Mit gentechnisch veränderten Mücken gegen Malaria kämpfen

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

374 Pharm. Unserer Zeit 5/2011 (40) www.pharmuz.de © 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Trotz intensiver Bemühungen hat dieWeltgemeinschaft die Malaria nochnicht in den Griff bekommen (siehePharmuZ-Ausgaben 6/2009 und1/2010). Strategien zur Eindämmung

der Malaria fokussieren sich auf alledrei an dem fatalen Infektionszyklusbeteiligten Organismen: Plasmodi-um als Erreger der Krankheit, Ano-pheles-Mücken als Überträger (Vekto-ren) und den Menschen als betroffe-nen Wirt.

Nicht nur werden die therapeu-tischen Möglichkeiten durch die zu-nehmende Resistenz der Malaria-Erre-ger eingeschränkt, auch ist es bislangnicht gelungen, wirksame Impfstrate-gien gegen Plasmodien zu entwi-ckeln. Deshalb gehören auch Über-legungen zur Eindämmung der Ver-breitung von Anopheles-Mücken seitlangem zu den Anti-Malaria-Strate-gien. Jedoch kann man auch durchintensiven Einsatz von Insektizidendem Problem nicht Herr werden – imGegenteil werden immer mehr Mü-cken resistent gegen die eingesetztenGifte.

Theoretisch könnte man dieÜbertragung der Malaria-Erregerdurch Anopheles-Mücken auf denMenschen dadurch unterbinden, dassman die Moskitos genetisch so verän-dert, dass sie die Vermehrung undÜbertragung der Plasmodien nichtmehr unterstützen können, wodurchder Infektionszyklus unterbrochenwürde. Möglichkeiten zur Eindäm-mung oder gar Elimination der Mala-ria durch eine gentechnische Manipu-lation der Malaria-Moskitos werden inFachkreisen schon länger diskutiert[1]. In den vergangenen Jahren wur-den Probleme wie die Entwicklungvon Methoden zur gentechnischenVeränderung von Moskitos und dieIdentifizierung möglicher Gene, diefür die Parasiten-Transmission durchMücken notwendig sind, weitgehend

gelöst. Was blieb war das Problem,gentechnisch veränderte Mücken ineine Wild-Population einzubringenund einen genetischen Trick zu fin-den, um für eine hinreichende Anrei-cherung der veränderten Allele in derMoskito-Population zu sorgen.

Windbichler et al. präsentieren ineiner in Nature erschienenen Arbeit[2] einen neuen Ansatz, mit dem dieVerbreitung gentechnisch veränder-ter Allele in Moskito-Populationenunterstützt werden könnte. Die Auto-ren schlagen vor, für die Funktion alsVektor wichtige Gene in Anopheles-Mücken durch so genannte Homing-Endonukleasen zu zerstören. Homing-Endonukleasen sind Enzyme, diedoppelsträngige DNA sehr spezifischan bestimmten Erkennungsstellenschneiden [3]. Homing-Endonukle-asen zählen zu den so genannten„egoistischen Genen“, das heißt siesind „molekulare Parasiten“, derenprimäres Ziel es ist, Genome zu „infi-zieren“ und sich in ihnen auszubrei-ten. Dabei bedienen sie sich häufigeines besonderen Vehikels, denGruppe-I-Introns (Abb. 1). Gruppe-I-Introns sind den normalen Intronsunserer Gene nicht unähnlich, kön-nen sich aber selbst aus einem Gen-transkript herausschneiden (self-spli-cing), während unsere „normalen“Introns bei der mRNA-Reifung durcheinen großen RNA-Protein-Komplex,das Spliceosom, entfernt werdenmüssen. Interessanterweise enthaltenGruppe-I-Introns häufig Gene fürHoming-Endonukleasen und werdendadurch selbst zu mobilen Elementen(Abb. 1): Befindet sich ein Gruppe-I-Intron in einem bestimmten Gen(Allel 1), kann die Homing-Endo-nuklease eine bestimmte Sequenz indemselben Intron-freien Gen auf demzweiten Chromosom (Allel 2) schnei-den und dadurch einen Doppel-strang-Bruch erzeugen. Die Zelle re-pariert solche Doppelstrangbrücheüber einen DNA-replikativen Mecha-nismus, wobei der nicht defekteStrang (im hier vorgestellten Fall Allel 1, das das Gruppe-I-Intron ent-hält) als Matrize verwendet wird. Bei dieser Reparatur wird also das

