Liechtensteiner Vaterland| Samstag, 17. Januar 2015 «Die ... · Mathematikers al-Chwarizi in...

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Interview Liechtensteiner Vaterland | Samstag, 17. Januar 2015 9

GÜNTHER FRITZ

Herr Schlapp, am 14. Februar er-scheint offiziell Ihr neuestes Werk«Islam heisst nicht Salam». Wie warIhr Weg als Buchautor von der an derKarlsruher Hochschule gehaltenensechssemestrigen Vorlesungsreihe«Eine peripatetische Ästhetik der isla-mischen Welt» bis zu dem vorliegen-den Opus Magnum?Manfred Schlapp: Das Buch «Islamheisst nicht Salam» erscheint offi-ziell tatsächlich erst am 14. Febru-ar, am Tag, an dem der Verlag mitmeinem Buch die Frühjahrspro-duktion eröffnet. Ein Medien-spektakel, das vor Weihnachteneinsetzte und von dem noch zureden sein wird, hat aber dazu ge-führt, dass das Buch bereits seitJahresbeginn im Handel ist. Nunzu Ihrer eigentlichen Frage: MeineVorlesungsreihe «Eine peripateti-sche Ästhetik der muslimischenWelt» war das Fundament, aufdem das Buch entstand. Ich habezunächst den gewaltigen Stoff,den ich für die Vorlesungen aufbe-reitet habe, auf 1200 Seiten nie-dergeschrieben. Dann begann dieeigentliche Arbeit, nämlich: diesesKonvolut auf 170, angenehm les-bare Essays zu verdichten. So ent-stand ein Buch von knapp 400 Sei-

ten. In ihrer Gesamtheit ergebendiese 170 Essays, die auf neun Ka-pitel verteilt sind, ein farben-prächtiges Mosaik, das die musli-mische Welt auf vielfältige Weiseabbildet.

Obschon das Buch noch gar nicht aufdem Markt war, hat Sie AndreasThiel, der Autor eines in der Weltwo-che erschienenen islamkritischenBeitrags, in der TV-Sendung vonRoger Schawinski mehrfach zitiert,was in der Folge dazu führte, dass Siein einem Schweizer Internet-Forumzur Zielscheibe abstruser Anwürfewurden. Wie kam es dazu?Manfred Schlapp:Was sich im An-schluss an das TV-Duell Schawin-

ski-Thiel abspielte, war eine Gro-teske, die zu einer Schmierenko-mödie ausartete. Ende Novemberrief mich ein Zürcher Freund an –er hat für die Rückseite des Buch-umschlags ein Statement zu mei-nem Buch beigesteuert – und wiesmich auf einen Koran-kritischenArtikel in der «Weltwoche» hin.Wenig später trafen wir uns in Zü-rich. Zum Treffen stiess auch einjunger kultivierter Mann namensAndreas Thiel, der Autor des Arti-kels. Wir hatten ein anregendesGespräch. Unter anderem unter-

hielten wir uns über mein Buch,das eben fertiggestellt war, undich erfuhr von einem unmittelbarbevorstehenden TV-Duell zwi-schen diesem jungen Mann undeinem Talkmaster namens RogerSchawinski. Dieses TV-Duell ge-riet zu einem Medienspektakel,das die Schweiz zum Bebenbrachte. Dankenswerter Weisehatte Andreas Thiel versucht, Ge-danken, die ich in meinem Buchentwickelt hatte, zum Besten zugeben, ihm wurde aber jedes Maldas Wort abgeschnitten. Bei sei-nen Versuchen berief sich AndreasThiel auf mich als einen «Profes-sor für Orientalistik». Im An-schluss an dieses TV-Duell beganndie Medienmeute zu rätseln, werdieser Professor ist. In dem vonIhnen erwähnten Internetforum,in dem sich Zerebralasketen undProfilneurotiker wichtig machenkönnen, begannen wildfremdeLeute, ihre Köpfe über mich aus-zuleeren. Zum Beispiel: Ich sei einKlosterschüler aus der Inner-schweiz und landesweit bekanntals der vehementeste Verteidigervon Wolfgang Haas. In Wahrheitbin ich in Innsbruck aufgewach-sen, wo ich das «AkademischeGymnasium» absolvierte, daserste weltliche Gymnasium inTirol. Und unser Erzbischof hatteund hat es nicht nötig, sich vonmir verteidigen zu lassen. Gegenwen auch? Nebenbei: Besonderswichtig machte sich ein gewisserOliver Wäckerlig, dessen Ergüssean Dummheit kaum zu toppensind.

