Peter Grzybek Stilistik: Qualitativ - Quantitativ

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Peter Grzybek

http://www-uni-graz.at/staff/grzybek

http://www-gewi.uni-graz.at/quanta

Stilistik:

Qualitativ - Quantitativ

Tonhöhen

Satz- und WortlängenFarbsegment

e

Stildefinitionen:

Common Sense Agreements zur Definition von ‚Stil‘

a. Stil als Norm

b. Stil als Norm-Abweichung

c. Stil als Option

S-Text1 "N O R M"

SE1 SE2 SE3 … … SEn

S-Elemente

S-Text1 "N O R M"

Zwei Probleme

Welche Norm ?Ist ein einzelner Text stil-bildend ?

„Das Ganze einer gegebenen Sprache“

Das System einer gegebenen Sprache

Repräsentatives Korpus der Sprache

N-Korpus „spezifischer“ Texte (Gedichte, Sonaten, Skizzen, …)

N-Korpus der Texte von Produzent XY

„Kontextbezogene Relevanz“ eines N-Korpus

N-Korpus „spezifischer“ Texte von Autor XY

N-Korpus „spezifischer“ Texte von Autor XY aus

der Periode YZ

…Letzte Konsequenz: Text selbst !

„N O R M“Bezugs-Modelle

SE1 SE2 SE3 … … SEn

S-Text2

S-Elemente

S-Text1 ( KONTEXT1 )

( KONTEXT2 )

STEREOTYPISIERUNG

STILBILDUNG

Rekurrenz !

SE1 SE2 SE3 … … SEn

S-Text2

0-Text1

S-Text3

S-Elemente

S-Text1

INKLUSION(absolut/graduell)

optional

obligatorisch

EXKLUSION

DIFFERENTIELLER BEGRIFF

DUALE PERSPEKTIVIERTHEIT (Innen – Außen)

Nicht-Realisierung Option

SE1 SE2 SE3 … … SEn

S-Elemente

S-Text1

0-Text

S-Textn

0-Text2

S-Text2

0-Text1

S-Text3

Typologische Deskriptionen: Gattungstheorien Stiltheorien, usw.

BEZUGS-

MODELLE

STIL-MODELLE

„STIL“

Stilistik

Relation zw. Stil- und Bezugs-Modellen

Quantitative

Probabilistische

Katzen wuerden Whiskas kaufen.

Milch macht muede Maenner munter.

Mars macht mobil.

Stellen wir uns vor …

… als ein frisch vom Mars kommender Alien machen wir folgende erste Text-

Erfahrungen:

Stil-Frage

M-Stereotypie

Stil-Modell (I):

M-Alliteration

Es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.

Stil-Modell (II):

Alliteration

S1-T1

S1-T2

0-T1

S2-T1

Bezugs-Modell

Milch macht müde Männer munter.

beobachtete Frequenz Vorkommens-wahrscheinlichk

eit

5 M von 28 Buchstaben

p = 0.1786

P = 0.0323 (bzw. P < 0.0001)

1

0

1 , 1n x

j n j j n ji i i i i i

j x j

n nP X x p q p q q p

j j

Frequenz von M Bezugs-Modell 8.80% ( p = 0.0880 )

Modell: Binomial-wahrscheinlichkeit

Die Wahrscheinlichkeit , dass 5 von 28 Buchstaben ein M

sind, ist kleiner als 5%.

Frage (ohne Berücksichtigung positionaler Implikationen):

Ist das häufige Vorkommen von M signifikant?

Menzerath‘sches Gesetz

Sherman‘sches

Gesetz

Zipf‘sches Gesetz

STIL IST NICHT NUR VARIABILITÄT !

Frequenzen und Abhängigkeiten als synergetische System-

Stabilisatoren

SATZ

TEILSATZ

WORT / LEXEM

SILBE / MORPHEM

PHONEM / GRAPHEM

SATZ

TEILSATZ

Frequenz WORT / LEXEM

Frequenz SILBE / MORPHEM

Frequenz PHONEM / GRAPHEM

SATZ Länge↕

TEILSATZ Länge↕

Frequenz WORT / LEXEM Länge↕

Frequenz SILBE / MORPHEM Länge↕

Frequenz PHONEM / GRAPHEM Länge

SATZ Länge Frequenz

TEILSATZ Länge Frequenz

Frequenz WORT / LEXEM Länge Frequenz

Frequenz SILBE / MORPHEM Länge Frequenz

Frequenz PHONEM / GRAPHEM Länge Frequenz

1 11 21 31 41

Rang

0

100

200

300

400

500

600

Anz

ahl d

e r W

ort fo

rmen

beobachtet

theoretisch

1 5 10Wörter pro Satz

0

5

10

15

20

25

30

Häu

figke

it (%

)

