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Interview Liechtensteiner Vaterland | Samstag, 17. Januar 2015 9 GÜNTHER FRITZ Herr Schlapp, am 14. Februar er- scheint offiziell Ihr neuestes Werk «Islam heisst nicht Salam». Wie war Ihr Weg als Buchautor von der an der Karlsruher Hochschule gehaltenen sechssemestrigen Vorlesungsreihe «Eine peripatetische Ästhetik der isla- mischen Welt» bis zu dem vorliegen- den Opus Magnum? Manfred Schlapp: Das Buch «Islam heisst nicht Salam» erscheint offi- ziell tatsächlich erst am 14. Febru- ar, am Tag, an dem der Verlag mit meinem Buch die Frühjahrspro- duktion eröffnet. Ein Medien- spektakel, das vor Weihnachten einsetzte und von dem noch zu reden sein wird, hat aber dazu ge- führt, dass das Buch bereits seit Jahresbeginn im Handel ist. Nun zu Ihrer eigentlichen Frage: Meine Vorlesungsreihe «Eine peripateti- sche Ästhetik der muslimischen Welt» war das Fundament, auf dem das Buch entstand. Ich habe zunächst den gewaltigen Stoff, den ich für die Vorlesungen aufbe- reitet habe, auf 1200 Seiten nie- dergeschrieben. Dann begann die eigentliche Arbeit, nämlich: dieses Konvolut auf 170, angenehm les- bare Essays zu verdichten. So ent- stand ein Buch von knapp 400 Sei- ten. In ihrer Gesamtheit ergeben diese 170 Essays, die auf neun Ka- pitel verteilt sind, ein farben- prächtiges Mosaik, das die musli- mische Welt auf vielfältige Weise abbildet. Obschon das Buch noch gar nicht auf dem Markt war, hat Sie Andreas Thiel, der Autor eines in der Weltwo- che erschienenen islamkritischen Beitrags, in der TV-Sendung von Roger Schawinski mehrfach zitiert, was in der Folge dazu führte, dass Sie in einem Schweizer Internet-Forum zur Zielscheibe abstruser Anwürfe wurden. Wie kam es dazu? Manfred Schlapp: Was sich im An- schluss an das TV-Duell Schawin- ski-Thiel abspielte, war eine Gro- teske, die zu einer Schmierenko- mödie ausartete. Ende November rief mich ein Zürcher Freund an – er hat für die Rückseite des Buch- umschlags ein Statement zu mei- nem Buch beigesteuert – und wies mich auf einen Koran-kritischen Artikel in der «Weltwoche» hin. Wenig später trafen wir uns in Zü- rich. Zum Treffen stiess auch ein junger kultivierter Mann namens Andreas Thiel, der Autor des Arti- kels. Wir hatten ein anregendes Gespräch. Unter anderem unter- hielten wir uns über mein Buch, das eben fertiggestellt war, und ich erfuhr von einem unmittelbar bevorstehenden TV-Duell zwi- schen diesem jungen Mann und einem Talkmaster namens Roger Schawinski. Dieses TV-Duell ge- riet zu einem Medienspektakel, das die Schweiz zum Beben brachte. Dankenswerter Weise hatte Andreas Thiel versucht, Ge- danken, die ich in meinem Buch entwickelt hatte, zum Besten zu geben, ihm wurde aber jedes Mal das Wort abgeschnitten. Bei sei- nen Versuchen berief sich Andreas Thiel auf mich als einen «Profes- sor für Orientalistik». Im An- schluss an dieses TV-Duell begann die Medienmeute zu rätseln, wer dieser Professor ist. In dem von Ihnen erwähnten Internetforum, in dem sich Zerebralasketen und Profilneurotiker wichtig machen können, begannen wildfremde Leute, ihre Köpfe über mich aus- zuleeren. Zum Beispiel: Ich sei ein Klosterschüler aus der Inner- schweiz und landesweit bekannt als der vehementeste Verteidiger von Wolfgang Haas. In Wahrheit bin ich in Innsbruck aufgewach- sen, wo ich das «Akademische Gymnasium» absolvierte, das erste weltliche Gymnasium in Tirol. Und unser Erzbischof hatte und hat es nicht nötig, sich von mir verteidigen zu lassen. Gegen wen auch? Nebenbei: Besonders wichtig machte sich ein gewisser Oliver Wäckerlig, dessen Ergüsse an Dummheit kaum zu toppen sind. Woher stammt eigentlich Ihre Moti- vation, Koran-Arabisch zu lernen und sich so intensiv mit dem Islam auseinanderzusetzen, wie Sie dies in den letzten Jahren getan haben? Manfred Schlapp: Das ist eine lange Geschichte, die in meiner Kind- heit beginnt. Noch als Primar- schüler bekam ich ein Buch in die Hände, das von der arabischen Kultur und von der Geschichte des Islam handelte. Ich war faszi- niert. Mit sechzehn Jahren schwang ich mich mit einem Schulfreund auf ein zweisitziges Puch-Moped, auf dem wir von Innsbruck nach Istanbul ratterten. In der Hagia Sophia und in der Blauen Moschee faszinierten mich die Kalligraphien, die ich nicht zu lesen vermochte. Das be- schämte mich und weckte in mir den Wunsch, diese scheinbar fremde Schrift eines Tages lesen zu können. Diesen Wunsch habe ich mir erfüllt. To make a long story short: Ich lernte die arabi- sche Schrift, und im Laufe der Jahre habe ich alle arabischen Länder bereist. Um auch den Koran in seiner archaischen Spra- che nicht nur lesen, sondern auch verstehen zu können, studierte ich in den Jahren 2006 und 2007 in Paris Koran-Arabisch und ein Jahr später in Berlin. Im An- schluss daran hielt ich an der Karlsruher Hochschule besagte Vorlesungsreihe, die grosses Echo fand. Bis heute vergeht kein Tag, an dem ich nicht im Koran lese. In Ihrem Buch bringen Sie mit gros- sem Respekt und aufrichtiger Be- wunderung die grossartigen Leistun- gen der arabischen Kultur und Wis- senschaft zur Sprache, von deren Seg- nungen auch Europa profitiert hat. Welche Errungenschaften des Orients möchten Sie dabei besonders hervor- heben? Manfred Schlapp: Es sind vor allem drei Bereiche: Literatur, Medizin und Mathematik. Die Araber brachten einen Grossteil der an- tiken Literatur zurück nach Europa, wie zum Beispiel die aris- totelischen Texte oder die grie- chisch-römischen Liebeselegien, abgesehen von der profunden Fachliteratur aus allen Bereichen der Wissenschaften. Zweitens: Die arabische Medizin hat bereits im 11. Jahrhundert eine Höhe er- reicht, die in Europa erst Jahrhun- derte später erreicht wurde. Der «Kanon der Medizin» von Avicen- na diente an den europäischen Universitäten bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts als klassisches Lehrbuch für Medizinstudenten. Dieser «Kanon», auf Arabisch: «qanun at-tibb», ist von zeitloser Aktualität, was die Einflüsse der Ernährung, der klimatischen Ver- hältnisse und des öko-sozialen Umfeld auf die Gesundheit be- trifft. Und drittens: Um 820 über- nahmen arabische Mathematiker das indische Zahlensystem und damit die Null, eine geniale Zahl, die erst die Wege für die höhere Mathematik ebnete und in der Folge zum binären System führte, mit deren Hilfe sich alle Informa- tionsprozesse numerisch darstel- len lassen. In Europa fand die Null im späten 12. Jahrhundert Ein- gang in die Gelehrtenstuben, als Auszüge aus den Schriften des Mathematikers al-Chwarizi in Umlauf kamen. In Ihrem Buch geben Sie einen um- fassenden Überblick über die musli- mische Welt von ihren Anfängen bis heute. Welches Bild haben Sie dabei vom Gründer des Islam, dem Prophe- ten Muhammad, gewonnen? Manfred Schlapp: Dieses Bild ist höchst widersprüchlich. Sowohl der Koran als auch die Hadithen, die Sammlungen von Geschichten und Legenden rund um den