Ökonomisierung der Rentenpolitik Referenten: Yannick Brämer, Janine Jacobs, David Puziak

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Ökonomisierung der Rentenpolitik

Referenten: Yannick Brämer, Janine Jacobs, David Puziak

Inhalt:

Das Rentensystem in Deutschland

Rentensysteme und Reformansätze

Privatisierung der Alterssicherung

Das Rentensystem in Deutschland

Die Geschichte des Rentensystems

1881: Ankündigung einer Gesetzesinitiative zur Sozialgesetzgebung

Rentensystem ein zentraler Punkt des Sozialversicherungssystem

Deutschland als Vorreiter in Europa und der Welt

1889: Einführung des Rentensystems

Warum eine Sozialgesetzgebung?

Grund 1: Drängen des Volkes, aufgrund starker

sozioökonomischer Veränderungen (Industrialisierung)

Wachsende Zahl der Arbeitskräfte Erbärmliche Lebensbedingungen Risiken der abhängigen Lohnarbeit (z. B.

Arbeitslosigkeit)

Warum eine Sozialgesetzgebung?

Grund 2: Hohes politisches Konfliktpotential

Aufstreben der Arbeiterbewegung (Gewerkschaften und Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands)

Bedrohung der Herrschaftsverhältnisse durch die aufstrebende Arbeiterbewegung

Warum eine Sozialgesetzgebung?

FOLGE: Doppelstrategie Bismarcks („Peitsche und Zuckerbrot“)

Sozialistengesetzgebung

Sozialgesetzgebung

Warum eine Sozialgesetzgebung?

Grund 3: Bismarck selbst als klarer Fürsprecher eines

sozialen Staates Verbindung des Angenehmen

(Herrschaftssicherung) mit dem Nützlichen („Versorgerstaat“)

Keine Sicherung des Lebensunterhaltes

Rentenansprüche erst mit der Vollendung des 70. Lebensjahres

Rentensystem bis heute im permanenten Wandel

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Säule I: Beamten- und Berufssoldatenversorgung

(auch für Richter zuständig) Berufsständige Versorgungswerke (für

Freiberufler) Weitere Sondersysteme der Altersvorsorge

Das Wichtigste:

Alterssicherung der Landwirte

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Säule II: Betriebliche Altersvorsorge

Freiwillige Leistung der Betriebe

Kapitaldeckungsverfahren

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Säule III: Alle Formen privater Vermögensbildung 1990-2000: klarer Wachstumstrend zu

verzeichnen Ab 2000: Abflachung des Trends

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Gesetzliche Rentenversicherung: Mit Abstand die wichtigste Säule im

Rentensystem Grundsätzliche Versicherungspflicht aller

abhängig Beschäftigten Kann auch als Risikoversicherung bezeichnet

werden: Absicherung gegen Alter, Invalidität und Sterbefälle

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Absicherung gegen Alter: Altersrente

Lohnersatz nach altersbedingtem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben

Bezug i. d. R. nach Vollendung des 65. Lebensjahres (mit ein paar Ausnahmen)

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Absicherung gegen Invalidität: Erwerbsminderungsrente (seit 01.01.2001) Ersetz aufgrund eingeschränkter oder ganz

entfallener Erwerbsfähigkeit fehlendes Einkommen

Grundsätzliche Leistung auf Zeit Nach 9 Jahre wird eine Dauerhaftigkeit attestiert;

Folge: unbefristete Erwerbsminderungsrente bis zum Bezug der Regelaltersrente

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Absicherung gegen Sterbefälle:

Witwenrente: kleine und große Witwenrente

Waisenrente: Halbwaisenrente und Vollwaisenrente

Erziehungsrente

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Finanzierung der gesetzlichen Rente: Beitragsfinanziert (2007: 19,9% des Bruttolohns,

bezahlt durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber) Zuschüsse vom Staat Welche Bezüge bekommt man als Rentner?

Rentenformel: E x Z x R x A E: Entegeltpunkte Z: Zugangsfaktor R: Rentenfaktor A: aktueller Rentenwert (Stand 01.07.09: 27,20

€/24,13€)

Funktionsprinzip des Heutigen Rentensystems

Erwerbstätige zahlen die Renten der aktuellen Rentner

Umlageverfahren: keine Rücklagen Abkommen unter den Generationen:

GENERATIONENVERTRAG

Finanzierungskrise des Rentensystems

Der Generationenvertrag droht zu scheitern Grund: Der demographische Wandel in

Deutschland

Schrumpfende Geburtenzahlen

Wachsende Lebenserwartung

Finanzierungskrise des Rentensystems

Schrumpfende Geburtenrate

60er Jahre: 2,5 Kinder/Frau

70er Jahre: 1,45 Kinder/Frau (BRD); 1,54 Kinder/Frau (DDR)

2000: 1,41 Kinder/Frau (alte BL); 1,21 Kinder/Frau (neue BL)

Rentensysteme und Reformansätze

Rentensysteme

Bismarck Staaten - Statussicherung- Erwerbszentriertes, öffentliches Modell

(Sozialversicherung)