Woher stammt eigentlich Ihre Moti-vation, Koran-Arabisch zu lernenund sich so intensiv mit dem Islamauseinanderzusetzen, wie Sie dies inden letzten Jahren getan haben?Manfred Schlapp:Das ist eine langeGeschichte, die in meiner Kind-heit beginnt. Noch als Primar-schüler bekam ich ein Buch in dieHände, das von der arabischenKultur und von der Geschichtedes Islam handelte. Ich war faszi-niert. Mit sechzehn Jahrenschwang ich mich mit einemSchulfreund auf ein zweisitzigesPuch-Moped, auf dem wir vonInnsbruck nach Istanbul ratterten.In der Hagia Sophia und in derBlauen Moschee fasziniertenmich die Kalligraphien, die ichnicht zu lesen vermochte. Das be-schämte mich und weckte in mirden Wunsch, diese scheinbarfremde Schrift eines Tages lesenzu können. Diesen Wunsch habeich mir erfüllt. To make a longstory short: Ich lernte die arabi-sche Schrift, und im Laufe derJahre habe ich alle arabischenLänder bereist. Um auch denKoran in seiner archaischen Spra-che nicht nur lesen, sondern auchverstehen zu können, studierteich in den Jahren 2006 und 2007in Paris Koran-Arabisch und ein

Jahr später in Berlin. Im An-schluss daran hielt ich an derKarlsruher Hochschule besagteVorlesungsreihe, die grosses Echofand. Bis heute vergeht kein Tag,an dem ich nicht im Koran lese.

In Ihrem Buch bringen Sie mit gros-sem Respekt und aufrichtiger Be-wunderung die grossartigen Leistun-gen der arabischen Kultur und Wis-senschaft zur Sprache, von deren Seg-nungen auch Europa profitiert hat.Welche Errungenschaften des Orientsmöchten Sie dabei besonders hervor-heben?Manfred Schlapp: Es sind vor allemdrei Bereiche: Literatur, Medizinund Mathematik. Die Araberbrachten einen Grossteil der an-tiken Literatur zurück nachEuropa, wie zum Beispiel die aris-totelischen Texte oder die grie-chisch-römischen Liebeselegien,abgesehen von der profundenFachliteratur aus allen Bereichender Wissenschaften. Zweitens: Diearabische Medizin hat bereits im11. Jahrhundert eine Höhe er-reicht, die in Europa erst Jahrhun-derte später erreicht wurde. Der«Kanon der Medizin» von Avicen-na diente an den europäischenUniversitäten bis in die Mitte des17. Jahrhunderts als klassischesLehrbuch für Medizinstudenten.Dieser «Kanon», auf Arabisch:«qanun at-tibb», ist von zeitloserAktualität, was die Einflüsse derErnährung, der klimatischen Ver-hältnisse und des öko-sozialenUmfeld auf die Gesundheit be-trifft. Und drittens: Um 820 über-nahmen arabische Mathematikerdas indische Zahlensystem unddamit die Null, eine geniale Zahl,die erst die Wege für die höhereMathematik ebnete und in derFolge zum binären System führte,mit deren Hilfe sich alle Informa-tionsprozesse numerisch darstel-len lassen. In Europa fand die Nullim späten 12. Jahrhundert Ein-gang in die Gelehrtenstuben, alsAuszüge aus den Schriften desMathematikers al-Chwarizi inUmlauf kamen.

In Ihrem Buch geben Sie einen um-fassenden Überblick über die musli-mische Welt von ihren Anfängen bisheute. Welches Bild haben Sie dabeivom Gründer des Islam, dem Prophe-ten Muhammad, gewonnen?Manfred Schlapp: Dieses Bild isthöchst widersprüchlich. Sowohlder Koran als auch die Hadithen,die Sammlungen von Geschichtenund Legenden rund um den Pro-pheten, sind historisch betrachtetfragwürdige Quellen. Wenn mansich auf die historisch verifizier-baren Fakten beschränkt, dannerscheint ein Mann, dem man lie-ber nicht begegnen möchte.

