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Alexander Trunk, Susanne Rieckhof (Hrsg.)
Schneller, höher, weiter! Aktuelle Themen des Sportrechts im östlichen
Europa
Beiträge zur Tagung der Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde,
Kiel, 20. - 22. September 2012
Vorläufige Fassung des Tagungsbandes, die vollständige Fassung mit weiteren Beiträgen erscheint demnächst im EUL-
Verlag, Lohmar – Köln, 2014
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Inhalt
Heinz Jacobsen, Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Sportverbandes.....................3Keynote speech...................................................................................................................3
Prof. Dr. Birgit Friedl, Vize-Präsidentin Universität Kiel......................................................6Grußwort.............................................................................................................................6
Prof. Dr. Rudolf Meyer-Pritzl, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel.....................................................................................................................10
Grußwort...........................................................................................................................10Dr. Dirk Bahrenfuss in Vertretung des Staatssekretärs des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europaangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Eberhard Schmidt-Elsaeßer.................................................................................................................................12
Grußwort...........................................................................................................................12Prof. Dr. Martin Nolte, Deutsche Sporthochschule Köln.....................................................16
Citius, altius, fortius!.........................................................................................................16Prof. Dr. Alexander Trunk, Universität Kiel........................................................................31
Sportrecht in Staaten des östlichen Europa.......................................................................31Prof. Dr. Lado Chanturia, Univ. Tbilissi..............................................................................47
Zu Besonderheiten der Kodifizierung des Sportrechts in den Staaten der GUS..............47Angelika Chlebowska, Universität Poznan...........................................................................52
Grundstrukturen des Sportrechts in Polen........................................................................52RA Dmitriy Ivanusa, Kiew...................................................................................................60
Rchtliche Anforderungen an sportliche Großereignisse...................................................60Prof. Dr. Alexander Trunk, Universität Kiel........................................................................63
Rechtlicher und organisatorischer Rahmen der Olympischen Spiele in Sochi.................63RiLG Dr. Cornelia Wölk, Hamburg.....................................................................................64
Verletzungen beim Sport – ein Vergleich des russischen mit dem deutschen Haftungsrecht....................................................................................................................64
RA Prof. Dr. Martin Schimke, LL.M. (Leuven), Düsseldorf...............................................87Die Olympischen Spiele in London vor der „Ad-Hoc-division“ des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs (CAS).......................................................................................87
RA Alexander Bazykin, Diplomatische Akademie Moskau................................................94Sport arbitration in Russia: theory and practice, prospects for future development.........94
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Heinz Jacobsen, Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Sportverbandes
Keynote speech
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die Einladung, die wir als Landessportverband Schleswig-Holstein gerne
angenommen haben.
Ich darf Ihnen die besten Wünsche für Ihre Veranstaltung auch von unserem Präsidenten,
Herrn Dr. Ekkehard Wienholtz, ausrichten. Er ist heute leider verhindert.
„Schneller, höher, weiter!“ - dieses Motto Ihrer Veranstaltung beschreibt schon eine Wirkung,
die nicht nur dem Sport, sondern auch im übertragenen Sinne dem Sportrecht oder dem Recht
im Sport anhaftet.
Die vergangenen 15 bis 20 Jahre zeigen, dass das Sportrecht in seiner Entwicklung ebenfalls
an „Geschwindigkeit“ zugenommen hat. Für den Sport in Schleswig-Holstein trifft dies vor
allem auf die Folgen der rechtlichen Ausgestaltung des Glücksspielwesens zu, die nicht nur
die Politik landes- und bundesweit, sondern auch den Sport seit Jahren immens beschäftigen.
Da die Sportförderung des Landes in Schleswig-Holstein direkt von der
Glücksspielgesetzgebung abhängig ist, haben wir uns als Sport in den letzten Jahren vermehrt
mit eigenen substantiellen rechtlichen Beiträgen in die Diskussion um die Zukunft des
Glücksspiels eingebracht.
Ihnen ist sicherlich bekannt, dass Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr hierbei einen
eigenständigen Weg außerhalb des bestehenden Glücksspielstaatsvertrages der übrigen
Länder gegangen ist.
Dass die seit knapp 100 Tagen im Amt befindliche neue Landesregierung diesen Weg wieder
verlassen wird, bedeutet für den Sport einen erneuten intensiven Handlungsbedarf für die
nächsten Monate. Mittlerweile sind wir wieder an entsprechenden parlamentarischen
Anhörungsverfahren beteiligt.
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Allein dieses Beispiel zeigt, dass Rechtsfragen im und um den Sport mittlerweile auch für
einen Landessportverband eine immense Bedeutung haben. Und auch in anderen
Themenfeldern haben Rechtsfragen direkte Auswirkungen auf den Sport.
Im gesellschaftlichen Bereich sind dies beispielsweise die Gesundheitsvorsorge, die
berufliche Bildung, Rechtsfragen zur Förderung des Ehrenamtes, zur sozialen Eingliederung
und zur Chancengleichheit, zur Gewaltprävention oder auch bei der Dopingproblematik u. a.
Im wirtschaftlichen Bereich steht die erwähnte staatliche Förderung des Sports im
Mittelpunkt, die auf Zweckbindung beruht und daher immer in einem Wechselspiel mit der
rechtlich anerkannten Autonomie des Sports steht.
Auch die Eigenfinanzierung des Sports mit den Aspekten Marketing oder Sponsoring, die
steuerrechtliche Begünstigung des Sports und der aktuell interessante Sportwettenmarkt in
Deutschland sind stark von rechtlichen Fragestellungen bestimmt.
Im Bereich der Organisation des Sports selbst ist es die Einbindung von sportverbandlichen
Regeln in das staatliche Recht als auch umgekehrt die Beeinflussung staatlichen Rechts durch
sportverbandliche Regeln.
Auch die Verhinderung krimineller Aktivitäten wie Geldwäsche, Korruption oder den Handel
mit Dopingmitteln sind rechtliche Themen, die auf den Sport einwirken. Das Sportrecht ist
somit durch einen großen Facettenreichtum geprägt. Es macht zudem auch nicht an Landes-
oder Staatsgrenzen halt.
In der Konsequenz hat Ihre Veranstaltung in diesem Jahr den Schwerpunkt des Sportrechts im
östlichen Europa. Der Bereich Mittel- und Osteuropa, der Kaukasus und Zentralasien sind
somit im Zentrum des Interesses. Auf den ersten Blick wirkt dieser Themenschwerpunkt in
seiner Bedeutung weit weg.
Auf den zweiten Blick dokumentiert er aber gerade, dass der Sport insbesondere mit seinen
Großveranstaltungen weltumspannend und der osteuropäische Raum somit auch ein nicht
unbedeutender Teil des Ganzen ist. Dies zeigte in diesem Jahr die Fußball-
Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. In 2014 werden es die Olympischen
Winterspiele in Sochi sein, die weltweit im Fokus stehen werden.
Ein Blick auf das Veranstaltungsprogramm der nächsten beiden Tage zeigt, dass die
Veranstaltung geprägt sein wird von interessanten und informativen Diskussionen,
Gesprächen und weiteren Netzwerkbildung, die der Sache nur förderlich sein können.
Dass der Sport in Schleswig-Holstein im Übrigen nicht nur von der Sache her eng mit
Rechtsfragen verbunden ist, sondern dass es auch enge personelle Beziehungen gibt, lässt sich
an einer nicht unwichtigen Personalie auch Ihrer Veranstaltung ablesen.
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Morgen wird Professor Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule Köln eine
Einführung in das Thema Sportrecht geben. Ich erlaube mir, Professor Nolte hier explizit zu
erwähnen, da wir uns aus dem organisierten Sport gut kennen. Professor Nolte war einige
Jahre Mitglied im Vorstand des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, bevor ihn sein
Weg nach Köln führte.
Ich wünsche Ihnen nun eine erfolgreiche Veranstaltung, einen ergebnisreichen fachlichen
Dialog zwischen den Ostrechts- und Sportrechtsvertretern, eine effektive Netzwerkarbeit und
freue mich heute Abend auf informative Gespräche.
Vielen Dank!
6
Prof. Dr. Birgit Friedl, Vize-Präsidentin Universität Kiel
Grußwort
Sehr geehrter Herr Dekan, sehr geehrter Herr Dr. Bahrenfuss, sehr geehrter Herr Trunk, sehr
geehrte Damen und Herren,
zur Tagung der Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde zum
Thema: „Schneller, höher, weiter! Aktuelle Themen des Sportrechts im östlichen Europa“
möchte ich Sie hier an der Christian-Albrechts-Universität herzlich begrüßen. Wie ich dem
Tagungsprogramm entnehmen konnte, nehmen an dieser Tagung Wissenschaftler aus Polen,
Kroatien, Österreich, Georgien und der Ukraine als Referenten teil. Sie möchte ich hier in
Kiel besonders begrüßen.
Lassen Sie mich Ihnen zunächst einen knappen Eindruck von der Christian-Albrechts-
Universität zu Kiel vermitteln. Die Christian-Albrechts-Universität ist die Landesuniversität
Schleswig-Holsteins. Sie ist eine Volluniversität, die in acht Fakultäten gegliedert ist. Das
Institut für Osteuropäisches Recht, das diese Tagung organisiert hat, ist neben sieben weiteren
Einrichtungen an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät beheimatet. Die Christian-Albrechts-
Universität hat etwa 24.000 Studierende, die in etwa 160 Studiengängen eingeschrieben sind
und von 418 Professorinnen und Professoren unterrichtet werden, und sie bringt gegenwärtig
in jedem Jahr über 3.000 Absolventen hervor. Die Zahl der Studienanfänger ist in den letzten
Jahren kontinuierlich gestiegen. Wir erwarten deshalb, dass im Studienjahr 2013 die
Studierendenzahlen die Marke 25.000 erreichen wird.
Die Universität Kiel stellt sich mit Spitzenforschung den großen Herausforderungen unserer
Zeit: Klimawandel, Umweltnutzung, Gesundheit und gesellschaftliche
Transformationsprozesse. Um die Forschung auf diesen Gebieten gezielt vorantreiben und
den Nachwuchs exzellent ausbilden zu können, setzt die Universität Kiel stark auf
Interdisziplinarität und hat sich selbst vier interdisziplinäre Forschungsschwerpunkte gegeben.
Diese sind:
– die Meeres- und Geowissenschaften
– die angewandten Lebenswissenschaften
– die Nanowissenschaften und Oberflächenforschung und
– Gesellschaft, Umwelt, Kultur im Wandel
7
An der Universität Kiel gibt es zwei Exzellenzcluster und eine Graduiertenschule, die sich aus
den Forschungsschwerpunkten heraus entwickelt haben. Der Standort an der Ostsee ist
sicherlich ein Grund dafür, warum die Geo- und Meereswissenschaften einen Forschungs-
schwerpunkt der Universität bilden. Gemeinsam mit GEOMAR, dem Helmholtz-Zentrum für
Ozeanforschung, hat die Universität Kiel das Exzellenzcluster "Future Ozean" etabliert, das
Forscher aus den Naturwissenschaften, der Medizin, den Wirtschaftswissenschaften und auch
den Rechtswissenschaften zusammenbringt.
Der Schwerpunkt "Angewandte Lebenswissenschaften" vereint das komplexe Zusammenspiel
von Agrar- und Ernährungswissenschaft, Biologie und Medizin zur Erforschung der
molekularen Diversität sowie der Interaktion von Genom und Umwelt in den Systemen
Pflanze, Tier und Mensch. In diesem Schwerpunkt ist der zweite Exzellenzcluster
"Inflamation at Interfaces" verankert, an dem auch die Universität Lübeck beteiligt ist.
Aus dem Forschungsschwerpunkt Gesellschaft, Umwelt, Kultur im Wandel hat sich die
Graduiertenschule “Human Development in Landscapes” entwickelt. In dieser
Graduiertenschule wird durch interdisziplinäre Forschung nach einem umfassenden
Verständnis der Mensch-Umwelt-Beziehungen gestrebt. In ihr arbeiten Geistes- und
Naturwissenschaftler eng zusammen.
Alle drei Exzellenzprojekte sind am 15. Juni dieses Jahres um weitere fünf Jahre verlängert
worden. Für eine mittelgroße deutsche Universität ist das eine große Leistung, auf die wir
sehr stolz sind.
Die Wissenschaftler des Forschungsschwerpunktes Nanowissenschaften und
Oberflächenforschung beschäftigen sich mit neuen Materialsystemen für eine kontinuierliche
Überwachung und Behandlung kritischer Gesundheitszustände des Menschen. An dieser
Forschungsfrage arbeiten Materialwissenschaftler, Physiker, Chemiker, Bioniker,
Elektrotechniker, Informatiker und Wissenschaftler aus verschiedenen medizinischen Fächern
intensiv zusammen. Mit ihrem Antrag im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der
Länder sind die Wissenschaftler dieses Schwerpunktes nur knapp gescheitert.
Die Nachhaltigkeit des Konzepts der Forschungsschwerpunkte speist sich aus der
hervorragenden Einzelforschung in den Fakultäten. Aus der Freiheit der Wissenschaften
erwächst das Innovationspotential, das die ständige Erneuerung der CAU und ihrer
Forschungsschwerpunkte trägt. Der Erfolg dieser Einzelforschung an den Fakultäten zeigt
sich in den zehn Sonderforschungsbereichen dieser Universität.
Während der letzten Jahre hat die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel das
Drittmittelaufkommen verdoppelt und sehr viele neue Stellen geschaffen. Dadurch ist die
8
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel qualitativ und quantitativ gewachsen. Sie hat neue
Aufgaben in Lehre, Forschung, Service und Management übernommen und ihre Infrastruktur
erheblich ausgebaut. Dieses Wachstum der Universität ist seit zehn Jahren ohne eine reale
Erhöhung der Landesfinanzierung mit gravierenden Konsequenzen für die finanziellen
Rahmenbedingungen bewältigt worden. Eine Studie des Finanzministeriums hat eine
Unterfinanzierung der Hochschulen in Schleswig-Holstein gegenüber den anderen
norddeutschen Hochschulen in einem Umfang von 35 Millionen Euro offengelegt. Das
Ausmaß dieser Unterfinanzierung wird durch den folgenden Vergleich mehr als deutlich:
2010 erhielt die Christian-Albrechts-Universität mit ihren damals 23.500 Studierenden 153
Millionen Euro vom Land und generierte damit rund 100 Millionen Euro Drittmittel. Eine
Universität in Niedersachsen mit 11.000 Studierenden und 35 Millionen Euro Drittmitteln
erhielt in diesem Zeitraum einen Landeszuschuss von 145 Millionen Euro, bei der Hälfte der
Leistung also nur 8 Millionen Euro weniger als die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Sie beschäftigen sich heute und morgen unter anderem mit den rechtlichen Anforderungen an
sportliche Großereignisse. Kiel ist sicherlich ein sehr guter Standort für eine Tagung zu
diesem Thema, war Kiel doch 1972 Austragungsort der olympischen Segelwettbewerbe. Eine
Besichtigung des ehemaligen Olympiazentrums Schilksee mit einem Schiffsausflug auf die
Kieler Förde steht ja auch auf Ihrem Besuchsprogramm. Seit 130 Jahren ist die Kieler Woche
das bedeutendste Sportereignis in Kiel und das größte seiner Art weltweit. Jedes Jahr gehen
Ende Juni bis zu 6.000 Seglerinnen und Segler aus über 50 Nationen mit rund 2.000 Booten
auf den Regattabahnen der Innen- und Außenförde an den Start. Kieler-Woche-Sieger werden
in 16 Nationalen und Internationalen Bootsklassen sowie in den zehn Olympischen Klassen
ermittelt. Auch wenn die Kieler Woche mit ihren rund drei Millionen Besuchern zugleich das
größte Sommerfest Nordeuropas ist, bildet das Segeln seit jeher das Herz der gesamten
Veranstaltung. Für Weltmeister und Olympiasieger ist die Kieler Woche längst zur
Pflichtveranstaltung geworden.
Ich hoffe, dass ihr Aufenthalt hier in Kiel nicht nur ihren Erwartungen als Wissenschaftler
gerecht wird, sondern dass Sie auch die Gelegenheit finden, die Stadt und ihre Umgebung
näher kennenzulernen. Die Förde und ihre Strände prägen Kiel und seine Umgebung.
Wussten Sie, dass Kiel die einzige Stadt der Welt ist, in der sie innerhalb von 20 Minuten zu
den Stränden Brasiliens und Kaliforniens reisen können? (Brasilien und Kalifornien in
Schleswig-Holstein.) Der Hafen, die großen Fähren nach Oslo und Göteborg, die über 100
Passagierschiffe, die in jedem Jahr von Kiel aus zu Kreuzfahrten auf der Ostsee aufbrechen,
und die überall sichtbaren Kräne der Werften sind typisch für Kiel. Ich würde mich freuen,
9
wenn Sie auch etwas von dem maritimen Flair Kiels aufnehmen, von dem ich als Süddeutsche
immer noch regelmäßig begeistert bin.
Lassen Sie mich zum Ende noch einmal zu dieser Veranstaltung zurückkommen. Ich danke
Herrn Trunk und seinen Mitarbeitern für die Ausrichtung dieser Veranstaltung. Ich wünsche
den Organisatoren einen erfolgreichen Verlauf der Tagung und unseren Gästen anregende
Vorträge und spannende Diskussionen rund um die rechtlichen Fragen des Sports.
Vielen Dank.
10
Prof. Dr. Rudolf Meyer-Pritzl, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel
Grußwort
Sehr geehrte Frau Kollegin Friedl,
sehr geehrter Herr Dr. Bahrenfuss,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Als Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät möchte ich Sie sehr herzlich begrüßen! Mit
dem Sportrecht haben Sie sich ein überaus interessantes und aktuelles Thema ausgesucht. Als
Rechtshistoriker und Erbrechtsspezialist bin ich wahrscheinlich nicht unbedingt dazu
prädestiniert, mich zum Sportrecht zu äußern. Ich ziehe es daher vor, kurz auf die
Tagungsorte Ihrer Veranstaltung einzugehen, und werde dabei besonders die Bezüge
zwischen Sport und Recht in den Blick nehmen.
Morgen wird die Tagung im Internationalen Begegnungszentrum der Christian-Albrechts-
Universität an der Kiellinie 5 stattfinden. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die
„Seeburg“, die vor etwa hundert Jahren als Haus für die Studenten errichtet worden ist. Der
damalige Rektor Erich Schaeder (1861-1936) hob in seiner Ansprache zur Feier der
Grundsteinlegung für das Studentenhaus Seeburg am 14. Mai 1909 die Bedeutung des Sports
hervor:
„… Wollen wir eine pflicht- und verantwortungsbewusste, arbeitsfrohe und arbeitstüchtige
Studentenschaft, dann ist unerlässliche Voraussetzung dafür eine Stählung der körperlichen
Energie. Mit ihr geht nun einmal die geistige Hand in Hand. Die Feinde dieses körperlichen
Kraftmaßes sind für den deutschen Studenten die … übertriebenen Trinksitten und die
sittliche Laxheit im engeren Sinne des Wortes – beide, wie jeder Kenner studentischen
Lebens weiß, nur zu oft unmittelbar zusammenhängend. Eine Hafenstadt und Großstadt wie
Kiel tritt in diesen Beziehungen mit einer Fülle von Versuchungen an den jungen Mann jeder
Lebensstellung, speziell auch an den Studenten heran. Demgegenüber kann neben anderen
Dingen, von denen an dieser Stelle nicht zu reden ist, ein angemessen betriebener Sport
bewahrend, ausschließend und im rechten Sinne belebend eingreifen. …“
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In dem Gebäude, in dem wir uns heute befinden, in der sogenannten „Villa 78“, wurde der
Sport wahrscheinlich weniger intensiv betrieben. Es wurde, ebenfalls 1909, für den Physiker
Conrad Dieterici (1858-1929) errichtet. Bevor es in ein Veranstaltungszentrum umgewandelt
wurde, diente es einige Zeit als Gästehaus der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Ein
Bezug zu Sport und Recht lässt sich jedoch über die Straße, an dem das Haus steht, herstellen:
Der Niemannsweg ist nach August Christian Heinrich Niemann (1761-1832) benannt worden,
der zunächst Rechtswissenschaften studiert hatte und sich später als Forstwissenschaftler
betätigte. In Kiel gründete er eine Forstlehranstalt, an deren Standort sich heute noch ein
bekanntes Restaurant mit dem Namen „Forstbaumschule“ befindet. Zwischen Wäldern und
Sport lassen sich nun etliche Verbindungen herstellen. So formulierte der Deutsche
Olympische Sportbund 2011 in zwölf Thesen „Neue Perspektiven für Sport im Wald“. Darin
heißt es u.a. „Sport im Wald wird immer wichtiger“ und „Sport im Wald hat Rechte und
Pflichten“. Damit sind wir wieder beim Sportrecht, dem Gegenstand Ihrer Zusammenkunft,
angelangt.
Die Beziehungen der Stadt Kiel, die mit dem Slogan „Kiel Sailing City“ für sich wirbt, und
der Christian-Albrechts-Universität, die den offiziellen Titel „Partnerhochschule des
Spitzensports“ trägt, zum Sport, vor allem zu den maritimen Disziplinen, sind sehr vielfältig
und intensiv. So ist der Standort für eine sportrechtliche Tagung gut gewählt. Ich wünsche
Ihnen einen ertragreichen Austausch und hoffe, dass Sie schnell zu höheren und weiteren
Erkenntnissen im Bereich des Sportrechts gelangen werden!
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Dr. Dirk Bahrenfuss in Vertretung des Staatssekretärs des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europaangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Eberhard Schmidt-Elsaeßer
Grußwort
Sehr geehrter Prof. Trunk,
Sehr geehrte Gäste aus unseren osteuropäischen Nachbarländern,
meine Damen und Herren,
Sport erhält Gesundheit,
Sport vermittelt Erlebnis,
Sport fördert Gemeinschaft,
Sport vermittelt Spannung,
Sport ist Spiel,
Sport bedeutet Wettkampf,
Sport verspricht Geschäft.
Der Sport besitzt viele Gesichter. Und obwohl es beim Sport nach dem Ursprung dieses
Wortes eigentlich nur um Zerstreuung geht,1 kommen wir im Sport ohne das Recht nicht aus.
Ich freue mich sehr, dass Sie, Herr Prof. Trunk, sich dieses Themas in Ihrer diesjährigen
Fachtagung angenommen haben. Die Tagesordnung verspricht hierbei spannende Themen
sowohl in Grundsatzfragen des Sportrechts wie auch zu den Herausforderungen von
sportlichen Großereignissen.
Und ich begrüße es sehr, dass es gelungen ist, viele hochkarätige Referenten insbesondere aus
Russland und Polen für die heutige Veranstaltung zu gewinnen. Sie werden uns einen
interessanten Blick über den Tellerrand gewähren, der angesichts der Verflechtungen des
Sports über alle Ländergrenzen hinweg immer wichtiger wird.
Wie aktuell viele der Themen, die hier auf der Tagesordnung stehen, sind, zeigt uns ein Blick
in die Tageszeitungen.
1 Das Wort selbst wurde im 19. Jahrhundert vom englischen sport entlehnt, welches wiederum über das Französische auf das lateinische disportare (,sich zerstreuen‘) zurückgeht.
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Beim Start der Fußballbundesliga wurden wir tagtäglich mit Nachrichten über spektakuläre
Transfers von Spitzenfußballern versorgt. Allein der wochenlange Streit um Javi Martínez,
der zwischenzeitlich für 40 Mio. € von Athletico Bilbao zu Bayern München gewechselt ist,
zeigt das schwierige Spannungsverhältnis von Vertragsrecht sowie nationalen und
internationalen Statuten, aber auch von Verbänden, Vereinen, Spielern und Spielerberatern.
Vergessen wir dabei nicht, dass es um Menschen geht, wenn auch die Spielerverkäufe
manchmal wie moderner Sklavenhandel anmuten.
Ebenso stellt sich die Frage, wo die Grenzen liegen. Junge Fußballer werden immer früher aus
ihrem persönlichen Umfeld gerissen, um an der Fußballschule irgendeines Vereins ihre
Träume von einer Profikarriere erreichen zu können. Die deutschen Proficlubs haben jetzt als
freiwillige Selbstverpflichtung Regeln für den Vereinswechsel von Talenten aufgestellt, in
denen die Ausbildungsentschädigungen für abgebende Vereine enthalten sind. Aber reichen
nationale Regeln überhaupt noch aus?
Das Beispiel eines neun Jahre alten Jungen aus Irland, der jüngst vom FC Barcelona
angeworben wurde, zeigt, dass in diesem Geschäft vor Ländergrenzen und Altersgruppen
nicht halt gemacht wird.
Ist dies für die Entwicklung von Kindern gut? Müssen nicht ihre sozialen Bedürfnisse bei
solchen Wechseln stärker berücksichtigt werden? Hier gibt es eine Vielzahl von offenen
Fragen, auf die auch das Recht uns zukünftig Antworten geben muss.
Der wirtschaftliche Druck im Sport ist für den einzelnen Sportler besonders hoch, da sein
sportlicher Erfolg seinen Marktwert bestimmt. Gerade in Sportarten, die anders als der
Fußball nur bei Großereignissen das mediale Interesse finden, wird meist nur der Sportler
wahrgenommen, der ganz oben auf dem Treppchen steht: „The winner takes it all.“
Um dieses Ziel zu erreichen, greifen einige Sportler zu unerlaubten Hilfsmitteln. Aktuelle
Beispiele sind die Dopingfälle bei der Olympiade in London oder die jahrelange Doping-
Diskussion um den Sieger der Tour de France Lance Armstrong wie auch um viele andere
Radprofis aus unterschiedlichsten Rennställen.
Die Verbände beschwören hier stets die „Selbstheilungskräfte des Sports“ und verweisen auf
ihre Kontrollen und langjährige Sperren von erwischten Dopingsündern. Aber reicht dies aus?
Wenn bei Olympia die Medaillenplätze an ehemalige Dopingsünder vergeben werden, fragt
sich der Zuschauer zwangsläufig, ob es diesmal sauber und fair zugegangen ist. Der
wirtschaftliche Schaden durch Dopingfälle ist immens, wie z.B. das abnehmende TV-
Zuschauer- und Leserinteresse an der Berichterstattung über die Tour de France gezeigt hat,
nachdem die Manipulationen im Radsport bekannt geworden waren.
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Was ist ferner mit den Medizinern, die den Sportler bei ihren Manipulationen helfen? Die vor
kurzem erfolgte Einstellung des Strafverfahrens gegen zwei Mannschaftsärzte des Team
Telekom, denen die Dopingversorgung bekannter Radprofis vorgeworfen wurde, hat gezeigt,
wie schwierig es ist, diesem Treiben mit den Mitteln des Strafrechts beizukommen. Dies wird
der Diskussion über ein Anti-Doping-Gesetz neue Nahrung geben.
Die Selbstheilungskräfte des Sports sind besonders gefordert, um Ausschreitungen
gewaltbereiter Fans in den Griff zu bekommen. In und vor den Fußballstadien kochen die
Emotionen bestimmter Fangruppen hoch und entladen sich regelmäßig auch in
Gewaltexzessen. Nicht jeder Fußballfan ist aber gleich ein Gewalttäter. Während bei
Hooligans gewalttätige Auseinandersetzungen mit anderen Gruppen im Vordergrund stehen,
zu denen man sich regelmäßig sogar verabredet, gibt es viele fanatische Anhänger in der
sogenannten „Ultra“-Bewegung, bei denen der Sport und die Unterstützung des eigenen
Vereins im Vordergrund steht.
Leider ist der Übergang fließend. Während einige Ultra-Gruppen Gewalt ablehnen, sind
andere auch bereit, ihre Faninteressen durch Schlägereien und Krawalle mit gegnerischen
Fangruppen durchzusetzen. Für letztere hat sich bereits der Begriff „Hooltra“ geprägt.
Die Innenminister der Länder haben auf ihrer Konferenz Ende Mai diesen Jahres einen
umfangreichen Maßnahmenkatalog aufgestellt, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Im Mittelpunkt stehen hierbei die Vereine und Verbände, die u.a. zu einer besseren
Qualifizierung der Ordnungskräfte, einer Intensivierung der Einlasskontrollen und einer
konsequenteren Durchsetzung von Stadionverboten aufgefordert werden.
Gefordert wird auch die Personalisierung von Eintrittskarten, wie dies bei verschiedenen
sportlichen Großereignissen bereits geschehen ist. Die Innenministerkonferenz will besonders
die Vereine in die Pflicht nehmen. Sie sollen die Fanbetreuung verbessern, aber auch härter
gegen gewaltbereite Fans vorgehen und diese auch finanziell in die Haftung nehmen.
Hier treffen alle Bereiche des Rechts aufeinander: öffentliche Gefahrenabwehr zur
Verhinderung von Ausschreitungen, Ordnungswidrigkeitenrecht beim Abbrennen von
Pyrotechnik, Strafrecht bei Gewalttaten, Zivilrecht bei Haftung und Vertragsstrafen.
Ob man auf diese Weise die Probleme in den Griff bekommen wird, erscheint fraglich.
Gerade die Diskussion um den Einsatz von Pyrotechnik in Fußballstadien zeigt, dass das harte
Vorgehen mit Stadionverboten und hohen Geldstrafen nach Abbruch der Gespräche zwischen
DFB, DFL und Fangruppierungen eher eine Trotzreaktion der Fans bewirkt. Auch die
gewaltbereiten Anhänger werden durch das kompromisslosere Vorgehen der Polizeikräfte nur
verdrängt und suchen sich in unterklassigen Ligen ein neues Betätigungsfeld.
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Dass es auch Alternativen gibt, haben einige Vereine in Zusammenarbeit mit der örtlichen
Polizei bei Projekten mit einer vorbildlichen Betreuung von auswärtigen Fangruppen bereits
gezeigt. Hier gibt es viele Anknüpfungspunkte für weitere Diskussionen über den besten Weg
und die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen.
Ich wollte Sie mit meiner Aufzählung von Problembereichen nun nicht erschrecken. Aber wie
man sieht, kommt der Sport ohne das Recht nicht aus. Die Themen Ihrer Tagesordnung
zeigen, wie vielfältig das Sportrecht sich aufstellen muss, und wie wenig es sich von
nationalen Grenzen beeinflussen lässt.
Einer der großen Vorzüge des Sports ist, dass er Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres
sozialen Status und ihrer Nationalität zusammenbringt. Sport fördert Teamgeist. Sport
vermittelt Erfolgserlebnisse und die Freude daran, er hilft, auch Niederlagen gemeinsam zu
ertragen. Sport führt in die Grenzbereiche individuellen Leistungsvermögens eines jeden von
uns. Sportlicher Wettkampf verbindet uns international. Sport hilft im wahrsten und tiefsten
Sinne, Grenzen zu überwinden. Daher muss der Sport auch in der Lage sein, notfalls Grenzen
aufzuzeigen, wenn die für uns alle verbindlichen Spielregeln im Sinnes eines fair play beim
grenzenlosen Sport nicht überall gleichermaßen befolgt oder akzeptiert werden.
