe. The paper is
structured into four parts. The first section provides the context for the European
LIS education and examines current trends and developments in European HE in
the context of the Bologna Process. The second describes the profile of LIS education
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192
in Europe. The third reviews the collaboration in LIS education in Europe and the
fourth highlights the challenges, opportunities, and barriers. The overview is based
on literature reviews and personal observations and involvement and presents a
selective review.
CONTEXT FOR EUROPEAN LIS EDUCATION
Changes and challenges in European HE refer to what is commonly known as
the Bologna Process. The Bologna Process is the product of a series of meetings of
ministers responsible for HE at which policy decisions have been taken in order to
establish an EHEA by 2010. In June 1999 twenty nine European ministers signed
the Bologna Declaration and committed their governments and their countries to
create the EHEA by 2010. This declaration became the primary document used by
the signatory countries to establish the general framework for the modernisation
and reform of European HE; the process of reforms came to be called the Bologna
Process (Eurydice, 2007).
The action programme set out in the Declaration is based on a clearly defined common
goal, a deadline and a set of specified objectives. The goal is the creation, by the year
2010, of the EHEA in order to enhance the employability and mobility of citizens
and to increase the international competitiveness of European HE. A set of specified
objectives in the Bologna Declaration includes: a) adoption of a system of easily
readable and comparable degrees; b) implementation of a system based on two main
cycles, undergraduate and graduate; c) establishment of a system of credits (such as
European Credit Transfer System (ECTS); d) promotion of the mobility of students,
teachers and researchers; e) promotion of European cooperation in quality assurance,
and f ) promotion of European dimension in HE. Thus, the Declaration is a key
document which marks a turning point in the development of European HE.
The goals of the Bologna Declaration, through a set of policy measures were
later reinforced and expanded[1]; for example, The Prague Communiqué (2001)
emphasised three elements of the Bologna Process: a) promotion of lifelong learning,
b) involvement of HEIs and students as active partners, and c) enhancement of
the attractiveness of the EHEA. The Berlin Communiqué (2003) emphasised
certain priorities for the next two years: a) development of quality assurance at
institutional, national and European levels, b) the implementation of the two-cycle
system, c) recognition of degrees and periods of studies, including the provision of
the Diploma Supplement automatically and free of charge for all graduates as of
2005, d) elaboration of an overarching framework of qualifications for the EHEA,
Sirje Virkus
193
e) inclusion of the doctoral level as the third cycle in the Bologna Process, and f )
promotion of closer links between the EHEA and the European Research Area
(ERA). In the Bergen Communiqué (2005) the priorities for 2007 included: a)
reinforcing the social dimension and removing obstacles to mobility, b) implementing
the standards and guidelines for quality assurance, c) implementing national
frameworks of qualifications, d) awarding and recognising joint degrees, and e)
creating opportunities for flexible learning paths in HE, including procedures for
recognition of prior learning. The Bergen Conference also marked the adoption
of the Standards and Guidelines for Quality Assurance in the EHEA (Eurydice,
2007).
Over the next two years the focus will be in particular on the following action
lines: mobility of students and staff, social dimension, data collection, employability,
stocktaking and EHEA in a global context (London Communiqué, 2007). However,
Winckler (2007: 5) points out that the cultural impact of the Bologna Process has
often been underestimated and that there remains much work to be done throughout
society, and that the EHEA will continue to be “work in progress” well beyond 2010.
As the 2010 deadline set for the realisation of the EHEA approaches, there has been
enormous change in European HE. Trends V report contains significant findings on
the implementation of Bologna reforms and also on the attitudinal shift that has
taken place across the HE sector (Croisier et al, 2007: 16).
The Bologna Process has influenced as well as supported significantly international
collaboration and cooperation at all levels. Clark (2007) notes that there has been
also a shift towards collaboration and cooperation in the language used in official
Bologna communications and documents; for example, buzz words from early
declarations such as ‘competitiveness’ and ‘attraction’ have been replaced in more
recent communiqués with terminology such as ‘cooperation,’ ‘partnership’ and
‘exchange’.