I N F E K T I O N S B I O LO G I E |Mit gentechnisch veränderten Mückengegen Malaria kämpfen

Möglichkeiten zur Eradikation von Infektionskrankheiten durch geneti-sche Manipulation der Erreger-übertragenden Insekten werden in Fach-kreisen schon länger diskutiert. Ein Forscherteam präsentiert nun einengentechnischen Ansatz, der die Verbreitung des Malaria-Erregers durchAnopheles-Mücken stoppen soll.

A B B . 1 H O M I N G

HE

5‘-Exon 3‘-Exon

Endo

Allel 1

+

Allel 2

HE-Bindestelle

SpaltungReparatur durch Rekombination

5‘-Exon 3‘-Exon

Endo

Allel 1

+

5‘-Exon 3‘-Exon

Endo

Allel 2

Gruppe-I-Intron

Gezeigt ist ein Gen (Allel 1), das ein Gruppe-I-Intron trägt.Dieses Intron wiederum codiert für eine Homing-Endonuklea-se (HE), die in der Zelle als Protein exprimiert wird. Die HEerkennt eine spezifische DNA-Sequenz in dem Intron-freienAllel 2 und verursacht dort einen Doppelstrang-DNA-Bruch.Die Zelle repariert diesen Doppelstrang-Bruch in einem DNA-replikativen Vorgang mit Allel 1 als Matrize. Deshalb wird dasGruppe-I-Intron während der Reparatur der DNA auf Allel 2übertragen. Dieser Vorgang wird als Homing bezeichnet.

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© 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 5/2011 (40) Pharm. Unserer Zeit 375

Gruppe-I-Intron von einem Ort imGenom in das Intron-freie Allel ko-piert, ein Vorgang, den man Homingnennt. Würde ein Gruppe-I-Introngentechnisch so konzipiert werden,dass der Homing-Vorgang das betrof-fene Gen zerstört, könnte man gen-technisch veränderte Moskitos schaf-fen, die nicht mehr in der Lage sind,Plasmodien auf den Menschen zuübertragen. Interessant im Zusam-menhang mit der gentechnischenVeränderung von Anopheles-Mückenist nun, dass Gruppe-I-Introns sehreffizient nicht besetzte Allele durchHoming „infizieren“. Das bedeutet,dass die Gruppe-I-Introns in den

gentechnisch veränderten Moskitosnach jeder sexuellen Fortpflanzungdas entsprechende nicht besetzteAllel in den Nachkommen zerstörenund damit für eine effiziente Ausbrei-tung des Gendefektes sorgen könn-ten. In ihrer Arbeit haben Windbich-ler et al. [2]. gezeigt, dass diese Ideeim Prinzip funktioniert: In Käfig-populationen eingebrachte gentech-nisch veränderte Moskitos sorgten innur acht bis zwölf Generationen da-für, dass sich ein defektes Allel von 1 % auf 40 bis 60 % anreicherte. DasPrinzip funktioniert also – was bleibtist die Bereitschaft der Gesellschaft,zur Elimination einer menschlichen

Infektionskrankheit gentechnisch ver-änderte Insekten in die Natur zu ent-lassen.

[1] Alphey, L., Beard, C.B., Billingsley, P.Coet-zee, M., Crisanti, A., et al.: Malaria controlwith genetically manipulated insect vec-tors. Science 298 (2002), 119–121.

