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Morphologie und Syntax (BA)

Morphologie und Syntax (BA)Typologie, Templates und Prosodische Morphologie

PD Dr. Ralf Vogel

Fakultät für Linguistik und LiteraturwissenschaftUniversität Bielefeld

Ralf.Vogel@Uni-Bielefeld.de

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Morphologie und Syntax (BA)

Gliederung

1 Übungsaufgabe 2

2 Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

3 Morphologische Typologie

4 Ablaut und Umlaut

5 Templates

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 2

Übungsaufgabe 2

(1) Neben dem Partizip Perfekt bzw. Passiv (auch Partizip IIgenannt) wie bspw. ‘gelaufen’, ‘gelacht’, ‘geklopft’, gibtes im Deutschen noch das Partizip Präsens (oderPartizip I), wie bspw. ‘laufend’, ‘lachend’, ‘klopfend’.Auch das Partizip I kann adjektivisch flektiert werden wiein ‘der singende Seeelefant’.

a. Bestimmen Sie das Affix für die Bildung des PartizipI.

b. Handelt es sich bei der Bildung des Partizip I umDerivation oder um Flexion? Begründen Sie IhreAntwort.

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Übungsaufgabe 2

• Das Affix ist -end.

• Genau wie bei der Bildung des Partizip II wird hier auseinem Verb ein adjektivisch flektiertes Wort gebildet.Morphologisch gesehen wird also durch -end-Suffigierungein Wortartenwechsel ausgelöst. Es entsteht ein neuesLexem: es handelt sich also um Derivation.

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Übungsaufgabe 2

Übungsaufgabe 2

(2) Welches Problem werfen die Komposita ‘Jahrhundert’,‘Nimmersatt’ und ‘Dreikäsehoch’ für die Right HandHead Rule auf? Wie lässt sich dieses Problembeheben?

• Die RHHR besagt, dass der rechte Teil eines Kompositumsseine Wortart bestimmt.

• Dies sind hier die Adjektive ‘hundert’, ‘satt’ und ‘hoch’.

• Folglich müssten die drei Komposita ebenfalls Adjektivesein, sie sind aber Nomen.

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Übungsaufgabe 2

Übungsaufgabe 2

• Für ‘Nimmersatt’ und ‘Dreikäsehoch’ könnte man eineNomen-Ableitungsregel postulieren, die aus einembeliebigen Wort einen Namen macht.

• Dafür eignet sich bspw. die Annahme eines Null-Affixes:[Adj Dreikäsehoch] + [Nom -Ø] = [Nom Dreikäsehoch-Ø]

• ‘-Ø’ wäre dann ein phonetisch unsichtbaresNamensbildungssuffix.

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Übungsaufgabe 2

Übungsaufgabe 2

• Mit unsichtbaren Elementen muss man sparsam umgehen:da man sie nicht sehen kann, kann der Linguist ihnen alleszuschreiben, was er will. Sie sind deshalb sehr gutgeeignet, eine falsche Theorie zu ‘retten’.

• ‘Jahrhundert’ hingegen ist eine echte Ausnahme zurRHHR, weil das Kompositum Kategorie und Genus vomlinken Teil bekommt: ‘das Jahr’ — ‘das Jahrhundert’.

• Hier bleibt uns zunächst nichts anderes übrig, als Begriffewie ‘Jahrhundert, Jahrtausend, Jahrzehnt’ als(möglicherweise historisch zu erklärende) Ausnahmen zunotieren.

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Übungsaufgabe 2

Übungsaufgabe 2

(3) Ein sehr produktives Derivationsaffix des Deutschen istdas Suffix ‘-ung’ wie in ‘Übertreibung’. Was ist seineFunktion, mit welchen Wortarten kann es verbundenwerden, und welche weiteren Einschränkungen gibt esdiesbezüglich?

• Das Suffix -ung ist das Derivationssuffix, mit dem auseinem Verb ein Nomen gebildet wird, das die durch dasVerb ausgedrückte Tätigkeit bezeichnet.