Hier setzt das Sportrecht an. Ich wünsche Ihnen interessante Vorträge, einen großen
gemeinsamen Erkenntnisgewinn und viele neue Kontakte unter Kollegen und Freunden mit
gleicher Zielsetzung im Sinne des Sports.
16
Prof. Dr. Martin Nolte, Deutsche Sporthochschule Köln
Citius, altius, fortius! ein Beitrag zu Ursprung, Kennzeichen und Herausforderungen des heutigen Sportrechts2
I. Prolog
Citius, altius, fortius! So lautete die Devise des französischen Dominikanerpaters Henri
Didon, die er den Mitgliedern seines Schulsportvereins auf den Weg zu einem Sportfest in
Arcueil nahe Paris am 7. März 1891 mitgab. Der damalige Wettkampfleiter verinnerlichte den
Leitspruch, sein Name war Pierre de Frédy, Baron de Coubertin. Nach seinem Studium der
Philologie, Kunst und Rechtswissenschaft an der Sorbonne trat Coubertin die für ihn
vorgeschlagene Offizierskarriere nicht an, sondern unternahm Studienreisen in die USA sowie
nach Kanada und England. Dort prägten ihn die pädagogischen Vorstellungen des Theologen
Thomas Arnold3 mit der Folge, dass Coubertin neue Wege in der Erziehung suchte. Diese
fand er in sportlicher Ausbildung. Denn Sport – so die Überzeugung von Coubertin – könne
den ganzen Menschen in der Einheit von Körper, Geist und Seele4 erfassen und formen.5
Darüber hinaus sah Coubertin im Sport die Chance, nationale Egoismen zu überwinden, zu
Frieden sowie internationaler Verständigung beizutragen und gesellschaftliche Grenzen zu
überwinden. Vor diesem Hintergrund erdachte er die Olympischen Spiele der Neuzeit.
An die launigen Worte des Paters Didon erinnerte Coubertin dann anlässlich seiner Tischrede
auf der Schlusssitzung des Gründungskongresses zum Internationalen Olympischen Komitee
im Jahre 1894. Offiziell zum ersten Mal während der Olympischen Sommerspiele 1924 in 2 Erweiterte Schriftfassung eines Vortrags, den der Verf. auf einer Tagung der Fachgruppe Recht der
Deutschen Gesellschaft Osteuropa zu aktuellen Themen des Sportrechts im östlichen Europa vom 20. bis 22. September 2012 in Kiel unter der Devise „Schneller, höher, weiter!“ gehalten hat und der in dem entsprechenden Tagungsband in der vorliegenden Fassung publiziert wird. Herzlich gedankt sei Frau Dipl. jur. Nadine Stöbel für die Quellenarbeit sowie akribische Durchsicht des Manuskripts einschließlich dessen Formatierung.
3 Thomas Arnold wurde am 13. Juni 1795 in Cowes auf der Isle of Wight geboren und starb am 12. Juni 1842 in Oxford. Er war ein englischer Theologe und Pädagoge, der eine für das kirchliche Leben und das Erziehungswesen in England in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts zentrale Stellung einnahm. International bekannt wurden Arnold und seine Erziehungsprinzipien mit dem Ideal des „christlichen Gentleman“.
4 Zu dieser umfassenden Zusammensetzung menschlicher Existenz: Altes Testament, 1. Thessalonicher – Kapitel 5, 23: „Gott des Friedens, heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz samt Seele und Leib müsse bewahrt werden unsträflich auf die Zukunft unsers Herrn Jesu Christi“.
5 In diese Richtung weist der heutige Olympismus. Er versteht sich als Lebensphilosophie, zu deren grundlegenden Prinzipien nach Punkt 1. S. 1 der Präambel der IOC-Charta es gehört, in ausgewogener Ganzheit die Eigenschaften von Körper, Wille und Geist miteinander zu vereinen und zu überhöhen.
17
Paris zitiert, fand das Motto erst 25 Jahre später – im Jahre 1949 – Eingang in die Charta des
Olympischen Komitees [IOC-Charta]. Hier umschreibt der lateinische Komparativ „citius,
altius, fortius“6 das Streben der Olympischen Bewegung sowie den Wettbewerb
einschließlich des Siegeswillens und fungiert damit in gewisser Weise als Gegenpol zum
„Dabei sein ist alles“ – einem ungeschriebenen Grundsatz, der ebenfalls Coubertin
zugeschrieben wird und das Ereignis der Olympischen Spiele selbst als Fest des Sports in den
Vordergrund rückt.7
Der pädagogische Mehrwert, den Coubertin einst in sportlicher Erziehung auch für die
Entwicklung des Geistes sowie der Seele sah, ist unbestritten. Demgemäß erstreckt sich der
schulsportliche Erziehungsauftrag des Art. 7 Abs. 1 GG nicht nur auf die Bildung im Sinne
der geistigen Entwicklung des Kindes, sondern erfasst den gesamten Bereich der Erziehung,
zu dem auch der Schulsport zentrale Beiträge leistet.8 Auf dieser Erkenntnis dürfte die
bündige These von EKKEHARD WIENHOLTZ beruhen, die dieser in seiner zwölfjährigen
Funktion als Präsident des Landessportverbandes Schleswig-Holstein zwischen 2001 und
2013 tunlichst pflegte: „Sport macht schlau!“9 Nicht allein deshalb sei ihm zu Ehren der
nachfolgende Beitrag zu Ursprung, Kennzeichen und Herausforderungen des heutigen
Sportrechts aus Anlass seiner Verabschiedung am 22. August 2013 zugedacht.
II. Vom Ursprung der Regeln zu [zwischen-]staatlichen Rechtsnormen
Der olympische Wahlspruch des „citius, altius, fortius“, den Dominikanerpater Didon einst
erfand, findet sich heute in Regel 10 der IOC-Charta. Die IOC-Charta bildet die Spitze der
selbst gesetzten Sportregeln privater Sportorganisationen, denen sich Sportbeteiligte durch
rechtsgeschäftlichen Willen freiwillig unterwerfen. Der Ursprung dieser Regelwerke reicht in
6 In der wörtlichen Übersetzung „schneller, höher, stärker“, im deutschen Sprachgebrauch jedoch oft mit „schneller, höher, weiter“ übersetzt.
7 Der Spruch „Dabei sein ist alles“ geht zurück auf eine Bemerkung von Coubertin, der Bischof Ethelbert Talbort [Widlund, Ethelbert Talbot, His Life and Place in the Olympic History, p. 7] zum Streit zwischen britischen und amerikanischen Sprintern über den Sieg im 400-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen in London im Jahre 1908 wie folgt zitierte: „The important thing in the Olympic Games is not winning but taking part, for the essential thing in life is not conquering but fighting well.“
8 Vgl. hierzu im Einzelnen unter Bezugnahme auf den Lehrplan Grundschule des Schleswig-Holsteinischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (S. 173 f.) sowie den Lehrplan Sport für die Sekundarstufe I der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen – Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule (S. 16 ff.) aus dem Schuljahr 1997/1998 Nolte, Staats- und Europarecht, in: Adolphsen/Nolte u.a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, Stuttgart 2012, S. 9 (21 ff.).
9 So bspw. im Rahmen des sportpolitischen Symposiums in Kiel im Jahre 2012 mit der voranstellenden Ausführung, dass Bewegungsförderung für junge Menschen die Entwicklung von Intelligenz unterstütze; ähnlich auch im Rahmen eines Kooperationsprojektes „Schule & Verein“ am 2. Januar 2013 an der Grundschule im schleswig-holsteinischen Schellhorn nahe Kiel, dort verbunden mit dem Hinweis, dass der Bildungserfolg nur gesteigert werden könne, wenn der Sport mehr als bisher als Bildungsfaktor in den Schulen anerkannt werde.
18
die Frühgeschichte der Menschheit von etwa 7000 bis 4000 v.Chr. zurück. Dies belegen
„stumme Quellen“ wie Artefakte, Knochenformungen, Felszeichnungen, Keramik- und
Vasenmalereien sowie Höhlenzeichnungen. Aus ihnen geht hervor, dass Menschen in der
Frühgeschichte verschiedene Spiele bzw. Sportdisziplinen pflegten. Daraus könne der
ziemlich sichere Schluss gezogen werden, dass zumindest ein Grundgefüge von Regeln bei
den Spielen bestanden haben müsse.10 Zwar wurden jene frühen Regeln nicht von
institutionalisierten Sportorganisationen erlassen, sondern stammten von menschlichen
Assoziationen zu sozialen Einheiten. Doch dürften sie ihrem Gegenstand nach mit heutigen
Spiel- und Sportregeln zumindest insofern vergleichbar sein, als sie das Ziel und deren Ablauf
sportlicher Betätigung beschreiben.
Das staatliche Recht kam erst relativ spät, und zwar vornehmlich in der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts, auf den Sport.11 Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Sport galt lange
Zeit als reines Freizeitvergnügen, als Zeitvertreib nach getaner Arbeit sowie Erholung zur
Wiedererlangung verlorener Kräfte. Mit dem Sport und seinen Regeln befasste sich die
Rechtswissenschaft lange Zeit nicht. Denn sie vertritt einen monistischen Rechtsbegriff und
nimmt im Grundsatz nur solche Normen in den Blick, die vom Staat bzw. den
Staatengemeinschaften herrühren. Nichtstaatliche Ordnungen, selbst wenn sie wie das
Kirchenrecht zu einer justizähnlichen Institutionalisierung eines Sanktionsapparats gefunden
hatten, liegen im Normalfall außerhalb ihres Blickfeldes.12 Deshalb wurde Sport in Ansehung
seiner Regeln auch oft als „rechtsfreier Raum“13 bezeichnet.
Soziologen und Ethnologen ist dieses enge Normverständnis fremd. Sie vertreten einen
pluralistischen Rechtsbegriff. Danach werden seit jeher eine Vielzahl von Rechtsquellen und
Rechtsschichten sowie alle Normen als Recht akzeptiert, für deren Einhaltung besonders dazu
bestellte Personen verantwortlich sind.14 Dies trifft insbesondere auf den Lebensbereich Sport
10 Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, Stuttgart 2011, S. 62.11 Während Sportwissenschaftler eher zu der These neigen, die Juristen hätten den Sport für sich entdeckt und
würden diesen vereinnahmen (pars pro toto Digel, Zur Verrechtlichung des Sports, in: Justizministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Sport und Recht. Tagungsbericht über das Triberger Symposium des Justizministeriums Baden-Württemberg am 9. und 10. November 2000, Stuttgart 2001), sind Rechtswissenschaftler tendenziell der Ansicht, der Sport sei auf die Juristen gekommen (beispielsweise Steiner, in seinem Beitrag zur Doping-Problematik auf einer Sondertagung des Konstanzer Arbeitskreises für Sportrecht am 29.02.2000 in Köln, Doping aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Röhricht/Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum: Aktuelle rechtliche und medizinische Aspekte, Sonderband Recht und Sport, Stuttgart 2000, S. 125).
12 Röhl, Allgemeine Rechtslehre, Köln 1994.13 Kummer, Spielregel und Rechtsregel, Bern 1973.14 Von Mutius/Nolte, Sportrecht, in: Haag/Strauß (Hrsg.), Theoriefelder der Sportwissenschaft, 2. Aufl.,
Schorndorf 2003, S. 201 (202).
19
zu.15 Denn dieser besitzt geschriebene Sport- und Spielregeln und überträgt deren
Durchsetzung bestellten Schiedsrichtern sowie Sportorganisationen mit institutionalisierten
Verbands- und Schiedsgerichten.
Die Ver“recht“lichung des Sports – im wahrsten Sinne des Wortes nach Maßstäben
staatlichen Rechts – ist eine Entwicklung, die in Deutschland vor allem in den 70er Jahren an
Fahrt aufnahm. Hierzu beigetragen hatte die flankierende Kommerzialisierung,
Professionalisierung sowie Mediatisierung des Sportgeschehens.16 Sport trat vermehrt aus
dem Schatten des privaten Raums in den öffentlichen Bereich hinein und wurde so zum
Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten und Gesetzgebung.17 Als besonders einschneidend
erwies sich der erste Bundesliga-Skandal Anfang der 70er Jahre:18 Spielabsprachen und
Bestechungen im professionellen Fußball führten dazu, dass Spieler, Trainer sowie
Vereinsfunktionäre teilweise lebenslang für die Ausübung sportlicher Ämter gesperrt wurden,
Arbeitsgerichte fristlose Kündigungen bestochener Spieler bestätigten und Strafgerichte eine
Reihe von Spielern teilweise wegen Meineids verurteilten.19 Nur wenige Jahre später häuften
sich umweltrechtliche Konflikte: Erst verurteilte das Oberlandesgericht Hamm20 die Stadt
Gelsenkirchen im Jahre 1976 dazu, die im Parkstadion installierte Lautsprecheranlage so zu
betreiben, dass die dadurch verursachten Geräusche auf das Nachbargrundstück einen
Immissionswert von 55 dB [B] tagsüber nicht überschritten. Danach gab der
Bundesgerichtshof in seinem berühmten Tennisplatzurteil21 einem Sportverein auf, das
Tennisspiel auf einer ihm von der Stadt überlassenen Tennisanlage gänzlich zu unterlassen. In
den 90er Jahren kam das Verfassungsrecht auf den Sport: Mal ging es hierbei um die 15 Zu Sport als rechtsbedeutsamer Lebensbereich in Deutschland Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich
Sport, Kiel 2004, S. 14 ff.16 Vgl. hierzu Jaeger/Stier (Hrsg.), Sport und Kommerz: Neuere ökonomische Entwicklungen im Sport,
insbesondere im Fußball, Chur 2000; Preuß, Bedeutung des Verkaufs von Fernsehrechten für die Finanzierung sportlicher Megaevents, in: Horch (Hrsg.), Professionalisierung im Sportmanagement. Beiträge des 1. Kölner Sport-ökonomie-Kongresses, Aachen 1999, S. 258 ff.; Schellhaaß, Die mediale Verwertung von Sportveranstaltungen, in: ders. (Hrsg.), Sportveranstaltungen zwischen Liga- und Medieninteressen. Jahrestagung des Arbeitskreises „Sportökonomie“ am 14. und 15. April 2000 in Köln, Schorndorf 2000, S. 7 ff.
17 So beispielsweise der Hochschulsport, dessen Förderung nach § 2 Abs. 4 Satz 2 des Hochschulrahmengesetzes a.F. im Jahre 1976 erstmals ausdrücklich normiert und zur verpflichtenden Aufgabe aller Hochschulen erklärt wurde, nachdem die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in ihrem Aktionsprogramm für den Schulsport im Jahre 1972 gewisse politische Zielstellungen formuliert hatte; vgl. hierzu sowie zur weiteren rechtsnormativen Entwicklung Nolte, Hochschulsport – Einrichtungen für alle und für Leistungssportler, in: Erichsen u.a. (Hrsg.), Lebensraum Hochschule – Grundfragen einer sozial definierten Bildungspolitik, Festschrift anlässlich des 70. Geburtstages von Professor Dr. Albert von Mutius, Siegburg 2012, S. 255 (258 ff.).
18 Vgl. detailliert Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, Stuttgart 2012, S. 459.19 Dies hatte etwa zur Folge, dass man den FC Schalke 04, dem der wegen Meineids verurteilte Spieler
angehörte, auch „FC Meineid“ schimpfte; hierzu Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, Stuttgart 2012, S. 459.
20 OLG Hamm, Urteil vom 06.12.1976, Az.: 5 U 166/75.21 BGH, NJW 1983, S. 751 f.
20
unzulässige Länge von Dopingsperren, als das Oberlandesgericht München meinte, dass eine
dreijährige Sperre bei einer Sprinterin wegen ihres erstmaligen Dopingvergehens nicht mit
ihrer Berufsfreiheit zu vereinbaren sei;22 mal standen sportbezogene Staatszielbestimmungen
im Focus, die in Landesverfassungen verankert wurden mit der Folge, dass die Förderung und
der Schutz des Sports zunehmend Eingang in die Rechtsprechung fanden.23 So bedeutsam der
Sport für die Gesellschaft auch sein mag,24 so erstaunlich ist der Befund, dass das
Grundgesetz den Sport nach wie vor mit keinem Wort erwähnt. Dies mag zwar der im
Allgemeinen nicht unberechtigten Befürchtung geschuldet sein, dass Staatsziele zu einer
generellen Politisierung und/oder Finalisierung der Verfassung beitragen und damit eine
Einschränkung des gesetzgeberischen Ermessens bewirken können.25 Für den speziellen
Lebensbereich des Sports ist diese Sorge vor allem nach den Erfahrungen mit den
landesverfassungsrechtlichen Staatszielen allerdings unberechtigt. Deshalb ist seine
Verankerung im Grundgesetz wirklich an der Zeit.26
So stellte auch der Europäische Gerichtshof bereits in den 70er Jahren klar, dass
Europarecht auf Sport zumindest insofern Anwendung finde, als dieser Teil des
Wirtschaftslebens im Sinne des [damaligen] Art. 2 EGV sei.27 Diese These wiederholte das
Gericht in späteren Entscheidungen formelhaft, ohne dass dies zu größerer Empörung beim
organisierten Sport geführt hätte. Erst Mitte der 90er Jahre wurde die europarechtliche
22 OLG München, SpuRt 1996, S. 133 ff.; vgl. hierzu auch den DLV-RA, SpuRt 1996, S. 66 ff.; Vorinstanz LG München, SpuRt 1995, 161 ff.; dezidiert Lenz, Die Verfassungsmäßigkeit von Anti-Doping-Bestimmun-gen, Frankfurt a.M. u.a. 2000, S. 91 ff.
23 Zu dieser Entwicklung sowie zu den Textfassungen und ihrem Verständnis vgl. Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport – Ein Beitrag zur normativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft –, Kiel 2004, S. 217 ff.; zu staatszielrelevanten Entscheidungen auf Länderebene ders., Staats- und Europarecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, Schorndorf, 1. Aufl. 2009, S. 15 ff.
24 So betont namentlich Wienholtz, dass der Sport in der modernen Gesellschaft zu einem Element der Lebensqualität geworden sei, woraus sich auch die Forderung „Sport für alle“ ergebe, Rede im Rahmen der Feierstunde des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, 2001; auf dieser Linie bewegt sich im Übrigen auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in ihrem Programm aus dem Jahre 1989 [Grundsatzprogramm, beschlossen vom Programm-Parteitag der SPD am 20. Dezember 1989 in Berlin, u.a. geändert auf dem Parteitag in Leipzig am 17. April 1998], indem nicht nur auf die „Lebensqualität“ sondern zusätzlich auf die „Lebensfreude“ abgestellt und der aus der Arbeitersportbewegung entlehnte Grundsatz „Sport für alle“ in den Vordergrund gerückt wird; hierzu Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 55 f.
25 Pars pro toto, insbesondere mit Blick auf Arbeit, Kultur und Umwelt als Gegenstände verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen im Speziellen Wienholtz, AöR 109 (1984), S. 532 (553), sowie im Allgemeinen zum Verhältnis von normativer Verfassung und Gesetzgebung seine gleichlautende Dissertation aus dem Jahre 1968.
26 Diese Forderung findet sich wörtlich unter anderem in der „Lübecker Erklärung“ unter „Perspektiven für die Politik“ der Konferenz der Landessportbünde am 18./19. April 2008 unter ihrem Vorsitzenden Wienholtz; zu den verfassungsrechtlichen Dimensionen des Sports, insbesondere zur Aufnahme des Sports im Grundgesetz, im Übrigen vgl. auch Nolte, Sport in guter Verfassung – auch ein Verfassungsgut?, in: Hoyer/Hattenhauer/ Meyer-Pritzl/Schubert (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Jörn Eckert, Baden-Baden, 1. Aufl. 2008, S. 605 ff.
27 EuGH, Slg. 1974, 1405, 1418 (Walrave); Slg. 1976, 1333, 1341, Rn. 20 (Dona).
21
Überwölbung des Sportgeschehens zunehmend kritisch gesehen. Gegenstand der damaligen
Streitigkeiten waren sportverbandliche Ausländerklauseln, mit denen die Zahl der in einem
Spiel einsetzbaren Unionsbürger beschränkt wurde, sowie Transferregeln, wonach der
Wechsel eines Sportlers von seinem bisherigen Verein zu einem neuen Verein bzw. dessen
Neubeschäftigung von der Zahlung einer sog. „Transferentschädigung“ bzw. „Ausbildungs-
und Weiterbildungsentschädigung“ des aufnehmenden Vereins an den abgebenden Verein
abhängig war. Beide Regeln erklärte der Gerichtshof mit Blick auf die
Arbeitnehmerfreizügigkeit für unanwendbar28 und gab mit dieser Entscheidung einer Klage
von Jean Marc Bosman statt, dem es weniger gelang, als Fußballspieler des belgischen FC
Liege auf sich aufmerksam zu machen, denn als Kläger vor dem Europäischen Gerichtshof,
der das damalige Transfersystem im europäischen Fußballsport zum Einsturz brachte.
Das Ende der Autonomie des Sports war damit gleichwohl nicht eingeläutet. Zwar konnte
sich dieser Eindruck durch die spätere Meca-Medina-Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs aus dem Jahre 2006 erhärten. Denn das Gericht meinte in umständlicher
Formulierung, dass der bloße Umstand, dass eine Regelung rein sportlichen Charakters sei,
nicht dazu führe, dass derjenige, der die dieser Regelung unterliegende sportliche Tätigkeit
ausübe, oder die Institution, die diese Regelung erlassen habe, nicht in den Geltungsbereich
des EG-Vertrages [konkret: des Wettbewerbsrechts] falle.29 Dieses Urteil hatte aber letztlich
nur zur Konsequenz, dass die selbst gesetzten Regeln relativ uneingeschränkt am Europarecht
gemessen wurden. Die Autonomie des Sports blieb hierdurch jedoch im Kern unangetastet –
auch wenn der Sport lange Zeit nicht im primären Europarecht vorkam.30 Letzteres änderte
sich dann durch den Vertrag von Lissabon [ursprünglich auch EU-Grundlagenvertrag bzw. -
Re-formvertrag genannt], der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. In diesem verständigten sich
die damals 27 Mitgliedstaaten auf ein Staatsgemeinschaftsziel zugunsten des Sports gemäß
Art. 165 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV], um ihre bis
dahin betriebene mosaikförmige Sportpolitik auf kompetenziell sicherere Beine zu stellen.
Inzident bekräftigten sie hierbei die Autonomie des Sports: So wurde zwar die Union zur
Förderung der europäischen Dimension des Sports ermächtigt, allerdings nur unter der
28 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (Bosman).29 EuGH, Rs. C-519/04, Slg. 2006, I-6991 Rn. 27 (Meca-Medina und Majcen); hierzu weiterführend
Heermann, Wettbewerbsrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, Schorndorf, 1. Aufl. 2009, S. 49 (57 ff.).
30 Zur frühen Berücksichtigung der Autonomie im Europarecht vgl. Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Ein Beitrag zur normativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft, Kiel 2004, S. 289 (291 f.); zu Elementen und Eckwerten einer Europäischen Verfassungsordnung im Allgemeinen bereits Wienholtz, Vortrag im Landeshaus Schleswig-Holstein am 21. Januar 2003, veröffentlicht in: Parlamentarische Gesellschaft Schleswig-Holstein, 2003.
22
Voraussetzung, dass die besonderen Merkmale des Sports, dessen auf freiwilligem
Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Ziele
berücksichtigt werden.31 Die mit der Verankerung eines solchen Zieles verbundenen
Wertungen und Wirkungen sind bekannt. Sie verlaufen parallel zu den Staatszielen des
nationalen Verfassungsrechts: Einerseits wird die Regelgebung des Sports in Einzelfällen
begrenzt, andererseits wahren [zwischen-]staatliche Funktionsträger die Autonomie des
Sports und machen dessen Förderung und Schutz zu einem [zwischen-]staatlichen Ziel mit
verfassungsrechtlicher Dignität.
III. Zum Zweisäulensystem des heutigen Sportrechts
Die Regeln des organisierten Sports gehören zu seinen typusprägenden Merkmalen. Ihre
Vielfalt ist beeindruckend und reicht von den Regelwerken nationaler Vereine und Verbände
bis zu den Vorschriften europäischer sowie internationaler Sportorganisationen. Während
etwa nationale Regularien im deutschen Fußballsport aus Benutzungsordnungen für
Sportanlagen, Satzungen der Regional- und Landesverbände sowie der Rechts- und
Verfahrensordnung des Deutschen Fußball-Bundes bestehen, speisen sich die europäischen
bzw. internationalen Regelwerke aus den zahlreichen Statuten, Richtlinien sowie Ordnungen
der Union of European Football Associations [UEFA] sowie der Fédération Internationale de
Football Association [FIFA].
Zwischen den verschiedenen Regulierungsebenen bestehen gegenstromförmige
Wechselwirkungen. Diese werden durch das sog. Einplatzprinzip abgesichert, wonach pro
Kreis, Bezirk, Land, Region, Staat oder Kontinent grundsätzlich nur ein autorisierter Fach-
bzw. Dachverband besteht.32 Daraus folgt ein pyramidales Sportverbandswesen, innerhalb
dessen zahlreiche Regeln übergeordneter Organisationen, insbesondere solche über die
sportliche Betätigung im engeren Sinne [d.h. über Ziel und Ablauf des Sports], für die
nachgeordneten Ebenen bindend sind. Andere Vorschriften übergeordneter Organisationen
formulieren demgegenüber lediglich Rahmenvorgaben und eröffnen signifikante
Regelungsspielräume für nachgeordnete Instanzen, deren Vertreter dafür Sorge tragen, dass
31 Eine vergleichbare Entwicklung sportbezogener Staats(-gemeinschafts-)ziele vollzog sich seit Anfang der 90er Jahre auf der Ebene der deutschen Landesverfassungen, insbesondere in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung, die wesentlich unverkrampfter mit neuen Staatszielen umzugehen vermochten als die alten Bundesländern; vgl. zur Entwicklung Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 217 ff.
32 Vgl. zum Einplatzprinzip Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 42 ff.; Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl., München 2007, S. 12 ff.; Rössner/Adolphsen, Einführung: Der Sport im Recht, in: Adolphsen/Nolte u.a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, Stuttgart 2012, Rn. 10.
23
regionale bzw. nationale Vorstellungen in das übergeordnete, insbesondere europäische sowie
internationale Regelwerk, einfließen.
Die Gesamtheit aller selbst gesetzten Regelwerke des Sports gilt hierbei als erste Säule des
heutigen Sportrechts, die auch lex sportiva genannt wird. Sie ist Ausdruck bürgerlicher
Freiheit. Denn der organisierte Sport ist ein wichtiges Subsystem der gesamten [Zivil-]Gesell-
schaft. Als gesellschaftlicher Teilbereich hat er seine Angelegenheiten zunächst
eigenverantwortlich zu regeln. Dahinter steht der Gedanke des Subsidiaritätsgrundsatzes.33
Dieser proklamiert einen grundsätzlichen Nachrang staatlicher gegenüber gesellschaftlicher
Aufgabenwahrnehmung und errichtet damit eine [sozialethische] „Funktionssperre“34 für
staatliches Tätigwerden. Der Eigenverantwortung des organisierten Sports gegenüber
[zwischen-]staatlicher Aufgabenwahrnehmung entspricht es schließlich, dass die
Regelgebung des organisierten Sports durch die Vereinigungsfreiheit verfassungs-, europa-
sowie internationalrechtlich verbürgt ist. Sie verleiht Sportorganisationen das Recht zur
Steuerung, Lenkung und Lösung ihrer Angelegenheiten durch Satzungen, Statuten und
Richtlinien über sporttechnische Regeln, sportethische Grundsätze sowie zu Organisation und
Verfahren.35 Diese Grundsätze sind allen populären Forderungen nach staatlicher Regulierung
– etwa nach einem „knüppelharten“ Anti-Doping-Gesetz – entgegenzuhalten.
33 Verankert wurde dieser Grundsatz im Jahre 1931 in der päpstlichen Sozialenzyklika „Quadragesimo Anno“; vgl. hierzu Ross, Die Sozialenzykliken der Päpste als Grundlage der Sozialverkündung der Kirchen, in: Unterberg (Hrsg.), Kurze Einführung in die katholische Soziallehre, Freiburg 2010, S. 15 ff.; Wieshuber, Die Leitidee der Subsidiarität im europäischen Einigungswerk, Eine Untersuchung aus sozialethischer Perspektive, Münster 2009, S. 31 ff.; allgemein zum Subsidiaritätsprinzip Callies, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl., Baden-Baden 1999; zu den Wurzeln des Subsidiaritätsprinzips in der abendländischen Staats- und Gesellschaftsphilosophie, der liberalen Staatstheorie und der neuscholastischen Naturrechtslehre Schliesky, Der Beitrag des Subsidiaritätsprinzips gemäß Art. 5 Abs. 2 EGV zur Legitimation supranationaler Herrschaftsgewalt, in: Schliesky/Schürmann (Hrsg.), Rechtsprobleme der Verzahnung von Herrschaftsgewalt im Mehrebenensystem, Köln u.a. 2001, S. 23 (36); Molsberger, Das Subsidiaritätsprinzip im Prozess europäischer Konstitutionalisierung, Berlin 2009, S. 14 ff.
34 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl., Berlin 2001, S. 30.35 Vgl. beispielsweise zur Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen der Vereinigungsfreiheit Steiner, Staat, Sport und
Verfassung, DÖV 1983, S. 179 f.; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du Sport vor dem Hintergrund des schweizerischen und deutschen Schiedsverfahrensrechts, Berlin 2005, S. 5 (23).
