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2 Standpunkte Staatsanzeiger · Freitag, 23. August 2013 · Nr. 33

Kommentar: Wohnungsmangel

Politik trägt zur Krise beiDie Misere auf dem Wohnungsmarkt wächst. Wohnendroht zum Luxus zu werden. Da kommen frische Ide-en zur Finanzierung von erschwinglichem Wohn-raum gerade recht. Private Kleinanleger für bezahlba-ren Mietwohnungsbau zu gewinnen, hat Charme. Esist attraktiv, sein Kapital in regionale und ethisch kor-rekte Projekte zu stecken, die man kennt. Besser als esanonymen Fondsgesellschaften anzuvertrauen, diedamit am Kapitalmarkt spekulieren. Und das in Zei-ten, in denen es auf der Bank fürs Geld kaum Zinsengibt. Es bleibt daher zu wünschen, dass Modelle wiedas der Tübinger Nestbau viele Nachahmer finden.Zusammen mit den Anstrengungen der kommunalenWohnungsbaugesellschaften und der Förderung desMietwohnungsbaus des Landes könnte es einen Bei-trag leisten, die Lage zu verbessern.

Dabei müssen sich die für den Wohnungsbau ver-antwortlichen Politiker selbst fragen, ob sie nicht auchihren Anteil dazu beigetragen haben , dass die Wohn-raumnot so zugenommen hat. Angefangen bei der Er-

höhung von Grunderwerbsteuer und Grundsteuerüber unzureichende Abschreibungsmöglichkeiten fürInvestoren bis dahin, dass die Nebenkosten in den letz-ten Jahren explodiert sind. Zudem bremsen die mitt-lerweile hohen Anforderungen an die energetische Sa-nierung und die Ungewissheit für Vermieter, ob dieseKosten auf die Mieter umgelegt werden können, vieleInvestoren aus.

Mit Steuergeldern in Form von Wohnraumförde-rung werden die negativen Folgen dieser Politik dannwieder bekämpft. Nicht, dass man auf die staatlicheFörderung verzichten sollte. Aber es wäre sinnvoll, dieWohnungspolitik ganzheitlich zu betrachten.

Wolfgang Leja

Buchegger

QualitätszeichenBaden-Württemberg Artenschutzkomponente geplantVerbraucherschutzminister Ale-xander Bonde (Grüne) will dasQualitätszeichen Baden-Würt-temberg (QZBW) „zielgerichtetauf Natur- und Ressourcen-schutz ausrichten“. Der Erhaltder Biodiversität soll als Kann-Bestimmung in den Kriterienka-talog aufgenommen werden.

Von Brigitte JohannaHenkel-Waidhofer

STUTTGART. An Zeichen ist keinMangel: Allein die EU vergibt dreiSiegel für traditionelle Spezialitäten,um den Ursprung und um die geo-grafische Angabe zu bestätigen.Letzteres ist Verbraucherschützernein Dorn im Auge, weil lediglich eineder Produktionsstufen – Erzeugung,Verarbeitung oder Herstellung – tat-sächlich im genannten Gebiet statt-finden muss.

Dem Baden-Württemberg-Zei-chen sind solche Verschleierungenfremd. Seit 25 Jahren wird Qualitätbelegt, mit der Neuausrichtung 2003sollte „das Vertrauen der Verbrau-cher und Verbraucherinnen in dieheimische Land- und Ernährungs-wirtschaft dauerhaft gefestigt sowiedie Sensibilität der Verbraucher fürdas heimische Angebot geschärftwerden“, wie es in einer Beschrei-bung heißt. Hätten doch Verbrau-cherumfragen bestätigt, wie großdas Vertrauenspotenzial in Qualitätaus Baden-Württemberg sei.

