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Integration von Jugendlichen mit chronischen
Erkrankungen und Behinderungen
Strategien der Ausbildungsförderung
aus Sicht des Ärztlichen Dienstes der
Bundesagentur für Arbeit
Dr. med. Helmut Wallrabenstein Leitender Arzt, Regionalverbund Nord des Ärztlichen Dienstes
Seite 2
Arbeitslosigkeit und Gesundheit
Mehr als 40 % der Arbeitslosengeld-II-Empfänger („Hartz IV“) weisen nach eigener Einschätzung schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen auf. (Vergleich Erwerbstätige : 19 %)
Mehr als jeder dritte Leistungsbezieher nach SGB II (TK 2006 / AOK 2009: 37 %) weist innerhalb eines Jahres eine ärztlich festgestellte psychiatrische Diagnose auf
Weitgehende Angleichung der Gesundheitssituation von Langzeitarbeitslosen an die von Nichtleistungsempfängern nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
Quelle: IAB-Kurzbericht 23/2014, IAB-Forschungsbericht 12/2013
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
Seite 3
Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben -
Rehabilitanden
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
Seite 4
Austritte von Rehabilitanden aus Fördermaßnahmen
der BA 2013
Insgesamt 84.486 Maßnahmen zur Ersteingliederung, davon:
ca. 20.000 BvB (Berufsvorbereitung)
ca. 10.000 reha-spezifische Ausbildungsmaßnahmen mit
anerkanntem Abschluss - Eingliederungsquote 35%
ca. 10.000 Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich WfbM
ca. 3.600 Eignungsabklärung/Berufsfindung
ca. 2.500 Eingliederungszuschuss für behinderte und
schwerbehinderte Menschen – Eingliederungsquote 75%
Gesamtaufwendungen der BA für Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben 2013: 2,43 Mrd. €
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
Seite 5
Besonderheit: Lernbehinderung
§ 19 SGB III, Behinderte Menschen: (1) Behindert im Sinne dieses
Buches sind Menschen, deren Aussichten, am Arbeitsleben
teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer
Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 des Neunten Buches nicht nur
vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur
Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich
lernbehinderter Menschen.
Seite 6
Besonderheit: Lernbehinderung
ICD 10: Keine spezifische Diagnose bzw. Definition
F81.0- Lese-/Rechtschreibschwäche
F81.2- Rechenstörung
F81.9- Entwicklungsstörung schulischer Fähigkeiten, nicht
näher bezeichnet
„Es gibt kein eindeutiges Merkmal, das Lernbehinderte als in
sich geschlossene Gruppe von Nicht-Lernbehinderten
unterscheiden lässt. Eine Lernbehinderung ist oft mit
Verhaltensproblemen, Sprachauffälligkeiten oder
Hörbehinderungen verbunden und kann sich sekundär aus
diesen primären Beeinträchtigungen entwickeln“ (Baier, 1982)
BA-Definition: „Langandauernde und umfassende Lern-und
Leistungsschwäche, die zu einer wesentlichen beruflichen
Integrationserschwernis führt“
Oftmals fließende Übergänge zu geistiger oder psychischer
Behinderung
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
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Rehabilitanden nach Art der Behinderung
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
Psychisch 15%
Neurologisch 2%
Lernbehinderung 57%
Geistig 16%
Sehbehinderung 1%
Hörbehinderung 2%
Beh. d. Stütz- u. Beweg.apparates
4%
Organisch 2% Sonstige
Behinderung 1%
Ersteingliederung 2010
Seite 8
Rehabilitanden nach Art der Behinderung
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
Psychisch 31%
Neurologisch 4%
Lernbehinderung 2%
Geistig 3%
Sehbehinderung 3% Hörbehinderung
2%
Stütz- u. Bewegungs-
apparat 41%
Organisch 10%
Sonstige Behinderung
4%
Wiedereingliederung 2010
Seite 9
Junge Rehabilitanden zwischen Schule und
Erwerbsleben
30% ohne allgemeinen Schulabschluss (Vergleich: 7,3% aller
Schulabgänger)
17% verfügten über eine anerkannte Schwerbehinderung
1/3 wies eine Multimorbidität auf, aber:
2/3 fühlten sich durch ihr gesundheitliches Handicap in ihrer
Ausbildungsfähigkeit nicht beeinträchtigt
75% befanden sich innerhalb von 5 Jahren nach Schulentlassung
in einer Erwerbstätigkeit
Quelle: Empirische Befunde aus IAB-Panelbefragung von Rehabilitanden 2007 und 2008, IAB-
Forschungsbericht 14/2012
Seite 10
Die Bundesagentur für Arbeit…
berät
fördert
• Leistungen zum Lebensunterhalt + Sozialversicherungsbeiträge Alg bei Weiterbildung, Alg II, BAB-Reha, ABG, ÜBG
• Reisekosten Fahrkosten (Pendelfahrten, An- und Abreise, Familienheimfahrten, Übernachtungskosten)
• Kraftfahrzeughilfe
• Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten
• Maßnahmekosten u.a. Kosten der Maßnahme, Lernmittel, Prüfungsgebühren
• Im Rahmen von Weiterbildung auch medizinische, psychologische und
pädagogische Hilfen
• Leistungen an Arbeitgeber (u.a. Ausbildungszuschuss, technische Hilfen)
vermittelt
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Seite 11
Welcher Weg ist der Richtige?
