Sonntag,16.Juli2017 ... · Sonntag,16.Juli2017 Reisen DerlangeWegindenSarek-Nationalpark...

Preview:

Citation preview

Sonntag, 16. Juli 2017 Reisen

Der langeWeg in denSarek-NationalparkSkandinavien Ein Roadtrip in den tiefenNorden Schwedens führt durch eine faszinierendeWaldwildnis. Jenseits des Polarkreises geht die Sonne gar nichtmehr unter.

Hier gibt es kaumMenschen, dafür die grösste Bärendichte des Landes.Wer ab und zu ein Liedchen summt, braucht sich nicht vor ihnen zu fürchten.

Ein Blick auf den typischenWechsel vonWald undMoor, der Autofahrer auf demWeg nach Laponia begleitet.

Rentiere auf der 130-Kilometer-Stichstrasse zwischen Jokkmokk und Kvikkjokk.

Der Hamra-Nationalpark bietet einen Vorgeschmack auf die Wildnis Lapplands.

Modeschöpfer kaufenGeisterdörferAusgestorben In Italien finden sichweltweit ammeisten verlasseneDörfer.

Gegen 6000 sollen es sein. Ein jungerGeologe spürt sie auf.

Sie heissen Apice, Aramola oder Sener-chia:Weit verstreut über den Stiefel ha-ben sie einengemeinsamenNenner – essindGeisterstädte.OrtemitGeschichteundKultur,wooft alles nochvorhandenist und nur die Einwohner fehlen. DieGründe fürderenVerwaisung sind facet-tenreich: Einerseits sindklimatischeEr-eignissewieErdbeben,ErdrutscheoderÜberschwemmungendafür verantwort-lich, andererseits liessen EpidemiendieDörfer aussterben, und wirtschaftlicheGründe zwangen die Einwohner zurAbwanderung. Vielfach liessen sich dieBevölkerungen ganzer Dörfer in Gross-städten nieder und kehren heute nurnoch ferienhalber in ihr Ursprungsdorfzurück. Wie etwa in Bibola in der Luni-giana, zwischen Parma und La Spezia:Dort schwillt die Einwohnerzahl wäh-rend des Sommers auf 100 Seelen, wonormalerweise nur noch 20 leben. Undinteressanterweisehaben sichdiemeis-tender ehemaligenEinwohner inGenuaeine neue Existenz aufgebaut.

GläseraufderverlassenenBartheke

Ein jungerneapolitanischerGeologehatsichderGeisterdörfer angenommen, sieakribisch geortet, auf seiner Webseitewww.paesifantasma.itnachRegionenge-ordnetundmitBildernpräsentiert.Rundhundert hat Fabio Di Bitonto mit Hilfevon Google Earth bereist, weitere 1500hat er auf Karten lokalisier t. Und er re-cherchiertweiter. SeineLeidenschaft fürdie Geisterdörfer ist eher zufällig ent-facht: «AlsdasThemaErdrutsche inKa-labrienanderUnidurchgenommenwur-de, begleitetemanuns ineinverlassenesDorf», erinnert er sich. Dieses Erlebnisweckte sein Interesse:Er begann,weite-reDörfer ausfindig zumachen, sie zube-suchen und zu fotografieren, und ersprachmit Leuten vor Ort. Stets auf derSuche nach Zeugnissen aus der Vergan-genheit, aus jenerZeit, als zwischendemalten Gemäuer noch das Leben pulsier-te.Oft sinddieGeschäftenochbeschrif-tet, undmanchmal stehensogarnochdieGläser auf der Bartheke. Als hätten dieGäste das Lokal erst vor wenigen Mi-nuten verlassen.

Diese Dörfer dienen als Sujet fürFotografen oder als Drehort für Filmewie etwa denKriegsfilm«La grande gu-erra» aus dem Jahr 1959 («Man nannteesdengrossenKrieg») vonMarioMoni-celli, der inSanPietro InfelicebeiCaser-ta in Süditalien gedreht wurde.