Worin liegt die tiefere Ursache für diemuslimische Buchstabengläubigkeit?Manfred Schlapp:Die muslimischeBuchstabengläubigkeit ist ein jü-disches Erbe, das noch auf dieSpitze getrieben wurde. Angeblichhat Allah mit dem «qalam», mitdem Schreibrohr, höchstpersön-lich zur Sprache gebracht, was alskoranische Offenbarung gilt. Soheisst es etwa in den ersten fünfVersen der 96. Sure, die als die äl-testen Verse gelten: «Lies imNamen Deines Herrn, der erschaf-fen hat! Er erschuf den Menschenaus einem ‹sich Anklammernden›(= Sperma? Blutstropfen? Wur-zel?). Lies und Dein Herr wirdgütig sein, er, der mit dem ‹qalam›(= Schreibrohr) lehrte! Er lehrteden Menschen, was er nicht wuss-te.» Da Allah höchstpersönlichden Koran auf die Menschenherab sandte, ist jedes Wort«haram», also hochheilig und sa-

krosankt. Daher muss jedes Wortbuchstabengetreu gelesen undbefolgt werden. Das machen etwadie Dschihadisten in vorbildlicherWeise. Und des Todes ist – etwa inSaudi-Arabien, aber auch anders-wo – wer nur ein winziges Pünkt-chen im Koran ändert.

Worin liegt das Urgebot des Islam be-gründet, dass man sich kein Bild vonGott machen dürfe?Manfred Schlapp: Auch diesesGebot ist – wie vieles im Islam –ein jüdisches Erbe und schon immosaischen Dekalog verankert.

Welches Frauenbild vermittelt derKoran?Manfred Schlapp: Allgemein be-kannt ist der 43. Vers der viertenSure, der den Männern das Rechteinräumt, ihre Frauen zu schlagenbzw. zu erschlagen. Grundsätzlichist festzuhalten, dass im Korannur die Männer angesprochenwerden, über Frauen wird in der

dritten Person gesprochen wieüber eine Ware. Männer sind Sub-jekte des Handelns, Frauen sindderen Objekte. Und was passiert,wenn ein Mann erfährt, dass erVater einer Tochter wurde? Dazuder vierte Vers der 92. Sure: «Wenneiner von ihnen von einer Tochtererfährt, dann verdüstert sich seinGesicht und es wühlt in ihm. Erversteckt sich vor den Leutenwegen der unheilvollen Nach-richt. Soll er trotzdem seinenSchandfleck (= die Tochter!) be-halten oder doch im Dreck vergra-ben?» Der 223. Vers der zweitenSure bringt das Frauenbild, dasder Koran vermittelt, auf denPunkt: «Eure Frauen sind für Euch

ein Saatfeld!» Dieses Feld gilt es zubestellen, sprich: zu besamen.Und was passiert, wenn das Feldunfruchtbar bleibt? Dann kannder Mann der Frau den Laufpassgeben. Beachtlich auch der Kom-mentar von al-Ghazali, einem be-deutenden Korangelehrten, des-sen Autorität bis heute unangetas-tet ist. In seinem «Buch der Ehe»steht geschrieben: «Eine Matte imWinkel des Hauses ist besser alseine Frau, die nicht gebiert.»

Nach Ihren Ausführungen fordert derKoran dutzendfach die gnadenloseVerfolgung der Ungläubigen im Dies-seits. Und im Jenseits verheisst erihnen ewige Höllenpein. Steht imAlten Testament nicht auch Ähnli-ches?Manfred Schlapp: Gewiss. DieHass- und Fluchverse des AltenTestamentes – und vieles mehr –fanden Eingang in den Koran.Nur: Die Scheusslichkeiten, die imAlten Testament niedergeschrie-ben sind, nimmt – abgesehen voneinigen Narren in den USA – keinMensch mehr ernst. Nicht so inder muslimischen Welt: siehe dieGewaltexzesse in nah und fern!