However, EU authorities have supported academic collaboration with the help
of the EU action programmes long before the Bologna Process started. For the
period 2007-2013 many different programmes are all being brought within the
common framework of the new Lifelong Learning Programme (LLP) (ETUI-
REHS, 2007).
The Bologna Process has grown from 29 countries in 1999 to 46 countries today
and has extended beyond the geographic borders of Europe. Cooperation with other
continents is now very much part of the Bologna agenda and is supported through
a series of bilateral programmes (Virkus, 2007).
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194
PROFILE OF LIS EDUCATION IN EUROPE
According to Borup Larsen (2005: 232), there are approximately two hundred institutions
of LIS education in Europe. The LIS field is characterized by a great diversity and
complexity. The diversity is found in traditions, approaches, models, program structures,
levels, placements, the duration of courses, thematic profiles of curricula, the content of
courses, ways of teaching and assessment, and other factors (Borup Larsen, 2005).
Most typically LIS schools function as a department within a specific faculty or as a
programme within a specific department; few institutions function as an independent
faculty/department or as an independent academic institution. LIS educational units
most often belong to Arts and Humanities, Social Sciences, Communication and
Media, Business Management, and Computer Science, followed by other disciplinary
affiliations. The most typical number of students enrolled is between 51-600 students
per school; the larger academic institutions have approximately one thousand students
and many LIS schools have less than 200 students enrolled. The number of full time
staff members is most typically between 11-20 employees (Borup Larsen, 2005).
European LIS education has gradually moved from vocational education to academic
HE. Audunson (2005) distinguishes between the discipline-oriented and profession-
oriented approach taken by European LIS schools. However, the institutional
affiliation, approach as well as conceptual, theoretical, and methodological perspectives
influence the way how teaching and learning is organized. There is also great diversity
in the curricula content (Virkus, 2007).
There have been several discussions at European level what is the core of LIS and
what the LIS curriculum should include. Wilson (2001) suggests that “information
studies” may be seen as resulting from the interactions among four fields: (1)
information content; (2) information systems; (3) people; and (4) organizations.
Audunson (2005) summarises the conclusions of the Nordic working group who
agreed upon four elements which should be a part of any LIS-education:
• A thorough understanding of knowledge organization and retrieval, and the principles
and theories lying behind systems for knowledge organization and retrieval.
• Knowledge of the content to be acquired, organized and mediated (cultural and
literary knowledge).
• Epistemology and theory of knowledge in order to be able to critically analyze
the epistemological pre-suppositions of different systems.
• Students’ capabilities to understand and analyse LIS-institutions and LIS-practice
in a broader social context should be developed.
Sirje Virkus
195
The project LIS Education in Europe: Joint Curriculum Development and Bologna
Perspectives [2], supported by the EU Socrates Erasmus programme, was analysing
ten curricular themes within LIS curricula in Europe. The Table 1 represents the
results of 47 responding LIS schools.
Table1. LIS themes ranked as core subject areas in LIS school curricula (Borup Larsen, 2005: 235)
Curricula Theme
Number of responding
schools%
Information seeking and information retrieval 47 100%Library management and promotion 38 81%Knowledge organization 31 66%Knowledge management 23 49%Information literacy and learning 21 45%The information society: Barriers to the free access to information
21 45%
Library and society in a historical perspective 18 38%Cultural heritage and digitalization of the cultural heritage
9 19%
The library in the multi-cultural information society: International and intercultural communication
6 13%
Mediation of culture in a special European context 3 6%Total 47
Differences in the European LIS field arise from historical, cultural, social, economic
and political factors as well as from educational traditions, practices and regulatory
systems in a country (Kajberg, 2003). This diversity has both positive and negative
aspects. Audunson (2005) believes that the pluralism is a strength that future scientific
and professional developments should be built upon. Kajberg (2006) also agrees that
cultural diversity and the variety of educational traditions in LIS represent a valuable
resource in international cooperation.