• prüfen — Prüfung ; beleidigen — Beleidigung ; erfinden —Erfindung

• -ung ist sehr produktiv.• Es wird vor allem mit Tätigkeits-Verben gebildet, die

entweder ein Akkusativ-Objekt haben oder kein Objekt:

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Übungsaufgabe 2

Übungsaufgabe 2

(4) a. Karl prüfte/beleidigte/erfand einen Schüler.

b. Das Flugzeug landete/Peter erblindete/Sie einigtensich —Die Landung/Erblindung/Einigung

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Übungsaufgabe 2

Übungsaufgabe 2

• -ung-Suffigierung ist nicht möglich unter zweiBedingungen:

1 Es gibt bereits ein Lexem mit der intendierten Bedeutung,Beispiel:

‘leben’ — Leben, *Lebung2 Das Verb hat ein Dativ-Objekt und kein Akkusativ-Objekt,

Beispiel:‘danken’ — *Dankung; nur möglich bspw. als Danksagung

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildungs-Operationen

• Bislang haben wir zwei Methoden der Wortbildungkennengelernt:Affigierung LEXEM+Affix(e)

Eine Wurzel wird mit einem oder mehrerenPräfixen, Suffixen und/oder Infixen verbunden.

Komposition LEXEM+LEXEMZwei oder mehr Lexeme werden miteinanderkombiniert.

• Ein dritter Fall ist die Konversion.

• Hierbei handelt es sich genaugenommen darum, dassdasselbe Morph für zwei verschiedene Lexeme steht, diesich in ihrer Wortkategorie unterscheiden.

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildungs-Operationen – Konversion

• Konversion ist typischerweise in Sprachen mit wenigDerivations-Morphologie wie dem Englischen zu finden:

(1) a. The head of the village school has arrived.“Der Leiter der Dorfschule ist angekommen“

b. She will head the village school„Sie wird die Dorfschule leiten“

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildung — Konversion

• Ob das Wurzel-Morphem ‘head’ ein Nomen ist oder einVerb, kann man ihm nicht ansehen. Es ergibt sich aus demsyntaktischen Kontext.

• Den in Übungsaufgabe 2.2 besprochenen Fall derNamens-Derivation aus einem Adjektiv wie in„Dreikäsehoch“ kann man ebenfalls als Konversionbeschreiben.

• Wie in der Lösung der Aufgabe angedeutet, lässt sichKonversion auch als Affigierung mit einem unsichtbarenDerivations-Morphem auffassen.

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildung — Konversion

• Das englische Beispiel zeigt uns aber, dass wir eine ganzeReihe solcher unsichtbarer Affixe bräuchten:

• walk (Verb) — (take a) walk (Nomen) = walk+ØV walk+ØN• head (Nomen) — head (a school) (Verb) = head+ØN

head+ØV• fast (men) (Adjektiv) — (run) fast (Adverb) = fast+ØAdj

fast+ØAdv

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildung — Konversion

• Mit Null-Affixen ist im Grunde wenig gewonnen.

• Sie machen nur Sinn, wenn man annimmt, dass jedeWortableitung eine Affigierung sein muss. Dafür bestehterst einmal keine Notwendigkeit.

• In Sprachen mit wenig Affigierung finden wir häufigKonversion.

• Stattdessen zu sagen, Sprachen mit wenig Affigierunghätten eben viel Null-Affigierung, läuft zunächst auf dasGleiche hinaus.

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildung — Konversion

• Es gibt aber die enge Verbindung von Morphologie undPhonologie auf, und erzeugt eine gewisse Konfusion mitdem Begriff des Morphs:

• -Ø ist ein Affix, also ein Morph.• ‘head’ ist eine Wurzel, also ein Morph.• ‘head-ØN ’, ‘head-ØV ’ und ‘head’ sind homophon, aber

morphologisch verschieden.