Was erwarten islamistische Selbst-mordattentäter, wenn sie ins Paradieskommen?Manfred Schlapp: In ihrer Naivitäterwarten sie 72 Jungfrauen. Ichdarf diese «Märtyrer» beruhigen.Es warten keine 72 Jungfrauen aufsie. Von 72 schnatternden Gänsenumgeben zu sein, würde selbstder hartgesottenste Märtyrer kei-nen Tag lang aushalten, geschwei-ge eine Ewigkeit. Es handelt sichbei diesen Jungfrauen um einenuralten Schreib- bzw. Überset-zungsfehler. Die Schreibe warnicht von Jungfrauen, sondernvon einer Traube, prall bestücktmit grossen weissen Beeren, «soschön wie erlesene Perlen». Vonsolchen Trauben konnten Wüs-

tensöhne nur träumen. Also pro-jizierten sie diesen unerreichba-ren Genuss in die jenseitige Welt.

Weiter führen Sie in Ihrem Buch aus,dass es gemäss Koran kein Delikt sei,Ungläubige zu täuschen und hintersLicht zu führen, sondern eine lobens-werte Tat, deren sich gläubige Musli-me befleissigen sollen. Inwieweit istdemnach davon auszugehen, dassTäuschung ein strategisches Konzeptsein könnte, um die Islamisierung desWestens leichter vorantreiben zu kön-nen?Manfred Schlapp: Das Prinzip derabsichtlichen Täuschung, mitdem Ziel, Ungläubige hintersLicht zu führen bzw. in die Falle zulocken, heisst «takijja». In seinemursprünglichen Sinn bedeutetdieser Begriff so viel wie «kundige

Besorgnis». In diesem Sinn er-laubt Allah den Gläubigen im 28.Vers der dritten Sure, sich mit denverfluchten Ungläubigen anfreun-den zu dürfen, falls eine solche«Freundschaft» ihrem Schutz oderdem Sieg des Islam dienlich ist.Mit der Zeit entwickelte sich «at-takijja» zu einem strategischenPrinzip, das gläubigen Muslimenvorgeschrieben ist. Diesbezüglichgibt es eine reiche Literatur.

Gibt es denn auch Koranstellen, wozur Toleranz aufgerufen und den so-genannten Ungläubigen nichts Bösesangedroht wird? Manfred Schlapp: Die einzige Sure,in der den sogenannten Ungläubi-gen nichts Böses angedroht wird,ist die 109. Sure, die den Titel «DieUngläubigen (= al-kâfirûn)» trägt.Im sechsten und letzen Vers heisstes: «Euch (Ungläubigen) Eurer

Glaube und mir mein Glaube!»

Noch heute schlachten sich im NahenOsten Sunniten und Schiiten ab.Worin liegt die Feindschaft zwischendiesen beiden Gruppierungen be-gründet?Manfred Schlapp:Das ist auch einelange Geschichte, die mit dem Toddes Propheten beginnt. Zum Kali-fen (= Nachfolger) wurde nichtsein Vetter und Schwiegersohn Aliernannt, sondern der wackereKampfgefährte Abu Bakr. Ihmfolgten die Kalifen Omar und Uth-man. Erst nach dem Tod von Uth-man durfte Ali das Kalifat antre-ten. Doch der Umajjade Muawija,der Amir von Damaskus, verwei-gerte die Gefolgschaft, und es kamzum ersten muslimischen Bruder-krieg. Der Krieg endete mit AlisErmordung. Nun rebellierte AlisSohn Hussein gegen das Umajja-den-Kalifat. Es kam zur berühm-ten Schlacht bei Kerbela, in derHussein ums Leben kam. Mit dem«Opfertod» von Alis Sohn Husseinbeginnt die eigentliche Geschich-te der «Schia» (= Abspaltung), diebis zum heutigen Tag einen hohenBlutzoll gefordert hat und nochfordern wird.

Worin liegt der wesentliche Unter-schied zwischen Wahhabiten und Salafisten?Manfred Schlapp: Ihrem Wesennach unterscheiden sich Salafis-ten und die saudi-arabischenWahhabiten kaum. Beide Grup-pierungen vertreten einen funda-mentalen Islam und fordern einenGottesstaat, in dem die strengenGesetze der Scharia gelten. Ne-benbei: In Liechtenstein sindbeide Gruppierungen vertreten.Salafisten haben bereits von sichreden gemacht. Wer aber weiss,dass sich schon vor Jahren saudi-arabische Wahhabiten mitten inSchaan in Form einer Foundationetablierten, die Korane und Hadi-

then vertreibt.

