Radarbilder für die Landwirtschaft · 2014. 8. 27. · punkte für die Luftaufnahmen,...

Preview:

Citation preview

Von Gabi Schwarzbözl

Neusling. Einmal in der Wo-che ist über dem kleinen OrtNeusling ein tiefes Wummern zuhören. Zu sehen ist die Turbo-propmaschine, eine weißeDO 228 mit roter Heckflosse,auf ihrem Flug in 3000 MeterHöhe aber nur ganz klein. AnBord: Präzisionssensoren fürGeländeaufnahmen im Mikro-wellenbereich. Diese Radarauf-nahmen sind Teil eines For-schungsprojekts, bei dem zumVergleich Feuchtigkeit und Rau-higkeit des Bodens sowieWachstumsstadium und Struk-tur der Pflanzen bestimmt wer-den. Ziel ist es, später alleine an-hand von Radaraufnahmen beikilometerweiten Feldern ent-scheiden zu können, ob zumBeispiel der Boden bewässertwerden muss. Vorherzusagen,ob eine angekündigte Sturm-front in einem großen Flussein-zugsgebiet für Hochwasser sor-gen wird, weil der Boden bereitsmit Wasser gesättigt ist. Oderden Klimawandel zu berechnen.Denn aus den Radardaten ent-wickeln die Wissenschaftlerkomplizierte mathematische Al-gorithmen, um künftig die ent-sprechenden Vorhersagen ausden Bildern ziehen zu können.Das Projekt erfolgt in interdiszi-plinärer Zusammenarbeit meh-rerer Universitäten.

Von Mai bis August ist dasFlugzeug einmal wöchentlichüber Wallerfing unterwegs undmacht Aufnahmen von drei Fel-dern. Die nebenliegenden Ort-schaften sind uninteressant, siewerden bei den Bildern ausge-blendet. Parallel dazu nehmenWissenschaftler am Boden Pro-ben als Referenzdaten für denVergleich mit den Radarbildern:Sie messen die Bodenfeuchtig-keit, notieren den Wuchs derPflanzen, nehmen Proben vonMais, Raps und Getreide, umden Feuchtigkeitsgehalt zu be-stimmen, erläutern Geo-wissenschaftler Dr. ThomasJagdhuber und die Mathemati-kerin Hannah Jörg als operativeLeiterin des „Bodenteams“.

Außerdem sind Virginia Bran-cato, Doktorandin für Earth Ob-servation (Fernerkundung), be-teiligt sowie die beiden eigensfür das Projekt eingestelltenPraktikanten: Thomas Weiß, derseinen Bachelor in Geographiemacht, und Moritz Link, der denMaster-Studiengang Umwelt-

systeme und Nachhaltigkeit ab-solviert. Zusätzlich gehören diePiloten und Betreuer des Flie-gers in Oberpfaffenhofen zumTeam sowie weitere Wissen-schaftler der unterschiedlichenDisziplinen. Drei Doktorarbei-ten werden im Rahmen desmehrjährigen Forschungspro-jekts erstellt.

Ermöglicht wird das For-schungsprojekt zudem durch dieaufgeschlossenen Landwirte vorOrt, die den Forschern erlauben,die Aufnahmen zu machen so-wie die Felder zu betreten undProben zu nehmen. Denn ge-braucht werden die Früchte voneinem Quadratmeter Mais (we-gen des großen Reihenabstands)oder von einem viertelten Qua-dratmeter bei anderen Feld-früchten wie Weizen oder Raps.Für diese große Kooperationsind die Wissenschaftler den

Bauern sehr dankbar, Jagdhuberspricht ihnen mehrfach großesLob für die Hilfsbereitschaft aus.

Begonnen hat alles mit eineragar-meteorologischen Messsta-tion am Ortsende von Neusling.Inzwischen hat sich Wallerfingfür die Wissenschaftler zu einer„Supersite“ entwickelt: Auf dieFelder sind zwei deutsche, einindischer und ein kanadischerSatellit ausgerichtet, die beimÜberflug Fotos schießen mit an-derer Wellenlänge und gröbererAuflösung als die Radarbilderder DO 228.