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildung — Konversion

• Bislang haben wir ein Morph als die kleinste Änderung inder phonetischen Gestalt eines Wortes aufgefasst, die miteiner Änderung in der Bedeutung oder grammatischenFunktion einhergeht.

• Das können wir jetzt nicht mehr.

• Ein Morph wäre nun die kleinste Änderung in dermorphologischen Gestalt des Wortes.

• Diese morphologische Gestalt ist hier aber abstrakt und,wegen der Null-Affigierung, nicht beobachtbar.

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildung — Konversion

• Damit ist der Begriff ‘Morph’ nicht mehr empirisch, alsodurch Beobachtung bestimmt.

• Wenn wir ein Wort wie ‘head’ vor uns haben, können wirnicht einmal mehr sagen, ob es eine einfache Wurzel ist,oder ob es morphologisch komplex ist.

• Da multiple Affigierung möglich ist, müsste sie auch mitNull-Affigierung möglich sein.

• Wieviele Nullaffixe ein Wort wie ‘head’ hat, sehen wir ihmaber nicht an.

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildung — Konversion

• Es gibt hier ein Problem mit der Auffassung, dass eineGrammatik eine wissenschaftliche Theorie über die Regelneiner Sprache ist.

• Stellen Sie sich vor, zwei Linguisten streiten sich darüber,welche Wortart für „__“ in folgendem syntaktischen Kontextstehen darf:

(2) She will __ the village school

• Linguist A: „Für __ darf nur ein Verb stehen, also bspw.auch head-ØV , aber nicht head-ØN .“

• Linguist B: „Für __ darf ein Verb stehen, oder Wurzeln mitdem Null-Affix ØN , also head-ØN oder head-ØV .“

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Morphologische Typologie — Strategien der Wortbildung

Wortbildung — Konversion

(3) She will __ the village school

• Linguist A: „Für __ darf nur ein Verb stehen, also bspw. auchhead-ØV , aber nicht head-ØN .“

• Linguist B: „Für __ darf ein Verb stehen, oder Wurzeln mitdem Null-Affix ØN , also head-ØN oder head-ØV .“

• Auch wenn die Auffassung von Linguist B unplausibel ist, sokönnen wir seine Formulierung doch nicht anhand vonBeobachtungen widerlegen, da sich Null-Affixe nichtbeobachten lassen.

• Die beiden verschiedenen Theorien hätten die gleicheempirische Gültigkeit.

• Unter solchen Bedingungen ist aber eine Theorievorzuziehen, in der es nichts oder wenigerUnbeobachtbares gibt.

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Morphologische Typologie

Morphologische Typologie

• Die Sprachen der Welt lassen sich im Hinblick auf ihreWortbildungsmuster in fünf verschiedene Typen einteilen:

1 analytische (oder auch isolierende) Sprachen,2 agglutinierende Sprachen,3 flektierende (synthetische oder fusionierende) Sprachen,4 polysynthetische (inkorporierende) Sprachen,5 templatische Sprachen.

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Morphologische Typologie

Analytische Sprachen

• Analytische Sprachen haben wenige gebundeneMorpheme.

(4) Mandarin Chinesisch:taer

baOM

shuBuch

mai-lekaufen-perf.

(OM = Objekt-Markierer; perf.= perfektiver Aspekt)

• Objekt-markierung wird in vielen anderen Sprachen durchAffixe ausgedrückt.

• Hier haben wir ein freies Morphem, ein Funktionswort.

• In einer analytischen Sprache sind die meisten Wörtereinfache Wurzeln.

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Morphologische Typologie

Analytische Sprachen

(5) Mandarin Chinesisch:taer

baOM

shuBuch

mai-lekaufen-perf.

(OM = Objekt-Markierer; perf.= perfektiver Aspekt)

• Wie man an dem Perfektiv-Markierer ‘le’ sieht, gibt es inanalytischen Sprachen auch gebundene Morpheme.

• Aber sie sind sehr selten.

• Allerdings sind sehr viele chinesische Wörter Kompositaaus Wurzel-Morphemen.