Was hat es konkret mit der von Ihnenbeschriebenen Leitidee einer «ummamuslima» auf sich, die zur Globali-sierung des Islam anregen soll?Manfred Schlapp: «Umma» bedeu-tet «Volk», «Nation», «Heimat» –abgesehen von einer Fülle über-tragener Bedeutungen. Der Begriff«umma» ist abgeleitet von «um»

(= Mutter), ergo bedeutet «umma»in seinem ursprünglichen Wort-sinn so viel wie «Mutterland», imGegensatz zu unserem «Vater-land». Im Koran kommt der Be-griff «umma» 19 Mal vor, mehr-heitlich in der Bedeutung von«Volk» bzw. «Nation», aber auchals «umma Muhammad» und«umma muslima», also «Moham-meds Gemeinde» und «die musli-mische Gemeinschaft». Diese Ge-meinde bzw. Gemeinschaft istheilig, und es ist allen Muslimenaufgetragen, dafür Sorge zu tra-gen, dass die «umma muslima»globalisiert wird, dass also einesTages alle Nationen und Völkerdieser Erde in einem weltumspan-nenden islamischen Gottesstaatvereint sind.

Die Scharia steht nach Ihren Be-schreibungen im krassen Wider-spruch zum westlichen Menschen-rechtsverständnis. Aber selbst Imame,die als aufgeklärt gelten, würden denarchaischen Rechtsvorstellungen derScharia zustimmen, selbst dafür, dasseinem Dieb die Hand abzuhackensei. Warum fordern Islamisten dieEinführung der Scharia?Manfred Schlapp: Die Antwort isteinfach: Sie erfüllen uralte Geboteund dürfen sich glücklich preisen,

als treue Diener Allahs zu gelten.Ihrer ist das Himmelreich! Und:Selbst moderate Imame begrün-den ihr Ja zum Hand-Abhackenmit dem Hinweis, dass es so imKoran steht und dass es sich umein Gebot Allahs handelt, das zurespektieren ist!

Nach Ihrem Buch verstehen sich dieMuslimbrüder von Anfang an alsFahnenträger des neuzeitlichen Isla-mismus. Wie wird sich Ägypten inden kommenden Jahren mit der imUntergrund operierenden Muslim-bruderschaft entwickeln?Manfred Schlapp: Das ist eine spe-kulative Frage, die ich nicht wirk-lich beantworten kann. Zu vermu-ten ist jedoch, dass noch viel Blutden Nil hinunterfliessen wird unddass dieses Land noch lange nichtzur Ruhe kommt. Möglicherweiseist Ägypten das explosivste allerarabischen Länder. In keinem an-deren arabischen Land ballen sich

so viele Menschen zusammen,und es herrschen Armut, Arbeits-losigkeit und Analphabetismus.Das ist ein explosive Mischung,die den Muslimbrüdern in dieHände spielt.

Was hat es mit dem Mythos schwarzuniformierter Gotteskrieger auf sich,der mit den Dschihadisten von «BokoHaram» oder des «Islamischen Staa-tes» (= ad-daulat al-islamija) wieder-erwacht ist?Manfred Schlapp: Wiedererwachtist der Mythos der «SchwarzenFahnen», hinter denen schwarzuniformierte Gotteskrieger imStile der SS zur Welteroberung imNamen des Islam antreten, bereitsim 19. Jahrhundert. Der Mythos