However, Clyde (1998) and Kajberg (2003) are concerned that the diversity hampers
transparency and student mobility, and presents obvious difficulties to intentions of
working together and organizing joint programs. The findings of the study of Borup
Larsen (2005: 236), however, provide evidence that LIS programmes in Europe are
fundamentally on the same academic level and LIS schools fulfil a basic requirement
for participation in collaborative activities.
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196
COLLABORATION IN LIS EDUCATION IN EUROPE
Although collaboration has been a quite desirable goal in LIS education for many
years, very little is known about the way how European LIS schools are actually
collaborating, which attributes contribute to collaborative activities and how it is
influencing LIS schools and their activities (Kajberg, 2003).
However, increased attention to collaborative activities in the LIS literature can be
noticed during the last five years, mainly in the context of internationalization of
HE. Several seminars and workshops on internationalization have been arranged by
European LIS educators or with their involvement; for example, in North Carolina at
Chapel Hill (2002), Parma (2002), Tallinn (2006) and New Orleans (2006) (Kajberg,
2003; Abdullahi et al, 2007).
Discussions on collaborative activities in European LIS education have focussed
on the role of associations and networks, EU projects and support schemes, joint
international programmes or courses, including ICT-based courses, and joint doctoral
programmes. There are also many institutional case studies and several overviews
which cover two or more of these aspects or focus on collaborative activities in the
specific region.
In the European LIS literature two arrangements are more frequently mentioned:
the European Association for Library and Information Education and Research
(EUCLID) and BOBCATSSS, a yearly international symposium arranged under
the auspices of EUCLID.
EUCLID, established in 1991, is an independent European non-governmental
and non-profit organisation whose purpose is to promote European cooperation
within LIS education and research and to provide a body through which it can be
represented in matters of European interest. According to its webpage, EUCLID
aims to facilitate exchange of students and staff among the members, encourage
mutual recognition of curricula or parts of curricula, develop cooperation on research
projects and with other international organizations, exchange mutual information
about development in curricula and research, arrange meetings about the topics
of organization, encourage support from stronger to weaker members, represent
the membership in relation to European and international bodies, undertake other
activities of interest of the Association, maintain an archive of the Association’s
documentation, and publish a newsletter. The EUCLID’s directory lists seventy
one member institutions [3] and it seems that the association is extending beyond
European boarders; for example, institutions from Australia, Bangladesh and Brazil
Sirje Virkus
197
are also members. During the last five years, the EUCLID has developed a number
of successful initiatives that encourage collaboration.
BOBCATSSS is a symposium organized every year by LIS students of two European
universities, one from CEE and one from Western Europe. The initial aim of the
BOBCATSSS was to enhance collaboration between students and professionals in
CEE and Western Europe. Teams of students plan and realize both the content and
the management of the symposium as a part of their studies. The name BOBCATSSS
is an acronym, which is composed of the initials of the cities of HEIs that initiated the
BOBCATSSS symposium in 1993: Budapest, Oslo, Barcelona, Copenhagen, Amsterdam,
Tampere, Stuttgart, Szombately, and Sheffield. Other European LIS schools have joined
the network later. Since 1993, the symposium has been held in different locations in
Eastern Europe. BOBCATSSS is regarded as a successful, innovative and very visible
collaborative effort in European LIS education (Abdullahi & Kajberg, 2004).
European LIS educators participate also in other collaborative initiatives and
networks in Europe as well as internationally; the International Federation of Library
Associations and Institutions (IFLA), European Network for Information Literacy
(ENIL) and European Association of Distance Teaching Universities (EADTU)
are just few examples. These organisations and networks provide an opportunity for
LIS educators for discussions and professional activities as well as for presentations
in their seminars, workshops, conferences and meetings.
The EU Socrates Erasmus programme is frequently mentioned in the LIS literature
and it seems that many European LIS schools have benefited from the Erasmus
grants. Other highlighted programmes are Tempus and NORDPLUS, a scheme for
HE institutions in the Nordic countries.