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Morphologische Typologie

Agglutinierende Sprachen

• In agglutinierenden Sprachen finden wir fast eine1-zu-1-Entsprechung von Morphemen und Morphen.

• Ein Morph erfüllt hier meist auch nur genau eine Funktion.

(6) Türkisch:el ‘die Hand’ elimde ‘in meinen Händen’elim ‘meine Hand’ ellerim ‘meine Hände’eler ‘die Hände’ ellerimde ‘in meinen Händen’

(7) Morphem:Morph:

‘Hand’el

PLURAL

ler1.P.-POSS

im‘in’de

(1.P.-POSS= erste Person, possessiv, besitzanzeigend)

• Die Morphe werden eins nach dem anderen zu einem Wortzusammengesetzt, „agglutiniert“ (wörtlich: verklumpen).

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Morphologische Typologie

Flektierende Sprachen

• Vergleichen wir die Kasusflexion im Lateinischen mit demTürkischen:

(8) Latein:Singular Plural

Nominativ: mensa mensæ ‘Tisch/Tische’Genitiv: mensæ mensarum ‘des Tischs/der Tische’Ablativ: mensa mensis ‘von dem Tisch/den Tischen’

• Die hier dargestellten Suffixe stehen für bestimmteMerkmalskombinationen aus Kasus und Numerus.

• Es ist unmöglich, bspw. im Suffix -is einen Teil zubestimmen, der den Plural repräsentiert.

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Morphologische Typologie

Flektierende Sprachen

• Auch fehlt eine 1-zu-1-Entsprechung von Morphen undMorphemen. Das Suffix -æ bspw. steht zugleich für GenitivSingular und Nominativ Plural.

• Latein ist, wie übrigens auch Deutsch, eine flektierendeSprache.

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Morphologische Typologie

Polysynthetische Sprachen

• In polysynthetischen Sprachen stehen Wörter oft für ganzeSätze.

(9) Grönländisch (Inuktitut): „illuminiippuq“illu-haus

mi-3.P.Sg.Poss.Pron.

niip-in-sein

puq3.P.Sg.Ind

‘Er ist in seinem (eigenen) Haus’

(10) Grönländisch (Inuktitut): „tuttusivuq“tuttu-Karibu

si-begegnen

vuq3.P.Sg.Ind

‘Er begegnete einem Karibu’(3.P.Sg.Poss.Pron. = 3. Person Singular Possessiv-Pronomen;

3.P.Sg.Ind = 3. Person Singular Indikativ)

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Morphologische Typologie

Polysynthetische Sprachen

• In (10) und (9) sind die grammatischen Objekte in das Verbinkorporiert.

• Polysynthese bezeichnet Wortbildungsprozesse, bei deneneine grosse Zahl sehr verschiedener Morpheme,lexikalischer oder grammatischer Art, zu einem Wortverbunden werden.

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Morphologische Typologie

Morphologische Typologie

• Greenberg (1954) machte den weithin akzeptiertenVorschlag, Sprachen danach zu klassifizieren, wievieleMorpheme ein Wort im Durchschnitt hat (ermittelt anhandeiner repräsentativen Zusammenstellung von Sätzen):

• Hat eine Sprache zwischen 1,00 und 1,99 Morpheme proWort, ist sie analytisch — Englisch: 1,68 Morpheme/Wort

• Hat eine Sprache zwischen 2,00 und 2,99 Morpheme/Wort,ist sie synthetisch (flektierend), sofern die Realisierungverschiedener Morpheme mit demselben Morph geschieht(Latein).

• Hat eine Sprache zwischen 2,00 und 2,99 Morpheme/Wort,ist sie agglutinierend, sofern jedes Morphem durch einanderes Morph realisiert wird (Türkisch).

• Eine Sprache ist polysynthetisch, wenn sie im Schnitt mehrals drei Morpheme per Wort hat.

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Morphologische Typologie

Morphologische Typologie

• Kaum eine Sprache verfolgt eine der Strategien inReinform. In der Regel beobachten wir eine Mischung ausalledem.