Pro- pheten, sind historisch betrachtet fragwürdige Quellen. Wenn man sich auf die historisch verifizier- baren Fakten beschränkt, dann erscheint ein Mann, dem man lie- ber nicht begegnen möchte. Worin liegt die tiefere Ursache für die muslimische Buchstabengläubigkeit? Manfred Schlapp: Die muslimische Buchstabengläubigkeit ist ein jü- disches Erbe, das noch auf die Spitze getrieben wurde. Angeblich hat Allah mit dem «qalam», mit dem Schreibrohr, höchstpersön- lich zur Sprache gebracht, was als koranische Offenbarung gilt. So heisst es etwa in den ersten fünf Versen der 96. Sure, die als die äl- testen Verse gelten: «Lies im Namen Deines Herrn, der erschaf- fen hat! Er erschuf den Menschen aus einem sich Anklammernden(= Sperma? Blutstropfen? Wur- zel?). Lies und Dein Herr wird gütig sein, er, der mit dem qalam(= Schreibrohr) lehrte! Er lehrte den Menschen, was er nicht wuss- te.» Da Allah höchstpersönlich den Koran auf die Menschen herab sandte, ist jedes Wort «haram», also hochheilig und sa- krosankt. Daher muss jedes Wort buchstabengetreu gelesen und befolgt werden. Das machen etwa die Dschihadisten in vorbildlicher Weise. Und des Todes ist – etwa in Saudi-Arabien, aber auch anders- wo – wer nur ein winziges Pünkt- chen im Koran ändert. Worin liegt das Urgebot des Islam be- gründet, dass man sich kein Bild von Gott machen dürfe? Manfred Schlapp: Auch dieses Gebot ist – wie vieles im Islam – ein jüdisches Erbe und schon im mosaischen Dekalog verankert. Welches Frauenbild vermittelt der Koran? Manfred Schlapp: Allgemein be- kannt ist der 43. Vers der vierten Sure, der den Männern das Recht einräumt, ihre Frauen zu schlagen bzw. zu erschlagen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass im Koran nur die Männer angesprochen werden, über Frauen wird in der dritten Person gesprochen wie über eine Ware. Männer sind Sub- jekte des Handelns, Frauen sind deren Objekte. Und was passiert, wenn ein Mann erfährt, dass er Vater einer Tochter wurde? Dazu der vierte Vers der 92. Sure: «Wenn einer von ihnen von einer Tochter erfährt, dann verdüstert sich sein Gesicht und es wühlt in ihm. Er versteckt sich vor den Leuten wegen der unheilvollen Nach- richt. Soll er trotzdem seinen Schandfleck (= die Tochter!) be- halten oder doch im Dreck vergra- ben?» Der 223. Vers der zweiten Sure bringt das Frauenbild, das der Koran vermittelt, auf den Punkt: «Eure Frauen sind für Euch ein Saatfeld!» Dieses Feld gilt es zu bestellen, sprich: zu besamen. Und was passiert, wenn das Feld unfruchtbar bleibt? Dann kann der Mann der Frau den Laufpass geben. Beachtlich auch der Kom- mentar von al-Ghazali, einem be- deutenden Korangelehrten, des- sen Autorität bis heute unangetas- tet ist. In seinem «Buch der Ehe» steht geschrieben: «Eine Matte im Winkel des Hauses ist besser als eine Frau, die nicht gebiert.» Nach Ihren Ausführungen fordert der Koran dutzendfach die gnadenlose Verfolgung der Ungläubigen im Dies- seits. Und im Jenseits verheisst er ihnen ewige Höllenpein. Steht im Alten Testament nicht auch Ähnli- ches? Manfred Schlapp: Gewiss. Die Hass- und Fluchverse des Alten Testamentes – und vieles mehr – fanden Eingang in den Koran. Nur: Die Scheusslichkeiten, die im Alten Testament niedergeschrie- ben sind, nimmt – abgesehen von einigen Narren in den USA – kein Mensch mehr ernst. Nicht so in der muslimischen Welt: siehe die Gewaltexzesse in nah und fern! Was erwarten islamistische Selbst- mordattentäter, wenn sie ins Paradies kommen? Manfred Schlapp: In ihrer Naivität erwarten sie 72 Jungfrauen. Ich darf diese «Märtyrer» beruhigen. Es warten keine 72 Jungfrauen auf sie. Von 72 schnatternden Gänsen umgeben zu sein, würde selbst der hartgesottenste Märtyrer kei- nen Tag lang aushalten, geschwei- ge eine Ewigkeit. Es handelt sich bei diesen Jungfrauen um einen uralten Schreib- bzw. Überset- zungsfehler. Die Schreibe war nicht von Jungfrauen, sondern von einer Traube, prall bestückt mit grossen weissen Beeren, «so schön wie erlesene Perlen». Von solchen Trauben konnten Wüs- tensöhne nur träumen. Also pro- jizierten sie diesen unerreichba- ren Genuss in die jenseitige Welt. Weiter führen Sie in Ihrem Buch aus, dass es gemäss Koran kein Delikt sei, Ungläubige zu täuschen und hinters Licht zu führen, sondern eine lobens- werte Tat, deren sich gläubige Musli- me befleissigen sollen. Inwieweit ist demnach davon auszugehen, dass Täuschung ein strategisches Konzept sein könnte, um die Islamisierung des Westens leichter vorantreiben zu kön- nen? Manfred Schlapp: Das Prinzip der absichtlichen Täuschung, mit dem Ziel, Ungläubige hinters Licht zu führen bzw. in die Falle zu locken, heisst «takijja». In seinem ursprünglichen Sinn bedeutet dieser Begriff so viel wie «kundige Besorgnis». In diesem Sinn er- laubt Allah den Gläubigen im 28. Vers der dritten Sure, sich mit den verfluchten Ungläubigen anfreun- den zu dürfen, falls eine solche «Freundschaft» ihrem Schutz oder dem Sieg des Islam dienlich ist. Mit der Zeit entwickelte sich «at- takijja» zu einem strategischen Prinzip, das gläubigen Muslimen vorgeschrieben ist. Diesbezüglich gibt es eine reiche Literatur. Gibt es denn auch Koranstellen, wo zur Toleranz aufgerufen und den so- genannten Ungläubigen nichts Böses angedroht wird? Manfred Schlapp: Die einzige Sure, in der den sogenannten Ungläubi- gen nichts Böses angedroht wird, ist die 109. Sure, die den Titel «Die Ungläubigen (= al-kâfirûn)» trägt. Im sechsten und letzen Vers heisst es: «Euch (Ungläubigen) Eurer Glaube und mir mein Glaube!» Noch heute schlachten sich im Nahen Osten Sunniten und Schiiten ab. Worin liegt die Feindschaft zwischen diesen beiden Gruppierungen be- gründet? Manfred Schlapp: Das ist auch eine lange Geschichte, die mit dem Tod des Propheten beginnt. Zum Kali- fen (= Nachfolger) wurde nicht sein Vetter und Schwiegersohn Ali ernannt, sondern der wackere Kampfgefährte Abu Bakr. Ihm folgten die Kalifen Omar und Uth- man. Erst nach dem Tod von Uth- man durfte Ali das Kalifat antre- ten. Doch der Umajjade Muawija, der Amir von Damaskus, verwei- gerte die Gefolgschaft, und es kam zum ersten muslimischen Bruder- krieg. Der Krieg endete mit Alis Ermordung. Nun rebellierte Alis Sohn Hussein gegen das Umajja- den-Kalifat. Es kam zur berühm- ten Schlacht bei Kerbela, in der Hussein ums Leben kam. Mit dem «Opfertod» von Alis Sohn Hussein beginnt die eigentliche Geschich- te der «Schia» (= Abspaltung), die bis zum heutigen Tag einen hohen Blutzoll gefordert hat und noch fordern wird. Worin liegt der wesentliche Unter- schied zwischen Wahhabiten und Salafisten? Manfred Schlapp: Ihrem Wesen nach unterscheiden sich Salafis- ten und die saudi-arabischen Wahhabiten kaum. Beide Grup- pierungen vertreten einen funda- mentalen Islam und fordern einen Gottesstaat, in dem die strengen Gesetze der Scharia gelten. Ne- benbei: In Liechtenstein sind beide Gruppierungen vertreten. Salafisten haben bereits von sich