Abhängig von
Eignung
Neigung
Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt
Es gibt nicht den einen Weg, der für alle richtig ist!
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Seite 12
individuell
Stabiler Berufswunsch
Integrations- wahrscheinlichkeit
mit der
höchsten
realisierbaren Berufs/Tätigkeit
=
auf Basis des/der
Profiling durchführen
Zielberuf/Zieltätigkeit in der Rehabilitation festlegen Das Profiling ist grundsätzlich auf den Zielberuf, die Zieltätigkeit
auszurichten.
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Seite 13
Flexibilität
Kreativität
Lernbereitschaft
Sorgfalt/ Genauigkeit
Zuverlässigkeit
Berufliche Kompetenzen und Interessen gemäß Zielberuf
Übergreifende Kompetenzen/Persönliche Stärken gemäß Zielberuf
anhand von 4 Kompetenzklassen
Analyse- und Problemlösefähigkeit
Auffassungsfähigkeit/ -gabe
Entscheidungsfähigkeit
Ganzheitliches Denken
Organisationsfähigkeit
Einfühlungsvermögen
Führungsfähigkeit
Kommunikationsfähigkeit
Kundenorientierung
Teamfähigkeit
Belastbarkeit
Eigeninitiative
Motivation/ Leistungsbereitschaft
Selbständiges Arbeiten
Zielstrebigkeit/ Ergebnisorientierung
+
=
„Stärkenprofil“ (Bewerberprofil/VerBIS) Matching & Vermittlung
Profiling/Stärkenanalyse
Methodenkompetenz Sozial-kommunikative Kompetenz
Personale Kompetenz Aktivitäts- und Umsetzungskompetenz
Seite 14
Der Ärztliche Dienst steht seinen Auftraggebern in den
Agenturen für Arbeit und den gE/Jobcentern mit beratenden und
gutachterlichen Dienstleistungen zur Verfügung für Frage-und
Problemstellungen bezüglich
der Integration von Jugendlichen (ca. 5% der Aufträge an den ÄD)
und Erwachsenen (ca. 57% der Aufträge) mit gesundheitlichen
Einschränkungen in den Arbeitsmarkt
der Gewährung von Lohnersatzleistungen (Alg 1/2) bei Kunden/-
innen mit gesundheitlichen Einschränkungen
der Feststellung von Erwerbfähigkeit (SGB II)
der Feststellung einer Behinderung i.S. SGB III und IX sowie der
Auswahl bzw. Notwendigkeit von Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben (Reha- ca. 8% der Aufträge)
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Seite 15
Der Ärztliche Dienst….
ist als integraler Bestandteil der BA in deren Geschäftsprozesse
voll miteinbezogen.
arbeitet auf der Grundlage von jährlich neu verhandelten und
abgeschlossenen Zielvereinbarungen
(„Service Level Agreements“)
beschäftigt ca. 350 Ärzte/-innen und ca. 650 nichtärztliche
Mitarbeiterinnen in den 156 Agenturen für Arbeit
wird in seiner Arbeit durch externe Vertragsärzte/-innen unterstützt
bearbeitet jährlich ca. 600.000 Aufträge aus den Rechtskreisen
SGB II und III
wendet ein umfassendes QM-System an und ist nach
DIN ISO-Norm 9001:2008 zertifiziert
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Seite 16
Förderkategorien
Förderkategorie I: Die individuelle Bedarfssituation kann mit den (Regel-) Leistungen
des SGB III (z.B. Förderung der beruflichen Weiterbildung) abgedeckt werden
(§115 SGB III).