• Ein Sprachtyp, der hier nicht genannt ist, sind dietemplatischen Sprachen. Ihnen wenden wir uns imübernächsten Abschnitt zu.

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Ablaut und Umlaut

Wortbildungs-Operationen

• Bislang haben wir vier verschiedeneWortbildungs-Operationen kennengelernt:

1 Affigierung2 Komposition3 Konversion4 Polysynthese

• Ein Phänomen, das nicht so richtig hier hineinpasst, sinddie Vokaländerungen in Wortwurzeln, die wir im Deutschenund anderen Sprachen häufig vorfinden.

• Wir unterscheiden hierbei Ablaut und Umlaut.

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Ablaut und Umlaut

Ablaut

• Unter Ablaut verstehen wir Änderungen im Stammvokaleines Lexems, wie sie im deutschen besonders bei starkenVerben zu finden sind:

(11) trinken — trank — getrunkensprechen — sprach — gesprochen

• Ablaut signalisiert hier eine Änderung im grammatischenWort (bzw. bei Partizip-Bildung auch eine Änderung in derWortkategorie).

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Ablaut und Umlaut

Ablaut

• Ablaut ist ein Relikt aus dem Althochdeutschen undMittelhochdeutschen.

• Im Germanischen gibt es sieben Ablautgruppen, dievorgeben, wie Stammvokale ablauten.

• Der ursprüngliche Hintergrund war einmal derphonologische Kontext, der sich aber in derSprachentwicklung gewandelt hat, so dass er nur nochbedingt rekonstruierbar ist.

• (Für eine Auflistung der Ablautreihen im Germanischen siehe auch

http://de.wikipedia.org/wiki/Ablaut)

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Ablaut und Umlaut

Umlaut

• Umlaut ist eigentlich eine spezielle Form der Ablautung.

• Auch dieser Vorgang ist ein Relikt aus früherenSprachstufen des Germanischen, aber er ist im Deutschennoch immer produktiv.

• Unter Umlaut verstehen wir die Veränderung eines Vokalszu einem vorderen Vokal (Aufhellung).

• Ursprünglich handelte es sich dabei um Vokalassimilation:• Ein /i/ oder /j/ löst diese Assimilation in dem Vokal der

vorangehenden Silbe aus.• In der Folge verschwanden aber -i/-j in den Suffixen.• Der Umlaut blieb trotzdem bestehen.

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Ablaut und Umlaut

Umlaut

• Im Früh-Germanischen war das Plural-Suffix bei Nomen -ibzw. -ir:

Proto-Germanisch Alt-Englischfot+i /fe:ti/ /fe:t/man+ir /menir/ /men/

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Ablaut und Umlaut

Umlaut

• Einige Kontexte für Umlaut im heutigen Deutsch:

Verbflexion: ich gebe — du gibst, er gibtich laufe — du läufst, er läuft

Plural: Vater — VäterMutter — Mütter

Verkleinerungsform: Rad — RädchenBoot — Bötchen

Adjektivierung: kaufen — käuflichBruch — brüchig

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Ablaut und Umlaut

Ablaut und Umlaut – Zusammenfassung

• Ablaut ist ein morphologisch motivierter Vorgang, bei demeine Änderung im Stammvokal genutzt wird, um einegrammatische Änderung anzuzeigen.

• Umlaut ist demgegenüber zumindest historisch alsphonologisch ausgelöster Vorgang zu sehen.

• Im heutigen Deutsch ist Umlaut allerdings ähnlich wieAblaut eng mit morphologischer Modifikation verbunden.

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Templates

Templates

• Variationen im Stammvokal, wie wir sie hier beboachten,finden sich in noch viel größerem Umfang in densemitischen Sprachen.

• Die wesentlichen Wortbildungs-Operationen finden hierinnerhalb der Wurzel statt.

• Infigierung und Modifizierung der Wurzel sind die Regel.