Schon in der Koalitionsvereinba-rung hat sich Grün-Rot darauf fest-gelegt, das Zeichen um den Stan-dard „ohne Gentechnik“ zu erwei-tern. „Wir werden alle rechtlichenMöglichkeiten zur Schaffung gen-technikfreier Regionen nutzen“,verspricht die Landesregierung. DieUmstellung läuft, denn spätestensab Januar 2015 müssen Lebensmit-tel den Anforderungen entsprechen.

Etwa 50 Prozent der Eier, desSchweine-, Kalb- und Lammfleischserfüllen schon heute die neuen Kri-terien. „Wir haben das erste deut-sche Länderprogramm außerhalbder Bio-Branche, in der Gentechnik

sowieso verboten ist, für die Ver-marktung regionaler Lebensmittel,das sich dazu verpflichtet“, sagt De-nise Burgert, Sprecherin im Ministe-rium für ländlichen Raum.

Aktuell vermarkten fast 500 Un-ternehmen Agrarerzeugnisse undLebensmittel unter den Bedingun-gen des Qualitätszeichens. Nachden Zahlen aus dem Ministeriumstehen dahinter nicht weniger als7500 Erzeugerbetriebe. Die Krite-rien sind unmissverständlich:Pflanzliche Produkte müssen zuhundert Prozent in Baden-Würt-temberg angebaut sein, Tiere spä-testens ab dem Alter von sechs Wo-chen, bei Geflügel ist es eine Woche,in Baden-Württemberg gehaltenwerden. In der neuen Naturschutz-strategie wird vorgeschlagenen, sol-che Vorgaben um Artenschutzmaß-nahmen zu ergänzen. Vorstellbar isteine Kann-Vorschrift, die Erzeugerzusätzlich erfüllen. „Das muss in ei-nem weiteren Schritt gemeinsammit den Zeichennehmern und Ver-bänden in Angriff genommen wer-den“, sagt Burgert.

Unabhängig vom klassischenBiozeichen Baden-Württemberg,das der zuständige Minister als „Er-gänzung zum Qualitätszeichen“versteht, gibt es auch regionale Ini-tiativen im Land, die ihren Mitglie-dern schärfere Grenzen setzen. DasSiegel „Gutes vom See“ zum Beispielverlangt unter anderem eine Entfer-nung der Erzeugung von höchsten40 Kilometern zum Bodensee. InJahren oder Produktionszyklen, indenen diese Regeln nicht einzuhal-ten sind, können Erzeugnisse unterdem QZBW vermarktet werden.

Nach einer gerade veröffentlich-ten Untersuchung im Auftrag desBundeslandwirtschaftsministeri-ums gilt ohnehin die Faustregel: Jeregionaler, desto beliebter – geradebei jüngeren Verbrauchern und Ver-braucherinnen. Inzwischen kaufen23 Prozent der unter 30-Jährigenhäufig Produkte aus ökologischemAnbau, neun Prozent mehr als voreinem Jahr, und nennen als wich-tigsten Grund für die Entscheidungdie damit verbundene regionaleHerkunft der Ware.

Um das Qualitätszeichen Baden-Württemberg zu erhalten, müssen die Produkte zu 100 Prozent in Baden-Württemberg angebaut sein, wie etwa dieser Salat. FOTO: DPA

Quergedacht

Wie Du mir, so ich Dir, sagt sich das Tier„Stadtluft macht frei“. Dieser mittelalterliche Rechts-grundsatz, der viel zur Blüte des Städtewesens in Süd-deutschland beigetragen hat, ist mit einiger Verzöge-rung auch nichtmenschlichen Landbewohnern zuOhren gekommen. „Vor allem in den vergangenenzwei Jahrzehnten kamen nach Beobachtung von Ar-tenschutzexperten vermehrt tierische Pendler in dieStädte“, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. (Sor-gen-)Freiheit und Frieden finden Tiere paradoxerwei-se gerade dann, wenn sie den Menschen näher kom-men und in die sogenannte Zivilisation vordringen:„Denn Städte sind ‚befriedete Bezirke‘, in denen nichtgejagt werden darf“, heißt es in der Meldung weiter.„Das haben offenbar auch die Tiere bemerkt.“