Beveridge Staaten

- Basissicherung

- steuer- oder beitragsfinanziert

Rentensysteme

early birds - Aufbau einer zweiten beitragsfinanzierten

Säule

latecomer- Aufbau einer zweiten privaten kapitalgedeck-

ten Säule mit starker Regulierung

Staaten ohne universelle Aufstockung- Prinzip Eigenverantwortung

Reformtrends in den Bismarck Staaten

Stärkung der Beitragsäquivalenz Erhöhung des Rentenzugangsalters Veränderung der Bemessung laufender

Renten Bildung von Kapitalrücklagen Stärkung der Eigenverantwortung Einbeziehung von Pflege- und

Erziehungszeiten

Das Drei-Säulen Modell von Weltbank und EU

Reformhindernisse

gesellschaftliche Vorbehalte

ideologische Vorbehalte

Finanzierbarkeit

politische Glaubwürdigkeit

Politische Zielvorstellungen

Konsequenzen des Drei-Säulen Prinzips

Verzerrung der Ausgaben für die Altersvorsorge

Verlust der Regelungskompetenz

Individuelle Vorsorgefähigkeit als Problem des neuen Systems

Konsequenzen des Drei-Säulen Prinzips

Finanzielle Bildung als Voraussetzung problemorientierten Handelns

Abhängigkeit von den Finanzmärkten

Benachteiligung von Frauen

Privatisierung der Alterssicherung

Vor Einführung einer privaten Altersvorsorge…

... sieht die Sozialpolitikforschung den Kern der Wohlfahrtsstaatlichkeit in der Unabhängigkeit des Menschen vom (Arbeits-)Markt (Dekommodifizierung nach Esping-Andersen ) -> „politics against markets“

... wird die Alterssicherung in Deutschland als „heilige Kuh“ betrachtet, die Bürger üben entsprechend ihrer traditionellen Vorstellungen Druck auf die Politik aus

Die Riester – Reform (2001)

Grundgedanke:

Aufgrund der Entwicklungen des öffentlichen Rentensystems, müssen Beitragssteigerungen vermindert und das Leistungsniveau herabgesetzt werden, eine private Altersvorsorge soll dies kompensieren

Umsetzung:

Vorsorgesparer gehen mit privaten Anbietern ein Versicherungsverhältnis ein und erhalten zusätzlich staatliche Förderungen

Wohlfahrtsmärkte

Versorgungsmarkt Finanzmarkt

Finanzdienstleistungsmarkt

Beratung , Verbraucherschutz

Kapitalanlage

Auszahlung

Staat

Regulierung

Quelle: Eigene Darstellung

Privatisierung der Altersvorsorge = Sozialabbau?

Hintergrund:

Soziale Leistungen werden vermehrt auf Wohlfahrtsmärkten erbracht.

Der Sozialstaat verlagert seinen Aufgabenschwerpunkt von Redistribution zu Regulation.

-> kein Sozialabbau sondern „politics with markets“

Was bedeutet das in der Praxis?

1. Souveränität der privaten Vorsorgesparer

-> durch Wettbewerb und Verbraucherschutz

2. Verantwortung der Bürger

-> durch Wahlfreiheit und Eigeninitiative

3. eventuell steigender Sozialhilfebedarf

4. Altersvorsorgeprodukte als neue Herausforderung für Finanz- und Versicherungsunternehmen sowie den Beratungssektor

Neue Aspekte in der Sozialpolitikforschung

Die Aufgabenverschiebung hin zur Regulierung zeigt sich als internationaler Trend und wird zum neuen Vergleichskriterium.

Anwendung im Kontext klassischer Ansätze:a) funktionalistisch: Substituionshypothese -> Null-

Summen-Spielb) institutionalistisch: Homologiehypothese der

Pfadabhängigkeitenc) konflikttheoretisch: politische Kultur als Einflussfaktor

Quellen: Berner, Frank (2009):

Innenansichten eines Wohlfahrtsmarkts – Strukturwandel der privaten Altersvorsorge und die Ordnungsvorstellungen der Anbieter

Heibutzki, Lars (2005): Die Grundrente – Szenario und quantitative Auswirkungen eines Systemwechsels

Hinrichs, Karl (2008): Rentenreform in Europa - Konvergenz der Systeme?

In: Klaus Busch (Hrsg.): Wandel der Wohlfahrtsstaaten in Europa., Baden-Baden: S.155-178 Leisering, Lutz (2007):

Privatisierung der Alterssicherung als komplexe Ordnungsbildung – Zur Entstehung von Wohlfahrtsmärkten und regulativer Staatlichkeit

Poelchau, Daniel (2007): Altersvorsorge im internationalen Vergleich. Eine Analyse der Rentenreformen in reifen

Wohlfahrtsstaaten 1990-2000. Münster, Zürich. Siegel, Nico (2002):

Baustelle Sozialpolitik www.bpb.de www.destatis.de www.deutsche-rentenversicherung.de

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Diskussion

Stehen die bürgerliche Eigenverantwortung und das Sozialstaatsprinzip in einem Gegensatz oder sind sie zu vereinen?

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