• Eine Segmentierung eines Wortes in eine lineare Abfolgevon Morphemen ist nicht möglich.

• Betrachten wir die folgenden Beispiele aus demArabischen:

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Templates

Templates

(12)a. kataba ‘er schrieb’b. kattaba ‘er liess schreiben’c. kaataba ‘er korrespondierte (mit)’d. takaatabuu ‘sie hielten eine Korrespondenz aufrecht’e. ktataba ‘er schrieb, kopierte’f. kitaabun ‘Buch’g. kuttaabun ‘Koranschule’h. kitaabatun ‘das Schreiben’ (Handlung)i. maktabun ‘Büro’j. maktaatibu ‘Büros’k. kutiba ‘etwas wurde geschrieben’ (Passiv)l. nkatab ‘abonnieren’

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Templates

Arabische Binyanim

• Die Wurzeln der arabischen Verben sind zumeistdreikonsonantisch.

• Bei der Wortbildung werden diese mit Vokalen und evtl.weiteren Konsonanten ergänzt.

• Diese Ergänzung vollzieht sich nach bestimmten Mustern,sogenannten Binyanim (Einzahl: Binyan).

• In unserem Beispiel ist die Wurzel ‘ktb’.

• Für manche Binyanim kann man annehmen, dass sie ausanderen abgeleitet sind.

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Templates

Arabische Binyanim

Erster Binyan Zweiter Binyan

kaðab ‘lügen’ kaððab ‘für einen Lügner halten’waqafa ‘stehen(bleiben)’ waqqafa ‘jmd. arrestieren/stoppen’qatala ‘töten’ qattala ‘massakrieren’

Dritter Binyan

katab ‘schreiben’ kaatab ‘korrespondieren’qatala ‘töten’ qaatala ‘kämpfen mit’

• Der erste Binyan ist die infinitivische Form eines Verbs.• Der zweite Binyan drückt Kausativität oder Intensivierung

aus. Die Tätigkeit, die das Verb beschreibt, wird alsbesonders intensiv oder als verursacht beschrieben.

• Der dritte Binyan drückt Reziprozität aus. Zwei Personenführen die Tätigkeit, die das Verb beschreibt, wechselseitigaus.

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Arabische Binyanim

• Es handelt sich also beim zweiten und dritten Binyan umDerivation: eine neue Form des Verbs mit einer aus ihmabgeleiteten Bedeutung entsteht.

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Arabische Binyanim

• Die Beschreibungsmittel der traditionellen Morphologiesind für die Behandlung der Binyanim nicht hinreichend:

• Bei Affigierung, Flexion und Polysynthese werden Morphe,die bereits eine interne phonetische Struktur besitzen,aneinandergereiht.

• Die Wortwurzeln in den semitischen Sprachen, dreiKonsonanten, sind bloss die Skelette, um die herum diephonetische Struktur erst morphologisch erzeugt werdenmuss.

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Arabische Binyanim

• McCarthy (1979/1981) hat vorgeschlagen, eine aus derautosegmentalen Phonologie bekannte Repräsentation zuverwenden, wie sie bspw. für die Verteilung von Tönenoder für die Behandlung der Vokalharmonie verwendetwird.

• Das Wort wird in drei Schichten (engl. ‘tiers’) repräsentiert,einer Wurzelschicht (‘root tier’), einer Skelettschicht(‘skeletal tier’), und einer Vokalmelodieschicht (‘Vocalicmelody tier’).

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Arabische Binyanim

(13) /kutiba/ — ‘etwas wurde geschrieben’

Wurzelschicht: k t b

Skelettschicht: C V C V C V

Vokalmelodieschicht: u i a

• Die Wurzelschicht steht für das, was bspw. im Deutschendie Wurzel eines Lexems ist.

• Skelettschicht und Vokalmelodieschichtzusammengenommen stehen für das, was bspw. imDeutschen Derivations- und Flexionsaffixe machen.

