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Mediendienst 5/2014 Schweizer Rechtsschutzstandards auch im Asylverfahren Wo Richter sich nicht irren dürf(t)en (Susanne Gnekow) http://www.caritas.ch/de/was-wir-sagen/mediendienst
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Mediendienst 5 10. April 2014
Schweizer Rechtsschutzstandards auch im Asylverfahren
Wo Richter sich nicht irren dürf(t)en Susanne Gnekow
Der Mediendienst der Caritas Schweiz ist ein Angebot mit Hintergrundtexten zur freien Verwendung.
Für Rückfragen stehen die Autorinnen und Autoren gerne zur Verfügung.
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Caritas Schweiz, Mediendienst 5, 10. April 2014
Schweizer Rechtsschutzstandards auch im Asylverfahren
Wo Richter sich nicht irren dürf(t)en
Zwei Rechtsmittelinstanzen sind heute der Minimalstandard im Schweizer Rechtsschutz. Nur
im Asylverfahren gibt es lediglich eine Gerichtsinstanz. Umgekehrt werden in keinem anderen
Rechtsverfahren derart existenzielle Fragen beurteilt wie im Asylverfahren. Diese Situation ist
stossend und muss dringend geändert werden. Es braucht deshalb eine zweite Rechtsmit-
telinstanz im Asylverfahren.
Aus Fehlern lernt man und irren ist menschlich. Auch Richter sind Menschen und dürfen sich irren.
Ein Rechtsstaat bietet deshalb Strukturen, um Fehler von Richtern aufzufangen. Falsche Entscheide
von Richtern können deshalb mindestens bei einem höheren Gericht – der sogenannten zweiten
Rechtsmittelinstanz – angefochten werden. Sei es, wenn der Staat zu hohe Steuern fordert, der Ge-
schäftspartner den Vertrag nicht erfüllt oder die Arbeitslosenkasse nicht zahlen will, immer steht die
Möglichkeit offen, das Urteil von einem höheren Gericht überprüfen zu lassen. Ausser, wenn es um
Fragen von Leben und Tod, Freiheit und Unfreiheit oder Unterdrückung jeglicher Art geht. Um diese
Fragen dreht sich das Asylverfahren.
Paradoxe Situation
Im Unterschied zu anderen europäischen Staaten habe wir in der Schweiz die paradoxe Situation, dass
sich die einzigen Richter, die potentiell über Leben und Tod entscheiden – die Asylrichter - keine Feh-
ler erlauben dürfen. Der Grund dafür liegt in folgenden sechs Zeichen: 83 lit. d. Das Bundesgerichts-
gesetz bestimmt hier nämlich, dass gegen „Entscheide auf dem Gebiet des Asyls“ keine Beschwerde
erhoben werden kann.
Asylrichter dürfen sich also keine Fehler erlauben. Was illusorisch ist. Auch Asylrichter sind Men-
schen und machen Fehler. So geschehen im Fall von Ashgar Alizadah (Name geändert). Der gläubige
Christ aus Afghanistan hat in der Schweiz Asyl beantragt. Der christliche Glaube zog ihn bereits im
Herkunftsland an, wo aber der Religionswechsel zum Christentum verboten ist. Deshalb konnte sich
Ashgar Alizadah erst in der Schweiz zum Christentum bekennen und einer Freikirche beitreten. Der
Pastor hat ihn im christlichen Glauben unterrichtet. Als sein Glauben tief und gefestigt war, liess ihn
der Pastor zur Glaubenstaufe zu.
Für die Asylbehörde war die Konversion, der Wechsel vom islamischen Glauben zum Christentum,
jedoch nicht glaubhaft und sie verwies Ashgar Alizadah aus der Schweiz. Dagegen hat Ashgar Aliza-
dah Beschwerde eingereicht. Der Pastor verfasste für das Gericht ein Schreiben und bestätigte den
christlichen Glauben des Mannes aus theologischer und seelsorgerischer Sicht.
Trotzdem wies das Gericht die Beschwerde ab: Zwar räumt es ein, dass konvertierte Christen in Af-
ghanistan verfolgt und umgebracht würden - von der eigenen Familie, der Gemeinschaft und dem
Staat. Sie dürften deshalb nicht zurückgeschickt werden. Es glaubt Ashgar Alizadah aber den Glau-
benswechsel nicht: er kenne die Bibel zu schlecht. Dem Pastor habe er seinen christlichen Glauben nur
vorgespielt. Pikant: Das Gericht verweist am Rande auf ein anderes Urteil. Darin steht das genaue
Gegenteil, nämlich dass es für die Asylbehörde immer schwierig sei, die innere Überzeugung bei der
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Caritas Schweiz, Mediendienst 5, 10. April 2014
Konversion zu beurteilen. Notwendig seien daher Abklärungen durch Fachpersonen – also beim Pas-
tor.
Das Gericht hätte seine eigene Einschätzung zur christlichen Überzeugung von Ashgar Alizadah nicht
über die des fachkundigen Pastors setzen dürfen. Das Urteil ist also falsch. Das nützt Ashgar Alizadah
aber nichts, denn es gibt im Schweizer Asylverfahren schlicht keine zweite Rechtsmittelinstanz.
Schweizer Rechtsschutzstandard auch im Asylverfahren
Diese Situation ist stossend. Es darf nicht sein, dass gerade dort, wo die Menschen in ihrer blanken
Existenz betroffen sind, der rechtsstaatliche Standard der Schweiz unterschritten wird. Wenn sich
Richter bei der Beurteilung von Steuern, Verträgen und Arbeitslosenentschädigungen irren dürfen −
weil ihr Urteil bei einer weiteren Gerichtsinstanz angefochten werden kann -, dann muss dies erst
recht bei der Frage der Verfolgung im Heimatland gelten. Wie in allen anderen Rechtsgebieten
braucht es deshalb auch im Asylverfahren mindestens eine zweite Rechtsmittelinstanz. Caritas
Schweiz fordert deshalb die schicksalshafte Bestimmung vom Bundesgerichtsgesetz (Art. 83 lit. D) zu
streichen.
Das Leben ist das höchste Gut überhaupt. Die Illusion der richterlichen Unfehlbarkeit ist hier fehl am
Platz.
Susanne Gnekow, Abteilung Anwaltschaft, Caritas Schweiz, E-Mail sgnekow@caritas.ch,
Tel. 041419 23 85
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