24
Denn das [zwischen-]staatliche Recht ist lediglich eine Sekundärordnung des Sports. Dessen
Geltung beruht auf der allgemeinen Erkenntnis, dass weder der nationale Sport ein Staat im
Staate ist noch die europäischen und internationalen Sportorganisationen eigenständige
Völkerrechtssubjekte neben den anerkannten Staaten dieser Welt sind.36 Deshalb bewegt sich
das System des organisierten Sports im Rahmen des [zwischen-]staatlichen Rechts und leitet
seine Legitimität von den Staaten sowie den Staatengemeinschaften ab. Deren Rechtsnormen
schützen nicht nur sportliche Betätigungen im engeren Sinne, sondern auch die Regelgebung
der Sportorganisationen. Die Gesamtheit aller sportrelevanten Rechtsnormen von Staaten[-ge-
meinschaften] bildet schließlich die zweite Säule des heutigen Sportrechts. Sie wird als lex
extra sportiva verstanden und erfasst etwa Strafrechtsnormen, die gefährliche
Körperverletzungen im Sport verbieten, zivilrechtliche Vorschriften zu Mindestanforderungen
an die Gründung und Betätigung eingetragener Vereine sowie umweltrechtliche
Bestimmungen über den Sport in der freien Natur.37 Hinzu treten arzneimittelrechtliche
Normen zur Verhinderung von Doping, steuerrechtliche Vergünstigungen für ehrenamtliche
Tätigkeiten sowie baurechtliche Anforderungen an die Errichtung oder den Betrieb von
Sportanlagen. Schließlich normieren sämtliche Landesverfassungen – mit Ausnahme der
Freien und Hansestadt Hamburg – sportbezogene Staatsziele und erklären die Förderung, den
Schutz und die Pflege des Sports zur öffentlichen Aufgabe.38
Die grenzüberschreitende Bedeutung des Sports mit seinen spezifischen Phänomenen,
Ansprüchen und Problemen befördert nicht zuletzt eine zunehmende Europäisierung und
Internationalisierung des Sport(recht)s. Zahlreiche gesellschaftliche Aspekte [Doping,
Gewalt, Betrug], wirtschaftliche Dimensionen [Vermarktung, Beihilfe] sowie
organisatorische Herausforderungen des Sports [Pyramidalsystem, Monopolstellung] gehen
über Staatsgrenzen hinweg und verlangen globale Steuerung. Die Europäisierung des
Sportrechts ist hierbei signifikant und lässt sich erkennen an der wachsenden Zahl von
36 Vgl. Baare-Schmidt, Der Status des internationalen Olympischen Komitees im Völkerrecht, München 1983, S. 72; Rittberger/Boekle, Das Internationale Olympische Komitee – eine Weltregierung des Sports?, FW 71 (1996), S. 158; Wax, Internationales Sportrecht, Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts, Berlin 2009, S. 153 ff. Speziell zur World Anti-Doping Agency (WADA) vgl. Latty, La lex sportiva, Recherche sur le droit international, Boston 2007, S. 624.
37 Vgl. zum multipolaren Konflikt von Sport in der freien Natur Nolte, Die Erholungsfunktion des Waldes – Einfachgesetzliche Rechtsansprüche des Erholungssuchenden und ihre Grenzen unter besonderer Berücksichtigung des Straßen- und Wegerechts, des Forst- und Waldrechts und des Naturschutzrechts, 2. Aufl., Kiel 1999.
38 Zu deren Auslegung und Verständnis vgl. bereits Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 217 ff. m.w.N.
25
Judikaten des Europäischen Gerichtshofs zum Sport. Diese betrafen anfangs lediglich
Grundfreiheiten, später dann auch kartell- und beihilferechtliche Vorschriften sowie in
jüngster Zeit das neue Staatsgemeinschaftsziel zugunsten des Sports.39 Hinzu treten
schließlich völkerrechtliche Abkommen zum Sport, etwa zum Schutz des Olympischen
Symbols,40 zur Bekämpfung der Zuschauerausschreitungen bei Sportveranstaltungen41 oder
zum Kampf gegen Doping im Sport.42
Die wechselseitigen Rechtswirkungen zwischen den verschiedenen Ebenen des [zwischen-]
staatlichen Sportrechts sind mit denen sportverbandlicher Regeln vergleichbar: Auf der einen
Seite formulieren europäische und internationale Vorschriften zwingende Vorgaben für
nationale Gesetzgeber oder eröffnen diesen mehr oder weniger große Regelungsspielräume.
Auf der anderen Seite speisen sich europäische und internationale Rechtsnormen aus den
Überzeugungen, Erfahrungen und Erkenntnissen verschiedener Mitglieds- bzw.
Vertragsstaaten.
IV. Typusprägende Wechselwirkungen zwischen Regeln und Rechtsnormen
Zu den typusprägenden Merkmalen des Sportrechts gehört jedoch nicht allein der Umstand,
dass diese Disziplin auf privat gesetzten Regeln des Sports und sportrelevanten Normen des
[zwischen-]staatlichen Rechts beruht. Die beiden Säulen sind vielmehr in vielfältiger Weise
aufeinander bezogen bzw. miteinander verstrebt. Diese Wechselwirkungen sind das
eigentliche Kennzeichen von Sportrecht, deren generelle Auslotung Wissen schafft.43
So sei daran erinnert, dass der Erlass von Sport- und Spielregeln Ausdruck [zwischen-]staat-
lich verliehener Regelungsautonomie ist. Diese Regelungsautonomie besteht nicht originär
für Sportorganisationen. Sie leitet sich vielmehr ab aus den Rechtsordnungen einzelner
Staaten bzw. Staatengemeinschaften. Dabei geht es im Kern um die Vereinigungsfreiheit bzw.
Vereinsautonomie. Diese besteht gleichwohl nicht grenzenlos. Sie wird vielmehr ihrerseits
39 EuGH, Rs. C-325/08, Slg. 2010, I-2177 (Olympique Lyonnais); EuGH, Rs. C-403/08 u.a., ABl EU 2011, Nr. C 347 (Murphy).
40 Vertrag über den Schutz des Olympischen Symbols, angenommen am 26.09.1981 in Nairobi [http://www.wipo.int/treaties/en/ip/nairobi]; hierzu Tams, Olympische Spiele – Herausforderungen und Fragen aus Sicht des internationalen Rechts, in: Höfling/Horst/Nolte (Hrsg.), Olympische Spiele, Tübingen 2013, S. 59 (67 f.).
41 “European Convention on Spectator Violence and Misbehaviour at Sports Events and in particular at Football Matches” des Europarats vom 19.08.1985 – International Legal Materials Vol. 24 (1985), S. 1566 ff.
42 UNESCO-Konvention gegen Doping im Sport, angenommen am 19.10.2005, in Kraft seit 01.02.2007 [deutscher Text unter http://www.unesco.de/1074.html]; hierzu dezidiert Schmidt, Internationale Dopingbekämpfung, Stuttgart 2009, S. 73 ff.
43 Vgl. bereits Nolte, Was ist und zu welchem Ziel studiert man Sportrecht?, in: Nolte/Hilpert (Hrsg.), Was ist Sportrecht?, Schriftfassung der Antrittsvorlesung zur Professur für Sportrecht an der Universität Kiel vom 14. April 2010, Kiel 2010, S. 1 (8).
26
eingegrenzt durch [zwischen-]staatliches Recht. Auf der Ebene des Grundgesetzes ergeben
sich die Grenzen aus kollidierendem Verfassungsrecht durch Grundrechte Dritter bzw.
anderen Positionen mit Verfassungsrang. Das zeigt sich an zahlreichen Beispielen des
organisierten Sports:
Zu den größten Herausforderungen zählt etwa die Bekämpfung von Doping. Sport- und
Spielregeln definieren deshalb die verbotenen Verhaltensweisen, normieren Beweisregeln und
Sanktionen und enthalten Verfahren zur Feststellung von Dopingverstößen und deren
Überprüfung vor Verbands- und Schiedsgerichten. Sämtliche dieser Regelungen sind
Ausfluss von Vereinigungsfreiheit. Deren Grenzen werden erreicht bei persönlichen Anti-
Doping-Meldepflichten von Athleten und ihrem Recht auf informationelle
Selbstbestimmung,44 bei der Länge sportverbandlicher Dopingsperren mit Blick auf Berufs-
und Handlungsfreiheit45 oder bei der Ausgestaltung von Organisation und Verfahren nach
grundrechtsgleichen Verbürgungen wie fair play sowie dem Recht auf Anhörung und
Begründung. Vergleichbare Grenzen aufgrund von Individualverbürgungen existieren bei
wirtschaftsrelevanten Sport- und Spielregeln etwa bei Ausländer- und Transferklauseln,46 der
zentralen Vermarktung von Fernsehrechten47 oder der so genannten 50+1-Regel, die eine
Mehrheitsbeteiligung der Muttervereine an den ausgegliederten Profiabteilungen deutscher
Fußballclubs verlangt und damit Mehrheitsbeteiligungen ausländischer Investoren
verhindert.48 Auch hier kommt es zu signifikanten Grenzziehungen aufgrund kollidierender
Interessen etwa an Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. der Verhinderung von Kartellen zur
Realisierung von Grundfreiheiten.
Die Intensität der Grenzziehungen, mit der [zwischen-]staatliches Recht auf
sportverbandliche Regeln wirkt, ist gleichwohl nicht starr. Sie variiert vielmehr von Fall zu
Fall und ist insbesondere davon abhängig, ob und inwieweit die betreffende Spiel- oder
44 Erinnert sei an die aktuelle Diskussion über die Vereinbarkeit der Ein-Stunden-Regel für Athleten des höchsten Testpools mit den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes, in denen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einfachgesetzlich konkretisiert wird; hierzu Nolte, Causa Sport 2010, S. 309 ff.
45 OLG München , SpuRt 1996, S. 133.46 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (Bosman).47 Hierzu Danckert, Fernsehrechte im deutschen Fußball: Grundlagen, Chancen und Grenzen ihrer
Vermarktung aus kartellrechtlicher Sicht, Kiel 2009; Hess/Jury-Fischer, Medienkartellrecht, AfP 2009, S. 35 ff.; Stopper, Spielmanipulation: Das Bundeskartellamt kennt das richtige Ergebnis der TV-Zentralvermarktung, SpuRt 2008, S. 177 ff.
48 Näher hierzu Klees, Die so genannte 50+1-Regel im deutschen Profifußball im Lichte des europäischen Wettbewerbsrechts, EuZW 2008, S. 391 ff.; Lammert, Mehrheitliche Kontrolle im deutschen Profi-Fußball – Der Fall Hoffenheim, SpuRt 2008, S. 137 ff.; Quart, „50+1“-Regelung – Wie geht es im Profifußball weiter? Dringender Regelungsbedarf/Lösungswege, WRP 2010, S. 85 ff.; Verse, Die „50+1“-Regel zwischen Verbandsautonomie und Wettbewerbsfreiheit, Causa Sport 2010, S. 28 ff.; Schäfer, Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit dem Europarecht, 1. Aufl., Baden-Baden 2012.
27
Sportregel eher die sportliche Betätigung im eigentlichen, engeren Sinne betrifft und daher im
Zentrum des weitgehend autonom bestimmten Sportbetriebs liegt, oder über diesen
Regelungsgegenstand hinausgeht und auf andere Freiheitsverbürgungen reflektiert. Zum
Zentrum der Sport- und Spielregeln gehören etwa diejenigen Vorschriften, die das Ziel und
den Ablauf einer sportlichen Betätigung bestimmen. Aus diesem Bereich hält sich das
[zwischen-]staatliche Recht weitgehend heraus: Denn schließlich verlangt der Schutz der
Menschenwürde weder, dass ein Fußballspiel kürzer als 90 Minuten dauern muss, noch
erfordern Diskriminierungsverbote die Aufgabe der Geschlechtertrennung im Boxen. Anders
verhält es sich hingegen mit Sport- und Spielregeln im weiteren Sinne, die über den Kreis der
eigentlichen sportlichen Betätigung hinausragen und beispielsweise Teilnahmebedingungen
für Vereine an professionellen Ligawettbewerben festlegen oder Vermarkungsaktivitäten
regeln. Hier verlassen die betreffenden Regeln die engere Sphäre der Vereinigungsfreiheit mit
der Folge, dass [zwischen-]staatliches Recht eine größere Grenzziehung entfaltet als dies bei
sportverbandlichen Regeln im engeren Sinne der Fall ist. Die Grenzen zwischen Sport- und
Spielregeln im engeren sowie im weiteren Sinne sind ihrerseits auch nicht starr, sondern
fließend. Das Ergebnis kann deshalb nur in eine Faustformel münden. Diese lautet: Je mehr
eine betreffende Sport- und Spielregel auf die eigentliche Sportausübung bezogen ist, desto
stärker ist die Regelungsautonomie zugunsten der Sportorganisationen und desto weniger
kommt es zu Korrekturen durch kollidierendes [zwischen-]staatliches Recht. Umgekehrt
gesprochen: Je weiter eine betreffende Sport- und Spielregel über die eigentliche
Sportausübung hinausragt, desto schwächer wird die Regelungsautonomie und umso stärker
wirken Grenzziehungen durch [zwischen-]staatliches Recht. Die Maßstäbe, an denen die
betreffenden Sport- und Spielregeln an [zwischen-]staatlichen Rechtsnormen gemessen
werden, dürften hierbei von einer bloßen Plausibilitäts- bzw. Evidenzkontrolle bei Sport- und
Spielregeln im engeren Sinne bis hin zu einer Überprüfung nach den Kriterien der
Verhältnismäßigkeit bei Sport- und Spielregeln im weiteren Sinne reichen.
Aus umgekehrter Blickrichtung betrachtet bewegen sich Sport- und Spielregeln jedoch nicht
nur in Grenzen des [zwischen-]staatlichen Rechts. Sie beeinflussen vielmehr auch dessen
Anwendung und Normierung. Auch dieses Phänomen ist ein wesentliches Kennzeichen des
heutigen Sportrechts. So führt etwa die Beachtung von [rechtswirksamen] Spiel- und
Sportregeln dazu, dass sportbedingte Verletzungen weder zivil- noch strafrechtliche
Haftungsfolgen für den Schädiger auslösen: Trifft der Boxer seinen Gegner mit einem
regelgerechten Schlag am Kopf, so beschädigt er zwar dessen Gesundheit. Diese
Gesundheitsschädigung führt aber weder zu strafrechtlicher Verurteilung noch zu
28
zivilrechtlichem Schadensersatz. Denn die Einhaltung von Spiel- und Sportregeln bewirkt
einen Haftungsausschluss – wie immer man auch diesen konstruieren mag.49 Selbst bei
Schädigungen infolge leicht fahrlässig begangener Regelüberschreitung wird ein
Haftungsausschluss bejaht, da ein anderes Ergebnis mit den Besonderheiten des Sports
unvereinbar wäre. Die Grenze zur Unsportlichkeit ist erst dann überschritten, wenn die
Gesundheitsschädigung grob fahrlässig bzw. vorsätzlich begangen wird, wie etwa bei einem
gezielten Schlag mit dem Eishockeyschläger gegen den Kopf des Gegners oder einem Biss
des Boxers in das Ohr seines Gegners.50 Hier kommt es im Regelfall zu Haftungsfolgen nach
staatlichem Recht. Deren Beurteilung obliegt zwar freier richterlicher Beweisführung.
Allerdings kommt auch hier den Sport- und Spielregeln eine wichtige Orientierungsfunktion
zu. Denn schließlich bestimmen sie die spezifischen Sorgfaltsmaßstäbe im Sport und
beantworten damit zugleich, in welchem Umfang der Schädiger die „im Verkehr
erforderliche Sorgfalt“ überschritten hat.
Die Wirkungen sportverbandlicher Regeln auf [zwischen-]staatliches Recht gehen ferner über
dessen Auslegung bzw. Anwendung hinaus. Sportverbandliche Regeln initiieren auch
[zwischen-]staatliches Recht in einer vergleichbaren Weise, wie [zwischen-]staatliches Recht
die Konzeption sportverbandlicher Regeln [etwa Verfahrensbestimmungen] beeinflusst. Dies
zeigt sich etwa bei der Bekämpfung des Dopings und dem Schutz olympischer Symbole. So
beschloss die Generalversammlung der UNESCO im Jahre 2003, die internationale
Zusammenarbeit bei der Dopingbekämpfung durch Abschluss eines völkerrechtlichen
Vertrages zu fördern und zu koordinieren. Entscheidenden Einfluss auf die Konvention zur
Verhinderung und zur Bekämpfung von Doping im Sport im Jahre 2005 hatte der World Anti-
Doping Code der Welt-Anti-Doping-Agentur, mithin einer privatrechtlichen Stiftung nach
Schweizer Recht.51 Dies ergibt sich nicht nur aus den verschiedenen vorbereitenden
Dokumenten zur UNESCO-Konvention, sondern auch aus wörtlichen Bezugnahmen des
49 Hierzu werden verschiedene Auffassungen [rechtfertigende Einwilligung, sozialadäquates oder schuldloses Verhalten u.a.] auch innerhalb der verschiedenen Disziplinen des Zivil- und Strafrechts vertreten, die jedoch allesamt zum vergleichbaren Ergebnis [keine Haftung] führen dürften; vgl. zum Zivilrecht Vieweg, Haftungsrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, 1. Aufl., Schorndorf 2009, S. 121 (insbes. S. 128 ff.); zum Strafrecht Wolters/Schmitz, Strafrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, 1. Aufl., Schorndorf 2009, S. 247 (insbes. S. 251 ff.).
50 So etwa am 12. Juni 1998 in Las Vegas, als Mike Tyson kein anderes (regelgerechtes) Mittel gegen den damals amtierenden WBA-Weltmeister Evander Holyfield fand, als ihm kurzerhand ein Stück des Ohres abzubeißen.
51 Hierzu Haas/Prokop, Aktuelle Entwicklungen in der Dopingbekämpfung, SpuRt 2000, S. 5 ff; Kern, Internationale Dopingbekämpfung – Der World Anti-Doping Code der World Anti-Doping Agency, Hamburg 2007, S. 153 ff.; Latty, La lex sportiva, Recherche sur le droit transnational, Boston 2007, S. 384 ff.; Müller-Platz, Neue Entwicklungen in der Dopingbekämpfung, in: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Jahrbuch 2003, S. 116 ff.
29
Übereinkommens auf den Code,52 insbesondere der Inkorporation seiner Grundsätze – eine
Entwicklung, die in anderen Bereichen als „Privatisierung des Völkerrechts“53 beschrieben
wird. Der Beitritt Deutschlands zur UNESCO-Konvention induzierte schließlich
Novellierungen im nationalen Arzneimittelrecht, insbesondere dessen Erweiterung etwa um
das Verbot des Besitzes nicht geringer Mengen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im
Sport, das Gebot von Warnhinweisen auf Arzneimittelverpackungen [„Die Einnahme dieses
Arzneimittels kann zu einer positiven Dopingprobe führen.“] sowie Strafschärfungen bei
banden- oder gewerbsmäßigem Handel mit Arzneimitteln zu Dopingzwecken oder dessen
Abgabe an Minderjährige.54 Vergleichbares zeigt sich am Schutz olympischer Symbole sowie
Embleme. Deren Festlegung und Inhaberschaft erfolgte zunächst durch die Charta des
Internationalen Olympischen Komitees, mithin der Satzung eines nichtstaatlichen Vereins
gemäß Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Zu deren Durchsetzung
insbesondere zum Schutz gegenüber [sportfremden] Dritten bedurfte es staatlicher bzw.
zwischenstaatlicher Mithilfe. Diesen Schutz fand das IOC auf internationaler Ebene durch den
Vertrag von Nairobi im Jahre 198155 und auf nationaler Ebene durch das spezielle
Olympiaschutzgesetz.56 Das internationale Abkommen und das Olympiaschutzgesetz sichern
damit private Regelgebung ab, indem sie die Anliegen des IOC zu einer öffentlichen
Angelegenheit von völkerrechtlicher bzw. nationaler Bedeutung machen. Weiter kann der
Einfluss privater Regelgebung auf [zwischen-]staatliches bzw. zwischenstaatliches Recht
kaum gehen.
52 Vgl. hierzu dezidiert Schmidt, Internationale Dopingbekämpfung, Stuttgart 2009, S. 73 ff., 87 f.53 Vgl. hierzu mit unterschiedlichen Akzentuierungen dieses Phänomens Ghérari/Szurek (éd.), L’émergence de
la société civile internationale, Vers la privatisation du droit internationale?, 2003; vgl. auch Krieger, Der privatisierte Krieg – Private Militärunternehmen im bewaffneten Konflikt, AVR 44 (2006), S. 160; Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, S. 905 ff.; Rau, der US-amerikanische Alien Tort Claims Act, IPRax 2000, S. 560; Kees, Privatisierung im Völkerrecht, Zur Verantwortlichkeit der Staaten bei der Privatisierung von Staatsaufgaben, Berlin 2008, S. 30.
54 Vgl. hierzu die § 6a Abs. 2a S. 1 AMG i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG nach Artikel 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Dopingbekämpfung im Sport, BGBl. 2007 I, 2510; weiterführend Reissinger, Staatliche Verantwortung zur Bekämpfung des Dopings, 1. Aufl., Baden-Baden 2010; Hauptmann/Rübenstahl, Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer Doping-Besitzstrafbarkeit de lege ferenda – insbesondere gemessen am „Cannabis-Urteil“ des BVerfG, HRRS 2007, S. 143 ff.; Jahn, Die Strafbarkeit des Besitzes nicht geringer Mengen von Dopingmitteln, Ein Lehrstück zum Verhältnis von Rechtsgut und Tatbestandsstruktur, GA 2007, S. 579 ff.; Kargl, Begründungsprobleme des Dopingstrafrechts, NStZ 2007, S. 489 ff.; König, Dopingbekämpfung mit strafrechtlichen Mitteln, JA 2007, S. 573 ff.; Kudlich, An den Grenzen des Strafrechts, JA 2007, S. 90 ff.
55 Vertrag über den Schutz des Olympischen Symbols, angenommen am 26. September 1981 in Nairobi; hierzu Tams, Olympische Spiele – Herausforderungen und Fragen aus Sicht des internationalen Rechts, in: Höfling/Horst/Nolte (Hrsg.), Olympische Spiele, Tübingen 2013, S. 59 (67 f.).
56 Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen vom 31.03.2005 (BGBl. I, 479).
30
V. Epilog
Die Herausforderung des heutigen Sportrechts besteht in der zeitgemäßen und angemessenen
Ausbalancierung sportverbandlicher Regeln mit sportrelevanten Normen des
[zwischen-]staatlichen Rechts. Zünglein an der Waage ist stets die Vereinigungsfreiheit. Sie
bildet den Rahmen, innerhalb dessen sich die private Regelgebung von Sportorganisationen
entfaltet und durch kollidierende Rechtsgüter begrenzt wird. Die Aufgabe von Forschung und
Lehre im Bereich Sportrecht besteht darin, die hinter den Regeln und Rechtsnormen
stehenden Interessen auf einem möglichst hohen Niveau zu verwirklichen, ohne dass ein
Belang a priori zurückzutreten hat. Dies erfordert manchmal einen gedanklichen Spagat bzw.
eine einzelfallbezogene Gewichtung und Abwägung nach den Maßstäben praktischer
Konkordanz. So oder so ähnlich würde es vermutlich der promovierte Jurist EKKEHARD
WIENHOLTZ ausdrücken – dessen Stimme als Präsident des Landessportverbandes Schleswig-
Holstein a.D. einfühlsam und nachhaltig im selben Atemzug hinzufügen würde „(…) und
vergesst bei alledem die Vereine nicht!“57
57 Zwischenzeitlich geflügelte Mahnung etwa im Rahmen seiner Tischrede anlässlich der Antrittsvorlesung des Verf. zur Professur für Sportrecht an der Christian-Albrechts-Universität am 14. April 2010 im Kieler Yacht Club.
31
Prof. Dr. Alexander Trunk, Universität Kiel
Sportrecht in Staaten des östlichen Europa– eine Annäherung aus rechtsvergleichender Sicht
Einführung
Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs war der gesellschaftliche Lebensbereich des Sports im
östlichen Europa durch die politisch-gesellschaftlichen Strukturen des Sozialismus geprägt:
die nahezu monopolartige Funktion des Staates für die Organisation des Sports, die Betonung
des Leistungssports, die weit gehende Zurückdrängung ökonomischer Ausprägungen des
Sports, aber auch die Förderung von Massensport.58 Im internationalen Sportgeschehen war
das sozialistische Lager durch außerordentliche Erfolge bekannt, die zum Teil auf ein
ausgeklügeltes Selektions- und Fördersystem, zum Teil aber auch auf Praktiken
zurückzuführen waren, die jedenfalls aus heutiger Sicht mit der Menschenwürde der Sportler
unvereinbar waren.59 Seit 1989/1990 haben sich in der Großregion Osteuropa – Mittel- und
Südosteuropa sowie die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion60 – die politischen und
wirtschaftlichen Verhältnisse völlig geändert, und auch das Rechtssystem wurde vollständig
umgestaltet.61
Die Ostrechtsforschung konzentriert sich meist auf klassische Felder des öffentlichen Rechts,
des Zivil- oder des Strafrechts. Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports ist aber so hoch
und die internationale Entwicklung des Sportrechts so dynamisch, dass im Rahmen dieser
Tagung der Blick auf die Querschnittsmaterie des Sportrechts gerichtet werden sollte. Auch
heute spielt Osteuropa als Veranstaltungsort für internationale Sportereignisse (beispielsweise
die Olympischen Winterspiele 2014 in Sochi62) oder als Herkunftsregion internationaler 58 Vgl. Alekseev, Sportivnoe pravo Rossii (2005), S. 47 ff; s.a. Riordan, Totalitarianism and sport in Russia,
Int. Rev. on Sport & Violence 6/2012, S. 54 – 69, http://www.irsv.org/index.php?option=com_content&view=article&id=138%3Atotalitarianism-and-sport-in-russia&catid=64%3Anumero-6-sport-et-totalitarisme&lang=fr .
59 Hilpert Die Geschichte des Sportrechts (2012), S. 229 ff ; s. ferner http://de.wikipedia.org/wiki/Sport_in_der_DDR#Dopingproblematik.
60 Geographisch liegen mehrere dieser Staaten in Asien. Aus juristischer Sicht ist es aber gerechtfertigt, sie weiterhin der Kategorie des „Osteuropäischen Rechts“ zuzuordnen, da sie eng mit den Rechtsordnungen anderer postsowjetischer Staaten, insbesondere Russlands, verwandt sind. Aus demselben Grund kann auch das Recht der Mongolei diesem Rechtskreis zugerechnet werden.
61 Zu den Auswirkungen des Zerfalls der Sowjetunion und Jugoslawiens auf sportliche Großereignisse der 1990er Jahre s. Nafziger, in: ders./Ross (ed.), Handbook on International Sports Law (2011) S. 8 f.
62 S. http://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Winterspiele_2014.
32
Spitzensportler eine herausragende Rolle, und die neuen ökonomischen Verhältnisse in
Osteuropa machen sich auch im Westen im Bereich des Sports bemerkbar – bis hin zum
Erwerb des englischen Fußballklubs Chelsea durch den russischen Oligarchen Roman
Abramovich63 oder zum Sponsoringvertrag des russischen Erdgasgiganten GAZPROM mit
dem deutschen Fußballklub Schalke 04.64 Osteuropa-Bezug haben auch mehrere grundlegende
Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs zum Sportrecht, z.B. das Urteil des EuGH
vom 8.5.2003 in der Rechtssache Maroš Kolpak65 und das Urteil vom 12.4.2005 in der
Rechtssache Igor Simutenkov.66
Interesse verdient aus rechtsvergleichender Sicht insbesondere die Frage, ob die Staaten der
Region Osteuropa im Bereich des Sportrechts auch heute noch Gemeinsamkeiten aufweisen,
wie diese Gemeinsamkeiten gegebenenfalls bestimmt sind und ob sich daraus möglicherweise
Anregungen für die internationale Diskussion ergeben. Interessant ist daneben natürlich auch,
ob und wie sich das Sportrecht in der Region Osteuropa gegebenenfalls zwischen Ländern
oder Ländergruppen ausdifferenziert hat und ob einige dieser Rechtsordnungen
möglicherweise als besonders innovativ hervortreten.
Der nachfolgende Beitrag soll einen ersten Zugang zur rechtsvergleichenden Betrachtung des
Sportrechts in Osteuropa vermitteln. Er beschränkt sich auf einige grundlegende oder
beispielhaft ausgewählte Aspekte. In die Betrachtung werden folgende sieben Länder
einbezogen: aus Mittelosteuropa Polen, Estland und Litauen, aus Südosteuropa Kroatien, aus
den Nachfolgestaaten der UdSSR Russland, Kasachstan und die Ukraine.67 Im Einzelfall
werden auch andere Länder betrachtet, etwa Lettland, Slowenien, Tschechien und Ungarn.
Rechtsgrundlagen des Sportrechts im östlichen Europa (Regelungsmodelle)
63 S. http://www.welt.de/sport/fussball/internationale-ligen/article117546375/Wie-Abramowitsch-den-Fussball-revolutionierte.html.
64 S. http://www.deutschlandfunk.de/gazproms-flamme-waermt-den-fussball.1346.de.html?dram:article_id=222799; https://www.gazprom-germania.de/engagement/sport/fc-schalke-04.html.
65 Rs. C-438/00, EuGHE 2003, I-04135, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62000J0438:EN:NOT.66Rs. C-265/03, EuGHE 2005, I-2579, http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=60299&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1.
67 Insgesamt kann man dem Raum Osteuropa heute 30 Staaten zurechnen, die durch den gemeinsamen historischen Hintergrund des sozialistischen Systems verbunden sind (d.h. ohne Griechenland und die Türkei).
33
In nahezu allen 30 Staaten der juristischen Region Osteuropa – mit der alleinigen Ausnahme
von Tschechien68 – bestehen allgemeine Sportgesetze. Dies ist jedenfalls für den
postsowjetischen Raum auf den ersten Blick überraschend, denn in der Sowjetunion gab es
kein formelles Rahmengesetz über den Sport. Vielmehr war der Sport im Wesentlichen durch
untergesetzliche Vorschriften reguliert.69 Allerdings wurden in den letzten Jahren des
Bestehens der Sowjetunion (Zeitphase der Perestrojka) Arbeiten über ein sowjetisches
Sportgesetz aufgenommen.70 Diese gelangten aber wegen des Zerfalls der UdSSR Ende 1991
nicht mehr zum Abschluss. Die Russische Föderation erließ jedoch ihrerseits am 27.4.1993
ein Rahmengesetz über den Sport, die so genannten „Grundlagen der Gesetzgebung der
Russischen Föderation über die Körperkultur und den Sport“71, die zum Ausgangspunkt der
neueren Sportgesetzgebung Russlands wurden und noch heute auch die Sportgesetzgebung
anderer postsowjetischer Staaten prägen. Neben den allgemeinen Sportgesetzen stehen
typischerweise spezielle Regelungen in anderen Gesetzen oder untergesetzlichen Rechtsakten.
Auf internationaler Ebene sind die meisten Staaten Osteuropas auch Vertragsstaaten
sportrechtlicher Konventionen oder haben ihre Unterstützung für bestimmte Regelwerke oder
Prozesse im Bereich von internationalem sportrechtlichen „soft law“ erklärt. Auch privaten
Regelwerken und ihrer Anwendungspraxis (sog. lex sportiva)72 kommt in Osteuropa heute
erhebliche Bedeutung zu.