Project LIS Education in Europe: Joint Curriculum Development and Bologna Perspectives
mentioned earlier [2], is regarded as very successful by many LIS educators in Europe.
The idea behind the project goes back to the EUCLID conference Restructuring
and Adapting LIS Education to European Standards in Thessaloniki in 2002. In
Thessaloniki the need to implement the intentions of the Bologna Declaration
in the field of LIS education was highlighted. The follow-up conference Coping
with Continual Change - Change Management in Schools of Library and Information
Science was organized in Potsdam in 2003. As a result, a joint project proposal was
formulated and applied for funding within the EU Socrates programme. The overall
focus of the project was on reflections on LIS curricula in order to stimulate the
European debate and collaboration between the LIS schools on the implementation
of the objectives of the Bologna Declaration (Kajberg, 2006).
Schriften der VÖB 5, 191 – 204
198
The project application was successful and in June 2004 twelve virtual discussion
groups were formed focusing on a specific LIS curricular theme. The project steering
group invited twelve LIS curricular experts as group leaders. Each group leader
nominated four core experts within their curricular theme taking into account
geographical representation. Additional experts were invited to the virtual discussion
groups. It was envisaged that each virtual discussion groups would have at least 8-10
members. However, in reality some discussion groups had a quite limited number of
participants while some groups consisted of twenty members. Each group explored
a specific LIS curricular theme from January to August 2005 and submitted a brief
report on its work. In August 2005, the core experts of each group, altogether fifty
LIS professionals, met in Copenhagen and discussed the possibilities of European
LIS curriculum development in a workshop. As a result of the virtual discussions and
workshop in Copenhagen the material was generated for the final e-book[4].
In the framework of this project a questionnaire-based survey was carried out by
Jeannie Borup Larsen (2005) to gather information on European LIS schools. The
survey results provide an overview of organisational affiliations, curriculum contents,
a number of staff and student enrolments of fifty European LIS schools. A more
detailed overview of the project is provided by Kajberg (2006) and Lørring (2006).
Kajberg (2003) believes that joint curriculum, course or module development is a
more ambitious and resource demanding way of collaboration. However, there are
several examples of good practice. One of the earliest initiatives seems to be the MSc
course on Information Management offered jointly by the University of Sheffield
(UK) and the Laboratório Nacional de Engenharia e Tecnologia Industrial (LNETI)
in Lisbon (Portugal) (Kajberg, 2003). Kajberg & Pors (1995) report the initiative
of the Royal School of Library and Information Science to deliver a three-month
course on Access to Information during the autumn term 1994 together with the
Technological Educational Institution of Thessaloniki in Greece and Loughborough
University, University of Sheffield, and the Robert Gordon University in UK.
Other examples include collaboration between Oulu University (Finland) and the
University of North Carolina at Chapel Hill (USA), the Tallinn University (Estonia)
and Gjøvik College (Norway), Parma University (Italy) and Northumbria University
(UK) (Iivonen et al, 2001, Virkus & Sponberg, 1999, Dixon & Tammaro, 2003).
More recently a joint master programme on Digital Library Learning (DILL)
between Oslo University College (Norway), Parma University (Italy) and Tallinn
University (Estonia) has got support in the framework of the EU Erasmus Mundus
programme. The first semester is offered in Oslo, the second semester in Tallinn
Sirje Virkus
199
and the third semester in Parma. Students can choose to write their Master Thesis
at either of the three partner institutions. The students will acquire a joint Master
Degree (120 ECTS), recognised by the Consortium partners. The DILL will start
this August with a summer school in Oslo.
Joint research is also an important way of collaboration. The results of the survey
carried out by Kajberg (2003) showed that joint research is fairly common in
European LIS schools.
One more field in the LIS literature where collaboration and cooperation is
highlighted is quality assurance. Promotion of European cooperation in quality
assurance is also an important objective of the Bologna Declaration. Audunson
(2005) believes that the Bologna-process opens up for real and substantial quality
improvements in LIS. There are no institutionalized and recognized European level
accreditation and quality assurance procedures in LIS education; the process normally
relies on national level accreditation bodies and mechanisms (Kajberg, 2006).