hat seinen Ursprung im sagen-umwobenen Chorasan, einer Re-gion, die aus heutiger Sicht Af-ghanistan, den Nordosten desIran und den Südosten von Turk-menistan umschliessen würde.Einer alten Prophezeiung zufolgewürde eines Tages aus Chorasanunter Führung des lange ersehn-ten Imam Mahdi eine schwarzuniformierte Armee aufbrechen,um die Welt im Namen Allahs fürden Islam zu erobern. Zu Beginnder 80er Jahre des 19. Jahrhun-derts schien es so weit zu sein.Den Aufstand der Sudanesengegen die britische Kolonialherr-schaft befehligte ein MuhammadAhmad, der als der lang ersehnteImam Mahdi erschien. Die «Mah-disten» eilten von Sieg zu Sieg,und schon glaubte man, der glo-bale Endsieg lasse nicht mehrlange auf sich warten. Doch dannkamen neu entwickelte Maschi-nengewehre zum Einsatz. Im Sep-tember 1889 schlug die britischeMilitärmacht erbarmungslos zu.In wenigen Stunden wurden10 000 Mahdisten niedergemäht.Diese Niederlage schmerzt nochimmer, und seit 1889 spukt dieArmee des Imam Mahdi in denKöpfen militanter Muslime. Inunserer Zeit ist es endlich wiederso weit: Imam Mahdi beflügelt dieTaliban in Afghanistan, die Dschi-hadisten im syrisch-irakischen«Kalifat», die al-Qaida-Krieger imMaghreb, die asch-Schabâb-Mil-zen im Somalia und die Killerbri-gaden der «Boko Haram» im Nor-den Nigerias.

Beim jüngsten Terroranschlag auf dieRedaktion der Satirezeitschrift Char-lie Hebdo in Paris mahnte der deut-sche Bundesinnenminister Thomasde Maizière (CDU), den Islam nichtmit Terrorismus gleichzusetzen: «Derextremistische Islamismus, der isla-mistische Terrorismus, ist etwas ganzanderes als der Islam.» Wie beurteilenSie diese Aussage?Manfred Schlapp: Dieser Satz istnur teilweise richtig. Gebetsmüh-lenhaft wiederholen Politikernach blutigen Attentaten, dass dieAttentäter nichts mit dem Islamzu tun hätten. Das ist blanker Un-sinn. Richtig ist: Die Attentäter,die im Namen Allahs Ungläubigebeseitigen, und die Dschihadis-ten, die unter Allahu-akbar-Rufenin den Kampf stürmen, befolgengenau das, was im Koran steht. Siepraktizieren einen fundamenta-len, radikalen Islam, radikal in desWortes primärer Bedeutung,nämlich von der «Wurzel» her. UmAnalphabeten aufzuklären: Aufden schwarzen Fahnen, die denGotteskriegern voran flattern,steht «la illah ill’allah!», und dasheisst: «Es gibt keinen Gott ausserAllah!» Das ist der Kernsatz derSchahada, des islamischen Glau-bensbekenntnisses. Und daruntersteht «muhammad – rasul –allah», und das ist die Kurzformdes zweiten Satzes der Schahada,nämlich: Muhammad ist der Ge-sandte Allahs.

Was sagen Sie zu jenen Autoren, diebehaupten, bei den Aufrufen zumKampf gegen Ungläubige im Koranhandle es sich eigentlich um Aufrufezum inneren Kampf gegen den eige-nen Unglauben? Manfred Schlapp: Das ist einefromme Lüge. Wer solches be-hauptet, beweist nur Eines: Er hatnoch nie einen Koran in der Handgehabt und falls ja, hat er noch niein den Koran hineingeschaut oderer ist schlicht nicht in der Lage,den Koran zu lesen. Sollte ein sol-cher Mensch doch den Koran ge-lesen haben, dann betreibt er «ta-kijja» in reinster Form. Und was

das bedeutet, haben wir ja schonerörtert.

Sie warnen in Ihrem Buch immerwieder davor, alle Muslime in einenTopf zu werfen. Welche Unterschiedemachen Sie hier als Islamexperte?Manfred Schlapp: Diese Frage isteinfach zu beantworten. Bei densogenannten Muslimen findetman die gleichen Vielfalt wie beiden sogenannten Christen: DiePalette reicht von ehrbarenAgnostikern über Papier-Muslimebzw. Papier-Christen und gedan-kenlosen Mitläufern und bravenBetbrüdern, die ihre Bräuche pfle-gen, bis hin zu den Wahnsinnigen.Leider ist unter Muslimen derWahnsinn und die Bereitschaftzur Gewalt bei Weitem ausgepräg-ter als unter Christen. Das Chris-tentum ist dank der Aufklärunggeläutert. Der Islam wartet immernoch auf eine solche Läuterung.