1. International (mit Sonderfall GUS) und EU
Spezielle völkerrechtliche Abkommen auf dem Gebiet des Sportrechts sind derzeit noch
selten. Größere Bedeutung haben nur die UN-Konvention gegen Doping im Sport vom
19.10.200573, die Anti-Doping Konvention des Europarates vom 16.11.198974 sowie die
Konvention des Europarates über Gewalt und Fehlverhalten von Zuschauern bei
68 Man wird dies – mit gebotener Zurückhaltung - wohl als Ausdruck einer gegenüber Regulierungen des Sports bewusst zurückhaltenden Position des tschechischen Gesetzgebers interpretieren dürfen. In der Slowakei wurden demgegenüber sogar zwei Sportgesetze breiteren Zuschnitts erlassen, ein etwas allgemeiner angelegtes Gesetz über Körperkultur vom 3.10.1997 und ein Gesetz über die Organisation und die Förderung des Sports vom 2.7.2008.
69 S. hierzu Alekseev, Sportivnoe pravo Rossii (2005), S. 43 ff.70 Vgl. Solov’ev, Sportivnyj kodeks Rossii: byt‘ ili ne byt‘? http://www.sportvia.ru/46-sportivnyj-kodeks-
rossii-byt-ili-ne-byt-a-esli-da.html m.w.Nw.71 Im Internet zugänglich unter http://lib.sportedu.ru/GetText.idc?TxtID=1556.72 S. Nafziger, in: ders./Ross (ed.), Handbook on International Sports Law (2011) S. 14 f.; Sieckmann,
Introduction to International and European Sports Law (2011), S. 8 f.73 Im Internet zugänglich unter http://portal.unesco.org/en/ev.php-
URL_ID=31037&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html. Ergänzend s. die Aktivitäten der World Anti-Doping Agentur WADA, einer privatrechtlichen NGO mit Sitz in der Schweiz, an deren Tätigkeit auch Staaten beteiligt sind (darunter z.B. Russland), http://www.wada-ama.org/. In Russland wurde eine entsprechende nationale Agentur RUSADA gegründet, s. http://www.rusada.ru/en.
74 Im Internet zugänglich unter http://www.coe.int/t/dg4/sport/Source/CONV_2009_135_EN.pdf, ergänzende Informationen unter http://www.coe.int/t/dg4/sport/doping/convention_en.asp.
34
Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen vom 19.8.1985.75 Die UN-
Dopingkonvention ist von nahezu allen Staaten der Region Osteuropa im weiten Sinn
(einschließlich aller Nachfolgestaaten der UdSSR) ratifiziert worden,76 und nahezu das
gleiche Bild zeigt sich (mit Ausnahme der nicht Europa im geographischen Sinne
zuzurechnenden Staaten Zentralasiens) bei den beiden Sportkonventionen des Europarates. 16
Staaten des geographischen Osteuropa haben sich dem Enlarged Partial Agreement on
Sport (EPAS)77 des Europarats angeschlossen, einer Initiative, in deren Rahmen unter
anderem verschiedene Dokumente europäischen soft laws im Bereich des Sports
verabschiedet wurden.78
Die Europäische Union, der seit dem Jahr 2004 zehn Staaten Mittel- und Südosteuropas
angehören,79 verfügt seit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags im Jahr 2009 zwar über
eine spezielle Kompetenznorm für den Bereich des Sports (Art. 165 AEUV), hat bis zum
jetzigen Zeitpunkt aber noch keine Rechtsvorschriften zum Sportrecht im engeren Sinn
erlassen.80
Ein interessantes Beispiel subregionaler Rechtsvereinheitlichung auch für den Bereich des
Sports sind die Aktivitäten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), dem nach dem
Zerfall der Sowjetunion von der Mehrzahl ihrer Nachfolgestaaten81 gebildeten lockeren
Staatenbund. Die Interparlamentarische Versammlung der GUS hat seit dem Jahr 1996
mehrere Modellgesetze auf dem Gebiet des Sportrechts ausgearbeitet.82 ein Modellgesetz über
Körpererziehung und Sport (1996), ein Modellgesetz über den Kinder- und Jugendsport
(2001), ein Modellgesetz über nationale Sportarten (2002), ein Modellgesetz über den
studentischen Sport (2003), ein Modellgesetz über den Status des Sportlers einer Mannschaft
(2004), ein Modellgesetz über den Berufssport (2007) sowie ein Modellgesetz über die
sportliche Vorbereitung (2012).83
75 Im Internet zugänglich unter http://www.coe.int/t/dg4/sport/Source/CONV_2009_120_EN.pdf, ergänzende Informationen unter http://www.coe.int/t/dg4/sport/Violence/default_en.asp.
76 Es fehlt nur die Ratifikation durch Kosovo.77 S. dazu http://www.coe.int/t/dg4/epas/about/Factsheet_en.asp78 Z.B. die Europäische Sportcharta und den revidierten Kodex für Sportethik,
s. http://www.coe.int/t/dg4/epas/resources/Recommendations_en.asp. Im Rahmen von EPAS wird derzeit auch eine Europarats-Konvention gegen die Manipulierung von Sportwettbewerben vorbereitet, s. http://www.coe.int/t/dghl/standardsetting/pc-oc/PCOC_documents/Documents%202013/EPAS%20Draft%20convention.pdf.
79 Seit 2004: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Ungarn. Seit 2007: Bulgarien und Rumänien. Seit 2013: Kroatien.
80 Siehe hierzu die Informationen auf der Webseite der Sport Unit innerhalb der Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission, http://ec.europa.de/sport/.
81 Ohne die Staaten des Baltikums.82 Die Texte sind zugänglich auf der Webseite der Interparlamentarischen Versammlung der GUS, unter
http://www.iacis.ru/activities/documents/modelnye_kodeksy_i_zakony/.83 Zu den Rechtsvereinheitlichungsaktivitäten der GUS auf dem Gebiet des Sportrechts siehe den Beitrag von
Schramm (in diesem Band).
35
Die Abkehr von der etatistischen Tradition der Regulierung des Sports in der sozialistischen
Epoche hat in Osteuropa den Spielraum für eine privatrechtlich fundierte lex sportiva auch auf
der Ebene internationaler Sportbeziehungen erweitert. Die auf privatrechtlicher Grundlage
organisierte Olympische Bewegung wird auch in Osteuropa als Modellbeispiel und Kern der
internationalen lex sportiva angesehen.84 Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass
osteuropäische Staaten bzw. ihre Sportorganisationen auch schon zu sozialistischer Zeit
Mitglied von Europäischen und Weltverbänden im Bereich des Sports waren85 und sich auch
an der Olympischen Bewegung aktiv beteiligten.
2. Nationale Ebene
Wie bereits angesprochen, bestehen in fast allen Staaten Osteuropas allgemeine
Sportgesetze.86 Dies bedeutet allerdings nicht, dass diese auch inhaltlich im Wesentlichen
übereinstimmen. Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die Grundstrukturen
allgemeiner Sportgesetze in der Region Osteuropa gegeben werden, wobei eine Auswahl nach
charakteristischen Ländern bzw. Ländergruppen getroffen wurde: Betrachtet werden einige
Länder Mittel- bzw. Nordosteuropas (Polen, Estland, Litauen), Südosteuropas (Kroatien,
Slowenien) sowie des postsowjetischen Raums (Russland, Kasachstan, Ukraine).
a) Allgemeine Sportgesetze und deren Grundstruktur
An erster Stelle soll das Sportgesetz Russlands vorgestellt werden, da Russland als
Sportnation und aufgrund seiner Vorbildfunktion für viele andere postsowjetische Staaten
eine Sonderstellung einnimmt. Das geltende allgemeine Sportgesetz Russlands trägt die
Bezeichnung „Föderales Gesetz über die Körperkultur und den Sport in der Russischen
Föderation“ und wurde am 4.12.2007 erlassen.87 Das Gesetz trat an die Stelle eines
gleichnamigen Gesetzes aus dem Jahr 199988, das seinerseits an die Stelle der Grundlagen der
Gesetzgebung der Russischen Föderation über die Körperkultur und den Sport aus dem Jahr
1993 getreten war. Die Diktion und der Inhalt zahlreicher Einzelvorschriften der
Vorgängerregelungen wirken auch im geltenden Gesetz von 2007 fort, wenn auch die Struktur
und der Inhalt des Gesetzes in verschiedener Hinsicht weiterentwickelt wurden. Das russische
Sportgesetz 2007 umfasst 43 zum Teil sehr umfangreiche Artikel, die auf acht Kapitel verteilt
sind. Kapitel 1 enthält allgemeine Bestimmungen, insbesondere Regelungen zum Gegenstand 84 S. Alekseev , Mezhdunarodnoe sportivnoe pravo (2008), S. 259 f.85 Z.B. in der UEFA und der FIFA.86 Zusammenstellung mit Fundstellen im Internet in der Anlage zu diesem Beitrag.87 Zuletzt geändert durch Gesetz Nr. 198-ФЗ vom 23.7.2013 (Einfügung von Bestimmungen zur Bekämpfung
von Spielabsprachen im Sport), SZ RF vom 29.7.2013, Nr. 30 (Часть I), Pos. 4031.88 Gesetz vom 29.4.1999, SZ RF 1999, Nr.18 Pos. 2206.
36
des Gesetzes, einen Definitionskatalog, eine Aufstellung grundlegender Prinzipien des
russischen Sportrechts, grundlegende Aussagen über die Rechtsquellen des russischen
Sportrechts und die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Föderation, Subjekten der
Föderation und den Kommunen im Bereich des Sports sowie schließlich allgemeine Aussagen
über die an sportrechtlichen Beziehungen beteiligten Individuen, Organisationen und
öffentlichen Institutionen. Kapitel 2 regelt unter der Überschrift „Die Organisation der
Tätigkeit im Bereich von Körperkultur und Sport“ grundlegende Aspekte der Rechtsstellung
von Sportrechtssubjekten. Der Begriff ist weit gefasst und reicht vom Olympischen Komitee
Russlands über allrussische oder regionale Sportverbände bis zu Sportklubs und zu den
Rechten und Pflichten einzelner Sportler. Auch grundlegende Vorschriften zur Durchführung
von Sportveranstaltungen und zur Bekämpfung von Doping finden sich in diesem Kapitel.
Kapitel 3 trifft einige verwaltungstechnische Aussagen über Körperkultur und Sport in
bestimmten gesellschaftlichen Teilbereichen - im Ausbildungssystem, zu militärischen
Zwecken, am Wohn- oder Arbeitsort oder zum Behindertensport. Kapitel 4 und 5 befassen
sich mit dem Sportlernachwuchs Russlands und Aspekten des Leistungssports. Kapitel 6
definiert “Objekte des Sports“ und trifft Grundaussagen zur Finanzierung des Sports sowie zu
Versicherungsfragen. Kapitel 7 regelt einige Aspekte internationaler Sportbeziehungen, und
Kapitel 8 enthält Schlussbestimmungen. Insgesamt wird durch das Gesetz ein breiter Kreis
sportrechtlicher Themen angesprochen. Die Systematik des Gesetzes ist aber zum Teil wenig
durchsichtig. Das Gesetz wird über weite Teile durch generelle Aufgabenbeschreibungen
geprägt, zwischen die konkrete Rechte und Pflichten eingestellt sind. Dabei verweist das
Gesetz häufig auf anderweitige Gesetzgebung, zum Beispiel auf das Gesellschafts-, Arbeits-
oder Steuerrecht. Die teilweise Unübersichtlichkeit und Lückenhaftigkeit des Gesetzes ist
auch in der russischen Fachliteratur auf Kritik gestoßen. Einige Stimmen sprechen sich für
den Erlass eines Sportgesetzbuchs aus, das stärker normativ geprägt sein soll.89
Neben dem föderalen Sportgesetz Russlands bestehen zum Teil auch auf regionaler Ebene
allgemeine Sportgesetze, zum Beispiel das Gesetz der Stadt Moskau über Körperkultur und
Sport aus dem Jahr 200990. Diese Gesetze enthalten allerdings weniger normative als
organisatorische und finanzielle Aussagen.
Die allgemeinen Sportgesetze Kasachstans (von 1999) und der Ukraine (von 1993) tragen
die gleiche Bezeichnung (Gesetz über Körperkultur und Sport) wie das russische Gesetz, dem
89 So insbesondere Solov’ev, Sportivnyj kodeks Rossii: byt‘ ili ne byt‘? http://www.sportvia.ru/46-sportivnyj-kodeks-rossii-byt-ili-ne-byt-a-esli-da.html; s.a. ders., http://www.sportvia.ru/200-koncepciya-sportivnogo-kodeksa.html sowie http://www.sportvia.ru/416-rossiyskiy-i-zarubezhnyy-opyt-sistematizacii-zakonodatelstva-o-sporte.html.
90 Im Internet zugänglich unter http://www.garant.ru/products/ipo/prime/doc/292311/.
37
bzw. dessen Vorgängerregelungen von 1993 und 1999 sie auch inhaltlich sehr nahe stehen.
Beide Gesetze wurden im Laufe der Jahre allerdings mehrfach novelliert, so dass sie
keineswegs als bloße Kopie der russischen Regelungen bezeichnet werden können.
Geradezu wie ein Gegenmodell zu dem ausführlichen, nahezu alle denkbaren Aspekte des
Sportrechts in irgendeiner Weise berührenden russischen Sportgesetz wirkt das auch
terminologisch knapp als solches bezeichnete Sportgesetz Estlands vom 6.4.200591. Das
estnische Gesetz umfasst 33 Artikel, die auf fünf Kapitel verteilt sind. Das Gesetz ist im
Vergleich zu der russischen Regelung geradezu lakonisch kurz. Da es auf weitläufige
Absichtserklärungen und Organisationsregelungen verzichtet, wirkt es komprimiert, aber
zugleich lückenhaft. Ähnlich wie das russische Gesetz beginnt es mit einem Allgemeinen Teil
(Kapitel 1). Dieser enthält in der Art eines Konvoluts zahlreiche, zum Teil nur locker
verknüpfte, allgemeine und speziellere Einzelregelungen – zum Gegenstand des Gesetzes,
zum Sport als Aufgabe sowohl des Staates, der Bezirke, der Kommunen als auch der
Sportorganisationen, eine Aufzählung der Arten von Sportorganisationen, Anforderungen an
Trainer, die Regelung über eine staatliche Sportdatenbank, Finanzregelungen, das
Dopingverbot und einiges weitere. Sehr ausführlich wird in Kapitel 2 die Unterstützung für
estnische Olympiasieger geregelt. Kapitel 4 und 5 befassen sich mit der Organisation von
Sportveranstaltungen, und Kapitel 6 enthält einige Ausführungsbestimmungen.
Das slowenische Sportgesetz von 199892, das kroatische Sportgesetz von 200593 und das
polnische Sportgesetz 201094 stehen dem russischen Sportgesetz von 2007 im Hinblick auf
Vollständigkeit thematischer Regelungen näher, sind aber normativ-konkreter formuliert. Das
slowenische und das kroatische Gesetz enthalten zugleich eine wesentlich größere Zahl von
Einzelvorschriften (im Fall des kroatischen Gesetzes 102 Artikel im Vergleich zu den 43
Artikeln des russischen Gesetzes). Alle drei Gesetze beginnen – wie das russische – mit einem
Allgemeinen Teil, der aber im slowenischen, kroatischen und polnischen Gesetz
unterschiedlich gestaltet ist. Im polnischen Gesetz beschränkt sich der Allgemeine Teil auf die
Beschreibung des Gegenstands des Gesetzes und die Definition des Sports. Das slowenische
Gesetz beschreibt im Allgemeinen Teil den Sport als Gegenstand öffentlichen Interesses
sowie die damit verbundenen öffentlichen Aufgaben. Im kroatischen Gesetz besteht der
Allgemeine Teil aus einem einzigen Artikel (Art. 1), der in kompakter Form den Gegenstand
des Gesetzes, das öffentliche Interesse am Sport, den Wertungsgrundsatz der gleichen
91 Im Internet zugänglich unter http://www.legaltext.ee/en/andmebaas/ava.asp?m=022 (auf Englisch)92 Im Internet zugänglich unter http://www.uradni-list.si/1/objava.jsp?urlid=199822&stevilka=92993 Im Internet zugänglich unter http://www.zakon.hr/z/300/Zakon-o-sportu94 Im Internet zugänglich unter http://prawo.legeo.pl/prawo/ustawa-z-dnia-25-czerwca-2010-r-o-sporcie/
38
Zugänglichkeit des Sports für jedermann und die Aufgaben des Staates im Bereich des Sports
zusammenfasst. Alle drei Gesetze enthalten darüber hinaus Vorschriften über die
Sportorganisationen und die staatliche Aufsicht, über die Finanzierung des Sports, über die
Olympische Bewegung, über die Bekämpfung von Doping sowie sportrechtliche
Strafbestimmungen (besonders ausführlich im polnischen Gesetz). Spezifika des
slowenischen und des kroatischen Gesetzes sind Regelungen über ein nationales
Sportprogramm, und beide Gesetze befassen sich auch besonders ausführlich mit
Strukturfragen von Sportorganisationen und den Rechten und Pflichten von Sportbeteiligten.
Vergleicht man die verschiedenen allgemeinen Sportgesetze, so fällt auf, dass die meisten
unter ihnen – mit Ausnahme des estnischen Gesetzes – ein sehr breites Spektrum
sportrechtlicher Themenstellungen behandeln. Systematisch gemeinsam haben sie einen
Allgemeinen Teil des Sportrechts, der aber inhaltlich unterschiedlich gefüllt ist. In der Regel
finden sich darin Aussagen über den Gegenstand des Sportrechts, die Definition des Sports
sowie das Ziel und die Instrumente staatlicher Regulierung im Bereich des Sports. Einige
Gesetze enthalten darüber hinaus einen weitergehenden Katalog sportrelevanter Definitionen
und eine Aufstellung von Prinzipien des Sportrechts. Auch Zuständigkeitsregelungen für das
Sportrecht und Grundaussagen über die Sportbeteiligten sind häufig in den Allgemeinen Teil
eingestellt. Die in den Sportgesetzen geregelten Themenbereiche sind recht unterschiedlich.
Besonders häufig finden sich Regelungen über Sportorganisationen sowie über die
Rechtsstellung von Berufssportlern und anderen Funktionsträgern des Sports, zum Beispiel
Trainern und Schiedsrichtern. Ein weiterer, häufiger vorkommender Themenkreis betrifft die
Initiierung des Sports, insbesondere durch den Staat. Nicht selten sind in den Gesetzen auch
sportrechtliche Vertragsbeziehungen geregelt, insbesondere Verträge des Sportlers mit dem
Verein. Auch die Thematik des Dopings wird häufiger regulativ angesprochen. Ein weiteres,
allerdings meist nur selektiv geregeltes Themenfeld ist die Durchführung von Sport-
veranstaltungen, insbesondere auch damit verbundene verwaltungsrechtliche Pflichten. Einige
Sportgesetze enthalten auch Regelungen zum Sportstrafrecht. Schließlich finden sich auch in
vielen allgemeinen Sportgesetzen Regelungen über Internationales Sportrecht, insbesondere
in Bezug auf die Olympische Bewegung. Auffallend ist, dass die Sportgesetze kaum zwischen
einzelnen Sportarten differenzieren. Immerhin wird gelegentlich zwischen Breitensport (bzw.
„Körperkultur“) und Leistungssport unterschieden.
b) Weitere sportrechtliche Regelungen
39
Neben den soeben genannten allgemeinen Sportgesetzen bestehen in den Ländern Osteuropas
zahlreiche weitere gesetzliche und untergesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des
Sportrechts. Die Verfassungen mehrerer Staaten treffen Grundaussagen zum Sportrecht,
insbesondere in der Form von Staatszielbestimmungen (so z.B. Art. 41 II russ. Verfassung
von 1993, Art. 53 lit. Verfassung von 1992, Abschnitt Freiheit und Verantwortung, Art. 49 V
rumän. Verfassung von 1991 i.d.F. von 2003 („Sport Jugendlicher“), Art. 49 IV Verf. Ukraine
von 1996 i.d.F. von 2004, Abschnitt Freiheit und Verantwortung Art. XX Abs. 2 der ungar.
Verfassung von 2011)95. Daneben können sportrechtliche Vorgänge auch in den
Anwendungsbereich anderer verfassungsrechtlicher Vorschriften fallen, zum Beispiel unter
die Vereinigungsfreiheit, den Gleichheitssatz oder den Eigentumsschutz.
Auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts kann man zwischen Spezialgesetzen zu
bestimmten sportlichen Themenfeldern, sportrechtlichen Regelungen in allgemeinen
Gesetzen und der Anwendung allgemeiner, nicht sportspezifischer Bestimmungen auf
sportrechtliche Fragestellungen unterscheiden. Es ist nicht überraschend, dass sich auch in
Osteuropa Beispiele aller drei Kategorien finden. So bestehen etwa in Russland
Sondergesetze zur Durchführung der Olympischen Winterspiele 2014 in Sochi.96 Besondere
Regelungen zu Arbeitsverträgen von Berufssportlern und Trainern finden sich in Russland im
Arbeitsgesetzbuch (Kapitel 54.1. russ. ArbGB von 2001 i.d.F. von 2008), einzelne
Vorschriften zum Sportstrafrecht im russischen Strafgesetzbuch (Art. 184 russ. StGB von
1996, Bestechung im Sport; eine spezielle strafrechtliche Vorschrift gegen Doping fehlt
jedoch bislang).97 Zur Beantwortung sportrechtlicher Fragestellungen müssen häufig, wie
auch in anderen rechtlichen Querschnittsmaterien, verschiedene gesetzliche Regelungen
nebeneinander angewandt und gegebenenfalls aufeinander abgestimmt werden.
I. Zum Regelungsgegenstand des Sportrechts
Der Regelungsgegenstand des Sportrechts wird in den osteuropäischen Sportgesetzen zwar im
Kern übereinstimmend, aber im Detail durchaus unterschiedlich bestimmt. Die Sportgesetze
95 Z.T. wird das Sportrecht auch in verfassungsrechtlichen Kompetenzvorschriften angesprochen, z.B. in Art. 72 f russ. Verf. (gemeinsame Kompetenz der Föderation und der Föderationssubjekte).
96 Eine Zusammenstellung von Normativakten auf dem Gebiet des Sports findet sich auf der Webseite des russischen Sportministeriums, http://www.minsport.gov.ru/documents/.
97 S. aber die Sanktionierung von Doping im russischen Ordnungswidrigkeitenrecht gemäß Art. 6.18 des Gesetzbuchs über administrative Rechtsverletzungen, http://www.consultant.ru/popular/koap/13_7.html#p1538. Allgemein zur Bekämpfung von Doping nach russischem Recht s. insbesondere die von RUSADA ausgearbeiteten und vom russischen Sportministerium verabschiedeten Nationalen Anti-Doping-Regeln vom 13.4.2011, im Internet zugänglich unter http://www.rusada.ru/sites/default/files/content/files/Documents/Russian%20ADR.pdf.
40
der postsowjetischen98 Staaten unterscheiden zwischen „Körperkultur“99 und „Sport“,
während die Sportgesetze der übrigen osteuropäischen Staaten sich meist allein auf „Sport“
beziehen. Allerdings wird der Begriff des Sports in diesen Gesetzen – wenn überhaupt100 –
häufig sehr breit definiert, so dass er weit gehend mit dem Anwendungsbereich der
Sportgesetze des postsowjetischen Raums übereinstimmt.101 Demgegenüber wird der Begriff
des Sports in den Sportgesetzen des postsowjetischen Raums vergleichsweise eng definiert,
indem er mit dem Merkmal von Wettkämpfen verbunden wird.102 Dieser Unterschied kann
dazu führen, dass der Anwendungsbereich von Vorschriften über den „Sport“ im
postsowjetischen Raum enger ist als bei entsprechenden Vorschriften der Sportgesetze
anderer osteuropäischer Subregionen.
Inhaltliche Grundmodelle: interventionistisch oder liberal?In rechtsvergleichenden Untersuchungen zum Sportrecht wird häufig danach unterschieden,
ob eine Rechtsordnung eher „interventionistisch“ oder eher „liberal“ strukturiert ist.103
Indikatoren dieser Unterscheidung sollen unter anderem sein, welche Gestaltungsmacht der
Staat auf dem Gebiet des Sports für sich in Anspruch nimmt, welchen Grad an Autonomie er
den Sportverbänden zubilligt oder nach welchen Regeln die Finanzierung des Sports
erfolgt.104 Eine andere Unterscheidung richtet sich darauf, ob die staatliche Sportpolitik und
das Sportrecht zentral oder dezentral angelegt sind.
Nach diesen Maßstäben folgen die Sportgesetze der meisten osteuropäischen Staaten (mit
Einschränkungen insbesondere für Estland und Tschechien) wohl eher dem Grundgedanken
einer interventionistischen Sportpolitik. Zwar wird die Autonomie des Sports bzw. der
Sportverbände heute auch in den meisten Sportgesetzen Osteuropas ausdrücklich oder
implizit statuiert.105 Gleichzeitig wird aber überall eine staatliche Sportpolitik im Gesetz
anerkannt und mit verschiedenen Instrumenten ausgestattet. Ein besonders ausgeprägtes
98 Ebenso auch das litauische Sportgesetz 1995.99 Dieser Begriff ist weiter als der in der englischen Übersetzung dieser Gesetze meist verwendete Ausdruck
der „physical education“ (wörtl. körperliche Erziehung). Dagegen bezieht sich der Titel des bulgarischen Sportgesetzes vom 9.7.1996 ausdrücklich auf körperliche „Erziehung“ (und Sport).
100 Keine Definition des Sports enthalten beispielsweise die Sportgesetze von Estland, Georgien, Kroatien, Polen, Slowenien.
101 S. beispielsweise Art. 1 Ziff. 10 des lettischen Sportgesetzes von 2002: „all types of individual or organised activities in order to maintain and improve physical and mental health, as well as to achieve success in sports competitions“.
102 S. beispielsweise Art. 2 Ziff. 12 des russischen Sportgesetzes von 2007:„eine Sphäre sozial-kultureller Tätigkeit als Inbegriff der Sportarten, welche sich in Form von Wettbewerben und besonderer Vorbereitung des Menschen hierauf darstellt“.
103 Beleg Chaker, Study on national sports legislation in Europe (1999), S. 13.104 Vgl. Chaker, Study on national sports legislation in Europe (1999), S. 32 – 35.105 S. etwa Art. 3 Pkt.2 russ. SportG 2007 oder das mit „Selbstregulierung in der Sphäre von Körperkultur und
Sport“ überschriebene Kapitel V des ukrainischen Sportgesetzes von 1993.
41
Beispiel sind die nationalen Sportpläne in Kroatien und Slowenien, aber auch im
postsowjetischen Raum wird staatlichen Entwicklungsplänen im Bereich des Sports,
insbesondere des Leistungssports, weiterhin erhebliche Bedeutung zugesprochen.106
Dementsprechend ausführlich sind auch die Vorschriften der meisten Sportgesetze über die
staatliche Finanzierung des Sports.
In den meisten Staaten ist die Sportpolitik im Kern zentralistisch gestaltet, auch wenn
Sportorganisationen und staatliche Regionalstrukturen und Kommunen bereits auf lokaler
Ebene einsetzen. Eine Sonderrolle nimmt hier die Russische Föderation ein, die ein
Nebeneinander regionaler und zentraler Gesetzgebung und Administrativzuständigkeiten
vorsieht, allerdings mit deutlich prägender Rolle der Zentrale.
Einzelne Themenbereiche (Auswahl)Im Folgenden sollen illustrativ einige besonders interessant erscheinende Einzelregelungen
kurz vorgestellt werden.
1. Prinzipien des Sportrechts: Das russische und ähnlich auch das kasachische und das
ukrainische Sportgesetz enthalten ausführliche Kataloge sogenannter Prinzipien des
Sportrechts. Genannt werden beispielsweise das Zusammenspiel staatlicher
Regulierung und autonomer Regelung des Sports, das Ziel der Förderung des Sports in
verschiedenen Feldern und in möglichst ununterbrochener Weise, das Verbot von
Diskriminierungen, der freie Zugang zum Sport sowie der Schutz der Gesundheit bei
der Sportausübung (vgl. Art. 3 russ. SportG, Art. 2 kas. SportG). Das litauische
Sportgesetz fügt als weitere Prinzipien den Schutz der Zuschauer von
Sportereignissen, die Unzulässigkeit von Doping, das Gebot von Fair Play sowie das
Gebot der Objektivität der Bewertung sportliche Wettkämpfe hinzu (Art. 3 lit.
SportG). Das kroatische Sportgesetz beschränkt sich insoweit auf eine kurze Regelung
zu den Prinzipien der Freiheit des Zugangs zum Sport und des Verbots von
Diskriminierungen (Art. 1 III kroat. SportG).
2. Sportvertrag: Besonders ausführlich und offenbar zwingend sind die Regelungen des
litauischen Sportgesetzes über den notwendigen Inhalt von Verträgen von Berufssportlern
mit Sportorganisationen (Art. 35 – 37 lit. SportG). Eine ähnliche Regelung findet sich in 106 S. etwa in Russland das Institut des Föderalen Zielprogramms (auch im Bereich des Sports); z.Zt. läuft noch
das Föderale Zielprogramm „Entwicklung der Körperkultur und des Sports in der Russischen Föderation in den Jahren 2006 – 2015“, vgl. http://www.minsport.gov.ru/activities/federal-programs/. Ergänzend erlässt beispielsweise das russische Sportministerium regelmäßig Arbeitspläne, die auch im Internet veröffentlicht werden (z.Zt. der Arbeitsplan für die Jahre 2013 – 2018, http://www.minsport.gov.ru/activities/plan2018/) und erstattet regelmäßig Berichte über seine Tätigkeit, s. http://www.minsport.gov.ru/activities/reports/.
42
Art. 23-2 des ukrainischen Sportgesetzes. Bemerkenswert ist auch die Bestimmung des
Art. 37 lit. SportG über das Recht des Sportlers, seine Sportorganisation zu wechseln. Die
entsprechende russische Vorschrift (Art. 348-12 russ. ArbGB) ist enger gefasst und lässt
sowohl einschränkende Regelungen seitens allrussischer Sportverbände als auch
vertragliche Vereinbarungen über Entschädigungszahlungen durch den Sportler an seinen
Verein zu.107 Die Vorschriften über den Sportvertrag werden in vielen Sportgesetzen
durch gesetzliche Rechte und Pflichten von Sportlern ergänzt, die je nach Zusammenhang
wohl auch im Rahmen vertraglicher Beziehungen greifen können.
3. Sportorganisationen: Besonders eingehende Sondervorschriften über Sportvereine und
Sportverbände und ihr Zusammenwirken mit den staatlichen Behörden enthält das
kroatische Sportgesetz, aber auch nahezu alle Sportgesetze der osteuropäischen Staaten
widmen sich diesem Themenkreis recht ausführlich.
4. Sportveranstaltungen: Besonders detailliert sind die Regelungen über die
Anforderungen an eine verwaltungsrechtliche Genehmigung von Sportveranstaltungen in
Art. 20 des estnischen Sportgesetzes. Der slowenische Gesetzgeber richtet sein
Augenmerk dagegen vor allem auf die (zivil- oder öffentlichrechtlichen?) Verpflichtungen
von Sportveranstaltern bei Durchführung der Veranstaltung (Art. 46 ff. slowen. SportG).