Intervall (5)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 260

5

10

15

20

25

f (i)

NP (i)

n

nK

xn

xnMK

x

xM

Px 1

11

Chopin Étude op. 25 no. 11

1 2 3 4 5 6 7 8 9 1011 1213141516171819202122232425260

200

400

600

800

1000

1200f (i)

NP (i)

1 11 21 31 41 51 61 710

20

40

60

80

100

120

140

160f (i)

NP (i)

Low-level-Regulation von Frequenzen

Buchstaben-Häufigkeiten

Beispiel: Funktionalstilistik

(Individualstilistik – Interindividualstilistik )

Funktionalstile

Stil der Alltagsrede

(Umgangssprache)

wissen-schaftlicher

Stil

offiziell-amtlicherStil des öffentlichen

Verkehrs

journalistisch-publizistischer

Stilkünstlerischer

Stil

prosaisch poetisch dramatisch

• 400 Texte werden a priori einem der FS zugeordnet

[In quantitativen Untersuchungen ist diese Zuordnung tentativ !]

• Für jeden Text werden die Wortlängen und weitere daraus ableitbare Kenngrößen (Streuung, Entropie, usw.) berechnet

• Diskriminanz-Analysen:

Die einzelnen Fälle (Texte) werden auf der Basis von Prädiktorvariablen – hier: Wortlänge etc. – spezifischen (Text-)Gruppen zugeordnet

Ziel:

Optimale Diskrimination der Fälle (Prozentsatz korrekt diskriminierter Texte)

Beispiel: Funktionalstilistik und Wortlänge

Hypothese:

Wortlänge ist eine Variable, die für einen Funktionalstil (FS) charakteristisch ist

-5,0 -2,5 0,0 2,5 5,0 7,5

-4

-2

0

2

4

6

8

1

3

4

5

6

Nur 73% korrekte Diskriminierung

Wortlänge kein guter Indikator für FS bzw.

FS lassen sich mit Wortlänge (allein) als Stilkriterium nicht begründen

Diskriminanzanalyse

400 slowenische Texte (verschiedene Textsorten / Funktionalstile)

Prädiktorvariable:

Wortlänge und abgeleitete Kenngrößen

Wortlänge charakteristisch für drei Diskurstypen (93% korrekt):

1. privater / mündlicher Diskurs

2. öffentlicher / schriftlicher Diskurs

3. Vers

-6 -4 -2 0 2 4 6

Funktion 1

-4

-2

0

2

4

Fu

nkt

ion

2priv

pub

vers

oeffprivpriv

pub

vers

Gruppenmittelpunkte

Kanonische Diskriminanzfunktion

1-2 3-4 5-6 7-8 9-10 11-12 12-13

Worte pro Vers

0

20

40

60

80

100Anzahl der Verse

empir.: F[i]

theor.: NP[i]

Wie viele Verse mit x Wörtern kommen im Журавль vor

1-2 3-4 5-6 7-8 9-10 >101,50

1,70

1,90

2,10

2,30

2,50

2,70

2,90 beobachtet

1-2 3-4 5-6 7-8 9-10 >101,50

1,70

1,90

2,10

2,30

2,50

2,70

2,90 beobachtet

theoretisch

(Wie) Hängt die Wortlänge von der Verslänge ab ?(Chlebnikov: Žuravl‘)

x : Worte pro Vers (Verslänge)

y :Silben pro Wort

(Wort-länge)

y = 2.94 x-.28

Menzerath‘sches Gesetz

y = a xb

Quantitative Stilistik↓

Stilistik → Was ist Stil ?

XY ist Stil XY hat Stil

↓ ↓

Definitorisch

Evaluatorisch

qualitative Komponent

en

quantitative

Qualitative Aspekte

Quantitative Aspekte

Strukturelle Variablen:• Kategorien• Merkmale• Relationen• …

implizit quantitativ

explizit

quantitativ

Metrisierte Variablen: • Längen• Frequenzen • Distanzen• …

EinS-Text ... … weist ein

Mehr an XY auf… ist gekenn-zeichnet durch erhöhte XY…hat einen größeren Anteil an XY

Quantifizierung ist weder Selbstzweck noch Ersatz für

Theorie, sondern Werkzeug der Theoriekonstruktion

Was ist ‚Norm‘ ?