Kajberg (2003) concludes that in general European LIS schools have been very
slow in arranging cross-country partnerships and there are no convincing results
of collaboration. There are few initiatives that go beyond the small-scale student
mobility and examples of European LIS schools’ projects concerned with the
development of joint degree programmes, joint modules, intensive courses and e-
learning activities are scarce. It should be said, however, that the Bologna Process
as well as EC collaborative support schemes create a very favourable framework for
collaboration. LIS institutions respond to the particular challenges and opportunities
presented by the changing context in a range of ways; for example, some have
put more emphasis on mobility or research, others on curriculum or joint course
development, and others on ICT-based learning or arrangement of workshops,
seminars and conferences (Virkus, 2007).
CHALLENGES, OPPORTUNITIES AND BARRIERS
Globalization presents many challenges and opportunities for HE institutions
around the world. Collaboration itself is a challenge and also an opportunity.
Beerkens (2004: 73) indicates that universities operate in a specific regulatory,
social and cultural context which is influenced by many factors: at the national
level, by public and regulatory pressures and sector-wide norms; at the university
level, by organisational culture, climate and politics; and at the individual level by
norms, values and professional and academic standards and routines. In successful
Schriften der VÖB 5, 191 – 204
200
collaboration, partners need to be complementary in their resource bases, but they
also need compatible backgrounds.
Existing literature points to many benefits of collaboration. Beerkens, (2004: 94)
believes that international collaboration and cooperation affects the quality of
teaching, research, organisation and management, the socio-economic development
of the region, the competencies of the graduates, the reputation of the university, the
enrolment of students, and the university’s access to funding. Thus, it is a growing
imperative to collaborate in order to meet international standards of quality in
teaching, research and services. European HE institutions are facing common
challenges related to the growth and diversification of HE, the growing demand
for education and training in a lifelong learning perspective, the shortage of skills in
many key areas, the employability of graduates as well as the expansion of private and
transnational education. However, these challenges might also be the opportunities
and sometimes also barriers.
In the European LIS literature the diversity, complexity and incompatibility of
institutional structures and regulatory systems are often highlighted as obstacles as
well as challenges to collaboration. Several authors point to the administrative and
legal problems in collaborative activities ( Johnson, 2000; Berger, 2002; Dixon &
Tammaro, 2003). Declining public funding and scarcity of funds is an issue that is
frequently mentioned. Kajberg (2002) notes that lack of financial resources makes LIS
institutions moderate their international aspirations and may stop many initiatives.
Linguistic and didactic problems are presenting also obstacles to collaboration
(Berger, 2002). Berger (2002), Dixon & Tammaro (2003) also draw attention to
cultural issues, different traditions, mentalities and interests.
An important challenge for European LIS education is to prepare students to the
global employment market. Employers need employees with deep professional as
well as international competencies and experiences. Audunson (2005) suggests that
profound ICT-competency and a profound understanding of the librarians’ role in a
multicultural context is the sine qua non of every educational program in LIS today.
Thus, globalization has implications for the content of curricula, teaching, learning
and delivery methods, staff competences and quality.
The use of ICT for collaboration as well as for enhancement of educational processes
presents challenge to LIS educators as well. Kajberg (2003: 40) notes that a few
schools use the possibilities of modern ICT for collaboration, and LIS-specific e-
learning across geographical boundaries is more than difficult to spot in Europe. In
order to survive in our post-modern society these possibilities can not just be ignored
Sirje Virkus
201
by LIS educators. There are many tools for collaboration, course delivery or just for
making teaching and learning more exciting; Skype, Citeulike or Second Life are
just few examples.