5. Anti-Doping: Besonders ausführlich ist die Regelung der Art. 43 – 45 poln. SportG über
die Bekämpfung von Doping, die durch eine Strafvorschrift in Art. 50 poln. SportG
ergänzt wird.
6. Streitbeilegung: Nicht außer Acht gelassen werden sollten schließlich die in einigen
Sportgesetzen oder Begleitregelungen enthaltenen Vorschriften zur Streitbeilegung. Zum
Teil wird dabei allerdings nur auf die allgemeinen Regelungen des Zivilprozessrechts
verwiesen (so Art. 51 lit. SportG), zum Teil werden aber auch alternative Formen der
Streitbeilegung wie Mediation oder Schiedsgerichtsbarkeit nahe gelegt.108
107 S. hierzu (am Beispiel einer entsprechenden Regelung des Russischen Fußballbundes) Zajtsev, Das neue Reglement der RFB über den Status und Wechsel (Transfer) von Fußballspielern, 5. Internationale Wiss.-Prakt. Konferenz „Sportrecht: Perspektiven der Entwicklung“ (russ.) (2011), S. 70 ff, im Internet zugänglich unter http://sportscrime.ru/file/literature/sbornik_materialov_konferentsii_5.pdf.
108 Aus russischer Sicht s. hierzu beispielsweise Bazykin, Der institutionelle Mechanismus zur Lösung von Sportstreitigkeiten (russ.), http://rudocs.exdat.com/docs/index-335056.html, s.a. Schachraj, International Arbitration for Sport (2011). Bei der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation wurde im Jahr 2003 eine spezielle Schiedsinstitution für Sportstreitigkeiten eingerichtet, s. http://tpprf-arb.ru/en/sa.
43
II. Zusammenfassung und Ausblick
Dieser erste und kurze Überblick über das Sportrecht in den Staaten Osteuropas hat
deutlich werden lassen, dass in allen Staaten mit Ausnahme von Tschechien ein Bedarf
nach einer Rechtssicherheit fordernden allgemeinen Regelung auf dem Gebiet des
Sportrechts bejaht wird. Die Differenzierungslinien innerhalb der Sportrechte Osteuropas
zwischen den postsowjetischen Staaten und den Staaten Mittel- und Südosteuropas waren
nicht ganz unerwartet. Interessant ist die erkennbare inhaltliche Verwandtschaft des
litauischen Sportgesetzes mit den Regelungen der postsowjetischen Staaten.
Bemerkenswert ist ferner die besondere Ausgeformtheit der Sportgesetze von Slowenien,
Kroatien sowie von Polen. Jedes Sportgesetz dieser drei Staaten trägt jedoch seine eigene
Handschrift. Insgesamt hat sich in Osteuropa eine mittlerweile beachtliche
„Materialsammlung“ gesetzlicher Regelungen zum Sportrecht entwickelt, die mittelfristig
möglicherweise Anregungen für eine bessere Systematisierung und Ausgestaltung von
Einzelregelungen des Sportrechts auch außerhalb der Region Osteuropa geben könnten.
Anhang: Allgemeine Sportgesetze osteuropäischer (i.w.S.) Staaten im Internet
Vorbemerkung: Die Quellenangaben beruhen auf dem Stand vom 15.1.2014. Für die
Sportgesetze postsowjetischer Staaten wurde der Textnachweis einer im Internet verfügbaren
russischen Übersetzung gegeben. Eine englische Übersetzung der Texte dieser Staaten ist auf
der Webseite http://cis-legislation.com/index.fwx erhältlich. Bei den übrigen Staaten wurde,
soweit auffindbar, eine im Internet verfügbare Quelle für eine englische Übersetzung
angegeben. Fehlt die Angabe einer Übersetzungssprache, verweisen die Quellenangaben auf
den Gesetzestext in der Amtssprache des betreffenden Landes. Nahezu alle zitierten Gesetze
wurden nach ihrem Erlass z.T. mehrfach geändert. Die Zitate beziehen sich auf die geänderte
Fassung.
Albanien, Gesetz über den Sport vom 21.4.2005: LIGJ Nr.9376, PËR SPORTIN http://www.kqk.gov.al/sites/default/files/publikime/ligji_nr.9376_date_21.04.2005-_per_sportin.pdf
Armenien, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 26.6.2001http://www.parliament.am/legislation.php?sel=show&ID=2032&lang=rus (auf Russisch)
Aserbaidschan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 30.6.2009 http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=28914 (auf Russisch)
44
Belarus, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 18.6.1993, http://pravo.by/main.aspx?guid=3871&p2=2/402 (auf Russisch)
Bosnien u. Herzegowina, Gesetz über den Sport vom 25.2.2008: Zakon o sportu u Bosni i Hercegovini http://www.ada.gov.ba/stariweb/images/stories/pdf_dokumenti/zakon_o_sportu_u_bih.pdf
Bulgarien, Gesetz über körperliche Erziehung und den Sport vom 9.7.1996: ЗАКОН за физическото възпитание и спортаhttp://www.lex.bg/bg/laws/ldoc/2133881857
Estland, Sportgesetz (Sport Act) vom 6.4.2005http://www.legaltext.ee/en/andmebaas/ava.asp?m=022 (auf Englisch)
Georgien, Gesetz über den Sport vom 20.9.1996http://msy.gov.ge/files/Ministry/kanonebi/kanoni/kanoni_sportis_Sesaxeb.pdf
Kasachstan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 2.12.1999http://online.zakon.kz/Document/?doc_id=1015814
Kirgistan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 21.1.2000http://www.kenesh.kg/Articles/1741-Zakon_KR_O_fizicheskoj_kulture_i_sporte.aspx (auf Russisch)
Kosovo: G über den Sport Nr.2003/24http://www.mkrs-ks.org/repository/docs/Ligji_Nr._203-24_per_Sportin.pdf
Kroatien, Gesetz über den Sport vom 9.6.2006http://www.zakon.hr/z/300/Zakon-o-sportu
Lettland, Sportgesetz vom 24.10.2002http://izm.izm.gov.lv/upload_file/en/laws/Sports_Law.pdf (auf Englisch)
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Makedonien, Gesetz vom 7.5.2002, Закон за спортот http://www.justice.gov.mk/documents/%C7%E0%EA%EE%ED%20%E7%E0%20%F1%EF%EE%F0%F2%EE%F2.pdf oder http://www.pravo.org.mk/documentDetail.php?id=635
Moldau, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 25.3.1999http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=3348 (auf Russisch)
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45
Polen, Gesetz über den Sport vom 25.6.2010, Ustawa o sporciehttp://prawo.legeo.pl/prawo/ustawa-z-dnia-25-czerwca-2010-r-o-sporcie/
Rumänien, Gesetz Nr.69/2000 über Körpererziehung und Sport vom 9.5. 2000 http://www.dreptonline.ro/legislatie/legea_sportului.php
Russland, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 4.12.2007http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_149065/ oder http://base.garant.ru/12157560/
Serbien, Sportgesetz vom 4.4.2011: Закон о спортуhttp://www.fsb.org.rs/sites/default/files/pravilnici_zakon_o_sportu.pdf
Slowakei, Gesetz Nr.288/1997 über Körperkultur vom 3.10.1997http://www.zakonypreludi.sk/zz/1997-288, sowie Gesetz Nr.300/2008 über die Organisation und die Förderung des Sports vom 2.7.2008 , http://www.zakonypreludi.sk/zz/2008-300
Slowenien, Gesetz über den Sport vom 4.3.1998, zakon o športuhttp://www.uradni-list.si/1/objava.jsp?urlid=199822&stevilka=929
Tadschikistan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 5.3.2007http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=16603 (auf Russisch)
Tschechien : kein allgemeines Sportgesetz, aber z.B. Gesetz über die Sportförderung vom 28.2.2001http://www.msmt.cz/sport/zakon-o-podpore-sportu?lang=1
Turkmenistan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 7.7.2001http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=3179 (auf Russisch)
Ukraine, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 24.12.1993http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=16981 (auf Russisch)
Ungarn, Sportgesetz Nr.I/ 2004http://net.jogtar.hu/jr/gen/hjegy_doc.cgi?docid=A0400001.TV
Usbekistan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 14.1.1992http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=841.
46
Prof. Dr. Lado Chanturia, Univ. TbilissiZu Besonderheiten der Kodifizierung des Sportrechts in den Staaten der GUS
Zur Kodifizierung des Sportrechts
Obwohl der Sport im gesellschaftlichen Leben eine herausragende Rolle spielt und
Gegenstand zahlreicher gesetzlicher Regelungen sowohl national als auch international
ist, wurde das Sportrecht in Deutschland nicht kodifiziert. Es gibt kein einheitliches
Sportgesetzbuch, in dem alle sportrechtlichen Fragen geregelt wären. Das wird durch die
sportspezifische Verflechtung von internem (verbandsspezifischem) und staatlichem
Sportrecht erklärt.109
Die Situation des Sportrechts sieht in den Staaten der GUS110 anders aus: Alle elf
Mitgliedstaaten der GUS haben das Sportrecht in Form von Sondergesetzen über
Körperkultur und Sport kodifiziert. Armenien, Aserbaidschan, Belarus (Weißrussland),
Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Ukraine und Usbekistan
verfügen über einzelne Sportgesetze. Auch Georgien, das seit 2008 nicht mehr der GUS
angehört, hat seit 1996 ein Sportgesetz. Mit 43 Artikeln ist das Gesetz der russischen
Föderation über Körperkultur und Sport vom 4. Dezember 2007 das umfassendste Gesetz
auf diesem Gebiet.
Die genaue Lektüre der genannten Sportgesetze dokumentiert eine gängige
Besonderheit der postsowjetischen Kodifikation. Es handelt sich nicht um die inhaltliche
Neugestaltung der sportrelevanten Vorschriften, sondern vielmehr um die
Zusammenführung von allgemeinen Begriffsbestimmungen und die Beschreibung der
gewünschten Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Körperkultur und
Sporttätigkeit. Andererseits hinterlassen die Gesetze den Eindruck einer eklektischen
Kompilation von programmatischen Bestimmungen, die rechtssystematisch zu
verschiedenen Rechtsgebieten gehören, wie etwa Vorschriften zum Verbandsrecht oder
zum Arbeitsrecht.
109 Frank Fechner, Johannes Arnhold (Hrsg.), Sportrecht. Vorschriftensammlung, Mohr Siebeck, 2012, Vorwort.
110 Die Gemeinschaft der unabhängigen Staaten (GUS) wurde gleich nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 von elf der ehemaligen Republiken der Sowjetunion gegründet, die bis heute Mitglieder dieser Gemeinschaft sind: Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Ukraine. Turkmenistan und Usbekistan haben Beobachterstatus in der GUS.
47
Legaldefinition des Sports
An zahlreichen Stellen verwendet das deutsche Recht den Begriff des "Sports",
ohne ihn zu definieren (z.B. in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BauGB oder § 2 Abs. 1 Nr. 13
ROG). Dies wird damit erklärt, dass die Sportwissenschaft selbst über keine
abschließende, allgemein anerkannte Sportdefinition verfügt. In der Literatur gehören zu
den konstitutiven Elementen des Sportbegriffs folgende: körperliche bzw. motorische
Aktivität, Regeln, Leistung bzw. Wettkampf, Organisation, Spielhaftigkeit und eine
ethische Komponente (Fairness, Chancengleichheit und die Achtung des Gegners).111
Im Gegensatz dazu unternehmen sämtliche Sportgesetze der GUS-Staaten den
Versuch, sowohl den Sport als auch die Körperkultur zu definieren und sie in Form einer
Legaldefinition festzulegen. Ob dieser Versuch dem Gesetzgeber gelungen ist, lässt sich
bezweifeln. Einige Beispiele mögen diesen Zweifel bestätigen. Z.B. wird die Körperkultur
als „Gesamtheit geistiger und materieller Werte definiert, die für die körperliche
Entfaltung der Menschen und für ein gesundes Leben von der Gesellschaft geschaffen und
angewendet werden“ (Art. 2 a des armenischen Sportgesetzes).
Sport wird als Teil der Körperkultur bezeichnet, der sich historisch als Prozess der
Wettbewerbstätigkeit der Menschen und der körperlichen Übungen entwickelt hat
(Art. 2 g des armenischen Sportgesetzes).
Das Sportgesetz von Aserbaidschan definiert Körperkultur als „untrennbaren Teil
der allgemeinen Kultur der Gesellschaft, deren Ziel die körperliche und intellektuelle
Entwicklung des Menschen durch körperliche Übungen darstellt“ (Art. 1.0.1.). Der Sport
wird als Bestandteil der Körperkultur verstanden.
Ähnlich werden die Körperkultur und der Sport nahezu in allen Sportgesetzen
bestimmt, ohne konkrete Rechtsfolgen mit diesen Definitionen zu knüpfen und die
praktische Relevanz dieser Herangehensweise zu belegen.
Trotz dieses allgemeinen definitorischen Ansatzes, der in allen Sportgesetzen der
GUS-Staaten zu finden ist, sollte der Sportbegriff grundsätzlich aus dem jeweiligen
konkreten gesetzlichen Zusammenhang heraus erschlossen werden.
Als erstes fällt die Vielfalt und die Bandbreite der in den Sportgesetzen
angesprochenen Rechtsgebiete und Problematik auf. Die Gesetze enthalten
Bestimmungen nahezu aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, in denen Sport
und Körperkultur Begleiterscheinungen sein könnten, wie etwa Jugenderziehung und
111 Vgl. dazu: http://sportrecht.org/cms/front_content.php?idcat=37&idart=55
48
Sport, Bildung und Weiterbildung, z.B. von Sportlehrern (Art. 28 des kasachischen
Sportgesetzes), den Zuständigkeiten der Staatsorgane, dem Bau von Sportanlagen, bei
Finanzierung und Steuerfragen usw. In einigen Ländern, wie etwa in Turkmenistan, wird
der Bau von Sportanlagen ausschließlich vom Staat finanziert (Art. 12 des Sportgesetzes).
Die unbestimmten und nicht selten programmatischen lehrbuchartigen
Definitionen der Sportgesetze dokumentieren die im Allgemeinen und der
Fachöffentlichkeit gut bekannten Probleme der postsowjetischen Gesetzgebungstechnik.
Statt detaillierter Regelungen von konkreten Sachverhalten verweisen die
Gesetzesvorschriften in der Regel auf andere, zum größten Teil namentlich nicht genannte
Gesetzgebung. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen.
Bei der Regelung der Privatisierung der Sportanlagen und Einrichtungen wird auf
die Gesetzgebung zur Privatisierung verwiesen, obwohl in den meisten GUS-Ländern die
Privatisierung der staatseigenen Sport- und Heileinrichtungen nicht erlaubt ist (wie etwa
in Russland (Art. 37 (9) des Sportgesetzes) oder in Kirgisistan (Art. 36 des Sportgesetzes).
Auch die Gründung der Sportverbände wird der abstrakten Gesetzgebung über die
kommerziellen und nicht kommerziellen juristischen Personen überlassen (wie etwa
Art. 10 des russischen Sportgesetzes).
Ähnlich werden die Voraussetzungen und die Durchführung der staatlichen
Anerkennung einzelner Sportarten und deren Registrierung zum Gegenstand von
Regierungsverordnungen erklärt (wie etwa Art. 21 des russischen Sportgesetzes). In
einigen Staaten ist die Einrichtung eines öffentlichen Registers von Sportarten
vorgesehen, gleichwohl wird aber auf die noch zu verabschiedenden
Regierungsverordnung verwiesen (Art. 21 des russischen Sportgesetzes).
Gleiches gilt für die Regelung des Dopingverbots. Zum Beispiel beschränkt sich
Artikel 26 des russischen Sportgesetzes, wo das Dopingverbot festgelegt wird, auf die
Beschreibung der Antidopingmaßnahmen, verweist aber zur Regelung all dieser Fragen
auf die noch zu erarbeitende Verordnung der Regierung. Das Sportgesetz von
Weißrussland ist etwas präziser und verweist zusätzlich auf den Internationalen
Antidopingkodex des Internationalen Olympischen Komitees (Art. 34 des Sportgesetzes
von Weißrussland).
Die Bestimmungen über den Vertrag (Kontrakt) auf die Sporttätigkeit verweisen
ausschließlich auf das Arbeitsrecht und die Vorschriften der Arbeitsgesetzgebung über
den Arbeitsvertrag (etwa Art. 28 des kirgisischen Sportgesetzes). Ausnahmsweise wird
49
die Frage des Wechsels eines Sportlers zu einem anderen Verein angedeutet, aber auch
hier wird auf die Sondergesetzgebung verwiesen (Art. 18 des armenischen Sportgesetzes).
Diese Beispiele belegen, dass trotz der Verabschiedung einzelner Sportgesetze diese
wenig hinsichtlich der praktischen Anwendung Vorschriften enthalten und die konkreten
sportrechtsrelevanten Fragen weiterhin auf von einzelgesetzliche Regelungen angewiesen
sind.
Verbandsrechtliche Fragstellungen des Sports
Aus der Vielzahl der sportrechtsrelevanten Fragen, die ihren Niederschlag in den
Sportgesetzen finden, soll hier nur auf die verbandsrechtlichen Aspekte des Sportrechts
kurz eingegangen werden.
In einigen Gesetzen wird das Recht auf die Gründung von Sportverbänden als Teil des
Grundrechts der Vereinigungsfreiheit verstanden. Für die Ausübung der Sporttätigkeit
wird allen das Recht zur Gründung sowohl kommerzieller als auch nicht kommerzieller
juristischer Personen eingeräumt.
Für die Bezeichnung der Sportvereinigung führen die Gesetze den Sammelbegriff
des „Sportclubs“ ein. Die Gründung dieser Sportclubs erfolgt nach allgemeinen Regeln
über die Gründung und Tätigkeit juristischer Personen, sowohl kommerzieller als auch
nicht kommerzieller, staatlicher oder juristischer Personen Privatrechts.
Trotz dieser allgemeinen Feststellung des Grundsatzes der freien Vereinsgründung
schweigen die Gesetze über die Grenzen der Privatautonomie. Sie bestimmen kaum
zwingende vereinsspezifische sowie sporttypische Vorschriften, wie etwa über die
Mitgliedschaft, über Rechte und Pflichten, die Mitgliederversammlung, die
Geschäftsführung und Vertretung usw., was nicht zuletzt zu einer weiten Auslegung der
Satzungsautonomie führen kann.
Eine Besonderheit des Sportverbandsrechts stellt das sogenannte Ein-
Verbandsprinzip von nationalen allgemeinstaatlichen Sportverbänden dar: Für jede
Sportart darf nur ein allgemeinstaatlicher, republikanischer oder Bundesverband bestehen,
der im Namen des Staates international auftreten darf (Art. 24 (2) des kasachischen
Sportgesetzes). Dies ist Ausdruck der international geltenden Richtlinien für
Sportorganisationen, wonach die internationalen Sportverbände für jede Sportart pro Staat
nur einen nationalen Sportverband anerkennen.
50
Zusätzlich zu dem allgemeinen und üblicherweise einheitlichen Register der
juristischen Personen wird in einigen Staaten ein öffentliches Register von
Sportverbänden eingeführt (Art. 17 des russischen Sportgesetzes). Die Eintragung ins
Register setzt eine Akkreditierung des Sportverbandes voraus, deren Bedingungen von der
Regierung noch festzulegen sind. Die Liste der Sportvereinsmitglieder unterliegt der
Publizitätspflicht und soll für die Öffentlichkeit zugänglich sein, aber nicht die Angaben
der Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane. Unter dem Gesichtspunkt der
internationalen Corporate Governance Diskussion ist diese Regelung schwer
nachvollziehbar. In einem Sportverband, der üblicherweise tausende Mitglieder hat,
müssten die Angaben der Geschäftsführung und Vertretung offen gelegt werden und nicht
die Angaben der einzelnen Mitglieder.
Zusammenfassend sind zwei Tendenzen festzustellen. Einerseits sind die Bestrebungen
aller GUS-Staaten hervorzuheben, für die Entwicklung des Sports gesetzliche
Rahmenbedingungen zu schaffen, was auch von namhaften Vertretern des Sports in
diesen Ländern begrüßt wird. Andererseits sind gesetzestechnische und
rechtssystematische Lücken festzustellen, die dem Erreichen der erklärten politischen
Ziele im Wege stehen.
51
Angelika Chlebowska, Universität PoznanGrundstrukturen des Sportrechts in Polen
Gemäß Art. 68 Abs. 5 der polnischen Verfassung vom 2.04.1997112 „unterstützt die
öffentliche Gewalt die Entwicklung der sportlichen Betätigung, insbesondere im Fall von
Kindern und Jugend“.113 Diese Vorschrift wurde in den Teil des Grundgesetzes unter dem
Titel „Die ökonomischen, sozialen und kulturellen Freiheiten und Rechte“ aufgenommen.
Daraus folgt, dass der Staat in den Sport, der in die Sphäre der Bürgerfreiheit gehört,
grundsätzlich nicht eingreifen sollte. Der Staat soll nur zu den erwünschten Verhaltensweisen
anregen, die Tätigkeit der Rechtssubjekte, die mit dem Sport verbunden sind, unterstützen und
für die öffentliche Sicherheit sorgen. Aus diesem Grund haben zur Sicherstellung einer
grӧßeren Autonomie des Sports Ende 2007 die legislativen Arbeiten an dem neuen
normativen Akt in Polen begonnen, der die anachronistischen Gesetze vom 18.01.1996 über
die Körperkultur114 und vom 29.07.2005 über den qualifizierten Sport115 ersetzen sollte.
Das neue Gesetz über den Sport wurde vom Sejm116 am 25.06.2010117 verabschiedet
und ist am 16.10.2010 in Kraft getreten. In Art. 2 des Gesetzes erscheint die Definition des
Sports, die auf den Leistungen des Europarats und der Europäischen Kommission („Das
Weißbuch Sport”) beruht. Laut dieser Definition „bedeutet Sport alle Formen der
körperlichen Aktivität, die dank der gelegentlichen oder organisierten Teilnahme einen
Einfluss auf die Entwicklung oder die Verbesserung der körperlichen und psychischen
Kondition, auf die Entwicklung sozialer Beziehungen oder auf das Erreichen von
Sportergebnissen auf allen Stufen haben“. Dank der Einführung der einheitlichen Definition
des „Sports“ hat der Gesetzgeber auf die früher bestehende Einteilung des Sports in den
„Profisport“ und den „Amateursport“ verzichtet. Früher wurde der gesetzliche Begriff des
„qualifizierten Sports“ mit dem „Profisport“ gleichgesetzt. Die Rechtsprechung hat damals
angenommen, dass die finanzielle Unterstützung des qualifizierten Sports durch die Einheiten
der territorialen Selbstverwaltung (Gemeinde, Kreis, Woiwodschaft) keine Erfüllung der
112 Verfassung der Republik Polen (Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej) vom 2.04.1997, GBl. 1997 Nr. 78, Pos. 483 m. Ä.
113 Übersetzung der Verfassung der Republik Polen ins Deutsche abrufbar unter: http://www.sejm.gov.pl/prawo/konst/niemiecki/kon1.htm
114 Gesetz über die Körperkultur (ustawa o kulturze fizycznej) vom 18.01.1996, GBl. 1996 Nr. 25, Pos. 113 m. Ä.
115 Gesetz über den qualifizierten Sport (ustawa o sporcie kwalifikowanym) vom 29.07.2005, GBl. 2005 Nr. 155, Pos. 1298 m. Ä.
116 Erste Kammer des polnischen Parlaments.117 Gesetz über den Sport (ustawa o sporcie) vom 25.06.2010, GBl. 2010 Nr. 127, Pos. 857 m. Ä.
52
eigenen Aufgaben dieser Einheiten sei, weil eine solche Unterstützung in keinem
Zusammenhang mit der Befriedigung der Bedürfnisse der örtlichen Gemeinschaft stehe.118
Der wichtige Kern des neuen Gesetzes über den Sport sind die Bestimmungen, die die
Regeln des Funktionierens der sich mit der Sporttätigkeit beschäftigenden Rechtssubjekte
betreffen. Gemäß den geltenden Vorschriften sind das heutzutage:
- die Sportklubs,
- die Sportverbände (gewöhnlich als Woiwodschaftsverbände oder Bezirksverbände
bezeichnet)
und
- die polnischen Sportverbände (insgesamt 70).
Gemäß Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über den Sport müssen Sportklubs, die auf dem
Gebiet der Republik Polen tätig sind, eine Rechtspersönlichkeit besitzen. Daraus folgt, dass
die Möglichkeit des Funktionierens eines Sportklubs als natürliche Person, die der
Unternehmer im Verständnis der Vorschriften des Gesetzes vom 2. Juli 2004119 über die
Freiheit der Wirtschaftstätigkeit war, nicht mehr in Frage kommt. Dies war zulässig aufgrund
des früher geltenden Gesetzes über die Körperkultur.
Die Rechtsformen der Sportklubs, die in Polen am häufigsten erscheinen, sind:
- der Verein,
- die Aktiengesellschaft und
- die Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Am Rande bemerkt lohnt es sich, darauf aufmerksam zu machen, dass man im neuen
Gesetz Lösungen für die Schülersportklubs und eine vereinfachte Form ihrer Registrierung
bestehen lassen hat. Diese Lösungen betreffen auch die anderen Sportklubs, die in der Form
eines Vereins handeln und deren Satzungen keine Wirtschaftstätigkeit vorsehen. Diese Klubs
werden nicht im polnischen Nationalen Gerichtsregister, das durch ein ordentliches Gericht
geführt wird, sondern im Verzeichnis, das vom entsprechenden Landrat geführt wird,
eingetragen.
Gemäß Art. 6 Abs. 3 des Gesetzes über den Sport dürfen die Sportklubs ab einer
118 Urteil des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts in Gliwice von 1.07.2006, Az. I SA/GI 927/06 und Urteil des Woiwoschaftsverwaltungsgerichts in Rzeszów vom 19.06.2006 , Az. I SA/Rz 400/06.
119 Gesetz über die Freiheit der Wirtschaftstätigkeit (ustawa o swobodzie działalności gospodarczej) vom 2.07.2004, GBl. 2004 Nr. 173, Pos. 1807.
53
Anzahl von drei Sportklubs Sportverbände bilden. In Anbetracht dessen, dass Art. 6 Abs. 3
des Gesetzes nur die „Gründung“ eines Sportverbands betrifft, ist die Teilnahme von
Rechtssubjekten, die keine Klubs sind, an einem schon gegründeten Sportverband nicht
ausgeschlossen. Der Sportverband, der auf diese Weise gegründet wird, darf kraft Gesetzes
ausschließlich als Verein oder Verband der Vereine handeln.
Nach Art. 7 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes ist wiederum der polnische
Sportverband die juristische Person, die in der Rechtsform eines Vereins oder eines
Verbandes der Vereine handelt und durch einen Sportverband zur Organisation und
Durchführung des Wettbewerbs im Bereich einer bestimmten Sportart gegründet wird. Der
Gesetzgeber erteilt diesem Rechtssubjekt besondere Berechtigungen, darunter auch
ausschließliche Rechte.
Die Wendung des Gesetzgebers, dass ein polnischer Sportverband „gegründet werden
kann“, bedeutet in der Praxis, dass die Gründung eines polnischen Sportverbands keine
erforderliche Voraussetzung für die Organisation und die Durchführung des
Sportwettbewerbs im Bereich einer bestimmten Sportart ist. Aus diesem Grund können auch
andere Rechtssubjekte (z.B. die Sportklubs und die Sportverbände) Sportwettkämpfe
organisieren und durchführen. Diese Kompetenz hängt nicht davon ab, ob ein polnischer
Sportverband in der jeweiligen Sportdisziplin tätig ist. Die Zustimmung dieses Verbands ist
nicht notwendig. Das bestätigt die wesentliche Einschränkung der Sphäre des Monopols des
polnischen Sportverbandes im Vergleich zur früher geltenden Regelung. Gemäß dieser alten
Regelung verlangte die Teilnahme des Sportklubs oder des Wettkampfteilnehmers an dem
Sportwettbewerb, der nicht durch einen polnischen Sportverband oder durch eine
internationale Sportorganisation, deren Mitglied dieser Sportverband war, organisiert wurde,
die Zustimmung des jeweiligen polnischen Sportverbandes.120
Im neuen Gesetz über den Sport wird die Vorschrift beibehalten, wonach der Antrag
auf Genehmigung der Gründung eines polnischen Sportverbandes beim Minister für
Körperkultur gestellt wird. Dem Antrag sind beizufügen:
1) der Entwurf der Satzung des polnischen Sportverbandes,
2) der aktuelle Nationalgerichtsregisterauszug des Antragstellers,
3) eine ausführliche Beschreibung der Sportart, in der der Sportverband vorhat, einen
Wettbewerb zu organisieren und durchzuführen, mit genauen Informationen über die
120 Siehe M. Badura, H. Basiński, G. Kałużny, M. Wojcieszak, Kommentar zum Gesetz über den Sport, Lex 2011.
54
Voraussetzungen, die die Ausübung dieses Sports betreffen, und über die Regeln und das
System des Wettbewerbs in dieser Sportart.
4) die Bescheinigung über die Zugehörigkeit zu einer internationalen Sportorganisation, die
im olympischen oder paraolympischen Sport tätig ist oder zu einer Sportorganisation, die vom
Internationalen Olympischen Komitee anerkannt wurde (diese Voraussetzung betrifft nicht
den Sport für behinderte Personen).
Die Zustimmung oder die Ablehnung der Genehmigung zur Gründung eines polnischen
Sportverbands erfolgt in der Form einer verwaltungsrechtlichen Entscheidung.
Gemäß dem Gesetz über den Sport gehören zu den ausschließlichen Berechtigungen
eines polnischen Sportverbandes:
1) die Organisation und die Durchführung eines Sportwettbewerbs um den Titel des
Polnischen Meisters und um den Pokal Polens in der bestimmten Sportart,
2) die Gründung einer Berufsliga,
3) die Festsetzung und die Umsetzung von Sportregeln, Organisationsregeln und von
Disziplinarregeln im Sportwettbewerb, der durch den Verband organisiert wird,
4) die Berufung in die Nationalmannschaft und die Vorbereitung dieser Mannschaft auf die
Olympischen Spiele, die Paraolympischen Spiele, die Spiele der Tauben, die
Weltmeisterschaft und die Europameisterschaft,
5) eine Vertretung dieser Sportart in den internationalen Sportorganisationen (Art. 13 Abs. 1
des Gesetzes).