Dazu tritt ein üppiges Nahrungsangebot: „Das istschon ein bisschen Schlaraffenland“, meint der Pres-

sesprecher des BUND. Statt in Feld, Wald und Wiesekreucht und fleucht das liebe und nicht so liebe Viehdaher lieber in der Stadt umher. Rehe tun sich in Gär-ten an Rosenblättern und Bohnen gütlich, Fischreiherspähen an Zierteichen nach Beute und nachts nagenMarder munter an Kabeln und Schläuchen geparkterAutos. Selbst Wildschweine wurden schon gesichtet.

Das tierische Treiben in den Städten untersuchenderzeit Forstwissenschaftler der Universität Freiburg.Ein Anschlussprojekt für die Kollegen der philologi-schen Fakultät bietet sich an. Sie sollten nach Ersatzfür eine wohlvertraute Redewendung suchen. Denn„wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen“, da ist esheute keineswegs mehr unwirtlich, einsam oder wüst– sondern der Mensch nicht weit.

Christoph Müller

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Wie kann das Qualitätszeichen Baden-Württemberg stärker auf Natur- und Ressourcenschutzausgerichtet werden?

Karl Rombach,CDU

Das Qualitätszeichen ist ein Mar-kenzeichen, das bereits jetzthöchsten Qualitätsansprüchengerecht wird. Dies betrifft sowohldie Belange des Naturschutzes alsauch die ressourcenschützendeProduktion der Erzeugnisse. Dasvor 15 Jahren eingeführte Quali-tätszeichen ist ein Erfolgssiegel.Dies wird von den Verbrauchernbestätigt, die ein hohes Vertrauenin die Grundaussagen des Kenn-zeichens von Qualität und Her-kunft in Baden-Württemberghaben. Daher ist aus unsererSicht eine Änderung des Quali-tätssiegels nicht notwendig.

Friedrich Bullinger,FDP

Nach meiner Auffassung ist dasQualitätszeichen in seiner jetzi-gen Ausgestaltung gut so, wie esist. Durch eine proklamierte stär-kere Ausrichtung auf Natur- undRessourcenschutz besteht die Ge-fahr, dass die konventionell wirt-schaftende Landwirtschaft inMisskredit gebracht wird, indembisherige Inhaber des Zeichensdieses im Einzelfall künftig nichtmehr erhalten würden. Dadurchwerden die unbestrittenen Leis-tungen der konventionellenLandwirtschaft herabgesetzt.Zudem gibt es genügend Bio-Sie-gel auf dem Markt.

Klaus Käppeler,SPD

Das Qualitätszeichen stand vonAnfang an für eine hohe Qualitätund zugleich für die Herkunft ausunserem Land. Grün-Rot hat es je-doch deutlich verbessert, indemauch eine umfassende Gentechnik-freiheit dazugehört. Nun gilt es, dieAnforderungen überprüfbar underfüllbar weiterzuentwickeln, in-dem man etwa bestimmte Anfor-derungen an die Tierhaltung andas Siegel knüpft. Dann könnendie Verbraucher Lebensmittel nochunbeschwerter genießen. Wo Qua-lität drauf steht, muss sie auch drinsein.

Markus Rösler,Grüne

Wichtig wird sein, die Vergabe inmöglichst vielen Fällen an den Ver-zicht auf synthetische Pestizide zukoppeln. Das dient der biologi-schen Vielfalt, dem Trinkwasser-und Klimaschutz, zum Beispiel beiGrünlandnutzung, Weidehaltung,Schäferei oder Streuobstbau. AusNaturschutz-Sicht bedeutend istdas Vergabekriterium „Hoch-stamm“ beim Streuobstbau.Spechte bauen ihre Höhlen nur inBäume mit mindestens 160 bis 180Zentimeter Stammhöhe, die auchvon seltenen Arten wie Gartenrot-schwanz, Hornissen und Fleder-mäusen genutzt werden.

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