Terminology is also an obstacle to collaboration. Many authors have expressed a
concern about the way the LIS educators in Europe use the terms. The same terms do
not always relate to the same things or curricular content (Borup Larsen, 2005) and
“such a loose use of scientific terms is not healthy from a scientific and educational
point of view” (Broughton et al, 2005: 141). Widén Wulff et al (2005: 126) find it
extremely important to use as coherent terminology as possible in our field, because it
is suffering from too many vague definitions and connections to adjacent areas. Borup
Larsen (2005: 240) propose the way to cope with this dilemma in encouraging further
work on the profile and contents of European LIS programmes and developing a
disciplinary framework that seeks to identify the common understanding of terms.
Several authors have noted (Kajberg, 2003; Borup Larsen, 2005) that the manner in
which LIS schools are visible on the Web presents another problem for collaboration.
Some schools have quite impressive homepages with all information needed for
students’ exchange or collaboration. However, other institutions’ Websites present
curricular information in a very confusing way; it makes it extremely difficult to
advise students about the planning of study periods in other countries. Borup Larsen
(2005: 233) notes: “… many [homepages] were not translated into English, updated
or containing correct contact information. Of the 154 homepages, where the national
language was not English, only 75 were in some degree translated into English”.
New partnerships outside the LIS field, outside the university and Europe present
challenges as well. There are many opportunities for joint working, learning, teaching
and research (Virkus, 2007)
CONCLUSIONS
In our modern society, hardly any field can make progress without international
collaboration. Collaborative activities in Europe have increased enormously over the
last decades. This increase has been stimulated by the Bologna Process as well as by
EC collaborative support schemes that have created a very favourable framework
for collaboration. The legal, political, social and cultural differences, however,
between countries and organisations raise significant obstacles in collaboration and
cooperation. Some observers believe that LIS schools in Europe have been very
slow to form cross-country partnerships. However, LIS schools have responded to
Schriften der VÖB 5, 191 – 204
202
the particular challenges in a range of ways; for example, some schools put more
emphasis on mobility or research, others on curriculum or joint course development,
and others on ICT-based learning or arrangement of workshops, seminars and
conferences.
European LIS schools are facing common challenges related to the growth and
diversification of HE, the growing importance of lifelong learning, the shortage
of skills in many areas, the employability of graduates and the expansion of private
and transnational education. Other challenges include the innovative use of ICT
in education, coherent use of terminology, visibility on the Web, and forming
new partnerships. To collaborate successfully we need a favourable collaborative
framework and a highly collaborative culture.
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REMARKS1 Every second year the Ministers meet to measure progress and set priorities for action.
After Bologna (1999) they met in Prague (2001), Berlin (2003), Bergen (2005) and
London (17-18 May 2007). They will meet again in Leuven/Louvain-La-Neuve (May
2009).
2 Project homepage: http://www.db.dk/LIS-EU/index.asp
3 http://euclid.hio.no
4 The e-book “European Curriculum Reflections on Library and Information Science
Education” is accessible at http://biblis.db.dk/Archimages/423.12.05.pdf
AUTHOR’S ADDRESSProf. Sirje Virkus
Head of the Department of Information Studies, Tallinn University
Narva Road 25, 10120 Tallinn
Estonia
E-Mail: sirvir@tlu.ee
Homepage: http://www.tlu.ee/~sirvir/kodu.htm
Sirje Virkus
BEREITS ERSCHIENEN SIND:
ZUGANG ZUM FACHWISSEN – ODOK ‘05 Schriften der VÖB – Band 1 220 Seiten, 2007, Broschur
ISBN 978-3-85376-281-3
WA(H)RE INFORMATION - BIBLIOTHEKARSTAG ‘06 Schriften der VÖB – Band 2 317 Seiten, 2007, Broschur
ISBN 978-3-85376-282-0
TERSCH Harald, SCHREIBKALENDER UND SCHREIBKULTUR Schriften der VÖB – Band 3 120 Seiten, 2008, Broschur
ISBN 978-3-85376-283-7
KAUFER Marion, ERWERBUNGSPROFILE IN WISSENSCHAFTLICHEN BIBLIOTHEKEN Schriften der VÖB – Band 4 91 Seiten, 2008, Broschur ISBN 978-3-85376-284-4
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