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Prosodische Morphologie

Wurzelschicht eine normalerweise dreikonsonantischeSequenz von Konsonanten, die die Bedeutungdes Lexems signalisiert.

Skelettschicht wird auch prosodic template tier genannt – dieprosodische Schablone. Sie bestimmt diecharakteristische Gestalt, die mit einem Binyanverbunden ist, eine Sequenz aus Vokalen (V) undKonsonanten (C), z.B. : CVCCVCV = ‘kausativ’./kattaba/=‘schreiben lassen’.

Vokalmelodieschicht signalisiert Information, die üblicherweisemit Flexion ausgedrückt wird, wie etwa Tempus,Numnerus, Aspekt beim Verb, oder derivationelleAffixe: /kataba/ ‘er schrieb’ ~ /kitab/ ‘Buch’.

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Prosodische Morphologie

• Wenn die eingefügten Vokale identisch sind, wird nur einVokal auf der Vokalmelodieschicht repräsentiert, der sichdann auf die anderen Vokalpositionen in der Skelettschichtausbreitet (angedeutet durch die gestrichelten Linien).

(14) /kataba/ — ‘er schrieb’

Wurzelschicht: k t b

Skelettschicht: C V C V C V

Vokalmelodieschicht: a

nnnnnn

ffffffffff

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Arabische Morphologie

• Einige Wurzeln haben nur zwei Konsonanten:zr – ‘ziehen’sm – ‘vergiften’

• zarara – ‘er zog’ ; samama – ‘er vergiftete’zarrara – ‘er liess (jmd.) ziehen’ ;sammama – ‘er liess (jmd.) vergiften’

einf. Vergangenheit: Template: CVCVCV ; Vokalmelodie: /a/

kausativ: Template: CVCCVCV ; Vokalmelodie: /a/

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Arabische Morphologie

(15) /zarara/ — ‘er zog’Wurzelschicht: z r

Skelettschicht: C V C V C

FF

FF

V

Vokalmelodieschicht: a

¤¤

¤¤

rr

rr

rr

• Nicht nur die Vokale der Vokalmelodieschicht, sondernauch die Konsonanten der Wurzelschicht breiten sich nachrechts auf die noch freien Plätze in der Skelettschicht aus.

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Arabische Morphologie

(16) /sammama/ — ‘er ließ jemanden vergiften’Wurzelschicht: s m

Skelettschicht: C V C C

333

V C

N N N N N

V

Vokalmelodieschicht: a

ppppp

iiiiiii

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Arabische Morphologie

• Warum nehmen wir nicht an, dass die Wurzelndreikonsonantisch sind, also *zrr und *smm?

• McCarthy (1986): zwei identische Konsonantenhintereinander sind nicht erlaubt.

Obligatory Contour Principle (OCP) – Prinzip derobligatorischen Kontur Adjazente identischeElemente sind nicht erlaubt.

• Die ursprüngliche Motivation für dieses Prinzip war es,abzuleiten, warum es Wörter gibt mit den drei Tönen LHL(‘low high low’ – hoch, tief, hoch), aber nicht HLL.

• Es wurde durch die Verwendung autosegmentalerRepräsentationen für die arabische Morphologie mitübernommen.

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Morphologie und Syntax (BA)

Templates

Arabische Morphologie

• Arabisch hat auch vierkonsonantische Wurzeln, bspw./dhrj/, ‘rollen’.

• Für die kausative Derivation /dahraja/ stellt die Wurzel/dhrj/ genug Konsonanten für die C-Positionen zurVerfügung, so dass es nicht nötig ist, einen derKonsonanten zweimal zu verwenden, wie wir das beidrei-konsonantischen Wurzeln beobachten.

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Morphologie und Syntax (BA)

Templates

Arabische Morphologie

(17) Syrisches Arabisch: /ddaxala/ — ‘er schlichtete’ ;/daxala/ — ‘er trat ein’Wurzelschicht: d x l

Skelettschicht: C

®®

®

C V C V C V

Vokalmelodieschicht: a

¤¤

¤¤

rr

rr

rr

• Verknüpfungen zwischen den Positionen der Schichtenverlaufen immer von links nach rechts, also müssteeigentlich *daxalla herauskommen.