reden gemacht. Wer aber weiss, dass sich schon vor Jahren saudi- arabische Wahhabiten mitten in Schaan in Form einer Foundation etablierten, die Korane und Hadi- then vertreibt. Was hat es konkret mit der von Ihnen beschriebenen Leitidee einer «umma muslima» auf sich, die zur Globali- sierung des Islam anregen soll? Manfred Schlapp: «Umma» bedeu- tet «Volk», «Nation», «Heimat» – abgesehen von einer Fülle über- tragener Bedeutungen. Der Begriff «umma» ist abgeleitet von «um» (= Mutter), ergo bedeutet «umma» in seinem ursprünglichen Wort- sinn so viel wie «Mutterland», im Gegensatz zu unserem «Vater- land». Im Koran kommt der Be- griff «umma» 19 Mal vor, mehr- heitlich in der Bedeutung von «Volk» bzw. «Nation», aber auch als «umma Muhammad» und «umma muslima», also «Moham- meds Gemeinde» und «die musli- mische Gemeinschaft». Diese Ge- meinde bzw. Gemeinschaft ist heilig, und es ist allen Muslimen aufgetragen, dafür Sorge zu tra- gen, dass die «umma muslima» globalisiert wird, dass also eines Tages alle Nationen und Völker dieser Erde in einem weltumspan- nenden islamischen Gottesstaat vereint sind. Die Scharia steht nach Ihren Be- schreibungen im krassen Wider- spruch zum westlichen Menschen- rechtsverständnis. Aber selbst Imame, die als aufgeklärt gelten, würden den archaischen Rechtsvorstellungen der Scharia zustimmen, selbst dafür, dass einem Dieb die Hand abzuhacken sei. Warum fordern Islamisten die Einführung der Scharia? Manfred Schlapp: Die Antwort ist einfach: Sie erfüllen uralte Gebote und dürfen sich glücklich preisen, als treue Diener Allahs zu gelten. Ihrer ist das Himmelreich! Und: Selbst moderate Imame begrün- den ihr Ja zum Hand-Abhacken mit dem Hinweis, dass es so im Koran steht und dass es sich um ein Gebot Allahs handelt, das zu respektieren ist! Nach Ihrem Buch verstehen sich die Muslimbrüder von Anfang an als Fahnenträger des neuzeitlichen Isla- mismus. Wie wird sich Ägypten in den kommenden Jahren mit der im Untergrund operierenden Muslim- bruderschaft entwickeln? Manfred Schlapp: Das ist eine spe- kulative Frage, die ich nicht wirk- lich beantworten kann. Zu vermu- ten ist jedoch, dass noch viel Blut den Nil hinunterfliessen wird und dass dieses Land noch lange nicht zur Ruhe kommt. Möglicherweise ist Ägypten das explosivste aller arabischen Länder. In keinem an- deren arabischen Land ballen sich so viele Menschen zusammen, und es herrschen Armut, Arbeits- losigkeit und Analphabetismus. Das ist ein explosive Mischung, die den Muslimbrüdern in die Hände spielt. Was hat es mit dem Mythos schwarz uniformierter Gotteskrieger auf sich, der mit den Dschihadisten von «Boko Haram» oder des «Islamischen Staa- tes» (= ad-daulat al-islamija) wieder- erwacht ist? Manfred Schlapp: Wiedererwacht ist der Mythos der «Schwarzen Fahnen», hinter denen schwarz uniformierte Gotteskrieger im Stile der SS zur Welteroberung im Namen des Islam antreten, bereits im 19. Jahrhundert. Der Mythos hat seinen Ursprung im sagen- umwobenen Chorasan, einer Re- gion, die aus heutiger Sicht Af- ghanistan, den Nordosten des Iran und den Südosten von Turk- menistan umschliessen würde. Einer alten Prophezeiung zufolge würde eines Tages aus Chorasan unter Führung des lange ersehn- ten Imam Mahdi eine schwarz uniformierte Armee aufbrechen, um die Welt im Namen Allahs für den Islam zu erobern. Zu Beginn der 80er Jahre des 19. Jahrhun- derts schien es so weit zu sein. Den Aufstand der Sudanesen gegen die britische Kolonialherr- schaft befehligte ein Muhammad Ahmad, der als der lang ersehnte Imam Mahdi erschien. Die «Mah- disten» eilten von Sieg zu Sieg, und schon glaubte man, der glo- bale Endsieg lasse nicht mehr lange auf sich warten. Doch dann kamen neu entwickelte Maschi- nengewehre zum Einsatz. Im Sep- tember 1889 schlug die britische Militärmacht erbarmungslos zu. In wenigen Stunden wurden 10 000 Mahdisten niedergemäht. Diese Niederlage schmerzt noch immer, und seit 1889 spukt die Armee des Imam Mahdi in den Köpfen militanter Muslime. In unserer Zeit ist es endlich wieder so weit: Imam Mahdi beflügelt die Taliban in Afghanistan, die Dschi- hadisten im syrisch-irakischen «Kalifat», die al-Qaida-Krieger im Maghreb, die asch-Schabâb-Mil- zen im Somalia und die Killerbri- gaden der «Boko Haram» im Nor- den Nigerias. Beim jüngsten Terroranschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift Char- lie Hebdo in Paris mahnte der deut- sche Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), den Islam nicht mit Terrorismus gleichzusetzen: «Der extremistische Islamismus, der isla- mistische Terrorismus, ist etwas ganz anderes als der Islam.» Wie beurteilen Sie diese Aussage? Manfred Schlapp: Dieser Satz ist nur teilweise richtig. Gebetsmüh- lenhaft wiederholen Politiker nach blutigen Attentaten, dass die Attentäter nichts mit dem Islam zu tun hätten. Das ist blanker Un- sinn. Richtig ist: Die Attentäter, die im Namen Allahs Ungläubige beseitigen, und die Dschihadis- ten, die unter Allahu-akbar-Rufen in den Kampf stürmen, befolgen genau das, was im Koran steht. Sie praktizieren einen fundamenta- len, radikalen Islam, radikal in des Wortes primärer Bedeutung, nämlich von der «Wurzel» her. Um Analphabeten aufzuklären: Auf den schwarzen Fahnen, die den Gotteskriegern voran flattern, steht «la illah ill’allah!», und das heisst: «Es gibt keinen Gott ausser Allah!» Das ist der Kernsatz der Schahada, des islamischen Glau- bensbekenntnisses. Und darunter steht «muhammad rasul allah», und das ist die Kurzform des zweiten Satzes der Schahada, nämlich: Muhammad ist der Ge- sandte Allahs. Was sagen Sie zu jenen Autoren, die behaupten, bei den Aufrufen zum Kampf gegen Ungläubige im Koran handle es sich eigentlich um Aufrufe zum inneren Kampf gegen den eige- nen Unglauben? Manfred Schlapp: Das ist eine fromme Lüge. Wer solches be- hauptet, beweist nur Eines: Er hat noch nie einen Koran in der Hand gehabt und falls ja, hat er noch nie in den Koran hineingeschaut oder er ist schlicht nicht in der Lage, den Koran zu lesen. Sollte ein sol- cher Mensch doch den Koran ge- lesen haben, dann betreibt er «ta- kijja» in reinster Form. Und was das bedeutet, haben wir ja schon erörtert. Sie warnen in Ihrem Buch immer wieder davor, alle Muslime in einen Topf zu werfen. Welche Unterschiede machen Sie hier als Islamexperte? Manfred Schlapp: Diese Frage ist einfach zu beantworten. Bei den sogenannten Muslimen findet man die gleichen Vielfalt wie bei den sogenannten Christen: Die Palette reicht von ehrbaren Agnostikern über Papier-Muslime bzw. Papier-Christen und gedan- kenlosen Mitläufern und braven Betbrüdern, die ihre Bräuche pfle- gen, bis hin zu den Wahnsinnigen. Leider ist unter Muslimen der Wahnsinn und die Bereitschaft zur Gewalt bei Weitem ausgepräg- ter als unter Christen. Das Chris- tentum ist dank der Aufklärung geläutert. Der Islam wartet immer noch auf eine solche Läuterung. Sie haben schon in Ihrer Karlsruher