Das Besondere in diesem Jahr:Vier Monate lang ist die Turbo-propmaschine einmal in der Wo-che in der Luft. Die häufigenMesstage bringen „einen Schatzan Daten“, freut sich ThomasJagdhuber. Denn damit lassensich Messungen über mehrereZeiträume und Wachstumsstu-

fen miteinander vergleichen.Und es lassen sich gesicherteAussagen zu den Bildern ma-chen: Die Wissenschaftler warenvor Ort und wissen, welche Be-sonderheiten an dem jeweiligenProbentag geherrscht haben.Dass beispielsweise die Fahr-spur eines Bulldogs an einemFrühjahrstag besonders gutsichtbar ist, weil hier das Wasserbereits angetaut, im Feld abernoch gefroren ist. Diese Er-kenntnisse für die Interpretationder Bilder sind gerade für dieNachwuchs-Forscher eine sehrwichtige Erfahrung, weiß derGeowissenschaftler.

Die verwendeten Wellenlän-gen sind aufgrund ihrer geringenFeldstärke für Menschen unge-fährlich, erläutert Dr. ThomasJagdhuber, und haben einenVorteil gegenüber normalen Fo-toaufnahmen mit sichtbarem

Licht: Sie dringen durch diePflanzen hindurch bis auf denBoden vor und können so aufden Bildern den Geländezu-stand trotz Bewuchs zeigen. Ge-messen wird die Rückstreuungder elektromagnetischen Wel-len, die charakteristisch ist jenach Pflanzenbewuchs, Feuch-tigkeit und Rauhigkeit des Bo-dens.

Auffällig für den Laien sinddrei große, weiße Metallpyrami-den, die auf einer Spitze stehendam Rand der Felder aufgebautsind. Sie dienen als Referenz-punkte für die Luftaufnahmen,funktionieren wie Katzenaugenund reflektieren die Radarwel-len zu 100 Prozent zurück. Inden Vorjahren erfolgten nur einbis drei Aufnahmen währendder gesamten Wachstumsperio-de, deshalb wurden die Reflek-toren früher gleich wieder abge-baut. Heuer sind sie wegen derzahlreichen Messflüge fest in-stalliert – und wurden zur Freu-de der Wissenschaftler weder be-schädigt, noch gestohlen oderverrückt, sagt Hannah Jörg.Denn die „Tüten“ sind Millime-ter genau eingemessen auf diestets gleichen Flugbahnen fürdie Radaraufnahmen.

Die in Neusling gewonnenenDaten sind nur für die For-schung, erläutert Jagdhuber. Diedaraus gewonnen Erkenntnissezur Interpretation und Berech-nung von Radarbildern hinge-gen sind gefragt: Neben demhoch-maschinisierten Präzisi-onsackerbau (precision farming)auf riesigen Feldern sind dieKenntnisse aus Radarbildernauch für Meteorologen, Talsper-renverwaltung oder Katastro-phenschutz interessant, weißThomas Jagdhuber: „Die Poten-tiale sind da.“

FORSCHUNGSPROJEKTDie Flugzeug-Messkampagne

über Neusling ist ein Gemein-schaftsprojekt der Ludwig Maxi-milians Universität (LMU)München, des Deutschen Zen-trums für Luft- und Raumfahrt(DLR), Oberpfaffenhofen, undder Eidgenössisch TechnischenHochschule Zürich (ETH). Dr.Thomas Jagdhuber und Haupt-organisatorin Hannah Jörg ge-hören zur ForschungsgruppeProf. Hajnsek, DLR Oberpfaf-fenhofen, während Dr. PhilipMarzahn (Lehrstuhl Prof. Lud-wig, LMU München), die Arbei-ten von Seiten der LMU organi-siert und koordiniert.

Radarbilder für die LandwirtschaftForschungsteam entwickelt daraus Verfahren zur Vegetations- und Bodencharakterisierung

Welche Aussagen machen Radarbilder aus der Luft zum Wachstumszustand von Mais und Getreideoder der Bodenfeuchtigkeit? Das erforschen Hannah Jörg (v.l.), Moritz Link, Thomas Weiß, Virginia Bran-cato und Dr. Thomas Jagdhuber. Die große weiße Metallpyramide dient als Referenzpunkt für die Radar-aufnahmen vom Flugzeug aus. − Fotos: Schwarzbözl

Über die dielektrische Konstante ermittelt Dr.Thomas Jagdhuber (l.) die Feuchtigkeit des Bo-dens an mittels GPS genau festgelegten Punkten.Thomas Weiß notiert den jeweiligen Wert.

Auch die Biomasse wird ermittelt: Hannah Jörgund Moritz Link messen das Gewicht der Probe. InMünchen werden die gesammelten Maiskolbenund Blätter getrocknet und nochmals gewogen.

Recommended