Bei seinenEntdeckungstourenweissFabio Di Bitonto nie, was er antrifft:«Manchmal ist alles verändert und sowiederaufgebaut, dass es nicht der ur-sprünglichenArchitekturentspricht.Dasfinde ich schade.» Oft seien aus verlas-senen Dörfern in nächster Nähe neueentstanden, teils sogar mit demselbenNamen.Er tretedann indieDorfbarundbeginnemit älterenLeutenüberdie ver-lassenenDörfer zu sprechen.«DabeiwillichdieDörfernichtunbedingt zuneuemLeben erwecken, sondern sie vor derVergessenheit bewahren», sagt derArchivar der Geisterdörfer. «Ihre Ge-schichte undKultur sindwichtig.»VieleGeisterstädte seien im Besitz der Ge-meinde oder derErbendermittlerweileverstorbenen Besitzer. Andere stehenzum Verkauf. Einige werden wiederbe-siedelt,wasdenGeologennachdenklichstimmt:«Es istwichtig, herauszufinden,warum sie einst verlassen wurden.»Denn bei Gefahr von Erdrutsch oderÜberschwemmungsei eineWiederbele-bung nicht unbedingt empfehlenswert.

MorbiderCharmefasziniertInvestorenundTouristen

Die Geisterstädte haben einen speziel-len, morbiden Charme. Manche übeneine starke Anziehungskraft auf Inves-toren und Touristen aus. Gut betuchteUnternehmer erwerben teils ganzeDör-

ferund lassendaraus teilweise luxuriöseHotelanlagen entstehen.Wie dasBorgoSan Felice im Chianti-Gebiet zwischenFlorenz und Siena: In Häusern, die frü-her einmal einen Dorfkern bildeten,wohnenheuteGästeTür anTürmitEin-heimischen. San Giustino Valdarno isteinmittelalterlicherWeiler nördlichvonArezzo, dessen Spurenbis ins Jahr 1040zurückreichenunddessenGebäudederModemacher Salvatore Ferragamo imJahr 1993 erwarb. «Il Borro»wird heutevon seinem Neffen geleitet. Überhauptscheinen die verlassenenDörfer das In-teresseder Modemachergeweckt zuha-ben: Alberta Ferretti hat unweit ihrerHeimatstadtCattolica anderAdriaküsteein mittelalterliches Bergdorf aus dem

Dornröschenschlaf geweckt. Montegri-dolfo thront auf einem Hügel zwischender Region Emilia Romagna, der Repu-blik San Marino und der Universitäts-stadtUrbino. Als Einheimische habe siees als ihre Pflicht erachtet, dem Dorfneues Leben einzuhauchen, sagte siegegenüberdemMagazin«Welt».Heuteleben in Montegridolfo zwei DutzendEinwohner, es gibt ein kleinesPostbüro,ein Rathaus, eine Kirche und ein Vier-Sterne-Hotel.

Als «Sammler» von verlassenenDörfern kann der schwedisch-italieni-sche Unternehmer Daniele Kihlgrenbezeichnetwerden:Auf einerMotorrad-tour stiess er 1999zufällig auf SantoSte-fanodi SessaniobeiL’Aquila, einemDorfaus dem16. Jahrhundertmit altenKalk-steinhäusernundvielenRuinen.Erhan-deltemitden lokalenBehördenaus,dasssie keine Neubauten in die Wege leitenwürden, er dafür eine grosse Summe indie Renovierung der Häuser steckte.Fünf Jahre später eröffnete «SextantioAlbergoDiffuso», einHotel, das sichaufmehrereHäuser inverwinkeltenGassenerstreckt. DieGästewohnenTür anTürmitdenwenigenEinheimischen,die sichgegendieAbwanderunggewehrthatten.Kihlgrens zweite Investition erfolgte2009: Damals eröffnete er die Höhlen-siedlung «Sextantio Le Grotte dellaCivita» inMatera inderBasilikatamit 18in Tuffstein geschlagenen Höhlenzim-mern. Apropos Ferien: Auf der Online-PlattformAmavidobietenEinheimischeverwunschene Zimmer an, die von derLandfluchtbedroht sind.UndderReise-veranstalter TUI kaufte in der Toskanaden 800 Jahre alten verfallenen WeilerCastelfalfi und liess diesen luxuriös re-novieren.

Sarah Coppola-Weber

Das Bett steht in der Grotte: Höhlenzimmer aus Tuffstein in Matera. Bild: PD

Senerchia ist eines vonmehreren tausend verlassenen Dörfchen in Italien. Bild: PD

FabioDiBitontoGeograf derGeisterstädte

«Ich will die Dörfer nichtunbedingt zu neuemLeben erwecken, sondernsie vor der Vergessenheitbewahren.»

28 29

Recommended