Vorlesungsreihe an das deutsche Ver- fassungsgericht appelliert, endlich den Begriff «Religion» neu zu fassen und somit auch das Rechtsgut der Religionsfreiheit zu überdenken. Wo- rauf wollen Sie dabei hinaus? Manfred Schlapp: In einem Punkt hat die europäische Aufklärung bis heute versagt. Es ist ihr nicht gelungen, den unseligen Blasphe- mie-Paragraphen flächendeckend abzuschaffen und den Begriff «Re- ligion» von Altlasten zu befreien. Religionen sind Ideologien, die eine rein privatrechtliche Rele- vanz haben und genauso wenig sakrosankt sind wie der Marxis- mus oder eine esoterische Philo- sophie. Wenn man das begriffen und verfassungsrechtlich veran- kert hat, dann löst sich die Religi- onsfreiheit in Luft auf. Haben Sie etwa je gehört, dass ein Marxist für seine marxistische Ideologie Religionsfreiheit beansprucht? Vor allem aber: Was Muslime im Zei- chen der Religionsfreiheit ver- üben, bringt einen ins Grübeln. In einem Rechtsstaat kann nur ein Prinzip gelten: legal oder illegal, Recht oder Unrecht. Diesem Prin- zip haben sich auch «Religionen» zu beugen! Wie gross ist nach Ihrer Einschätzung die Gefahr der Islamisierung des Abendlandes? Was halten Sie in die- sem Zusammenhang von der Bewe- gung «Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA)»? Manfred Schlapp: Die Frage ist: Gibt es überhaupt noch ein «Abendland»? Und falls ja, wer ist denn bereit, die Werte des «Abendlandes» – sofern es solche Werte noch gibt – zu verteidigen? Etwa die opportunistischen Wohl- standskrüppel, die sich in der EU organisiert haben? Was man bis- lang unter «Abendland» verstan- den hat, ist schon längst von kurz- sichtigen Bildungsreformern ver- raten worden. Und der Grossteil der Rektoren und Lehrer hat willig und in vorauseilendem Gehorsam mitgemacht. Ein Triumph der Charakterlosigkeit! Oder soll etwa die PEGIDA das Abendland ret- ten? Da kann man nur schallend lachen. Die PEGIDA wird ver- schwinden, nicht etwa deshalb, weil es an Sympathisanten man- gelt, sondern weil die «Patrioti- schen Europäer» vermutlich über kurz oder lang von den Parteien aufgesogen werden. Die PEGIDA repräsentiert ein Wählerpotenzial, das nicht zu unterschätzen ist! In Ihrem Buch erklären Sie, dass sich über die aktuellen Entwicklungen all jene Sorgen machen sollten, die poli- tische Verantwortung tragen, aber die Augen vor den real existierenden Pro- blemen allzu gerne verschliessen. Wie lautet ihr diesbezüglicher Appell? Manfred Schlapp: Diese Thematik habe ich in meinem Buch aus- führlich behandelt. Dazu hier nur ein kurzer Hinweis: Die politi- schen Verantwortungsträger tun so, als ob der Islam kein Problem wäre, als ob der Islam keine dunk- le Seite hätte. Die Schattenseiten des Islam werden schlichtweg ne- giert. Und man scheut eine offene Debatte, viel schlimmer noch, man überlässt diese Debatte rech- ten Rabauken. Das ist ein politi- scher Skandal! Wie sollen aber Rechtsstaaten auf das Verhalten jener Muslime reagieren, die sich mit der rechtsstaatlichen Ge- sellschaftsordnung und den Freihei- ten, die diese Ordnung garantiert, nicht identifizieren können? Manfred Schlapp: Ganz einfach: Goodbye! Herr Schlapp, wer wie Sie offen aus- spricht, dass der Islam eine politische Ideologie ist, die den Grundsätzen säkularer Staaten widerspricht, läuft schnell einmal Gefahr, der Islamo- phobie bezichtigt und in die rechte Ecke gestellt zu werden. Welche Hal- tung vertreten Sie diesbezüglich? Manfred Schlapp: Nicht einmal ignorieren! Es macht keinen Sinn, sich mit Idioten auseinanderzu- setzen. Wie kann Europa seine Grundwerte langfristig vor dem Islam retten? Manfred Schlapp: Ich würde die Frage umdrehen: Wie kann man die humanen Grundwerte des Islam retten, wie sie der soge- nannte «furqân», der Katalog ethisch-sozialer Gebote, fordert? Und wie kann man den Islam von seiner dunklen Seite erlösen? Wenn diese Rettungsaktion ge- lingt, dann muss sich Europa keine Sorgen machen und kann seine Grundwerte gemeinsam mit den Muslimen in die Zukunft ret- ten. Hinzuzufügen ist: Die Grund- werte der Rechtsstaatlichkeit, die einen säkularen Staat demokrati- scher Verfassung auszeichnen, sind nicht nur von militanten Is- lamisten bedroht! Die Totengräber freiheitlicher Rechtsstaaten lau- ern in vielen Rattenlöchern! «Die Schattenseiten des Islam werden schlichtweg negiert» Auf die «Vaterland»-Frage, wie Europa seine Grundwerte langfristig vor dem Islam retten könne, sagt Prof. Manfred Schlapp, der Autor der Neuerscheinung «Islam heisst nicht Salam»: «Ich würde die Frage umdrehen: Wie kann man die humanen Grundwerte des Islam retten, wie sie der sogenannte furqân, der Katalog ethisch-sozialer Gebote, fordert? Und wie kann man den Islam von seiner dunklen Seite erlösen? Wenn diese Rettungsaktion gelingt, dann muss sich Europa keine Sorgen machen und kann seine Grundwerte gemeinsam mit den Muslimen in die Zukunft retten.» Zur Person Ehrenpräsident des PEN-Clubs Prof. Dr. Manfred Schlapp, geb. 1943 in Innsbruck, ist seit sei- nem Studium literarisch und publizistisch tätig. Mit 30 Jah- ren wurde er in den Internatio- nalen PEN-Club aufgenom- men, und im April 1968 grün- dete er mit 20 Autoren und Verlegern den PEN-Club Liechtenstein, dessen Ehren- präsident er ist. Und für seine Publikationen über Liechten- stein ist er mit dem Josef-von- Rheinberger-Kulturpreis aus- gezeichnet worden. Seit frühester Jugend be- schäftigt sich Manfred Schlapp mit der arabischen Sprache und Kultur. Im Laufe der Jahre hat er alle arabischen Länder bereist. In den Jahren 2006 und 2007 studierte er in Paris Koran-Arabisch und ein Jahr später in Berlin. Im Anschluss daran hielt er an der Karlsru- her Hochschule die sechs- semestrige Vorlesungsreihe «Eine peripatetische Ästhetik der muslimischen Welt». Diese Vorlesungsreihe bildete das Fundament, auf dem sein Buch «Islam heisst nicht Salam» gründet. Zum Buch «Islam heisst nicht Salam» Manfred Schlapp: Islam heisst nicht Salam – Streifzüge durch die muslimische Welt – Ein Le- sebuch. Offizin Verlag. Zürich 2015. 35 Fr. bzw. 29 Euro. Bild: Stefan Trefzer Prof. Manfred Schlapp mit seinem Buch «Islam heisst nicht Salam»: «Die Attentäter, die im Namen Allahs Ungläubige beseitigen, und die Dschihadisten, die unter Allahu-akbar-Rufen in den Kampf stürmen, befolgen genau das, was im Koran steht. Sie praktizieren einen fundamentalen, radikalen Islam, radikal in des Wortes primärer Bedeutung, nämlich von der Wurzelher.» Bis heute vergeht kein Tag, an dem ich nicht im Koran lese. Die muslimische Buchstaben- gläubigkeit ist ein jüdisches Erbe. Über Frauen wird in der dritten Person gesprochen wie über eine Ware. Die Scheusslichkei- ten im Alten Testa- ment nimmt kein Mensch mehr ernst. Die politisch Verant- wortlichen tun so, als ob der Islam kein Problem wäre. In einem Rechts- staat kann nur ein Prinzip gelten: legal oder illegal. Dass die Attentäter nichts mit dem Islam zu tun hätten, ist blanker Unsinn.