Sie haben schon in Ihrer KarlsruherVorlesungsreihe an das deutsche Ver-fassungsgericht appelliert, endlichden Begriff «Religion» neu zu fassenund somit auch das Rechtsgut derReligionsfreiheit zu überdenken. Wo-rauf wollen Sie dabei hinaus?Manfred Schlapp: In einem Punkthat die europäische Aufklärungbis heute versagt. Es ist ihr nichtgelungen, den unseligen Blasphe-mie-Paragraphen flächendeckendabzuschaffen und den Begriff «Re-

ligion» von Altlasten zu befreien.Religionen sind Ideologien, dieeine rein privatrechtliche Rele-vanz haben und genauso wenigsakrosankt sind wie der Marxis-mus oder eine esoterische Philo-sophie. Wenn man das begriffenund verfassungsrechtlich veran-kert hat, dann löst sich die Religi-onsfreiheit in Luft auf. Haben Sieetwa je gehört, dass ein Marxistfür seine marxistische IdeologieReligionsfreiheit beansprucht? Vorallem aber: Was Muslime im Zei-chen der Religionsfreiheit ver-üben, bringt einen ins Grübeln. Ineinem Rechtsstaat kann nur einPrinzip gelten: legal oder illegal,Recht oder Unrecht. Diesem Prin-zip haben sich auch «Religionen»zu beugen!

Wie gross ist nach Ihrer Einschätzungdie Gefahr der Islamisierung desAbendlandes? Was halten Sie in die-sem Zusammenhang von der Bewe-gung «Patriotische Europäer gegendie Islamisierung des Abendlandes(PEGIDA)»?Manfred Schlapp: Die Frage ist:Gibt es überhaupt noch ein«Abendland»? Und falls ja, wer istdenn bereit, die Werte des«Abendlandes» – sofern es solcheWerte noch gibt – zu verteidigen?Etwa die opportunistischen Wohl-standskrüppel, die sich in der EUorganisiert haben? Was man bis-lang unter «Abendland» verstan-den hat, ist schon längst von kurz-sichtigen Bildungsreformern ver-raten worden. Und der Grossteilder Rektoren und Lehrer hat willigund in vorauseilendem Gehorsammitgemacht. Ein Triumph derCharakterlosigkeit! Oder soll etwadie PEGIDA das Abendland ret-ten? Da kann man nur schallendlachen. Die PEGIDA wird ver-schwinden, nicht etwa deshalb,weil es an Sympathisanten man-gelt, sondern weil die «Patrioti-schen Europäer» vermutlich überkurz oder lang von den Parteienaufgesogen werden. Die PEGIDA

repräsentiert ein Wählerpotenzial,das nicht zu unterschätzen ist!

In Ihrem Buch erklären Sie, dass sichüber die aktuellen Entwicklungen alljene Sorgen machen sollten, die poli-tische Verantwortung tragen, aber dieAugen vor den real existierenden Pro-blemen allzu gerne verschliessen. Wielautet ihr diesbezüglicher Appell?Manfred Schlapp: Diese Thematikhabe ich in meinem Buch aus-führlich behandelt. Dazu hier nurein kurzer Hinweis: Die politi-schen Verantwortungsträger tunso, als ob der Islam kein Problemwäre, als ob der Islam keine dunk-le Seite hätte. Die Schattenseitendes Islam werden schlichtweg ne-giert. Und man scheut eine offeneDebatte, viel schlimmer noch,man überlässt diese Debatte rech-ten Rabauken. Das ist ein politi-scher Skandal!

Wie sollen aber Rechtsstaaten auf dasVerhalten jener Muslime reagieren,die sich mit der rechtsstaatlichen Ge-sellschaftsordnung und den Freihei-ten, die diese Ordnung garantiert,nicht identifizieren können? Manfred Schlapp: Ganz einfach:Goodbye!

Herr Schlapp, wer wie Sie offen aus-spricht, dass der Islam eine politischeIdeologie ist, die den Grundsätzen säkularer Staaten widerspricht, läuftschnell einmal Gefahr, der Islamo-phobie bezichtigt und in die rechteEcke gestellt zu werden. Welche Hal-tung vertreten Sie diesbezüglich?Manfred Schlapp: Nicht einmalignorieren! Es macht keinen Sinn,sich mit Idioten auseinanderzu-setzen.