Förderkategorie II: Die individuelle Bedarfssituation erfordert die Teilnahme an einer
reha-spezifisch ausgestalteten, auf dem Vergabewege beschafften Maßnahme
(insbesondere im Hinblick auf einen zusätzlichen Personaleinsatz und die Qualifikation
des Personals und/ oder einer zeitweisen medizinisch/ psychologischen Begleitung),
die außerhalb einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation (wohnortnah) erbracht
wird (§117 Abs. 1 Nr. 1b SGB III).
Förderkategorie III: Wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung
des Rehabilitationserfolges (zusätzliches Erfordernis einer behinderungsgerechten
Infrastruktur - bauliche und sachliche Ausstattung – sowie ständiger begleitender
Dienste wie u. a. Logopäde, Ergotherapeut, Physiotherapeut) ist die Teilnahme in einer
Einrichtung der beruflichen Rehabilitation unerlässlich (§117 Abs. 1 Nr. 1a SGB III).
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
Seite 17
Bei der Auswahl von Maßnahmen wird von dem
Grundsatz
„So normal wie möglich, so speziell wie nötig“
ausgegangen, dabei stehen
Allgemeine Maßnahmen vor reha-spezifischen Maßnahmen
Betriebliche vor überbetrieblichen Maßnahmen
Wohnortnahe vor stationären Maßnahmen
Auswärtige Unterbringung vor Internat
Das Reha - Stufenkonzept
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Seite 18
Nach der Schulentlassung
Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB)
Ziel: Ausbildung oder Arbeit
Ablauf in Phasen
• Eignungsanalyse für ein Leistungsprofil
• Grundstufe Festigung der Fähigkeiten für Ausbildungs-
oder Arbeitsmarkt
• Förderstufe Verbesserung der beruflichen
Grundfertigkeiten
• Übergangsqualifizierung Berufswahl getroffen
Ausbildung
• Praktika
Dauer 9-18 Monate
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
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Ausbildung: Von Fachpraktiker bis Studium
Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich WfbM
Fachpraktikerausbildung („Werkerausbildung“)
(Fach-) schulische Ausbildung
Vollausbildung (z.B. mit IHK-Abschluss)
Studium (im Ausnahme-bzw. Einzelfall)
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Bildungsorte
Betriebe
Örtliche Bildungsträger
Örtliche Bildungsträger mit besonderer Unterstützung
BBW/BFW oder andere Einrichtungen nach § 35 SGB IX
WfbM
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Nach der Ausbildung
1. Arbeitsmarkt ggf. mit Unterstützung
• Begleitung durch den IFD
• Unterstützte Beschäftigung (UB)
• Integrationsmaßnahmen
• Eingliederungszuschuss
2. Arbeitsmarkt
• Integrationsbetriebe
• Integrationsprojekte
Arbeitsbereich einer WfbM
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Seite 22
Fallbeispiel Ersteingliederung
1989 geborener junger Mann, schwere Hörschädigung, CI-Versorgung
Kommunikation überwiegend nur mit Gebärdensprache möglich
Erstes Beratungsgespräch in der Sonderschule 2006 mit Berufswunsch:
IT-Bereich- adäquates intellektuelles Leistungsvermögen vorhanden
2007-2011 Besuch des Rhein-Westf. Berufskollegs mit Förderschwerpunkt Hören
und Kommunikation und Abschluss der Mittleren Reife
2. Beratungsgespräch AA Hamburg (Reha) 2011: Berufswunsch Elektroniker
Einschaltung Integrationsfachdienst mit Akquisition eines Ausbildungsplatzes zum
Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme
Förderung der Ausbildung durch AA Hamburg mit einem Ausbildungszuschuss für
das Unternehmen (Ausgleich für behinderungsbedingte Mehraufwendungen)
Kostenübernahme für die Inanspruchnahme von Gebärdendolmetschern durch
die AA Hamburg
Erfolgreicher Abschluss der Ausbildung im Januar 2015 mit Übernahme in ein
Beschäftigungsverhältnis
Zukünftige Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher durch Integrationsamt
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Seite 23
http://www.arbeitsagentur.de/
http://www.planet-beruf.de/
http://www.abi.de/index.htm
http://berufenet.arbeitsagentur.de/b
erufe/index.jsp
Dr. Helmut Wallrabenstein - 24. Reha Kolloquium 16.-18. März 2014, © Bundesagentur für Arbeit
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