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Interview Liechtensteiner Vaterland | Samstag, 17. Januar 2015 9

GÜNTHER FRITZ

Herr Schlapp, am 14. Februar er-scheint offiziell Ihr neuestes Werk«Islam heisst nicht Salam». Wie warIhr Weg als Buchautor von der an derKarlsruher Hochschule gehaltenensechssemestrigen Vorlesungsreihe«Eine peripatetische Ästhetik der isla-mischen Welt» bis zu dem vorliegen-den Opus Magnum?Manfred Schlapp: Das Buch «Islamheisst nicht Salam» erscheint offi-ziell tatsächlich erst am 14. Febru-ar, am Tag, an dem der Verlag mitmeinem Buch die Frühjahrspro-duktion eröffnet. Ein Medien-spektakel, das vor Weihnachteneinsetzte und von dem noch zureden sein wird, hat aber dazu ge-führt, dass das Buch bereits seitJahresbeginn im Handel ist. Nunzu Ihrer eigentlichen Frage: MeineVorlesungsreihe «Eine peripateti-sche Ästhetik der muslimischenWelt» war das Fundament, aufdem das Buch entstand. Ich habezunächst den gewaltigen Stoff,den ich für die Vorlesungen aufbe-reitet habe, auf 1200 Seiten nie-dergeschrieben. Dann begann dieeigentliche Arbeit, nämlich: diesesKonvolut auf 170, angenehm les-bare Essays zu verdichten. So ent-stand ein Buch von knapp 400 Sei-

ten. In ihrer Gesamtheit ergebendiese 170 Essays, die auf neun Ka-pitel verteilt sind, ein farben-prächtiges Mosaik, das die musli-mische Welt auf vielfältige Weiseabbildet.

Obschon das Buch noch gar nicht aufdem Markt war, hat Sie AndreasThiel, der Autor eines in der Weltwo-che erschienenen islamkritischenBeitrags, in der TV-Sendung vonRoger Schawinski mehrfach zitiert,was in der Folge dazu führte, dass Siein einem Schweizer Internet-Forumzur Zielscheibe abstruser Anwürfewurden. Wie kam es dazu?Manfred Schlapp:Was sich im An-schluss an das TV-Duell Schawin-

ski-Thiel abspielte, war eine Gro-teske, die zu einer Schmierenko-mödie ausartete. Ende Novemberrief mich ein Zürcher Freund an –er hat für die Rückseite des Buch-umschlags ein Statement zu mei-nem Buch beigesteuert – und wiesmich auf einen Koran-kritischenArtikel in der «Weltwoche» hin.Wenig später trafen wir uns in Zü-rich. Zum Treffen stiess auch einjunger kultivierter Mann namensAndreas Thiel, der Autor des Arti-kels. Wir hatten ein anregendesGespräch. Unter anderem unter-

hielten wir uns über mein Buch,das eben fertiggestellt war, undich erfuhr von einem unmittelbarbevorstehenden TV-Duell zwi-schen diesem jungen Mann undeinem Talkmaster namens RogerSchawinski. Dieses TV-Duell ge-riet zu einem Medienspektakel,das die Schweiz zum Bebenbrachte. Dankenswerter Weisehatte Andreas Thiel versucht, Ge-danken, die ich in meinem Buchentwickelt hatte, zum Besten zugeben, ihm wurde aber jedes Maldas Wort abgeschnitten. Bei sei-nen Versuchen berief sich AndreasThiel auf mich als einen «Profes-sor für Orientalistik». Im An-schluss an dieses TV-Duell beganndie Medienmeute zu rätseln, werdieser Professor ist. In dem vonIhnen erwähnten Internetforum,in dem sich Zerebralasketen undProfilneurotiker wichtig machenkönnen, begannen wildfremdeLeute, ihre Köpfe über mich aus-zuleeren. Zum Beispiel: Ich sei einKlosterschüler aus der Inner-schweiz und landesweit bekanntals der vehementeste Verteidigervon Wolfgang Haas. In Wahrheitbin ich in Innsbruck aufgewach-sen, wo ich das «AkademischeGymnasium» absolvierte, daserste weltliche Gymnasium inTirol. Und unser Erzbischof hatteund hat es nicht nötig, sich vonmir verteidigen zu lassen. Gegenwen auch? Nebenbei: Besonderswichtig machte sich ein gewisserOliver Wäckerlig, dessen Ergüssean Dummheit kaum zu toppensind.

Woher stammt eigentlich Ihre Moti-vation, Koran-Arabisch zu lernenund sich so intensiv mit dem Islamauseinanderzusetzen, wie Sie dies inden letzten Jahren getan haben?Manfred Schlapp:Das ist eine langeGeschichte, die in meiner Kind-heit beginnt. Noch als Primar-schüler bekam ich ein Buch in dieHände, das von der arabischenKultur und von der Geschichtedes Islam handelte. Ich war faszi-niert. Mit sechzehn Jahrenschwang ich mich mit einemSchulfreund auf ein zweisitzigesPuch-Moped, auf dem wir vonInnsbruck nach Istanbul ratterten.In der Hagia Sophia und in derBlauen Moschee fasziniertenmich die Kalligraphien, die ichnicht zu lesen vermochte. Das be-schämte mich und weckte in mirden Wunsch, diese scheinbarfremde Schrift eines Tages lesenzu können. Diesen Wunsch habeich mir erfüllt. To make a longstory short: Ich lernte die arabi-sche Schrift, und im Laufe derJahre habe ich alle arabischenLänder bereist. Um auch denKoran in seiner archaischen Spra-che nicht nur lesen, sondern auchverstehen zu können, studierteich in den Jahren 2006 und 2007in Paris Koran-Arabisch und ein

Jahr später in Berlin. Im An-schluss daran hielt ich an derKarlsruher Hochschule besagteVorlesungsreihe, die grosses Echofand. Bis heute vergeht kein Tag,an dem ich nicht im Koran lese.

In Ihrem Buch bringen Sie mit gros-sem Respekt und aufrichtiger Be-wunderung die grossartigen Leistun-gen der arabischen Kultur und Wis-senschaft zur Sprache, von deren Seg-nungen auch Europa profitiert hat.Welche Errungenschaften des Orientsmöchten Sie dabei besonders hervor-heben?Manfred Schlapp: Es sind vor allemdrei Bereiche: Literatur, Medizinund Mathematik. Die Araberbrachten einen Grossteil der an-tiken Literatur zurück nachEuropa, wie zum Beispiel die aris-totelischen Texte oder die grie-chisch-römischen Liebeselegien,abgesehen von der profundenFachliteratur aus allen Bereichender Wissenschaften. Zweitens: Diearabische Medizin hat bereits im11. Jahrhundert eine Höhe er-reicht, die in Europa erst Jahrhun-derte später erreicht wurde. Der«Kanon der Medizin» von Avicen-na diente an den europäischenUniversitäten bis in die Mitte des17. Jahrhunderts als klassischesLehrbuch für Medizinstudenten.Dieser «Kanon», auf Arabisch:«qanun at-tibb», ist von zeitloserAktualität, was die Einflüsse derErnährung, der klimatischen Ver-hältnisse und des öko-sozialenUmfeld auf die Gesundheit be-trifft. Und drittens: Um 820 über-nahmen arabische Mathematikerdas indische Zahlensystem unddamit die Null, eine geniale Zahl,die erst die Wege für die höhereMathematik ebnete und in derFolge zum binären System führte,mit deren Hilfe sich alle Informa-tionsprozesse numerisch darstel-len lassen. In Europa fand die Nullim späten 12. Jahrhundert Ein-gang in die Gelehrtenstuben, alsAuszüge aus den Schriften desMathematikers al-Chwarizi inUmlauf kamen.

In Ihrem Buch geben Sie einen um-fassenden Überblick über die musli-mische Welt von ihren Anfängen bisheute. Welches Bild haben Sie dabeivom Gründer des Islam, dem Prophe-ten Muhammad, gewonnen?Manfred Schlapp: Dieses Bild isthöchst widersprüchlich. Sowohlder Koran als auch die Hadithen,die Sammlungen von Geschichtenund Legenden rund um den Pro-pheten, sind historisch betrachtetfragwürdige Quellen. Wenn mansich auf die historisch verifizier-baren Fakten beschränkt, dannerscheint ein Mann, dem man lie-ber nicht begegnen möchte.