Obwohl der Gesetzgeber auf eine eindeutige Zuerkennung von Zuständigkeiten
polnischer Sportverbände zur Einführung des Systems der Erteilung von Lizenzen für die
Klubs, die Wettkampfteilnehmer, die Trainer oder die Schiedsrichter verzichtet hat, ist
anzunehmen, dass die Bestimmung der Lizenzen (und der Voraussetzungen, die erforderlich
dazu sind, damit die einzelnen Kategorien der Teilnehmer des Sportwettbewerbs diese Lizenz
erwerben dürfen,) weiter völlig zulässig ist, und zwar im Rahmen der Ausübung des
ausschließlichen Rechts auf die Festsetzung von Organisationsregeln. Am Rande sei bemerkt,
dass der Rechtscharakter der Sportlizenzen Zweifel in der polnischen Doktrin und der
Rechtsprechung erweckt.121 Nach früher geltendem Recht hat der polnische
Verfassungsgerichtshof angenommen, dass der Hinweis des Gesetzgebers in Art. 6 Abs. 7 des
121 Vgl. dazu W. Cajsel, Lizenzen der Sportrichter (Licencje sędziów sportowych), Sport Wyczynowy 1998, Nr. 3-4; A. Wach, Lizenzen im polnischen Sport (Licencje w polskim sporcie), Sport Wyczynowy 1996, Nr. 9-10.
55
Gesetzes über den qualifizierten Sport auf das Verwaltungsgericht als das zuständige Gericht
in Angelegenheiten der Aufsicht über die Gesetzmäßigkeit der Erteilung einer Lizenz oder
deren Ablehnung mit Art. 184 der polnischen Verfassung übereinstimmt. (Nach Art. 184 der
polnischen Verfassung kontrollieren das Oberste Verwaltungsgericht und die anderen
Verwaltungsgerichte in dem durch Gesetz bestimmten Umfang die Tätigkeit der öffentlichen
Verwaltung. Diese Kontrolle umfasst auch Entscheidungen über die Gesetzmäßigkeit der
Beschlüsse der örtlichen Selbstverwaltungsorgane und der Normativakte der lokalen Organe
der Regierungsverwaltung). Diese Lösung korrespondierte nach Meinung des
Verfassungsgerichtshofes mit den administrativ-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen
Eigenschaften der Lizenz und besonders mit der Eingriffsposition der Sportverbände im
Verhältnis zu den Klubs und mit ihrem Monopol, wenn es um die Erteilung des Zugangs zum
qualifizierten Sport ging. Dazu realisierte diese Lösung das Recht des Sportklubs, sich an das
Gericht zu wenden und beugte der Willkürlichkeit der Sportverbände im Verhältnis zu den
Sportklubs vor.122 Nach derzeitigem Recht soll jedoch angenommen werden, dass die Lizenz
zivilrechtlichen Charakter hat. Demzufolge sind jetzt die ordentlichen Gerichte in Lizenz-
Streitigkeiten zuständig.123
Das neue Gesetz über den Sport sollte auch ein Wundermittel gegen den Mangel an
Transparenz, gegen die Vetternwirtschaft und die schlechte Verwaltung in den
Sportorganisationen sein. In Zusammenhang damit wurde Art. 9 in dieses Gesetz eingeführt.
Danach gilt:
1. Die Amtszeit der Organe eines polnischen Sportverbandes darf nicht länger als vier Jahre
betragen (früher gab es im Gesetz keine zeitliche Beschränkung der Amtszeit von Organen).
2. Das Amt des Vorsitzenden des Vorstands eines polnischen Sportverbandes darf nicht
länger als für zwei aufeinander folgende Amtszeiten ausgeübt werden.
3. Ein Mitglied des Vorstands eines polnischen Sportverbandes darf nicht:
a) gleichzeitig ein anderes Amt im Verband bekleiden;
b) eine Wirtschaftstätigkeit, die direkt mit der Erfüllung der Satzungsaufgaben durch diesen
Verband verbunden ist, ausüben;
c) wegen einer vorsätzlichen Straftat oder einer vorsätzlichen Steuerstraftat, die mittels
öffentlicher Klage verfolgt wird, rechtkräftig verurteilt worden sein.
122 Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 19.10.2010, Az. P 10/10, OTK-A 2010, Nr. 8, Pos. 78.123 Siehe M. Badura, H. Basiński, G. Kałużny, M. Wojcieszak, Kommentar zum Gesetz über den Sport, Lex
2011.
56
4. Die Hauptversammlung der Mitglieder oder der Delegierten eines polnischen
Sportverbandes prüft jedes Jahr den Bericht über die Tätigkeit des Vorstands, der durch den
Vorstand angefertigt wurde und den Finanzbericht, der von einem Wirtschaftsprüfer bewertet
wird.
Die kommentierte Vorschrift ist lex specialis zu Art. 10 Abs. 1 Punkt 5 und Art. 11
des Gesetzes - das Recht über die Vereine124, und gleichzeitig beschränkt sie den Bereich der
Selbstverwaltung (der Selbstständigkeit) dieser Art des Vereins in Bezug auf die Freiheit der
Gestaltung der Organisationsstruktur.
Interessanterweise sieht das Gesetz über den Sport keine erheblichen Veränderungen
in Bezug auf das Modell der Aufsicht über die polnischen Sportverbände vor. Weiter liegt
diese Aufsicht in den Händen des Ministers für Körperkultur. Der Minister für Sport
genehmigt unter anderem die Satzung des polnischen Sportverbandes und ihre
Veränderungen. Er ist auch berechtigt, die Tätigkeit des Verbandes zu überprüfen und
einzugreifen, wenn seine Handlungen den rechtlichen Vorschriften oder den Bestimmungen
der Satzung widersprechen. Hingegen hat man auf die früher bestehende Lösung verzichtet,
nach der die Aufsichtsmaßnahmen auch bei Feststellung eines Verstoßes gegen
Bestimmungen interner Ordnungen eingeleitet werden konnten.
Wenn die Tätigkeit der Organe des polnischen Sportverbandes das Recht oder die
Bestimmungen der Satzung verletzt, ist der Minister für Sport nach den aktuellen Vorschriften
berechtigt:
1) eine Verwarnung zu erteilen und Tätigkeiten, die auf die Sicherstellung des rechtmäßigen
Zustandes abzielen, zu verlangen;
2) die Durchführung einer Entscheidung der Organe des polnischen Sportverbandes
auszusetzen und zur Veränderung bzw. zur Aufhebung dieser Entscheidung in einer
bestimmten Zeit aufzufordern;
3) eine Entscheidung der Organe des polnischen Sportverbandes aufzuheben, wenn der
Verband die Forderung zur Veränderung oder Aufhebung dieser Entscheidung nicht erfüllt;
4) vor einem Registergericht die einstweilige Amtsenthebung von Organen eines polnischen
Sportverbandes oder die Auflösung eines polnischen Sportverbandes zu beantragen;
Die Auflösung eines polnischen Sportverbandes ist nur dann möglich, wenn seine Tätigkeit
eine grobe oder beharrliche Verletzung des Rechtes oder der Bestimmungen der Satzung
124 Gesetz – das Recht der Vereine (ustawa – Prawo o stowarzyszeniach) vom 7.04.1989, GBl. 1989 Nr. 20, Pos. 104.
57
darstellt und keine Bedingungen für die Wiederherstellung der Tätigkeit, die mit dem Recht
und der Satzung übereinstimmt, ersichtlich sind.
Wenn ein Gericht Organe eines polnischen Sportverbandes ihres Amtes enthebt,
bestellt es einen Pfleger, der zur Durchführung von Wahlen zur Besetzung der Organe des
polnischen Sportverbandes innerhalb von sechs Monaten vom Tag seiner Bestellung an
verpflichtet ist. Dem Pfleger stehen die in der Satzung bestimmten Rechte der suspendierten
Organe des polnischen Sportverbandes zu.
Wie die Einführung eines Pflegers in die autonome privat-rechtliche Organisation in
der Praxis enden kann, zeigt ein Beispiel von 2008. Noch aufgrund des Gesetzes über den
qualifizierten Sport hat der Schiedsgerichtshof für Sport beim Polnischen Olympischen
Komitee am 29. September 2008 auf Antrag des ehemaligen Ministers für Sport Mirosław
Drzewicki - entsprechend der von ihm durchgeführten Aufsicht - einen Pfleger für den
Polnischen Fußballverband bestellt. Prof. Robert Zawłocki - Leiter des Lehrstuhls für
Strafrecht an der A. Mickiewicz-Universität in Posen - ist solchermaßen Pfleger beim
Polnischen Fußballverband geworden. Die internationalen Organisationen FIFA und UEFA
haben damals verlangt, dass der bisherige Vorsitzende des Vorstandes des PZPN Michał
Listkiewicz sofort wieder auf seinem Posten eingesetzt wird, und dass die Frist für die
Wahlen zu den Organen des Verbandes, die für den 30. Oktober 2008 vorgesehen waren,
eingehalten werde. Beide Organisationen haben mit dem Ausschluss der polnischen
Mannschaft von den Ausscheidungsspielen der Weltmeisterschaft 2010 und der polnischen
Klubs von den Pokalspielen gedroht. Es wurde sogar über die Aberkennung des Rechts des
Polnischen Fußballverbands zur gemeinsamen Organisation der EURO 2012 mit der Ukraine
nachgedacht. Schließlich wurde infolge eines Kompromisses zwischen dem Ministerium, dem
Polnischen Fußballverband, der FIFA und der UEFA eine Unabhängige Wahlkommission
einberufen, die die Organisation und den Ablauf der Wahlen zu den Organen des Polnischen
Fußballverbands beobachtet hat. In dieser Situation hat der Schiedsgerichtshof für Sport beim
PKOI am 10. Oktober die Entscheidung über die Bestellung des Pflegers auf Antrag von
Drzewiecki aufgehoben.
Neben den Regeln über die Funktionsweise der Rechtssubjekte, die eine Sporttätigkeit
ausüben, regelt das Gesetz über den Sport auch: Fragen der finanziellen Unterstützung des
Sports durch die Organe der öffentlichen Gewalt, auch die Einheiten der territorialen
Selbstverwaltung, die Regeln des Erwerbs einer Berufsqualifikationen im Sport
(Sportinstrukteur, Trainer der II. Klasse II, Trainer der I. Klasse, Trainer der Meisterklasse)
58
und die Problematik der Bekämpfung des Dopings im Sport. Außerdem enthält das Gesetz
Strafvorschriften, die vor allem Bestechungshandlungen und eingeschränkt auch die
Verabreichung von Dopingmitteln an Sportler pönalisieren.
Bei einer Bewertung des neuen Gesetzes über den Sport lohnt es sich, darauf
aufmerksam zu machen, dass es trotz des hochtrabenden angekündigten Verzichtes auf die
rechtliche Reglementierung der Sporttätigkeit nicht gelungen ist, die Autonomie der
Sportorganisationen vollständig zu sichern. Der Staat greift, vor allem durch die breite
Vielfalt von Aufsichtskompetenzen des Ministers für Sport, weiter relativ stark in das
Funktionieren der polnischen Sportverbände ein. Weitere Medienberichte über korrumpierte
Mitglieder der polnischen Sportvereine erschweren die Arbeiten an den Änderungen des
Gesetzes in diesem Bereich. Hingegen sind die Aufhebung der Unterscheidung in den
qualifizierten Sport (das Gesetz über den qualifizierten Sport) und in andere Formen der
sportlichen Betätigung (das Gesetz über die Körperkultur) sowie die Tatsache, dass die
finanzielle Unterstützung des Sports für die Einheiten der territorialen Selbstverwaltung
erleichtert wurde, positiv zu bewerten.
59
RA Dmitriy Ivanusa, KiewRchtliche Anforderungen an sportliche Großereignisse
Blick zurück: Erfahrungen aus der Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine
Legal aspects of the recent EURO 2012: A view from Ukraine
Brief chronology:
• September 2003 – Idea on co-hosting of championship occurs during the joint
meeting of the executive committees of the Football Federation of Ukraine and the
Football Association of Poland
• April 2004 – Decree of the President of Ukraine on some measures for preparation
for the final of Euro 2012 in Ukraine. Aimed at participation of Ukraine in the UEFA
tender
• April 2007 – Poland and Ukraine are selected to co-host Euro 2012
• April 2010 – Law of Ukraine on organizing and conducting of the final of Euro 2012
in Ukraine
• October 2007 – Regulation of the Government of Ukraine on the State special
purpose program of preparation and conduction of the final of Euro 2012 in Ukraine
• March 2008 – Convection between governments of Poland and Ukraine on
cooperation during the organization of the final of Euro 2012
• June 2012 – Final of Euro 2012 in Ukraine
Brief details of the Law of Ukraine on organizing and conducting of the final of Euro
2012 in Ukraine:
• Basic document regulating the procedures for preparation and conduction of Euro
2012
• Determined the governing authorities and their powers
• Agreed the cooperation with UEFA and the hosting football association
• Determined the peculiarities of public procurement for Euro 2012, including from the
sole tender participant
• Regulated the organizational aspects of building and construction
• Provided the buy-out of private property and their forced disposal for public needs
• Ensured the intellectual property rights of UEFA
60
• Determined some currency control and customs regulations
• Determined visa and work permits issues
• Exempted the incomes of UEFA derived from the activities in Ukraine from tax
• Regulated some health protection issues (for example, prohibition of smoking, sale
and advertising of tobacco)
Some other significant laws and regulations:
• Laws of State budgets of Ukraine for 2007-2012
• The State special purpose program of preparation and conduction of the final of Euro
2012 in Ukraine
• Procedures for partial reimbursement of interest under loans granted within the
preparation and conduction of the final of Euro 2012 in Ukraine
• Law of volunteer activities
• Tax Code of Ukraine
• Law of public procurement
• Customs Code
• Law on building and construction activities
• Law on employment
• Law on ensuring of public order and safety in connection with football matches – the
1985 European convention on spectator violence and misbehavior at sports events and
in particular at football matches
• Law of peculiarities of court proceedings regarding administrative violations during
Euro 2012 and forced deportation of foreigners and stateless persons without
permanent residence in Ukraine
• Regulations of the ministries, State agencies, local authorities
Some results and practices:
• 2352 - Number of documents referring to Euro 2012
• Further development of the Ukrainian sport law – new sources and use of
international law
• Development of public-private partnership (for example, during reconstruction of
stadium and airport in Kharkov)
• Organization of legal assistance to foreigners (advocates and translators) and
establishment of the recommended maximum hourly rate for advocates (EUR 25)
61
• Regulation of famous problem with a private investor based on public needs – stop
and demolition of construction in Kiev on the site in the front of stadium
• Massive buy-outs of private property in Lvov
• Special approval granted to UEFA for temporary opening and operation of bank
accounts in Ukraine
• Tax privileges, including special for Euro 2012: corporate tax, VAT, import duties
• Deterring of importation of goods with the unauthorized use of Euro 2012 logo etc,
prosecution of sales of such goods in Ukraine
• Temporary partial solution of unemployment, in particular, among builders
• Absence of significant incidents with spectators and guests as well as of forced
deportations
• 1.8 mln – visitors to Ukraine during EURO 2012
• USD 5.5 billion – Ukrainian investments into organization and conduction of Euro
2012, but only 1/5 – private investments
• USD 1 billion – income of Ukraine from Euro 2012
• Investments into infrastructure (hotels, roads, transport) and sport objects (stadiums,
training centers)
62
Prof. Dr. Alexander Trunk, Universität KielRechtlicher und organisatorischer Rahmen der Olympischen Spiele in Sochi
Powerpoint Presentation, bitte per Doppelklick aktivieren.
63
RiLG Dr. Cornelia Wölk, HamburgVerletzungen beim Sport – ein Vergleich des russischen mit dem deutschen Haftungsrecht
Bei der Haftung für Sportverletzungen sind zum einen zwei Grundkonstellationen zu
unterscheiden, nämlich die
- Haftung, die Sportler einander bei der Sportausübung zufügen, und die
- Haftung von Veranstaltern von Sportwettkämpfen sowie der Betreiber von
Sportstätten.
Bei der Ausübung von Sport besteht (fast immer) die Gefahr von Verletzungen. Das
Verletzungsrisiko besteht jedoch nicht für alle Sportarten in gleichem Maße, sondern variiert
von Sportart zu Sportart. Bei Verschiedenen Sportarten besteht eine besondere Gefahr von
Verletzungen durch den Gegner Das wirft die Frage auf, wie die haftungsrechtlichen Fragen
bei diesen Sportarten zu lösen sind. Es ist daher zu unterscheiden zwischen
- Kampfsportarbeiten, bei denen es zum Wesen des Sports gehört, dem Gegner
Verletzungen zuzufügen (wie etwa Boxen, Ringen),
- Mannschaftssportarten, bei denen es aufgrund des Wettkampfes (insbesondere beim
Kampf um einen Ball) leicht zu einem körperlichen Zusammenprall zwischen zwei
Sportlern kommen kann (z. B. Fußball, Eishockey),
- Gemeinschaftssportarten, die zwar grundsätzlich nebenher ausgeübt werden, bei denen
es aber zu einem Zusammenstoß von Sportlern kommen kann, weil sie gleichzeitig auf
derselben Kampfbahn ausgeübt werden (z. B. Radrennen im der Gruppe),
- Individualsportarten, bei denen die Sportler nebeneinander oder nacheinander ihren
Sport ausüben und bei denen kaum ein Risiko einer durch einen anderen Sportler
zugefügte Verletzung besteht.
I. Abgrenzung der vertraglichen von der deliktischen Haftung
Bei Verletzungen, die ein Sportler einem anderen Sportler zugefügt hat, kommt in der Regel
nur eine deliktische Haftung in Betracht, weil die Sportler untereinander nicht in vertraglichen
Beziehungen stehen. Ausnahmen sind aber möglich, etwa bei Profiboxkämpfen, bei denen die
Kontrahenten vor dem Kampf einen Kampfvertrag miteinander geschlossen haben.
Bei der Haftung der Veranstaltung von Sportwettkämpfen sind dann vertragliche Ansprüche
denkbar, wenn sie den verletzten Sportler für die Veranstaltung vertraglich engagiert haben.
64
Auch bei Betreibern von Sportstätten ist eine vertragliche Haftung in Betracht zu ziehen, etwa
dann, wenn der Betreiber dem Sportler die Sportstätte vertraglich gegen ein Entgelt zur
Verfügung gestellt hat.
Im russischen Recht findet allerdings auch dann, wenn zwischen dem Schädiger und dem
verletzten Sportler vertragliche Beziehungen bestehen, nur eine Haftung nach Deliktsrecht
statt. Grund dafür ist die Vorschrift des Art. 1084 ZGB, wonach ein Schaden, der dem Leben
oder der Gesundheit eines Bürgers bei der Erfüllung vertraglicher Pflichten zugefügt wurde,
nach den Vorschriften über das Deliktsrecht (Art. 1064 ff. ZGB) zu ersetzen ist, es sei denn,
dass vertraglich eine erhöhte Haftung vereinbart wurde. Die Möglichkeit, vertraglich eine
höhere Schadensersatzzahlung als im Deliktsrecht vorgesehen, zu vereinbaren, ist in
Art. 1064 Abs. 1 Satz 3 ZGB ausdrücklich festgelegt. Inwieweit in der Praxis entsprechende
vertragliche Vereinbarungen getroffen werden, ist jedoch fraglich. Denkbar ist das bei gut
bezahlten Profisportlern.
Im deutschen Recht ist es hingegen so, dass eine vertragliche und eine deliktischen Haftung
nebeneinander im Betracht kommen, sofern Schädiger und Geschädigter in vertraglichen
Beziehungen stehen. Eine Haftung nach den Regeln des Vertragsrechts dürfte auch dann
möglich sein, wenn im Vertrag für den Fall von Verletzungen keine ausdrücklichen
Regelungen im Vertrag getroffen wurden. Es dürfte auch in diesem Falle eine Haftung nach §
280 BGB in Betracht kommen, denn es dürfte zumindest eine ungeschriebene Nebenpflicht
des Vertragspartners bestehen, den Sportler vor Verletzungen zu bewahren.
II. Deliktische Haftung nach russischem und deutschem Recht
Da im deutschen Recht bei Sportverletzungen in der Praxis überwiegend nur die deliktische
Haftung in Betracht kommt und nach russischem Recht die deliktische Haftung sogar kraft
Gesetzes zwingend ist, sollen die Unterschiede zwischen dem deutschem und dem russischen
Haftungsrecht im Folgenden nur für die deliktische Haftung weiter vertieft werden:
65
1. Rechtsgrundlagen
Im russischen Recht sind die Art. 1064 ff. ZGB maßgeblich, insbesondere auch die
Art. 1085 ff. ZGB hinsichtlich der Schadenshöhe bei Körperverletzungen und Art. 1099
ff. ZGB hinsichtlich des Ersatzes des immateriellen Schadens.
Die deliktische Haftung ist im deutschen Recht vor allem in den §§ 823 ff. BGB geregelt.
Hinsichtlich des Umfangs und der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes sind ergänzend
die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, vor allem die §§ 249 ff. BGB heranzuziehen.
2. Grundtatbestand
Art. 1064 Abs. 1 ZGB bestimmt, dass ein Schaden, der der Person eines Bürgers zugefügt
wurde, durch die Person, die den Schaden zugefügt hat, vollständig zu ersetzen ist. Das
Rechtsgut „Person“ umfasst unter anderem neben den anderen in Art. 150 ZGB aufgezählten
immateriellen Rechtsgütern das Leben und die Gesundheit des Geschädigten. Aus diesem
Grund ist Art. 1064 Abs. 1 ZGB für alle denkbaren Sportverletzungen in der Russischen
Föderation anwendbar.
In Deutschland gibt es hingegen zwei Anspruchsgrundlagen, die bei Sportverletzungen
einschlägig sein können. § 823 Abs. 1 BGB statuiert eine Schadensersatzpflicht bei
Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. Eine Schadensersatzpflicht besteht aber auch
bei Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Die strafrechtlichen
Vorschriften über die Körperverletzung (§§ 223 StGB) gelten als Schutzgesetze in diesem
Sinne. Wenn somit die Verletzung eines anderen Sportlers als Straftat einzuordnen ist, besteht
zudem eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB. Die sportlichen Spielregeln gelten allerdings
nicht als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, so dass aus einem Regelverstoß nicht
darauf geschlossen werden kann, dass auch ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB besteht.125
Sowohl im deutschen als auch im russischen Recht ist eine Haftung sowohl für ein Handeln
als auch ein Unterlassen möglich. Die Haftung für ein Unterlassen setzt nach beiden
Rechtsordnungen die Verletzung einer Handlungspflicht voraus. Im deutschen Recht ist hier
vor allem die Verkehrssicherungspflicht relevant, die Benutzer von Sportanlagen durch
geeignete Maßnahmen vor Gefahren zu schützen, die für den zugelassenen Benutzerkreis und
den zu erwartenden Gebrauch über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen
125 Vgl. Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 74.; Heinze, Anmerkung zu BGH JR 1975, 286, 288;
66
sowie nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind.126 Die Regeln der
Sportverbände können Anhaltspunkt dafür geben, welche Maßnahmen zur Abwehr von
Gefahren notwendig sind.127 Gegebenenfalls müssen die Betreiber von Sportanlagen auch
gegenüber den Benutzern Hinweise und Warnungen aussprechen.128 Die Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht hat daher (bei Unterlassen) bereits eine haftungsbegründende
Funktion. Die Betreiber von Sportanlagen müssen die Anlage daher zum Beispiel so bauen,
dass Sportler dort nicht aufgrund der Beschaffenheit der Anlage leicht stolpern oder
ausrutschen bzw. die verwendeten Sportgeräte die mit der Sportausübung verbundenen
Belastungen aushalten. Im russischen Recht ist eine der Verkehrssicherungspflicht
vergleichbare Rechtsfigur noch nicht entwickelt worden. Allerdings wird angenommen, dass
eine Haftung für Unterlassen zum Beispiel bei Nichtbeachtung der Regeln über Arbeitsschutz
und Sicherheitstechnik besteht.129 Es kann daher davon ausgegangen werden, dass einen
Betreiber von Sportanlagen auch nach russischem Recht eine Haftung treffen dürfte, wenn
eine Sportanlage nicht ausreichend sicher gebaut ist.
3. Ursächlichkeit/Haftungsbegründende Kausalität
Sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht ist für die deliktische Haftung ein
Kausalzusammenhang zwischen der Handlung (bzw. dem Unterlassen) des Schädigers und
der eingetretenen Verletzung erforderlich.
In Deutschland wird die Kausalität begrenzt auf adäquate Begebenheiten, die nach der
Lebenserfahrung geeignet sind, den Erfolg in der konkreten Art herbeizuführen.
Begebenheiten, die außerhalb der Lebenserfahrungen liegen und daher nicht vorhersehbar
sind, sind nicht adäquat und nicht in die ursächliche Betrachtung einzubeziehen.130
Auch in der Russischen Föderation wird die Adäquanztheorie vertreten.131 Danach soll
entscheidend sein, ob das Ereignis geeignet ist, Folgen dieser Art herbeizuführen, und ein
Kausalzusammenhang soll nicht vorliegen, wenn die Aufeinanderfolge untypisch ist. Auch
andere Theorien wie die „Theorie der notwendigen und zufälligen Kausalität132, die „Theorie
126 BGH NJW 2008, 3775; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 214.127 OLG Dresden, NJW-RR 2007, 1619.128 OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1183.129 Malein in: Kalpin, Graždanskoe pravo. Čast‘ vtoraja, Moskau 2000, S. 512; Korneev in: Suchanov,
Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 374 f.; Sadikov, Graždankoe pravo Rossii. Čast‘ vtoraja, Moskau 1997, S. 640; Jarošenko in: Braginskij, Kommentarij čast vtoroj Graždankogo kodeksa Rossijskoj Federacii, Moskau 1996, S. 351.
130 Vgl. BGHZ 3, 261; BGHZ 7, 198; BGHZ 57, 137.131 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 715.132 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 716 f.; Egorov in: Sergeev/Tolstoj,
Graždanskoe pravo, Band 1, 3. Aufl. 1998, S. 574; Malein in: Kalpin/Masljaev, Graždanskoe pravo. Čast‘ pervaja, 2. Aufl. 2002, S. 509.
67
der notwendigen Ursächlichkeit“133, die „Theorie der direkten und mittelbaren Kausalität“134,
die „Theorie der Möglichkeit und Wirklichkeit“135 werden vertreten und dienen dazu,
fernliegende oder untypische Ursachen aus dem Kausalzusammenhang auszuschließen. Die
Rechtsprechung arbeitet mit verschiedenen Theorien, am meisten wohl mit der „Theorie der
nächsten, unmittelbaren Ursache“.136
Im Ergebnis dürften sich das deutsche und das russische Recht hinsichtlich der
Kausalitätsfrage im Ergebnis nicht wesentlich unterscheiden und es dürfte bei beiden
Rechtsordnungen eine Frage der Einzelfallbetrachtung sein, ob eine Ursache als außerhalb der
Lebenserfahrung oder untypisch auszugrenzen ist.
4. Rechtswidrigkeit
Grundsätzlich wird die Rechtswidrigkeit im deutschen Recht bei Erfüllung des Tatbestandes
(Körperverletzung) indiziert und entfällt nur bei Vorliegen von Rechtsfertigungsgründen.137
Bei Sportverletzungen besteht allerdings die Besonderheit, dass allein aus dem Vorliegen
einer Verletzung nicht auf eine Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schädigers geschlossen
werden kann.138 In der Regel wird angenommen, dass derjenige, der sich an die Spielregeln
hält, nicht rechtwidrig handelt – oder zumindest von der Haftung freizustellen ist.139
Bei Sportverletzungen wird vielfach die Auffassung vertreten, dass die Rechtswidrigkeit
aufgrund einer Einwilligung des Verletzten entfallen kann. Wer an Sport teilnimmt, willigt
damit in eine Körperverletzung insoweit ein, als die Gefahr selbst bei Einhaltung der Regeln
der jeweiligen Sportart besteht.140 Nach anderer Ansicht (so auch in der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs) wird nicht bei allen Sportarten von einer rechtfertigenden Einwilligung
in die Verletzung ausgegangen, sondern nach den jeweiligen Sportarten differenziert. Bei
gefährlichen Sportarten wie beispielsweise bei Box- und Ringkämpfen, Autorennen und
waghalsigen Felsenklettereien kann das Verhalten des Verletzten ohne künstliche
Unterstellung als Einwilligung in die als möglich vorgestellte Rechtsgutsverletzung aufgefasst
133 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 716; Egorov in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 1, 3. Aufl. 1998, S. 572 f.
134 Vgl. dazu Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 717; Egorov in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 1, 3. Aufl. 1998, S. 570 ff.; Malein in: Kalpin/Masljaev, Graždanskoe pravo. Čast‘ pervaja, 2. Aufl. 2002, S. 510.
135 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 717 f.; Egorov in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 1, 3. Aufl. 1998, S. 573 f.
136 Vgl. Bogdanov, Chozjajstvo i pravo 2011, Nr. 8, S. 108.137 Dem liegt die Lehre vom Erfolgsunrecht zugrunde.138 So wird angenommen, dass für Sportverletzungen die Lehre vom Handlungsunrecht gilt, vgl. Emmerich, JuS
1975, 463. 139 So der BGH unter Berufung auf § 242 BGB in NJW 1975, 109, 110.140 Vgl. LG Marburg, NJW-RR 1988, 1243, 1244; Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997,
Rn. 80.
68
werden.141 Bei Sportarten wie Fußball wird hingegen davon ausgegangen, dass es eine
künstliche Unterstellung wäre, von einer Einwilligung auszugehen, weil ein Fußballspieler
hofft und erwartet, es werde zu keinen Verletzungen kommen. Der BGH nimmt hier dennoch
eine Haftungsfreistellung eines Spielers an, der sich an die Spielregeln hält, und zwar unter
dem Gesichtspunkt des „venire contra factum proprium“.142
Eine wirksame Einwilligung setzt Einwilligungsfähigkeit voraus, d. h. der Geschädigte muss
sich der Gefahr des Eintritts eines Schadens bewusst gewesen sein.143 Auch ein
Minderjähriger kann ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters wirksam auf eigene
Gefahr handeln, wenn er nach seiner geistigen und sittlichen Reife der Bedeutung und die
Tragweite des möglichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und seine Gestattung zu
ermessen vermag.144
Welche Gefahren im Wettkampfsport hingenommen werden müssen, richtet sich in erster
Linie nach den jeweiligen Spielregeln. Das hat insbesondere Bedeutung bei Kampfsportarten
wie Boxen, Ringen, Judo etc. Hier ist es Ziel des Sportes, den Gegner durch Körpertreffer zu
schwächen und kampfunfähig zu machen. Körperverletzungen sind daher unvermeidlich.