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Templates

Arabische Morphologie

• um *daxalla auszuschliessen muss man annehmen, dass/d/ vorab mit der zweiten C-Position im Skelett festverknüpft ist, per lexikalischer Regel.

• Damit erzwingen wir die Ausbreitung nach links, um dieerste C-Position mit einem Konsonanten zu verknüpfen.

• Überkreuzungen sind gar nicht gestattet, was etwa*xdaxala ausschliesst.

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Templates

Die „Morphemschicht“-Hypothese

• Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes sieht Wurzeln undVokalmelodien als diskontinuierliche Morpheme undrepräsentiert dies mit einem zusätzlichen Knoten für jedesMorphem (= M).

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Templates

Die „Morphemschicht“-Hypothese

(18) /kataaba/ — ‘er korrespondierte’

M

Vokalmelodieschicht: a

Skelettschicht: C V C V

U U U U U U

V

X X X X X X X X

C V

[ [ [ [ [ [ [ [ [ [ [ [ [

Wurzelschicht: k t b

M

VVVVVVVVVVVV

fffffffffffffff

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Templates

Die „Morphemschicht“-Hypothese

(19) /kutiba/ — ‘etwas wurde geschrieben’

M

Vokalmelodieschicht: u

nnnnnnnnnnnn

i a

PPPPPPPPPPPP

Skelettschicht: C V C V C V

Wurzelschicht: k t b

M

TTTTTTTTTTT

hhhhhhhhhhhh

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Templates

Die „Morphemschicht“-Hypothese

• Das Reflexiv-Morphem im Syrischen Arabisch ist /t/ alsInfix.

(20) smP – ‘hören’samiPa – ‘etwas hören’stamaPa – ‘für sich hören’

• Das Reflexiv-Morphem /t/ bekommt seine eigene Schicht.• Zuerst wird es mit /samaPa/ verbunden, das ergibt:

/tsamaPa/.• Dann findet Metathese der beiden initialen Konsonanten

statt, sie tauschen die Plätze:/stamaPa/

• Das lässt sich zusammengefasst wie folgt repräsentieren.

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Templates

Die „Morphemschicht“-Hypothese(21)

M

t-Morphem-Schicht: t M

Vokalmelodieschicht: a

Skelettschicht: C C

------------

V C V

R R R R R R R

C V

X X X X X X X X X X X X

Wurzelschicht: s

>>>>>>>

m P

M

RRRRRRRRRRRRR

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Morphologie und Syntax (BA)

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Die „Morphemschicht“-Hypothese

• Mittels der Verteilung der Morpheme auf je eigeneSchichten im Rahmen einer autosegmentalen Darstellunglassen sich auch kompliziertere morphologische Prozessewie die semitischen Binyanim oder Morphem-Infigierungdarstellen.

• Diese Repräsentation ist natürlich auch für die reinsequentiellen morphologischen Operationen derAffigierung und Polysynthese möglich.

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Übungsaufgabe 3

(22) Betrachten Sie die folgenden deutschenFlexionsbeispiele:

Sg Pl

Nom Tag – eGen es eDat – enAkk – e

Sg Pl

1.Pers. leg e en2.Pers. st t3.Pers. t en

• Welche Hinweise bekommen Sie hier für die Beurteilung,ob das Deutsche eine analytische, agglutinierende oderflektierende Sprache ist?

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Übungsaufgabe 3

(23) Auch im Deutschen könnten Morphemschichtenhilfreich sein, um Umlaut und Ablaut zu erfassen.

a. Versuchen Sie, für ‘Boot — Bötchen’ eineRepräsentation zu entwerfen, die dasVerkleinerungsmorphem so repräsentiert, dassder Umlaut mit erfasst wird!

b. Versuchen Sie das Gleiche für den Ablaut ‘singen— sang’!

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