Worin liegt die tiefere Ursache für diemuslimische Buchstabengläubigkeit?Manfred Schlapp:Die muslimischeBuchstabengläubigkeit ist ein jü-disches Erbe, das noch auf dieSpitze getrieben wurde. Angeblichhat Allah mit dem «qalam», mitdem Schreibrohr, höchstpersön-lich zur Sprache gebracht, was alskoranische Offenbarung gilt. Soheisst es etwa in den ersten fünfVersen der 96. Sure, die als die äl-testen Verse gelten: «Lies imNamen Deines Herrn, der erschaf-fen hat! Er erschuf den Menschenaus einem ‹sich Anklammernden›(= Sperma? Blutstropfen? Wur-zel?). Lies und Dein Herr wirdgütig sein, er, der mit dem ‹qalam›(= Schreibrohr) lehrte! Er lehrteden Menschen, was er nicht wuss-te.» Da Allah höchstpersönlichden Koran auf die Menschenherab sandte, ist jedes Wort«haram», also hochheilig und sa-

krosankt. Daher muss jedes Wortbuchstabengetreu gelesen undbefolgt werden. Das machen etwadie Dschihadisten in vorbildlicherWeise. Und des Todes ist – etwa inSaudi-Arabien, aber auch anders-wo – wer nur ein winziges Pünkt-chen im Koran ändert.

Worin liegt das Urgebot des Islam be-gründet, dass man sich kein Bild vonGott machen dürfe?Manfred Schlapp: Auch diesesGebot ist – wie vieles im Islam –ein jüdisches Erbe und schon immosaischen Dekalog verankert.

Welches Frauenbild vermittelt derKoran?Manfred Schlapp: Allgemein be-kannt ist der 43. Vers der viertenSure, der den Männern das Rechteinräumt, ihre Frauen zu schlagenbzw. zu erschlagen. Grundsätzlichist festzuhalten, dass im Korannur die Männer angesprochenwerden, über Frauen wird in der

dritten Person gesprochen wieüber eine Ware. Männer sind Sub-jekte des Handelns, Frauen sindderen Objekte. Und was passiert,wenn ein Mann erfährt, dass erVater einer Tochter wurde? Dazuder vierte Vers der 92. Sure: «Wenneiner von ihnen von einer Tochtererfährt, dann verdüstert sich seinGesicht und es wühlt in ihm. Erversteckt sich vor den Leutenwegen der unheilvollen Nach-richt. Soll er trotzdem seinenSchandfleck (= die Tochter!) be-halten oder doch im Dreck vergra-ben?» Der 223. Vers der zweitenSure bringt das Frauenbild, dasder Koran vermittelt, auf denPunkt: «Eure Frauen sind für Euch

ein Saatfeld!» Dieses Feld gilt es zubestellen, sprich: zu besamen.Und was passiert, wenn das Feldunfruchtbar bleibt? Dann kannder Mann der Frau den Laufpassgeben. Beachtlich auch der Kom-mentar von al-Ghazali, einem be-deutenden Korangelehrten, des-sen Autorität bis heute unangetas-tet ist. In seinem «Buch der Ehe»steht geschrieben: «Eine Matte imWinkel des Hauses ist besser alseine Frau, die nicht gebiert.»

Nach Ihren Ausführungen fordert derKoran dutzendfach die gnadenloseVerfolgung der Ungläubigen im Dies-seits. Und im Jenseits verheisst erihnen ewige Höllenpein. Steht imAlten Testament nicht auch Ähnli-ches?Manfred Schlapp: Gewiss. DieHass- und Fluchverse des AltenTestamentes – und vieles mehr –fanden Eingang in den Koran.Nur: Die Scheusslichkeiten, die imAlten Testament niedergeschrie-ben sind, nimmt – abgesehen voneinigen Narren in den USA – keinMensch mehr ernst. Nicht so inder muslimischen Welt: siehe dieGewaltexzesse in nah und fern!

Was erwarten islamistische Selbst-mordattentäter, wenn sie ins Paradieskommen?Manfred Schlapp: In ihrer Naivitäterwarten sie 72 Jungfrauen. Ichdarf diese «Märtyrer» beruhigen.Es warten keine 72 Jungfrauen aufsie. Von 72 schnatternden Gänsenumgeben zu sein, würde selbstder hartgesottenste Märtyrer kei-nen Tag lang aushalten, geschwei-ge eine Ewigkeit. Es handelt sichbei diesen Jungfrauen um einenuralten Schreib- bzw. Überset-zungsfehler. Die Schreibe warnicht von Jungfrauen, sondernvon einer Traube, prall bestücktmit grossen weissen Beeren, «soschön wie erlesene Perlen». Vonsolchen Trauben konnten Wüs-

tensöhne nur träumen. Also pro-jizierten sie diesen unerreichba-ren Genuss in die jenseitige Welt.

Weiter führen Sie in Ihrem Buch aus,dass es gemäss Koran kein Delikt sei,Ungläubige zu täuschen und hintersLicht zu führen, sondern eine lobens-werte Tat, deren sich gläubige Musli-me befleissigen sollen. Inwieweit istdemnach davon auszugehen, dassTäuschung ein strategisches Konzeptsein könnte, um die Islamisierung desWestens leichter vorantreiben zu kön-nen?Manfred Schlapp: Das Prinzip derabsichtlichen Täuschung, mitdem Ziel, Ungläubige hintersLicht zu führen bzw. in die Falle zulocken, heisst «takijja». In seinemursprünglichen Sinn bedeutetdieser Begriff so viel wie «kundige

Besorgnis». In diesem Sinn er-laubt Allah den Gläubigen im 28.Vers der dritten Sure, sich mit denverfluchten Ungläubigen anfreun-den zu dürfen, falls eine solche«Freundschaft» ihrem Schutz oderdem Sieg des Islam dienlich ist.Mit der Zeit entwickelte sich «at-takijja» zu einem strategischenPrinzip, das gläubigen Muslimenvorgeschrieben ist. Diesbezüglichgibt es eine reiche Literatur.

Gibt es denn auch Koranstellen, wozur Toleranz aufgerufen und den so-genannten Ungläubigen nichts Bösesangedroht wird? Manfred Schlapp: Die einzige Sure,in der den sogenannten Ungläubi-gen nichts Böses angedroht wird,ist die 109. Sure, die den Titel «DieUngläubigen (= al-kâfirûn)» trägt.Im sechsten und letzen Vers heisstes: «Euch (Ungläubigen) Eurer

Glaube und mir mein Glaube!»

Noch heute schlachten sich im NahenOsten Sunniten und Schiiten ab.Worin liegt die Feindschaft zwischendiesen beiden Gruppierungen be-gründet?Manfred Schlapp:Das ist auch einelange Geschichte, die mit dem Toddes Propheten beginnt. Zum Kali-fen (= Nachfolger) wurde nichtsein Vetter und Schwiegersohn Aliernannt, sondern der wackereKampfgefährte Abu Bakr. Ihmfolgten die Kalifen Omar und Uth-man. Erst nach dem Tod von Uth-man durfte Ali das Kalifat antre-ten. Doch der Umajjade Muawija,der Amir von Damaskus, verwei-gerte die Gefolgschaft, und es kamzum ersten muslimischen Bruder-krieg. Der Krieg endete mit AlisErmordung. Nun rebellierte AlisSohn Hussein gegen das Umajja-den-Kalifat. Es kam zur berühm-ten Schlacht bei Kerbela, in derHussein ums Leben kam. Mit dem«Opfertod» von Alis Sohn Husseinbeginnt die eigentliche Geschich-te der «Schia» (= Abspaltung), diebis zum heutigen Tag einen hohenBlutzoll gefordert hat und nochfordern wird.

Worin liegt der wesentliche Unter-schied zwischen Wahhabiten und Salafisten?Manfred Schlapp: Ihrem Wesennach unterscheiden sich Salafis-ten und die saudi-arabischenWahhabiten kaum. Beide Grup-pierungen vertreten einen funda-mentalen Islam und fordern einenGottesstaat, in dem die strengenGesetze der Scharia gelten. Ne-benbei: In Liechtenstein sindbeide Gruppierungen vertreten.Salafisten haben bereits von sichreden gemacht. Wer aber weiss,dass sich schon vor Jahren saudi-arabische Wahhabiten mitten inSchaan in Form einer Foundationetablierten, die Korane und Hadi-

then vertreibt.