Wie kann Europa seine Grundwertelangfristig vor dem Islam retten?Manfred Schlapp: Ich würde dieFrage umdrehen: Wie kann mandie humanen Grundwerte desIslam retten, wie sie der soge-nannte «furqân», der Katalogethisch-sozialer Gebote, fordert?Und wie kann man den Islam vonseiner dunklen Seite erlösen?Wenn diese Rettungsaktion ge-lingt, dann muss sich Europakeine Sorgen machen und kannseine Grundwerte gemeinsam mitden Muslimen in die Zukunft ret-ten. Hinzuzufügen ist: Die Grund-werte der Rechtsstaatlichkeit, dieeinen säkularen Staat demokrati-scher Verfassung auszeichnen,sind nicht nur von militanten Is-lamisten bedroht! Die Totengräberfreiheitlicher Rechtsstaaten lau-ern in vielen Rattenlöchern!

«Die Schattenseiten des Islam werden schlichtweg negiert»Auf die «Vaterland»-Frage, wie Europa seine Grundwerte langfristig vor dem Islam retten könne, sagt Prof. Manfred Schlapp, der Autor der Neuerscheinung «Islam heisst nicht Salam»: «Ich würde die Frage umdrehen: Wie kann man die humanen Grundwerte des Islam retten, wie sie der sogenannte ‹furqân›, der Katalog ethisch-sozialer Gebote, fordert? Und wie kann man den Islam von seiner dunklen Seite erlösen? Wenn diese Rettungsaktion gelingt, dann muss sich Europa keine Sorgen machen und kann seine Grundwerte gemeinsam mit den Muslimen in die Zukunft retten.»

Zur PersonEhrenpräsident des PEN-Clubs Prof. Dr. Manfred Schlapp, geb.1943 in Innsbruck, ist seit sei-nem Studium literarisch undpublizistisch tätig. Mit 30 Jah-ren wurde er in den Internatio-nalen PEN-Club aufgenom-men, und im April 1968 grün-dete er mit 20 Autoren undVerlegern den PEN-ClubLiechtenstein, dessen Ehren-präsident er ist. Und für seinePublikationen über Liechten-stein ist er mit dem Josef-von-Rheinberger-Kulturpreis aus-gezeichnet worden.

Seit frühester Jugend be-schäftigt sich Manfred Schlappmit der arabischen Spracheund Kultur. Im Laufe der Jahrehat er alle arabischen Länderbereist. In den Jahren 2006und 2007 studierte er in ParisKoran-Arabisch und ein Jahrspäter in Berlin. Im Anschlussdaran hielt er an der Karlsru-her Hochschule die sechs-semestrige Vorlesungsreihe«Eine peripatetische Ästhetikder muslimischen Welt». DieseVorlesungsreihe bildete dasFundament, auf dem sein Buch«Islam heisst nicht Salam»gründet.

Zum Buch«Islam heisst nicht Salam»

Manfred Schlapp: Islam heisstnicht Salam – Streifzüge durchdie muslimische Welt – Ein Le-sebuch. Offizin Verlag. Zürich2015. 35 Fr. bzw. 29 Euro.

Bild: Stefan Trefzer

Prof. Manfred Schlapp mit seinem Buch «Islam heisst nicht Salam»: «Die Attentäter, die im Namen Allahs Ungläubige beseitigen, und die Dschihadisten, die unter Allahu-akbar-Rufen in den Kampf stürmen, befolgen genaudas, was im Koran steht. Sie praktizieren einen fundamentalen, radikalen Islam, radikal in des Wortes primärer Bedeutung, nämlich von der ‹Wurzel› her.»

Bis heute vergeht kein Tag, andem ich nicht im

Koran lese.

Die muslimischeBuchstaben -

gläubigkeit ist ein jüdisches Erbe.

Über Frauen wird inder dritten Persongesprochen wieüber eine Ware.

Die Scheusslichkei-ten im Alten Testa-ment nimmt keinMensch mehr ernst. Die politisch Verant-

wortlichen tun so,als ob der Islam kein

Problem wäre.

In einem Rechts-staat kann nur einPrinzip gelten: legal oder illegal.

Dass die Attentäternichts mit dem

Islam zu tun hätten,ist blanker Unsinn.

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