„S-Text als Norm“ und „S-Text als Norm-Abweichung“

S-Text

selbst ist (Bestandteil einer)

Norm

S-Text

Norm-Abweichung setzt die Existenz

einer Norm voraus, von der ein S-Text

abweicht

NORMEN

Präskriptive Deskriptive

inhaltlich-qualitativ strukturell-frequentiell

stilus modus scribendi

S-Texte

N-Texte

Abweichung von deskriptiver / präskriptiver Norm

Vergleich von S-Text mit Normformulierung!

Vergleich von S-Text mit N-Text1…n

1. Charakter: Soll / kann / darf / muss etwas sein ?2. Inhalt: Was soll / kann / darf / muss sein ?3. Anwendungsbedingungen, 4. Autorität, 5. Adressat, 6.

Situation

Keine Bestandteile der Norm: mit der Norm verbundene Sanktionen Formulierung/Bekanntmachung der Norm

(x) (Kx & Sx OAx)

["Für alle x gilt, wenn x Mitglied eines bestimmten Kollektivs ist

und wenn x sich in Situation S befindet, dann soll x den Akt A ausführen"].

Forschungslogischer Ablauf quantitativer Untersuchungen

0. Problem-Formulierung

Hat sich der Stil Goethes im Laufe seines Lebens geändert?

1. Hypothesen-Formulierung (textbezogenen, empirisch prüfbar)

Frühe und späte Texte Goethes weisen unterschiedliche Satzlängen auf

2. Übersetzung der Hypothese in die Sprache der Statistik • mathematisch-statistische Modellbildung

• Metrisierung von in der Hypothese enthaltenen qualitativen Begriffen

3. Datenerhebung und –analyse

4. Entscheidung über Annahme oder Ablehnung der Hypothese

5. Interpretation: Rückübersetzung der getroffenen Entscheidung in die Sprache der Ausgangshypothese

Einwand (I)

«Wir haben nicht mit Quantitäten, sondern mit Qualitäten zu tun.»-

Antwort I

Weder Qualitäten noch Quantitäten sind den Objekten selbst inhärent; vielmehr sind diese Teile unserer Konzepte, mit denen wir die Natur, Sprache u.a. interpretieren.

Einwand (II)

«Nicht alles in der Natur, in der Sprache usw. kann der Quantifizierung unterworfen werden.»

Es ist nicht die Natur, die Sprache, usw. die quantifiziert wird, sondern unsere Konzepte davon.

Milch macht müde Männer munter.

Erwartungswahrscheinlichkeit ändert sich:

a) in Abhängigkeit von der gewählten Norm,

b) in Abhängigkeit von Definition der Alliteration

• alle Buchstaben/Grapheme/Phoneme/Laute/Konsonanten, …

• in Initialposition, bei unmittelbar aufeinanderfolgenden Wörtern, bei tontragenden Silben, Stammsilben, …

Milch macht müde Männer munter.

beobachtete Frequenz Vorkommens-wahrscheinlichk

eit

5 M von 26 Buchstaben

p = 0.1923 P = 0.0000390228

ü -> ueä -> ae

5 M von 28 Buchstaben

p = 0.1786 P = 0.0000611427

5 [m] von 21 Phonemen

p = 0.2381 P = 0.0000102538

1

0

1 , 1n x

j n j j n ji i i i i i

j x j

n nP X x p q p q q p

j j

„Norm“-Frequenz von M: 2.53% (p = 0.0253)

Modell: Binomialwahrscheinlichkeit

Das erhöhte Vorkommen von M ist hoch signifikant !

Synergetik auf Sparflamme-Niveau –

Häufigkeiten und Abhängigkeiten

WARUM WORTLAENGE ?

SENTENCE

CLAUSE

WORD / LEXEME

SYLLABLE / MORPHEME

PHONEME / GRAPHEME

SENTENCE

CLAUSE

Frequency WORD / LEXEME

Frequency SYLLABLE / MORPHEME

Frequency PHONEME / GRAPHEME

SENTENCE Length↕

CLAUSE Length↕

Frequency WORD / LEXEME Length↕

Frequency SYLLABLE / MORPHEME Length↕

Frequency PHONEME / GRAPHEME Length

Wortlänge: Grapheme, Phoneme, Silben, Morpheme,…

SENTENCE Length Frequency

CLAUSE Length Frequency

Frequency WORD / LEXEME Length Frequency

Frequency SYLLABLE / MORPHEME Length Frequency

Frequency PHONEME / GRAPHEME Length Frequency

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