Was hat es konkret mit der von Ihnenbeschriebenen Leitidee einer «ummamuslima» auf sich, die zur Globali-sierung des Islam anregen soll?Manfred Schlapp: «Umma» bedeu-tet «Volk», «Nation», «Heimat» –abgesehen von einer Fülle über-tragener Bedeutungen. Der Begriff«umma» ist abgeleitet von «um»

(= Mutter), ergo bedeutet «umma»in seinem ursprünglichen Wort-sinn so viel wie «Mutterland», imGegensatz zu unserem «Vater-land». Im Koran kommt der Be-griff «umma» 19 Mal vor, mehr-heitlich in der Bedeutung von«Volk» bzw. «Nation», aber auchals «umma Muhammad» und«umma muslima», also «Moham-meds Gemeinde» und «die musli-mische Gemeinschaft». Diese Ge-meinde bzw. Gemeinschaft istheilig, und es ist allen Muslimenaufgetragen, dafür Sorge zu tra-gen, dass die «umma muslima»globalisiert wird, dass also einesTages alle Nationen und Völkerdieser Erde in einem weltumspan-nenden islamischen Gottesstaatvereint sind.

Die Scharia steht nach Ihren Be-schreibungen im krassen Wider-spruch zum westlichen Menschen-rechtsverständnis. Aber selbst Imame,die als aufgeklärt gelten, würden denarchaischen Rechtsvorstellungen derScharia zustimmen, selbst dafür, dasseinem Dieb die Hand abzuhackensei. Warum fordern Islamisten dieEinführung der Scharia?Manfred Schlapp: Die Antwort isteinfach: Sie erfüllen uralte Geboteund dürfen sich glücklich preisen,

als treue Diener Allahs zu gelten.Ihrer ist das Himmelreich! Und:Selbst moderate Imame begrün-den ihr Ja zum Hand-Abhackenmit dem Hinweis, dass es so imKoran steht und dass es sich umein Gebot Allahs handelt, das zurespektieren ist!

Nach Ihrem Buch verstehen sich dieMuslimbrüder von Anfang an alsFahnenträger des neuzeitlichen Isla-mismus. Wie wird sich Ägypten inden kommenden Jahren mit der imUntergrund operierenden Muslim-bruderschaft entwickeln?Manfred Schlapp: Das ist eine spe-kulative Frage, die ich nicht wirk-lich beantworten kann. Zu vermu-ten ist jedoch, dass noch viel Blutden Nil hinunterfliessen wird unddass dieses Land noch lange nichtzur Ruhe kommt. Möglicherweiseist Ägypten das explosivste allerarabischen Länder. In keinem an-deren arabischen Land ballen sich

so viele Menschen zusammen,und es herrschen Armut, Arbeits-losigkeit und Analphabetismus.Das ist ein explosive Mischung,die den Muslimbrüdern in dieHände spielt.

Was hat es mit dem Mythos schwarzuniformierter Gotteskrieger auf sich,der mit den Dschihadisten von «BokoHaram» oder des «Islamischen Staa-tes» (= ad-daulat al-islamija) wieder-erwacht ist?Manfred Schlapp: Wiedererwachtist der Mythos der «SchwarzenFahnen», hinter denen schwarzuniformierte Gotteskrieger imStile der SS zur Welteroberung imNamen des Islam antreten, bereitsim 19. Jahrhundert. Der Mythos

hat seinen Ursprung im sagen-umwobenen Chorasan, einer Re-gion, die aus heutiger Sicht Af-ghanistan, den Nordosten desIran und den Südosten von Turk-menistan umschliessen würde.Einer alten Prophezeiung zufolgewürde eines Tages aus Chorasanunter Führung des lange ersehn-ten Imam Mahdi eine schwarzuniformierte Armee aufbrechen,um die Welt im Namen Allahs fürden Islam zu erobern. Zu Beginnder 80er Jahre des 19. Jahrhun-derts schien es so weit zu sein.Den Aufstand der Sudanesengegen die britische Kolonialherr-schaft befehligte ein MuhammadAhmad, der als der lang ersehnteImam Mahdi erschien. Die «Mah-disten» eilten von Sieg zu Sieg,und schon glaubte man, der glo-bale Endsieg lasse nicht mehrlange auf sich warten. Doch dannkamen neu entwickelte Maschi-nengewehre zum Einsatz. Im Sep-tember 1889 schlug die britischeMilitärmacht erbarmungslos zu.In wenigen Stunden wurden10 000 Mahdisten niedergemäht.Diese Niederlage schmerzt nochimmer, und seit 1889 spukt dieArmee des Imam Mahdi in denKöpfen militanter Muslime. Inunserer Zeit ist es endlich wiederso weit: Imam Mahdi beflügelt dieTaliban in Afghanistan, die Dschi-hadisten im syrisch-irakischen«Kalifat», die al-Qaida-Krieger imMaghreb, die asch-Schabâb-Mil-zen im Somalia und die Killerbri-gaden der «Boko Haram» im Nor-den Nigerias.

Beim jüngsten Terroranschlag auf dieRedaktion der Satirezeitschrift Char-lie Hebdo in Paris mahnte der deut-sche Bundesinnenminister Thomasde Maizière (CDU), den Islam nichtmit Terrorismus gleichzusetzen: «Derextremistische Islamismus, der isla-mistische Terrorismus, ist etwas ganzanderes als der Islam.» Wie beurteilenSie diese Aussage?Manfred Schlapp: Dieser Satz istnur teilweise richtig. Gebetsmüh-lenhaft wiederholen Politikernach blutigen Attentaten, dass dieAttentäter nichts mit dem Islamzu tun hätten. Das ist blanker Un-sinn. Richtig ist: Die Attentäter,die im Namen Allahs Ungläubigebeseitigen, und die Dschihadis-ten, die unter Allahu-akbar-Rufenin den Kampf stürmen, befolgengenau das, was im Koran steht. Siepraktizieren einen fundamenta-len, radikalen Islam, radikal in desWortes primärer Bedeutung,nämlich von der «Wurzel» her. UmAnalphabeten aufzuklären: Aufden schwarzen Fahnen, die denGotteskriegern voran flattern,steht «la illah ill’allah!», und dasheisst: «Es gibt keinen Gott ausserAllah!» Das ist der Kernsatz derSchahada, des islamischen Glau-bensbekenntnisses. Und daruntersteht «muhammad – rasul –allah», und das ist die Kurzformdes zweiten Satzes der Schahada,nämlich: Muhammad ist der Ge-sandte Allahs.

Was sagen Sie zu jenen Autoren, diebehaupten, bei den Aufrufen zumKampf gegen Ungläubige im Koranhandle es sich eigentlich um Aufrufezum inneren Kampf gegen den eige-nen Unglauben? Manfred Schlapp: Das ist einefromme Lüge. Wer solches be-hauptet, beweist nur Eines: Er hatnoch nie einen Koran in der Handgehabt und falls ja, hat er noch niein den Koran hineingeschaut oderer ist schlicht nicht in der Lage,den Koran zu lesen. Sollte ein sol-cher Mensch doch den Koran ge-lesen haben, dann betreibt er «ta-kijja» in reinster Form. Und was

das bedeutet, haben wir ja schonerörtert.

Sie warnen in Ihrem Buch immerwieder davor, alle Muslime in einenTopf zu werfen. Welche Unterschiedemachen Sie hier als Islamexperte?Manfred Schlapp: Diese Frage isteinfach zu beantworten. Bei densogenannten Muslimen findetman die gleichen Vielfalt wie beiden sogenannten Christen: DiePalette reicht von ehrbarenAgnostikern über Papier-Muslimebzw. Papier-Christen und gedan-kenlosen Mitläufern und bravenBetbrüdern, die ihre Bräuche pfle-gen, bis hin zu den Wahnsinnigen.Leider ist unter Muslimen derWahnsinn und die Bereitschaftzur Gewalt bei Weitem ausgepräg-ter als unter Christen. Das Chris-tentum ist dank der Aufklärunggeläutert. Der Islam wartet immernoch auf eine solche Läuterung.