Solange diese unter Einhaltung der Wettkampfregeln zugefügt werden, ist davon auszugehen,
dass diese aufgrund der Einwilligung des Verletzten nicht rechtswidrig sind.145
Bei Gemeinschaftssport und bei Mannschaftssportarten besteht ebenfalls eine große Gefahr,
dass es zu „Zusammenstößen“ kommt, weil mehrere das gleiche gleichzeitig wollen. Dabei
führt nach der Rechtsprechung nicht jede Regelwidrigkeit beim Mannschaftsport gleich zu
einer Haftung, Das Handeln des Schädigers muss außerhalb jeglicher geordneter Spielregeln
liegen, also bei Überschreiten der Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unfairem
Regelverstoß.146 Hinsichtlich der Beweislastverteilung gilt, dass der Verletzte einen
Regelverstoß des Schädigers beweisen muss.147
Im deutschen Recht wird zudem angenommen, dass es auch zu einem Haftungsausschluss
durch ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen kommen kann. Das kommt vor allem bei
der Haftung von Veranstaltern von Sportwettkämpfen und Betreibern von Sportanlagen in
Betracht. Der Haftungsausschluss kann sich auf die Gefährdungshaftung und auf Haftung für
141 BGHZ 63, 140,144.142 BGH NJW 1975, 109, 110.143 Vgl. Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 80.144 Vgl. Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 80; LG Tübingen, MDR 1960, 671.145 Vgl. Palandt-Sprau, 72. Aufl. 2013, § 823 Rn. 217; Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl.
1997, Rn. 67.146 Vgl. OLG Hamm, JR 1998, 465; OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 1043; Palandt-Sprau, 72. Aufl. 2013, § 823
Rn. 217; Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 66, 74.147 Vgl. BGH NJW 2010, 537; BGH NJW 1975, 109, 111; OLG Düsseldorf, VersR 1992, 841; OLG
Oldenburg, r+s 1995, 179.
69
Fahrlässigkeit erstrecken. Die Haftung für Vorsatz kann hingegen nicht ausgeschlossen
werden (§ 276 Abs. 3 BGB).
Ein Haftungsausschluss kann aber auch stillschweigend geschehen, z. B durch Benutzen einer
Sporteinrichtung in Kenntnis der Tatsache, dass der Betreiber in seinen
Benutzungsbedingungen seine Haftung ausgeschlossen hat.148
Grundsätzlich wird auch in der Russischen Föderation davon ausgegangen, dass allein die
Zufügung eines Schadens rechtswidrig ist149 (nach anderer Ansicht muss zusätzlich eine
Rechtsnorm verletzt sein150). Die Rechtswidrigkeit entfällt bei Vorliegen eines
Rechtfertigungsgrundes wie etwa Notwehr (Art. 1066 ZGB) oder Notstand (Art. 1067 ZGB)
bzw. wenn anderen Rechtsvorschriften, die Rechtswidrigkeit eines Handelns ausschließen.
Nach Art. 1064 Abs. 3 Satz 2 ZGB ist zudem ein Schaden nicht rechtswidrig, der auf
Ersuchen oder mit Einwilligung des Geschädigten zugefügt wurde, wenn die Handlungen des
Schädigers die sittlichen Grundsätze der Allgemeinheit nicht verletzten. Über diese Vorschrift
müsste im russischen Recht die Frage der Rechtswidrigkeit von Sportverletzungen gelöst
werden. Rechtsprechung und Literatur zu der Frage, ob und wann eine Sportverletzung
aufgrund einer Einwilligung des Geschädigten nicht rechtswidrig ist, ist soweit ersichtlich
nicht vorhanden. Bei Kampfsportarten wird aber sicherlich ähnlich wie im deutschen Recht
davon auszugehen sein, dass regelgerecht zugefügte Verletzungen von der Einwilligung des
Verletzten gedeckt sind. Die Frage ist nur, wieweit angenommen wird, dass von einer
Einwilligung auszugehen ist. Durch die gesetzliche Einschränkung „und die Handlungen des
Schädigers sittliche Grundsätze der Allgemeinheit nicht verletzen“ dürfte wohl davon
auszugehen sein, dass bei einem grob regelwidrigen und unfairen Verhalten bei keiner
Sportart davon ausgegangen werden kann, dass das Handeln des Schädigers rechtmäßig ist.
Die Frage eines Haftungsausschlusses durch vertragliche Vereinbarung wird im russischen
Recht nach dem Kenntnisstand der Verfasserin nicht diskutiert.
148 Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 81.149 Vgl. z. B. Tolstoj in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2000, S. 15; Emel’janov,
Rossijskaja Justicija 2001, Nr. 1, S. 24.150 Vgl. z. B. Jarošenko in Sadikov, Gradanskoe pravo Possii. Čast vtoraja, Moskau 1997, S. 637; Ėrdelevskij,
Kompensacija moral‘nogo vreda, Moskau 2000, S. 85.
70
5. Verschulden
Sowohl in der Russischen Föderation als auch in Deutschland ist grundsätzlich ein
Verschulden des Schädigers Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch. Verschulden
setzt sowohl in Deutschland (vgl. §§ 827, 828 BGB) als auch der Russischen Föderation
Deliktsfähigkeit voraus. In der Russischen Föderation ist das zwar nicht ausdrücklich im
Gesetz erwähnt, es ergibt sich aber mittelbar aus den Art. 1073-1078 ZGB. Relevant ist die
Frage der Deliktsfähigkeit vor allem bei Sportverletzungen, die Minderjährige zufügen. In
Deutschland kann Deliktsfähigkeit bereits ab einem Alter von sieben Jahren bestehen
(§ 828 BGB), in der Russischen Föderation erst ab einem Alter von 14 Jahren
(vgl. Art. 1073 ZGB).
Sowohl im deutschen als auch im russischen Recht besteht eine Haftung für Vorsatz und
Fahrlässigkeit (vgl. Art. 401 ZGB, § 276 BGB). Für Eintritt der Schadensersatzpflicht haben
die Verschuldensformen allerdings sowohl in der Russischen Föderation als auch in
Deutschland grundsätzlich keine Relevanz. Sie können aber im Rahmen des Art. 1083 ZGB
oder bei Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes eine Rolle spielen
(vgl. Art. 1101 Abs. 2 ZGB).
Nach deutschem Recht handelt vorsätzlich, wer bewusst in ein fremdes Rechtsgut eingreift
und hierbei die Absicht einer Schädigung hat oder zumindest damit rechnet; Vorsatz ist das
Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolges.151 Das ist z.B. bei absichtlichem,
regelwidrigem Treten, einem „Beinstellen“ oder einem absichtlichen Tiefschlag eines Boxers
der Fall. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt
(§ 276 Abs. 2 BGB). Bei der Haftung von Betreibern von Sportanlagen bzw. von
Veranstaltern von Sportwettkämpfen werden die Sorgfaltspflichten durch die
Verkehrssicherungspflicht bestimmt.
Bei der Verschuldensfrage kann das Haftungsrecht am besten den Gegebenheiten des Sports
angepasst werden. In Deutschland ist dementsprechend bei Beurteilung der Schuldfrage zu
berücksichtigen, ob einem Wettkampfsport eine bestimmte Härte eigen ist. Keine Haftung soll
bei geringfügigen Regelverstößen in wettbewerbstypischen Risikolagen eintreten. Bei der
Frage, ob ein Verschulden vorliegt, kommt den Wettkampf- und Sportregeln daher eine
besondere Bedeutung zu. Sie liefern eine Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs.152 Die
Sanktionierung des Verhaltens eines Spielers, z. B. durch eine gelbe oder rote Karte, indiziert
jedoch kein Verschulden des Sportlers. Aus dem Nichtzeigen der roten Karte kann aber auch
151 Vgl. BGH NJW-RR 2012, 404.152 Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 89; Grunsky, JZ 1975, 109, 110.
71
nicht geschlossen werden, dass kein Verschulden vorliegt.153 Die Verletzung von
Wettkampfregeln stellt zwar grundsätzlich ein fahrlässiges Verhalten dar, ein Spieler der die
Regeln beachtet, kann aber trotzdem fahrlässig handeln.154 Die Unkenntnis der Regeln schützt
nicht vor einer Schadensersatzpflicht.155
In der Russischen Föderation werden die Begriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht im
Zivilgesetzbuch, sondern nur im Strafgesetzbuch definiert. Danach handelt vorsätzlich, wer
eine Handlung mit direktem oder bedingtem Vorsatz begeht (vgl. Art. 25 Abs. 1 StGB). Als
mit direktem Vorsatz begangen gilt eine Handlung, wenn eine Person die gesellschaftliche
Gefährlichkeit ihrer Handlungen (Unterlassung) erkannt, die Möglichkeit oder
Unvermeidlichkeit des Eintritts gesellschaftlich gefährlicher Folgen vorausgesehen und ihren
Eintritt gewollt hat (vgl. Art. 25 Abs. 2 StGB). Als mit bedingtem Vorsatz begangen gilt eine
Handlung, wenn eine Person die gesellschaftliche Gefährlichkeit ihrer Handlungen
(Unterlassung) erkannt, die Möglichkeit oder Unvermeidlichkeit des Eintritts gesellschaftlich
gefährlicher Folgen vorausgesehen und diese Folgen nicht gewünscht, jedoch bewusst
zugelassen oder ihnen gleichgültig gegenübergestanden hat (Art. 25 Abs. 3 StGB). Bei der
Fahrlässigkeit wird im Strafgesetzbuch zwischen Leichtfertigkeit und Nachlässigkeit
unterschieden (vgl. Art. 26 Abs. 1 StGB), im Zivilgesetzbuch nur zwischen einfacher und
grober Fahrlässigkeit. Das hat zur Folge, dass die strafrechtlichen Definitionen zur
Fahrlässigkeit ins Zivilrecht übertragen werden können. Die grobe Fahrlässigkeit wird
definiert als unentschuldbare Verletzung einfachster, elementarster Forderungen an die
Sorgfalt und Umsicht, die jedem bekannt sind,156 bzw. als Verletzung der gewöhnlichen, für
alle offensichtlichen Anforderungen, die gegenüber einer Person erhoben werden, die eine
bestimmte Tätigkeit ausführt.157 Nur einfache Fahrlässigkeit liegt vor, wenn eine Person nicht
die Anforderungen beachtet, die ihr gegenüber als bestimmte Person unter Berücksichtigung
ihrer Erfahrungen, ihres Wissens oder ihrer beruflichen Ausbildung erhoben werden.158
Inwieweit die Wettkampfregeln sich auf die Frage des Verschuldens auswirken, wird in der
russischen Rechtwissenschaft nicht näher diskutiert.
153 Vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1988, 1241.154 Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 90.155 Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 91.156 Vgl. Korneev in: Suchanov, Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 381.157 Vgl. Fajzutdinov in: Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodeksu RF časti vtoroj, 3. Aufl. 1999, Anm. 2
zu Art. 1083.158 Vgl. Braginskij in: Sadikov, Graždanskoe pravo, Obščaja čast‘, 1. Aufl. 2001, S. 682; Malein in:
Kalpin/Masljaev, Graždanskoe pravo. Čast pervaja, 2. Aufl. 2002, S. 511.
72
Sowohl in der Russischen Föderation als auch in Deutschland gibt es in speziellen im Gesetz
vorgesehenen Fällen eine Haftung ohne Verschulden (Gefährdungshaftung). Diese
Vorschriften können auch für bestimmte Sportverletzungen von Relevanz sein.
In der Russischen Föderation kann es zu einer Haftung ohne Verschulden kommen, wenn die
Ausübung des Sports eine Quelle erhöhter Gefahr im Sinne des Art. 1079 BGB darstellt. Das
kommt z. B. bei der Haftung für Unfälle im Bereich des Motorsports/Flugsports in Betracht,
da die Nutzung von Kraftfahrzeugen (PKW, Motorräder) und Flugzeugen als das Nutzen von
Beförderungsmitteln in Sinne des Art. 1079 ZGB kraft Gesetzes zu den Quellen erhöhter
Gefahr zählt.
Ob es bei der Ausübung des Reitsports zu einer Haftung ohne Verschulden kommen kann und
ob das Halten von Pferden nach russischem Recht eine Quelle erhöhter Gefahr darstellt, ist
nicht eindeutig. In der Literatur wird immerhin die Auffassung vertreten, dass das Halten
großer Haustiere, die sich im Besitz von Menschen befinden, Quellen erhöhter Gefahr
darstellen sollen.159
Das Ausüben des Schießsportes dürfte wohl eher keine Quelle erhöhter Gefahr darstellen. In
der Literatur wird die Auffassung vertreten, das Schießen aus Jagd-, Gas- oder kleinkalibrigen
Waffen sei keine Quelle erhöhter Gefahr.160
Fraglich ist, ob das Betreiben einer Sportanlage als Quelle erhöhter Gefahr im Sinne des
Art. 1079 ZGB einzuordnen ist. Dazu gibt es leider in der russischen Rechtswissenschaft
keine Anhaltspunkte. In Betracht kommen dürfte dies aber wohl nur ausnahmsweise und nur
dann, wenn von der konkreten Beschaffenheit der Anlage besondere Gefahren ausgehen.
In Deutschland gibt es keine „Generalklausel“ für eine Gefährdungshaftung, sondern nur
einzelne in verschiedenen Gesetzen verstreute Bestimmungen, die eine Haftung ohne
Verschulden vorsehen. Relevant für den Reitsport ist dabei die Tierhalterhaftung in
§ 833 BGB, für den Motorsport § 7 StVG und für den Luftsport § 33 LuftVG.
Das Mitverschulden des Geschädigten ist sowohl nach russischem Recht (Art. 1083 ZGB) als
auch nach deutschem Recht (§ 254 BGB) zu berücksichtigen.
Hat der Geschädigte vorsätzlich gehandelt, ist ein Schadensersatzanspruch nach russischem
Recht völlig ausgeschlossen (Art. 1083 Abs. 1 ZGB). Bei grober Fahrlässigkeit des
Geschädigten muss die Höhe des Schadensersatzes in Abhängigkeit vom Schuldmaß des
Geschädigten herabgesetzt werden. Einfache Fahrlässigkeit des Geschädigten wird nicht 159 Vgl. Fajzutdinov in: Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodesksu Rossijskoj Federacii časti vtoroj, 3.
Aufl. 1999, Anm. 4 zu Art. 1079; Sergeev in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 41.
160 Sergeev in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 41; Em in: Suchanov, Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, Moskau 2000, S. 417; Fajzutdinov in: Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodesksu Rossijskoj Federacii časti vtoroj, 3. Aufl. 1999, Anm. 3 zu Art. 1079.
73
angerechnet. Das Mitverschulden bleibt gemäß Art. 1083 Abs. 2 Satz 4 ZGB
unberücksichtigt, wenn es um den Ersatz zusätzlicher Aufwendungen (Art. 1085) geht, den
Ersatz von Schaden, der im Zusammenhang mit dem Tod des Ernährers zugefügt wurde
(Art. 1089 ZGB) sowie beim Ersatz von Bestattungskosten (Art. 1084 ZGB). Bei einer
Haftung ohne Verschulden und grobe Fahrlässigkeit des Geschädigten kann der
Schadensersatz ganz verweigert werden (Art. 1083 Abs. 2 Satz 2 ZGB), allerdings gilt das
nicht für Körperverletzungen (Art. 1083 Abs. 2 Satz 3 ZGB). Daher ist diese Vorschrift für
Sportverletzungen irrelevant.
In Deutschland gibt es keine vergleichbaren Regelungen. § 254 BGB bestimmt vielmehr, dass
bei einem Mitverschulden des Geschädigten die Verpflichtung zum Ersatz sowie des
Umfangs des zu leistenden Ersatzes von den Umständen abhängt, inwieweit der Schaden
vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Bestimmung
des Umfangs des Mitverschuldens ist somit nach deutschem Recht eine konkrete
Einzelfallbetrachtung.
6. Haftungsausfüllende Kausalität
Im deutschen Recht wird klar zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender
Kausalität unterschieden.
Im russischen Recht wird ebenfalls eine haftungsausfüllende Kausalität, d. h. ein
Zusammenhang zwischen rechtswidrigem Verhalten des Schädigers und den Schadensfolgen
verlangt. Bei Schäden an Leben und Gesundheit (und somit auch bei Sportverletzungen) wird
ausdrücklich zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität
unterschieden: Es muss ein Kausalzusammenhang zwischen Handlung des Schädigers und der
Gesundheitsschädigung und ein Zusammenhang zwischen der Gesundheitsschädigung und
dem geltend gemachten Vermögensschaden bestehen.161
7. Schadenshöhe
Sowohl in Deutschland als auch in der Russischen Föderation kommt bei Sportverletzungen
sowohl der Ersatz materieller als auch der Ersatz immaterieller Schäden in Betracht.
a) Ersatz des materiellen Schadens:
161 Vgl. die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation in: Bjuleten‘ Verchovnogo Suda Rossiskoj Federacii 1993, Nr. 8, S. 4; Fajzutdinov in: Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodesksu Rossijskoj Federacii časti vtoroj, 3. Aufl. 1999, Anm. 6 zu Art. 1064; Sergeev in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 47.
74
In der Russischen Föderation besteht der Grundsatz des vollen Schadensersatzes (Art. 15,
1064 Abs. 1 Satz 1 ZGB). In Deutschland bestimmt § 249 BGB, dass der Schädiger den
Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand
nicht eingetreten wäre. Der Geschädigte muss somit sowohl nach deutschen als auch nach
russischem Recht grundsätzlich so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis
dastünde.
Das russische Recht (Art. 1082 ZGB) sowie das deutsche Recht (§ 249 BGB) kennen sowohl
den Schadensersatz in natura als auch den Ersatz zugefügter Schäden in Geld. In der
Russischen Föderation kommt aber bei Verletzung von Leben und Gesundheit ein
Schadensersatz in natura nicht in Betracht (auch wenn der Schädiger Arzt ist), es sei denn, der
Geschädigte stimmt dem zu.162 In Deutschland bestimmt § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB
ausdrücklich, dass im Falle der Verletzung einer Person der Gläubiger statt der Herstellung
den erforderlichen Geldbetrag verlangen kann.
In der Russischen Föderation gibt es bei Schäden an Leben und Gesundheit in den Art. 1085-
1094 ZGB ausführliche Sonderregelungen zur Höhe des Schadensersatzes. Dies ist historisch
bedingt; bereits in der UdSSR gab es ähnlich detaillierte Regelungen hierüber. Der Grund
dafür bestand vermutlich darin, dass in der UdSSR die Zahlung eines Schmerzensgeldes
gesetzlich nicht vorgesehen war.163 Daher gab es zumindest umfangreiche Regelungen
hinsichtlich des Ersatzes materieller Schäden, bei Schäden an Leben und Gesundheit, damit
zumindest in dieser Hinsicht der Geschädigte einen umfangreichen Schadensersatz erhält.
In Deutschland gelten auch hinsichtlich des Ersatzes materieller Schäden bei Schäden an
Leben und Gesundheit die allgemeinen Vorschriften der §§ 249-252 BGB, die auch für den
Ersatz aller anderen materiellen Schäden gelten. Zusätzlich gibt es einige Sonderregelungen,
nämlich in § 842 BGB (Ersatz von Nachteilen für den Erwerb und das Fortkommen einer
verletzten Person), in § 843 BGB (Geldrente oder Kapitalabfindung bei Minderung der
Erwerbsfähigkeit infolge einer Verletzung von Körper oder Gesundheit) und in
§§ 844, 845 BGB (Ersatzansprüche Dritter bei Tötung).
In der Russischen Föderation ist genau in den Art. 1085 ff. ZGB aufgezählt, welche
materiellen Schäden bei Körperverletzungen zu ersetzen sind. In Deutschland gibt es
hingegen nur einige grundsätzliche Regenlungen in den §§ 249, 842 ff. BGB. Die
Einzelheiten dazu, welche materiellen Schäden bei Körperverletzungen zu ersetzen sind,
wurden hingegen durch die Rechtsprechung der deutschen Gerichte herausgearbeitet.
162 Vgl. Korneev in Suchanov, Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 396.163 Vgl. die Einzelheiten zur gesetzlichen Entwicklungsgeschichte bei Wölk, Das Deliktsrecht Russlands nach
dem neuen Zivilgesetzbuch, Frankfurt am Main 2003, S. 275 ff.
75
In der Russischen Föderation sind nach Art. 1085 Abs. 1 ZGB folgende Schäden bei
Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen ersatzfähig:
- Der Verdienst/das Einkommen, den/das der Geschädigte bezogen hatte oder mit
Sicherheit in Zukunft hätte erhalten können, wenn der Geschädigte infolge der
Gesundheitsschädigung nicht mehr in der Lage ist, seine frühere Tätigkeit oder seine
bisherige Arbeit auszuüben. Auch entfallendes Einkommen aus unternehmerischer
Tätigkeit wird ersetzt.
Auch in Deutschland sind der Erwerbsminderungsschaden und der Schaden, der durch
Erschwerung des Fortkommens entstanden ist, zu ersetzen. Dazu gehört künftiger
Verdienst, sofern davon auszugehen ist, dass der Geschädigte diesen hätte erzielen
können.164 Nachteile für den Erwerb und das Fortkommen des Geschädigten sind bei
Körperverletzungen nach § 842 BGB zu ersetzen. Das erfordert eine Prognose des
Gerichts, gegebenenfalls hat das Gericht den Schaden nach § 287 ZPO zu schätzen.165
Nach § 252 BGB ist auch der entgangene Gewinn ersatzfähig, was insbesondere bei
unternehmerischer Tätigkeit des verletzten Sportlers von Relevanz ist. In Deutschland
besteht allerdings eine Pflicht zur Schadensminderung: Der Verletzte muss sich zur
Minderung des Schadens, z.B. angemessener ärztlicher Hilfe bedienen und alles tun,
um seine Erwerbsfähigkeit widerherzustellen.166
- Zur Höhe des zu ersetzenden ausgefallenen Verdienstes/Einkommens gibt es in der
Russischen Föderation in Art. 1086 Abs. 1 ZGB eine gesetzliche Regelung. Die Höhe
des ausgefallenen Verdienstes/Einkommens wird in Prozent nach dem
durchschnittlichen Monatsverdienst (Einkommen) vor der Körperverletzung oder
Gesundheitsschädigung oder vor Verlust der Erwerbsfähigkeit berechnet,
entsprechend dem Grad der durch den Geschädigten eingebüßten Erwerbsfähigkeit.
Wie ein durchschnittlicher Monatsverdienst zu berechnen ist, ist in
Art. 1086 Abs. 2 ZGB geregelt. Einzubeziehen sind alle einkommensteuerpflichtigen
Arten von Arbeitsvergütung und zwar aus der hauptberuflichen und der
nebenberuflichen Tätigkeit. Nicht mit einzubeziehen sind hingegen einmalige
Zahlungen wie Kündigungsabfindungen oder Abfindungen für nicht genommenen
Urlaub. Leistungen für zeitweilige Arbeitsunfähigkeit oder Schwangerschafts- und
Mutterschaftsurlaub werden hingegen berücksichtigt. Der durchschnittliche
164 Vgl. Palandt-Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 252 Rn. 8.165 BGH NJW 1998, 1633; NJW 2000, 3287.166 Vgl. Palandt-Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 254 Rn. 38.
76
Monatsverdienstes/das durchschnittliche Monatseinkommen wird dadurch berechnet,
dass der Verdienst/das Einkommen der letzten zwölf Monate durch zwölf geteilt wird.
Falls der Geschädigte nicht zwölf Monate lang beschäftigt war, wird die tatsächliche
Beschäftigungszeit herangezogen (Art. 1086 Abs. 3 ZGB). Falls der Geschädigte
keiner Beschäftigung nachgegangen ist, ist der Verdienst vor der Kündigung der
letzten Arbeitsstelle oder die ortsübliche Vergütung eines Arbeitnehmers dieser
Qualifikation oder mindestens das Fünffache des gesetzlichen Mindestarbeitslohns,
mindestens jedoch das gesetzlich festgelegte Existenzminimum der arbeitsfähigen
Bevölkerung der Russischen Föderation zugrunde zu legen (Art. 1086 Abs. 4 ZGB).
Diese Vorschrift dürfte insbesondere bei Sportlern relevant sein, die weder mit dem
Sport noch anderweitig ein Einkommen erzielen.
Hat sich vor der Körperverletzung der Verdienst/das Einkommen dauerhaft verbessert
(z. B. durch Gehaltserhöhung, Beförderung, Abschluss eines Studiums), ist nur das
Einkommen nach der Verbesserung zugrunde zu legen (Art. 1086 Abs. 5 ZGB).
In Deutschland gibt es hingegen keine gesetzlichen Regeln zur Berechnung des
Verdienstausfalls bzw. des entfallenen Einkommens. Dieser (dieses) wird vielmehr
konkret im Einzelfall berechnet. Dabei sind ersparte Aufwendungen (bei Sportlern
z.B. für Fahrten zum Training oder Wettkämpfen, Trainingskosten) gegenzurechnen.
- Nach Art. 1085 Abs. 2 Satz 1 ZGB werden Renten, Beihilfen etc., die der
Geschädigte im Zusammenhang mit der Körperverletzung erhalten hat, nicht mit
berücksichtigt und ziehen keine Minderung des Schadensersatzes nach sich. Auch
nicht berücksichtigt wird der Verdienst (das Einkommen), das der Geschädigte
nach der Gesundheitsschädigung erhält (Art. 1085 Abs. 2 Satz 2 ZGB). Damit ist
nicht das Einkommen gemeint, dass der Geschädigte mit seiner verbliebenen
Berufsfähigkeit erzielen könnte, sondern welches er tatsächlich erzielt. Wenn ein
Geschädigter aufgrund eines Berufswechsels mehr verdient als vor der
Gesundheitsschädigung, beeinflusst das daher die Höhe des zu ersetzenden Schadens
nicht.167
In Deutschland ist es hingegen so, dass bei der Zahlung von Renten,
Versicherungssummen etc. die Forderung des Geschädigten gegen den Schädiger in
der Regel in Höhe des gezahlten Betrages auf den Sozialversicherungsträger168 oder
167 Vgl. Sergeev in Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 50.168 Vgl. § 116 SGB X.
77
die Versicherung übergeht, die dann den Schaden in Höhe des gezahlten Betrages
gegen den Schädiger geltend machen können.
Der nach Art. 1086 Abs. 2-5, 1085 Abs. 2 ZGB ermittelte Monatsverdienst ist sodann
zum Grad des Verlustes der Berufsunfähigkeit bzw. der allgemeinen Erwerbsfähigkeit
in Relation zu setzen. Wenn der Geschädigte nur zeitweise erwerbsunfähig ist, wird
der Verdienst nur in diesem Zeitraum ersetzt.169
In Deutschland gibt es keine vergleichbaren gesetzlichen Regelungen. Die Höhe des
Verdienstausfalles orientiert sich vielmehr an den konkreten Einbußen.
Nach Art. 1085 Abs. 1 ZGB sind auch durch die Gesundheitsschädigung bedingten
zusätzlichen Aufwendungen zu ersetzen, wie medizinische Behandlung, zusätzliche
Ernährung, Erwerb von Arzneimitteln, Versorgung mit Prothesen, Fremdpflege,
Kurbehandlung, Anschaffung von Sonderfahrzeugen, Umschulung auf einen anderen
Beruf, wenn festgestellt wird, dass der Geschädigte dieser Art von Hilfe und Pflege
bedarf und keinen Anspruch auf deren kostenlose Gewährung hat. In
Art. 1085 Abs. 1 ZGB sind dabei nur Beispiele genannt, es handelt sich um keine
abschließende Aufzählung der zu ersetzenden zusätzlichen Aufwendungen.170
Auch in Deutschland sind die Kosten für Heilung und Pflege sowie die Kosten für
vermehrte Bedürfnisse zu ersetzen, gegebenenfalls auch Fahrtkosten von
Angehörigen, um den Geschädigten im Krankenhaus zu besuchen, Aufwendungen für
die berufliche Rehabilitation oder die Umschulung. Eine besondere gesetzliche
Regelung darüber gibt es nicht, vielmehr ergibt sich dies unmittelbar aus § 249 BGB.
Zudem sieht § 843 Abs. 1 BGB vor, dass u. a. bei Vermehrung der Bedürfnisse des
Geschädigten eine Geldrente oder ggf. eine Kapitalabfindung zu zahlen ist.
Besonderheiten des Schadensersatzes bei Schädigung der Gesundheit von Minderjährigen
werden in der Russischen Föderation in Art. 1087 ZGB geregelt. Minderjährige bis 14 Jahre
erhalten neben den in Art. 1085 Abs. 1 ZGB vorgesehenen zusätzlichen Aufwendungen
weitere ersetzt, z. B. die für häusliche Lehrmaterialien (vgl. Art. 1087 Abs. 1 ZGB).
Minderjährige im Alter von 14 bis 18 Jahren erhalten den ihnen entstandenen Verdienstausfall
ersetzt, wenn sie arbeiten. Diese Regelung dürfte für junge Profisportler von Bedeutung sein.
Ersetzt wird der tatsächliche Verdienstausfall. Aber auch dann, wenn Minderjährige im Alter
von 14-18 Jahren nicht arbeiten, wird ihnen der Erwerbsschaden ersetzt, weil davon
ausgegangen wird, dass sie arbeiten könnten. Es ist in diesem Fall das Fünffache des
169 Vgl. Sergeev in Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 49.170 Vgl. Sergeev in Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 51.; Suchanov, Graždanskoe
pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 430.
78
gesetzlich festgelegten Mindestarbeitslohns bzw. die Höhe des Existenzminimums der
arbeitsfähigen Bevölkerung der Russischen Föderation zu zahlen (Art. 1087 Abs. 2 ZGB).
Nach Beginn einer Erwerbstätigkeit können minderjährige Verletzte unter den
Voraussetzungen des Art. 1087 Abs. 4 ZGB eine Erhöhung des Verdienstausfallschadens
verlangen.
In Deutschland wird Minderjährigen ein Verdienstausfall ersetzt, wenn die Minderjährigen
tatsächlich ein eigenes Einkommen hatten. Bei Verletzungen vor Eintritt in das Berufsleben
ist nach § 287 ZPO zu schätzen, wie der berufliche Weg des Verletzten nach seinen
persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften voraussichtlich verlaufen wäre.171 Zusätzliche
Aufwendungen werden Minderjährigen in Deutschland ebenfalls ersetzt, wenn diese z. B. für
die Ausbildung des Minderjährigen erforderlich sind.
Sowohl das deutsche als auch das russische Recht sehen bei Verletzungen oder Tötungen
unter bestimmten Voraussetzungen auch Ansprüche Dritter auf Schadensersatz vor.
Stirbt ein Sportler an der ihm zugefügten Sportverletzung, können nach russischem Recht die
in Art. 1088 ZGB genannten Personen Schadensersatz verlangen. Zu diesem Personenkreis
gehören Nichterwerbsfähige, denen gegenüber der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes
unterhaltspflichtig war, Kinder, die nach dem Tod des Verstorbenen geboren wurden,
Familienangehörige, die minderjährige oder pflegebedürftige Kinder, Enkel und Geschwister
des Verstorbenen betreuen sowie Personen, die vom Verstorbenen Unterhalt bezogen haben
und innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod erwerbsunfähig geworden sind. Zeitlich
begrenzt wird die Verpflichtung durch Art. 1088 Abs. 2 ZGB: Danach erhalten Unterhalt:
- Minderjährige bis zum Alter von 18 Jahren,
- Schüler und Studenten bis zum Abschluss der Ausbildung, aber nicht länger als bis
zum 23. Lebensjahr,
- Frauen über 55 und Männern über 60 auf Lebenszeit,
- Behinderte im gesamten Zeitraum der Behinderung,
- Betreuende bis der Betreute 14 Jahre wird oder sich sein Gesundheitszustand ändert.