[2] Windbichler, N., Menichelli, M., Papatha-nos, P.A., Thyme, S.B., Li, H., et al.: A syn-thetic homing endonuclease-based genedrive system in the human malaria mos-quito. Nature 2011 Apr 20. [Epub ahead ofprint].

[3] Marcaida, M.J., Muñoz, I.G., Blanco, F.J.,Prieto, J., Montoya, G.: Homing endonu-cleases: from basics to therapeutic applica-tions. Cell. Mol. Life Sci. 67 (2010), 727–748.

Thomas Winckler, Jena

M E D IZ I N |Kampf gegen Humane Papillomviren –impfen oder eincremen?

2008 gab es für die Identifizierung der Humanen Papillomviren (HPV)als Auslöser des Gebärmutterhalskrebses den halben Nobelpreis fürPhysiologie und Medizin. Bereits zwei Jahre vorher war der erste Impf-stoff gegen eine HPV-Infektion in Deutschland erhältlich, und obwohldie Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut die Imp-fung 2007 in ihre jährlichen Empfehlungen mit aufgenommen hat, sinddie Ressentiments gegen den HPV-Impfstoff nach wie vor groß.

Eine Alternative zur Impfung, abervor allem als Therapie für all diejeni-gen, die bereits mit HPV infiziert sindund für die eine Impfung definitiv zuspät käme, könnte ein kürzlich vor-gestellter Proteininhibitor sein, dertopisch angewendet werden könnte[1].

Papillomviren sind eine großeGruppe von DNA-Viren, die mehr-schichtiges Plattenepithel bei Wirbel-tiere infizieren. Allein beim Menschengibt es über 100 dokumentierte Papil-lomvirus-Typen, die aufgrund ihresTropismus in Haut- und Schleimhaut-Typen unterteilt werden. Die einzel-nen Papillomvirus-Typen sind zurIdentifikation nummeriert. Allen Pa-pillomviren ist gemeinsam, dass siesich nur in enddifferenzierten Kerati-nozyten vermehren, allerdings müs-

sen bereits die undifferenzierten Epi-thelzellen infiziert worden sein. Ausdiesem Grund kann man die Virenbisher nicht in vitro züchten.

Das Viruspartikel hat einenDurchmesser von ca. 55 nm und be-steht aus einem ikosaedrischen Kap-sid ohne Membranhülle. Alle Papil-lomviren besitzen ein ringförmig ge-schlossenes, doppelsträngiges, ca.8000 bp großes DNA-Genom, das mitHistonen Nucleosomen-ähnlich asso-ziiert vorliegt und in einen regulatori-schen und einen codierenden Ab-schnitt unterteilt wird (Abb. 1).

Nach dem Anheften an die Ziel-zelle wird das Virus über Endozytoseaufgenommen und gelangt nach ei-ner „Befreiungsaktion“ aus den Endo-somen schließlich in den Zellkernder Wirtszelle. Dort werden zunächst

die frühen viralen Gene von E1 undE2 zur Replikation des viralen Ge-noms exprimiert. Die DNA-HelikaseE1 und das Transaktivatorprotein E2können direkt einen Komplex mit

A B B . 1 H P V- G E N O M

regulatorischerBereich

(LCR, longcontrol region) Transkriptions-

start

E6E7

E1

E2E4E5

L2

L1

bevorzugterIntegrationsort

in das Wirtszellgenombeim Cervixkarzinom

Polyadeny-lierungssignal (früh)

Polyadeny-lierungs-

signal (spät)

HPV hat ein ringförmiges doppelsträngiges DNA-Genom vonca. 8000 bp Länge, das für 8 Proteine codiert, die früh (E1, E2,E4, E5, E6 und E7) und spät (L1 und L2) im Vermehrungszyklusdes Virus exprimiert werden. L1 ist das Hauptkapsidproteinder Virushülle und wird für die Herstellung des Impfstoffesrekombinant expriminiert.

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