Sie haben schon in Ihrer KarlsruherVorlesungsreihe an das deutsche Ver-fassungsgericht appelliert, endlichden Begriff «Religion» neu zu fassenund somit auch das Rechtsgut derReligionsfreiheit zu überdenken. Wo-rauf wollen Sie dabei hinaus?Manfred Schlapp: In einem Punkthat die europäische Aufklärungbis heute versagt. Es ist ihr nichtgelungen, den unseligen Blasphe-mie-Paragraphen flächendeckendabzuschaffen und den Begriff «Re-

ligion» von Altlasten zu befreien.Religionen sind Ideologien, dieeine rein privatrechtliche Rele-vanz haben und genauso wenigsakrosankt sind wie der Marxis-mus oder eine esoterische Philo-sophie. Wenn man das begriffenund verfassungsrechtlich veran-kert hat, dann löst sich die Religi-onsfreiheit in Luft auf. Haben Sieetwa je gehört, dass ein Marxistfür seine marxistische IdeologieReligionsfreiheit beansprucht? Vorallem aber: Was Muslime im Zei-chen der Religionsfreiheit ver-üben, bringt einen ins Grübeln. Ineinem Rechtsstaat kann nur einPrinzip gelten: legal oder illegal,Recht oder Unrecht. Diesem Prin-zip haben sich auch «Religionen»zu beugen!

Wie gross ist nach Ihrer Einschätzungdie Gefahr der Islamisierung desAbendlandes? Was halten Sie in die-sem Zusammenhang von der Bewe-gung «Patriotische Europäer gegendie Islamisierung des Abendlandes(PEGIDA)»?Manfred Schlapp: Die Frage ist:Gibt es überhaupt noch ein«Abendland»? Und falls ja, wer istdenn bereit, die Werte des«Abendlandes» – sofern es solcheWerte noch gibt – zu verteidigen?Etwa die opportunistischen Wohl-standskrüppel, die sich in der EUorganisiert haben? Was man bis-lang unter «Abendland» verstan-den hat, ist schon längst von kurz-sichtigen Bildungsreformern ver-raten worden. Und der Grossteilder Rektoren und Lehrer hat willigund in vorauseilendem Gehorsammitgemacht. Ein Triumph derCharakterlosigkeit! Oder soll etwadie PEGIDA das Abendland ret-ten? Da kann man nur schallendlachen. Die PEGIDA wird ver-schwinden, nicht etwa deshalb,weil es an Sympathisanten man-gelt, sondern weil die «Patrioti-schen Europäer» vermutlich überkurz oder lang von den Parteienaufgesogen werden. Die PEGIDA

repräsentiert ein Wählerpotenzial,das nicht zu unterschätzen ist!

In Ihrem Buch erklären Sie, dass sichüber die aktuellen Entwicklungen alljene Sorgen machen sollten, die poli-tische Verantwortung tragen, aber dieAugen vor den real existierenden Pro-blemen allzu gerne verschliessen. Wielautet ihr diesbezüglicher Appell?Manfred Schlapp: Diese Thematikhabe ich in meinem Buch aus-führlich behandelt. Dazu hier nurein kurzer Hinweis: Die politi-schen Verantwortungsträger tunso, als ob der Islam kein Problemwäre, als ob der Islam keine dunk-le Seite hätte. Die Schattenseitendes Islam werden schlichtweg ne-giert. Und man scheut eine offeneDebatte, viel schlimmer noch,man überlässt diese Debatte rech-ten Rabauken. Das ist ein politi-scher Skandal!

Wie sollen aber Rechtsstaaten auf dasVerhalten jener Muslime reagieren,die sich mit der rechtsstaatlichen Ge-sellschaftsordnung und den Freihei-ten, die diese Ordnung garantiert,nicht identifizieren können? Manfred Schlapp: Ganz einfach:Goodbye!

Herr Schlapp, wer wie Sie offen aus-spricht, dass der Islam eine politischeIdeologie ist, die den Grundsätzen säkularer Staaten widerspricht, läuftschnell einmal Gefahr, der Islamo-phobie bezichtigt und in die rechteEcke gestellt zu werden. Welche Hal-tung vertreten Sie diesbezüglich?Manfred Schlapp: Nicht einmalignorieren! Es macht keinen Sinn,sich mit Idioten auseinanderzu-setzen.

Wie kann Europa seine Grundwertelangfristig vor dem Islam retten?Manfred Schlapp: Ich würde dieFrage umdrehen: Wie kann mandie humanen Grundwerte desIslam retten, wie sie der soge-nannte «furqân», der Katalogethisch-sozialer Gebote, fordert?Und wie kann man den Islam vonseiner dunklen Seite erlösen?Wenn diese Rettungsaktion ge-lingt, dann muss sich Europakeine Sorgen machen und kannseine Grundwerte gemeinsam mitden Muslimen in die Zukunft ret-ten. Hinzuzufügen ist: Die Grund-werte der Rechtsstaatlichkeit, dieeinen säkularen Staat demokrati-scher Verfassung auszeichnen,sind nicht nur von militanten Is-lamisten bedroht! Die Totengräberfreiheitlicher Rechtsstaaten lau-ern in vielen Rattenlöchern!

«Die Schattenseiten des Islam werden schlichtweg negiert»Auf die «Vaterland»-Frage, wie Europa seine Grundwerte langfristig vor dem Islam retten könne, sagt Prof. Manfred Schlapp, der Autor der Neuerscheinung «Islam heisst nicht Salam»: «Ich würde die Frage umdrehen: Wie kann man die humanen Grundwerte des Islam retten, wie sie der sogenannte ‹furqân›, der Katalog ethisch-sozialer Gebote, fordert? Und wie kann man den Islam von seiner dunklen Seite erlösen? Wenn diese Rettungsaktion gelingt, dann muss sich Europa keine Sorgen machen und kann seine Grundwerte gemeinsam mit den Muslimen in die Zukunft retten.»

Zur PersonEhrenpräsident des PEN-Clubs Prof. Dr. Manfred Schlapp, geb.1943 in Innsbruck, ist seit sei-nem Studium literarisch undpublizistisch tätig. Mit 30 Jah-ren wurde er in den Internatio-nalen PEN-Club aufgenom-men, und im April 1968 grün-dete er mit 20 Autoren undVerlegern den PEN-ClubLiechtenstein, dessen Ehren-präsident er ist. Und für seinePublikationen über Liechten-stein ist er mit dem Josef-von-Rheinberger-Kulturpreis aus-gezeichnet worden.

Seit frühester Jugend be-schäftigt sich Manfred Schlappmit der arabischen Spracheund Kultur. Im Laufe der Jahrehat er alle arabischen Länderbereist. In den Jahren 2006und 2007 studierte er in ParisKoran-Arabisch und ein Jahrspäter in Berlin. Im Anschlussdaran hielt er an der Karlsru-her Hochschule die sechs-semestrige Vorlesungsreihe«Eine peripatetische Ästhetikder muslimischen Welt». DieseVorlesungsreihe bildete dasFundament, auf dem sein Buch«Islam heisst nicht Salam»gründet.

Zum Buch«Islam heisst nicht Salam»

Manfred Schlapp: Islam heisstnicht Salam – Streifzüge durchdie muslimische Welt – Ein Le-sebuch. Offizin Verlag. Zürich2015. 35 Fr. bzw. 29 Euro.

Bild: Stefan Trefzer

Prof. Manfred Schlapp mit seinem Buch «Islam heisst nicht Salam»: «Die Attentäter, die im Namen Allahs Ungläubige beseitigen, und die Dschihadisten, die unter Allahu-akbar-Rufen in den Kampf stürmen, befolgen genaudas, was im Koran steht. Sie praktizieren einen fundamentalen, radikalen Islam, radikal in des Wortes primärer Bedeutung, nämlich von der ‹Wurzel› her.»

Bis heute vergeht kein Tag, andem ich nicht im

Koran lese.

Die muslimischeBuchstaben -

gläubigkeit ist ein jüdisches Erbe.

Über Frauen wird inder dritten Persongesprochen wieüber eine Ware.

Die Scheusslichkei-ten im Alten Testa-ment nimmt keinMensch mehr ernst. Die politisch Verant-

wortlichen tun so,als ob der Islam kein

Problem wäre.

In einem Rechts-staat kann nur einPrinzip gelten: legal oder illegal.

Dass die Attentäternichts mit dem

Islam zu tun hätten,ist blanker Unsinn.