Die Höhe des Schadensersatzes wird nach Art. 1086 ZGB berechnet (vgl. Art. 1089 Abs. 1
ZGB). Die Gläubiger sollen jeweils den Anteil des monatlichen Verdienstes (Einkommens)
des Getöteten erhalten, der ihnen zu Lebzeiten des Getöteten zustand. Bestimmte Anteile
(etwa der Eigenanteil des Verstorbenen) sind dabei aus dem Verdienst (dem Einkommen) des
Getöteten herauszurechnen. Art. 1089 Abs. 3 ZGB schreibt eine Neuberechnung des zu
zahlenden Schadensersatzes vor, wenn sich die Zahl der Gläubiger erhöht oder verringert.171 Vgl. BGH, NJW 2011, 1148.
79
Zu ersetzen sind vom Schädiger zudem die Bestattungskosten (Art. 1094 ZGB).
In Deutschland hat bei der Tötung eines Sportlers der Ersatzpflichtige die Beerdigungskosten
nach § 844 BGB zu tragen. Unterhaltsberechtigte des Getöteten können nach § 844 Abs. 2
BGB Schadensersatz verlangen, und zwar eine Geldrente für den Zeitraum, für den der
Getötete während seines mutmaßlichen Lebens dem Unterhaltsberechtigten hätte Unterhalt
zahlen müssen. Die Regelung gilt auch für Kinder, die zum Zeitpunkt der Verletzung/Tötung
des Sportlers gezeugt, aber nicht geboren waren.
§ 845 BGB sieht einen weiteren Anspruch auch Schadensersatz im Falle einer Tötung, aber
auch im Fall einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung vor, den das russische
Recht nicht kennt, nämlich den Ersatzanspruch wegen entgangener Dienste
(Haushaltsführungsschaden), wenn der Geschädigte einem Dritten zur Leistung von
Diensten in dessen Hauswesen oder Gewerbe verpflichtet war.
Die Höhe des nach russischem Recht zu zahlenden Schadensersatzes nach Art. 1085 ZGB
kann durch Gesetz oder Vertrag erhöht werden, Art. 1085 Abs. 3 ZGB. In Deutschland ist das
selbstverständlich ebenfalls der Fall, auch wenn das nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt
wird.
In der Russischen Föderation kann die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes unter den
Voraussetzungen des Art. 1090 ZGB nachträglich geändert werden. Der Geschädigte kann
eine Änderung verlangen, wenn sich seine Erwerbsfähigkeit verringert (Art. 1090 Abs. 1
ZGB). Der Schädiger kann eine Änderung verlangen, wenn sich die Erwerbsfähigkeit des
Geschädigten verbessert hat (Art. 1090 Abs. 2 ZGB).
In Deutschland ist die Änderung der Höhe eines durch Gerichtsurteil zugesprochenen
materiellen Schadensersatzes grundsätzlich wegen materieller Rechtskraft von Urteilen nicht
möglich. Allerdings kann der Verurteilte unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO (bei
Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen tritt eine wesentliche Veränderung der
Verhältnisse ein) eine Abänderungsklage erheben. Wenn der Geschädigte während des
laufenden Schadensersatzprozesses noch nicht absehen kann, ob ihm künftig weitere Schäden
wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes entstehen werden, kann er einen
Antrag auf Feststellung der Verpflichtung des Schädigers stellen, dass dieser dem
Geschädigten künftige materielle Schäden zu ersetzen hat, wenn sich sein (des Geschädigten)
Gesundheitszustand verschlechtert.
In der Russischen Föderation sieht Art. 1091 ZGB eine Indexierung des Schadensersatzes bei
Steigerung der Lebenshaltungskosten vor, und zwar proportional zur Steigerung des
gesetzlich festgelegten Existenzminimums in dem entsprechenden Subjekt der Russischen
80
Föderation.
In Deutschland gibt es kein gesetzlich festgelegtes Verfahren für eine Berücksichtigung der
Steigerung der Lebenshaltungskosten bei Ermittlung der Höhe des zu zahlenden
Schadensersatzes. Eine Steigerung der Lebenshaltungskosten muss von den Gerichten
allerdings bei in der Festlegung von in Zukunft wiederkehrenden Leistungen berücksichtigt
werden.
In der Russischen Föderation kann bei der Bestimmung der Schadenshöhe auch die
Vermögenslage des Schädigers berücksichtigt werden und zu einer Herabsetzung der Höhe
des Schadensersatzes führen. Das ist jedoch bei vorsätzlich zugefügten Sportverletzungen
ausgeschlossen (Art. 1083 Abs. 3 ZGB). Diese Vorschrift könnte bei Sportverletzungen etwa
dann zum Tragen kommen, wenn der Schädiger ein vermögensloser Amateursportler ist,
dagegen nicht, wenn es sich um gutbezahlte Profisportler handelt. Es kann aber nachträglich
vom Geschädigten eine Erhöhung verlangt werden, wenn sich die Vermögenslage des
Schädigers verbessert hat (vgl. Art. 1090 Abs. 3 ZGB). Der Schädiger kann eine nachträgliche
Herabsetzung der Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes verlangen, wenn sich seine
Vermögenslage wegen Behinderung oder Eintritt in das Rentenalter verschlechtert hat
(vgl. Art. 1090 Abs. 4 ZGB).
In Deutschland gibt es keine vergleichbare Regelung über die Berücksichtigung der
Vermögenslage des Schädigers. Es gibt nur eine Billigkeitshaftung, wenn der Schaden von
einer nicht deliktsfähigen Person zugefügt wurde, kein Ersatz von einem Aufsichtspflichtigen
erlangt werden kann und der Schädiger über entsprechende Geldmittel verfügt
(vgl. § 829 BGB).
In der Russischen Föderation wird der Schadensersatz aufgrund einer Minderung der
Erwerbstätigkeit oder des Todes des Geschädigten grundsätzlich monatlich ausgezahlt (vgl.
Art. 1092 Abs. 1 Satz 1 ZGB). Aus wichtigen Gründen und unter Berücksichtigung der
Möglichkeiten des Schädigers kann auf Verlangen des Anspruchsberechtigten die Auszahlung
des Schadensersatzes in Form eines Gesamtbetrages aus monatlichen Zahlungen für
höchstens drei Jahre vom Gericht beschlossen werden (vgl. Art. 1092 Abs. 1 Satz 2 ZGB). In
Betracht kommt das z. B. bei einem Umzug des Schädigers ins Ausland oder einer
schwierigen Vermögenslage des Geschädigten.172 Nach der einmaligen Zahlung für drei Jahre
sind weitere monatliche Zahlungen möglich.173 Der Ersatz von zusätzlichen Aufwendungen
kann vom Gericht ebenfalls für die Zukunft beschlossen werden (vgl. Art. 1092 Abs. 2 ZGB).
172 Vgl. Sergeev in Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 56.173 Vgl. Gljancev in Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodeksu RF časti vtoroj, 3. Aufl. 1999, Anm. 2 zu
Art. 1092.
81
In Deutschland ist dann, wenn wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die
Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert wird oder eine Vermehrung
seiner Bedürfnisse eingetreten ist, gemäß § 843 BGB grundsätzlich eine monatliche
Geldrente (gemäß § 760 BGB im Voraus) zu zahlen. Bei Vorliegen eines wichtigen
Grundes kann der Geschädigte gemäß § 843 Abs. 3 BGB eine Abfindung in Kapital
verlangen.
b) Ersatz des immateriellen Schadens:
Im ZGB der Russischen Föderation befinden sich in Art. 12 und 151 allgemeine sowie in den
Art. 1099-1101 spezielle Vorschriften für das Deliktsrecht, die den Ersatz des sogenannten
„moralischen Schadens“ regeln. Der immaterielle (moralische) Schaden wird in Art. 151 ZGB
als „körperliche und seelische Leiden“ definiert. Ein immaterieller Schaden dürfte daher
grundsätzlich bei allen Arten von Sportverletzungen zu ersetzen sein.
Im deutschen BGB ist in § 253 Abs. 2 folgende Regelung enthalten: Ist wegen der Verletzung
des Körpers, der Gesundheit u. a. Schadenersatz zu leisten, kann neben dem Schaden, der
nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. Somit sind
auch in Deutschland immaterielle Schäden im Zusammenhang mit Sportverletzungen
grundsätzlich zu ersetzen.
In der Russischen Föderation wird der immaterielle Schaden unabhängig vom materiellen
Schaden ersetzt (Art. 1099 Abs. 3 ZGB). Es handelt sich um prozessual getrennte Ansprüche.
Auch die Höhe des immateriellen Schadens ist unabhängig von der Höhe des materiellen
Schadens.
In Deutschland ist die Höhe des immateriellen Schadens ebenfalls unabhängig von der Höhe
des materiellen Schadens. In der Gerichtspraxis werden materielle und immaterielle
Ansprüche durch separate Klageanträge geltend gemacht.
Immaterielle Schäden werden sowohl in der Russischen Föderation (vgl. Art. 1101 ZGB) als
auch in Deutschland (vgl. § 253 Abs. 2 BGB) in Geld ersetzt.
In der Russischen Föderation setzt der Ersatz des immateriellen Schadens grundsätzlich ein
Verschulden (also Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schädigers) voraus. Der immaterielle
Schaden ist aber gemäß Art. 1100 ZGB bei Körperverletzungen oder im Falle des Todes (also
auch bei Sportverletzungen) unabhängig vom Verschulden des Schädigers zu zahlen, wenn er
von einer Quelle erhöhter Gefahr verursacht wurde.
In Deutschland war die Vorschrift des § 847 BGB a.F., der bis zum Inkrafttreten des
§ 253 BGB n.F. die Zahlung von Schmerzensgeld regelte, nicht auf
82
Gefährdungshaftungstatbestände außerhalb des BGB anwendbar, sondern nur im
Zusammenhang mit der Haftung nach den §§ 823 ff. BGB. Im Jahr 2002 wurden die
Spezialgesetze über die Gefährdungshaftung aber dahingehend geändert, dass jetzt auch bei
immateriellen Schäden eine billige Entschädigung in Geld verlangt werden kann.
In der Russischen Föderation können Angehörige eines Geschädigten (insbesondere eines
Getöteten) einen eigenen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 151 ZGB
haben, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind, also das psychische Wohlergehen und
damit die Gesundheit des Angehörigen beeinträchtigt ist.174 Dies wird bereits bei einer
Beeinträchtigung der familiären Beziehungen und einer Beeinträchtigung des Rechts auf
elterliche Sorge angenommen.175 In Deutschland ist nahen Angehörigen eines
Verletzten/Getöteten der immaterielle Schaden auch nur dann zu ersetzen, wenn der Körper
oder die Gesundheit des Angehörigen aufgrund der Verletzung (des Todes) des Angehörigen
beeinträchtigt ist, etwa wenn ein Angehöriger den Tod des Geschädigten miterlebt hat oder
bei Erhalt der Todesnachricht einen Schock erleidet.176 Allein eine Beeinträchtigung der
familiären Beziehungen ist in Deutschland nicht ausreichend, wenn ein Angehöriger einen
eigenen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden geltend machen möchte.
Die Höhe des Ersatzes immaterieller Schäden:
Gesetzliche Vorgaben für die Höhe des immateriellen Schadensersatzes (Schmerzensgeld)
gibt es im sowohl im russischen als auch im deutschen Recht nicht. Die ziffernmäßige Höhe
muss von Fall zu Fall vom Gericht nach billigem Ermessen bestimmt werden.
In der Russischen Föderation werden allerdings in Art. 1101 und Art. 151 ZGB Kriterien
genannt, an denen sich die Höhe des Ersatzes von immateriellen Schäden orientieren soll.
Gemäß Art. 1101 Abs. 2 ZGB sind folgende Kriterien zu beachten:
Art des dem Geschädigten zugefügten körperlichen und seelischen Leids. Auch in
Deutschland ist in erster Linie die Schwere der Verletzung von Bedeutung. Die Art,
der Umfang und die Dauer der Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen
Wohlbefindens und die (Dauer-)Folgen für die Gesundheit sind für den Geschädigten
entscheidend. Maßgeblich sind die Größe, die Dauer, die Heftigkeit der Schmerzen,
Leiden, Entstellungen, die Dauer der Heilbehandlung, die Dauer der
Arbeitsunfähigkeit, die Unübersehbarkeit des Krankheitsverlaufs, die Fragwürdigkeit
der endgültigen Heilung, aber auch das Ausmaß und die Schwere von psychischen
174 Vgl. Punkt 2 des Beschlusses Nr. 10 des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation vom 20.12.1994, Bjuleten‘ Verchovnogo Suda Rossijskoj Federacii 1995, Nr. 3, S. 9; Ėrdelevskij, Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 102 ff.
175 Vgl. Ėrdelevskij, Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 104.176 Vgl. Palandt-Grüneberg, 72. Aufl. 2013, vor § 249 Rn. 40.
83
Störungen. Bei schnell ausgeheilten Sportverletzungen ist der immaterielle Schaden
daher deutlich geringer als bei Verletzungen mit Dauerfolgen.
Hinsichtlich des genauen Betrages, den es für die jeweiligen Verletzungen gibt, gibt es
in Deutschland umfangreiche Schmerzensgeldtabellen177, in denen aufgeführt ist, in
welcher Höhe Gerichte für welche Verletzungen welchen Betrag zuerkannt haben. In
Russland ist Vergleichbares noch nicht entwickelt worden. In der Literatur gibt es aber
Tabellen (zum Beispiel die von Erdelevskij178), in denen Beispiele genannt werden, für
welche Art von Verletzung in welcher Höhe der immaterielle Schaden zu ersetzen ist.
Die Bemessung erfolgt dabei in Mindestarbeitslöhnen und nicht in festen Beträgen,
zum Beispiel: Zufügung eines schweren Gesundheitsschadens 576
Mindestarbeitslöhne, Zufügung eines mittelschweren Gesundheitsschadens 216
Mindestarbeitslöhne, Zufügung eines leichten Gesundheitsschadens 24
Mindestarbeitslöhne, Zufügung von Schlägen (ohne Gesundheitsschaden) 18
Mindestarbeitslöhne. Insgesamt dürften die Beträge, die in der Russischen Föderation
als Ersatz immaterieller Schäden zugesprochen werden, unter den in Deutschland
üblichen Beträgen liegen.
Sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht können auch zukünftige
Leiden berücksichtigt werden, die der Verletzte wahrscheinlich durchmachen wird. 179
Wenn die Schadensersatzpflicht vom Verschulden abhängt, ist außerdem das
Schuldmaß des Schädigers bei der Höhe des Ersatzes des immateriellen Schadens zu
berücksichtigen. Wenn zum Beispiel ein Sportler seinen Gegner vorsätzlich und unter
Verstoß gegen die Regeln kampfunfähig macht, muss der Ersatz des immateriellen
Schadens höher ausfallen, als wenn die Verletzung nur auf ein fahrlässig regelwidriges
Verhalten zurückzuführen ist. Das Ausmaß des Verschuldens kann in Deutschland
ebenfalls bei der Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes mitberücksichtigt
werden.180
Grundsätze der Angemessenheit und der Gerechtigkeit: Diese Grundsätze dürften
in Deutschland ebenso maßgeblich sein. Gesetzlich ist das in Deutschland in
§ 253 Abs. 2 BGB mit den Worten „billige Entschädigung“ verankert.
Tatsächliche Umstände, unter denen der Schaden zugefügt wurde: In diesem
Bereich können Besonderheiten des Sports berücksichtigt werden, etwa der Umstand, 177 Hacks, Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, 31. Aufl. 2012; Slizyk, Beck‘sche Schmerzensgeldtabelle,
9. Auf. 2013; Slizyk/Schlindwein, Schmerzensgeld-Datenbank.178 Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 195 ff.179 Vgl. für das russische Recht: Suchanov, Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 431;
Ramzaev in Cybulenko, Graždanskoe pravo Rossii. Čast pervaja, 1. Aufl. 2000, S. 164.180 Vgl. Palandt-Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 253 Rn. 17.
84
dass sich der Geschädigte durch die Teilnahme am Sport bestimmten Risiken
ausgesetzt hat. In Deutschland könnte das ebenfalls bei der Bemessung des
Schmerzendgeldes berücksichtigt werden.
Individuelle Besonderheiten des Geschädigten: Hierzu zählen zum Beispiel das
Alter, das Geschlecht und der Gesundheitszustand des Geschädigten.181 Inwieweit
auch die individuelle Psyche des Geschädigten, also z. B. eine besondere
Empfindlichkeit des Verletzten, darunter fällt, ist umstritten.182 Bei Sportverletzungen
könnte hier u. U. berücksichtigt werden, dass für einen Sportler die Gesundheit
besonders wichtig ist und Beeinträchtigungen einen Sportler (insbesondere einen
erfolgreichen Sportler) härter treffen als andere Personen.
In Deutschland dürfte man zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Bei Leistungssportlern
könnte sich auch auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirken, dass für diese die
Gesundheit besonders wichtig ist und sie durch lange Verletzungspausen erheblich in
ihrem Fortkommen beeinträchtigt werden. Übertriebene individuelle
Empfindlichkeiten müssen nach deutschem Recht hingegen außer Betracht bleiben.
Berücksichtigt werden können auch folgende Kriterien:
- Sonstige erörterungswürdige Umstände (vgl. Art. 151 ZGB): Was damit gemeint
ist, ist unklar. Die „sonstigen Umstände“ können auch im Zusammenhang mit der
Frage der Angemessenheit berücksichtigt werden.
- Vermögenslage des Geschädigten: Inwieweit die Vermögenslage des Geschädigten
zu berücksichtigen ist, ist in der russischen Rechtswissenschaft umstritten. Erwogen
wird dies teilweise nur bei Verletzung von Vermögensrechten, bei Körperverletzungen
hingegen abgelehnt, wobei zutreffend darauf verwiesen wird, dass es die Prinzipien
der Angemessenheit und Gerechtigkeit verletzt, wenn ein Geschädigter, der über mehr
Geld verfügt, einen höheren Ersatz des immateriellen Schaden bekommen soll als ein
Geschädigter, der ein geringeres Vermögen hat. Nur die Vermögenslage des
Schädigers darf nach Art. 1083 Abs. 3 ZGB berücksichtigt werden.183 Nach anderer
Ansicht soll auch bei Körperverletzungen die Vermögenslage des Geschädigten
berücksichtigt werden können, weil bei einer Person mit einem hohen Einkommen ein
größerer Betrag notwendig sei, um die erlittenen körperlichen und seelischen Leiden
zu kompensieren.184 In Deutschland ist davon auszugehen, dass besonders günstige
181 Vgl. Ėrdelevskij, Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 180.182 Dafür z. B. Uskov, Rossijskaja Justicija 2000, Nr. 12, S. 25, dagegen z. B. Gavrilov, Rossijskaja Justicija
2000, Nr. 6, S. 22.183 Vgl. Erdelevskij, Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 204 ff.184 Vgl. Uskov, Rossijskaja Justicija 2000, Nr. 12, S. 25.
85
oder ungünstige Vermögensverhältnisse des Verletzten keinen Grund darstellen, das
Schmerzensgeld zu erhöhen oder zu mindern.185
Das Mitverschulden des Geschädigten ist auch beim Ersatz immaterieller Schäden sowohl
im russischen Recht nach den Regeln des Art. 1083 ZGB als auch im deutschen Recht nach
§ 254 BGB zu berücksichtigen.
185 Vgl. Palandt-Gründeberg, 72. Aufl. 2013, § 253 Rn. 16.
86
Sportschiedsgerichtsbarkeit: Tendenzen und Erfahrungen im östlichen Europa
RA Prof. Dr. Martin Schimke, LL.M. (Leuven), DüsseldorfDie Olympischen Spiele in London vor der „Ad-Hoc-division“ des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs (CAS)186
I. Wesen und Geschichte des CAS und seiner Ad-Hoc-division
Vor dem Hintergrund der stetig voranschreitenden Professionalisierung des Sports und der
damit einhergehenden erheblichen Zunahme sportrechtlicher Streitigkeiten stieß der damalige
Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Juan Antonio Samaranch, im
Jahr 1981 die Diskussion über die Errichtung eines dauerhaften internationalen
Schiedsgerichts für den Sport an. Eine vom IOC eingesetzte Arbeitsgruppe arbeitete in der
Folge einen Entwurf aus, der auf ein flexibles, schnelles und kostengünstiges Schiedsgericht
mit sportspezifischer Expertise abzielte. Der Entwurf wurde 1983 vom IOC ratifiziert und trat
1984 in Kraft - die Geburtsstunde des CAS. Der erhebliche Einfluss des IOC auf den Inhalt
der CAS-Statuten und auf die Nominierung der Schiedsrichter sowie die Finanzierung aus
IOC-Mitteln setzten den CAS scharfer Kritik aus und führten letztlich infolge eines Urteils
des Schweizer Bundesgerichts im März 1993 (Rechtssache „Gundel“) zu einer
einschneidenden Reform des CAS, die die Unabhängigkeit des Gerichts gegenüber dem IOC
stärkte und im November 1994 in Kraft trat.187 Seither entsprechen die Statuten des CAS den
Anforderungen eines sog. „echten“ Schiedsgericht188, insbesondere dem Neutralitätsgebot.
Seit 1996 werden für Olympische Spiele sogenannte ad-hoc-Schiedsgerichte des CAS
gebildet, die für bestimmte, vor und während dieser Veranstaltung auftretende,
Rechtsstreitigkeiten zuständig sind. Ziel dieses ad-hoc-Schiedsgerichts ist es
Olympiateilnehmern vor Ort eine Schiedsinstanz zu bieten, die Streitigkeiten sofort -
innerhalb von 24 Stunden - und abschließend entscheidet.189 Das ad-hoc-Schiedsgericht
unterliegt eigenen Regeln.190 Danach ist es zuständig bei jeglicher Art von Streitigkeiten, die
von der Olympischen Charta umfasst sind, sofern sie während der Olympischen Spiele oder
186 Tribunal Arbitral du Sport (TAS) oder Court of Arbitration for Sport (CAS).187 Stephan Netzle, Das Internationale Sport-Schiedsgericht in Lausanne. Zusammensetzung, Zuständigkeit und
Verfahren, in „Sportgerichtsbarkeit“, Recht und Sport Band 22 (Hrsg. Volker Röhricht) S. 17.188 Vgl. hierzu Schimke/Eilers, Vereins- und Verbandsrecht, in „Handbuch des Sportrechts“ (Hrsg. Martin
Nolte und Johannes Horst) S. 110 f. m.w.N.189 Stephan Netzle, aaO, S. 17.190 Siehe hierzu http://www.tas-cas.org/adhoc-rules.
87
während eines Zeitraumes von 10 Tagen vor der Eröffnungsveranstaltung entstehen. Eine
Besonderheit besteht für die Parteien darin, dass sie die Möglichkeit haben, einen rechtlichen
Vertreter aus einem sog. „pro-bono-panel“ auszuwählen, d. h. einer Liste von Fachanwälten
vor Ort, von denen sie sich dann vor dem ad-hoc-Schiedsgericht unentgeltlich und kurzfristig
vertreten lassen können.
II. Arbeit des ad-hoc-Schiedsgerichts in London (2012)
Insgesamt hatte das ad-hoc-Schiedsgericht in London elf Streitverfahren zu entscheiden.
Es handelte es sich dabei zum Einen um Anträge von Sportlern, die von ihrem Verband
entweder für die Teilnahme an den Spielen nicht berücksichtigt oder kurzfristig
ausgeschlossen wurden, sog. „Nominierungsstreitigkeiten“.191 In drei Verfahren ging es um
Verstöße gegen Dopingvorschriften.192 In zwei Fällen wurde die Wertung von Wettkämpfen
einzelner Disziplinen, sog. Tatsachenentscheidungen, auch „field-of-play-decisions“193
genannt, angegriffen. Solche Tatsachenentscheidungen werden nach ständiger CAS
Rechtsprechung in der Sache allerdings nicht überprüft oder korrigiert, es sei denn es geht um
Fälle von Betrug, Bestechung oder Manipulation anderer Art.
Da die Nominierungsstreitigkeiten einen Großteil der Verfahren in London ausmachten,
werden nachstehend zwei repräsentative Fälle skizziert. Zuvor soll ein „Exkurs“ zum Thema
„Nominierungsvoraussetzungen“ einen generellen Einblick in die Problematik gewähren.
191 Vgl. und näher dazu Simon Weiler, Nominierung als Rechtsproblem – Bestandsaufnahme und Perspektiven in „Spektrum des Sportrechts“ (Hrsg. Klaus Vieweg) S. 105 ff.
192 Siehe hierzu: Jan Sterba v. WADA (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6179/5048/0/Award20OG2012200520_FINAL_.pdf); ICF v. Jan Sterba (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6212/5048/0/Award2007.PDF); Gezzar v. FFA (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6208/5048/0/Sentence201220-2009.pdf).
193 Swedish NOC v. Swedish Triathlon Federation (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6238/5048/0/Decision2010.PDF); Russian NOC v. ISAF (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6247/5048/0/Final20Award.PDF).
88
III. Exkurs: Nominierungsvoraussetzungen
Die an den Olympischen Spielen teilnehmenden Sportler werden in Deutschland vom
Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) benannt. Hintergrund ist die Regel 44.2 der
Olympischen Charta (OC). Dort heißt es:
„Nur vom IOC anerkannte NOKs können Athleten zu den olympischen Spielen
anmelden.“
Mit der Olympischen Charta regelt der alleinige Veranstalter der Olympischen Spiele, das
Internationale Olympische Komitee (IOC), die Durchführung der Olympischen Spiele und
u.a. die Bedingungen des Zugangs zu den dort stattfindenden Wettbewerben.
In den Grundsätzen des DOSB-Präsidiums vom 17.01.2011 zur Nominierung der Olympia-
Mannschaft London heißt es u.a. wie folgt:
„Zuständigkeit und Befugnisse:
Das Präsidium des DOSB nominiert die Mitglieder der Olympiamannschaft London
2012[…]; bei der Nominierung der Athleten/innen und Betreuer/innen in den
Einzelsportarten stützt es sich auf die Vorschläge der jeweiligen Spitzenverbände. Das
Präsidium entscheidet abschließend und orientiert sich dabei an den nachfolgend
genannten Voraussetzungen und Zulassungsbedingungen für die Nominierung;
darüber hinaus würdigt es insbesondere auch die Persönlichkeit und das sportliche
Verhalten von Athleten/innen und Betreuer/innen. Das Präsidium ist in seiner
Entscheidung frei; ein Anspruch auf Nominierung besteht nicht. In Ausnahmefällen
kann das Präsidium Entscheidungen delegieren.[…]
Sportliche Voraussetzungen für die Athleten/innen:
Notwendige Voraussetzung für eine Nominierung ist das Erreichen von
Quotenplätzen. Darüber hinaus hat grundsätzlich der Leistungsnachweis einer
begründeten Endkampfchance bei den Olympischen Spielen London 2012 vorzuliegen.
Die Einzelheiten dieses Leistungsnachweises werden in den sportartspezifischen
Nominierungskriterien bestimmt, die der Geschäftsbereich Leistungsport des DOSB,
der jeweilige Spitzenverband und dessen Aktivensprecher/innen spezifisch für jede
Sportart, jedoch unter Wahrung der Chancengleichheit und der Vergleichbarkeit für
die gesamte Olympiamannschaft gemeinsam erarbeiten; dabei erfolgt keine
ausschließliche Orientierung an den Platzierungen in der jeweiligen unbereinigten
bzw. bereinigten Weltrangliste. […]“
89
Maßgeblich sind daher die konkret geregelten Nominierungsvoraus setzungen . Erfüllt der
Athlet diese Voraussetzungen, so besteht ein Anspruch auf Vorschlag zur Nominierung, ohne
dass dem Verband ein Ermessen dahingehend verbleibt, den/die Athleten/in trotz erfüllter
Voraussetzungen der Nominierungsrichtlinie nicht vorzuschlagen.194
Zudem sind – insbesondere in Ansehung etwaiger (schieds-)gerichtlicher Aus-
einandersetzungen – folgende Rechtsbeziehungen bzw. – aus der Sicht des Athleten/der
Athletin – folgende Anspruchsgegner zu unterscheiden:
Sportler Verband („Vorschlag“)
Sportler DOSB („Nominierung“)
Sportler IOC („Annahme/Zulassung“)195
IV. Die Fälle „Ward“ und „Mullera“ vor der „Ad-Hoc-division“ in London
1. Ward
Joesph Ward, ein an internationalen Wettkämpfen teilnehmender irischer Boxer, hatte
sich weder auf der Boxweltmeisterschaft im Oktober 2011 noch auf anderen
Qualifikationsturnieren für Olympia 2012 qualifiziert. Er versuchte daher sein
„Teilnahmeglück“ über das Vergabeverfahren der so genannten „Tripartite
Commission“. Dieses 3er Gremium – bestehend aus Vertretern des Internationalen und
Olympischen Komitees (IOC), dem Verband aller nationalen olympischen Komitees
(ANOC) sowie dem jeweiligen internationalen Fachverband (hier: der Boxweltverband
AIBA) – ist nach festgelegten Regeln berechtigt, weitere Teilnahmeplätze für Olympia
zu vergeben (so genannte „invitation places“). Damit soll unter anderem – entsprechend
dem Universalitäts-Gedanken von Olympia – Athleten aus meist „kleineren“ Nationen,
die sonst keinerlei sportliche Qualifikationschancen haben, die Olympiateilnahme
ermöglicht werden. Im Boxen hatte die besagte „Tripartite Commission“ in den
194 so der Beschluss des Deutschen Sportschiedsgerichts vom 19.07.2008, DIS-SV-SP(ER)-01/08 mit Hinweis auf BGHZ 110, 323, 326 und Hohl „Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern“, S. 174.
195 Vgl. näher und zu Streitfällen (u.a. Fall Friedek) sowie CAS-Rechtsprechung: Martin Schimke, Der Sportler im olympischen System insbesondere mit Blick auf Nominierungsfragen, schiedsgerichtliche Verfahren und staatlichen Rechtsschutz, in Höfling/Horst/Nolte: „Olympische Spiele“ S. 107 ff.
90
verschiedenen Boxklassen 7 von 8 dieser „invitation places“ vergeben. Soweit – gemäß
den festgelegten Kriterien – ein möglicher „invitation place“ vakant blieb, fiel dieser
(wieder) an den internationalen Fachverband, und zwar zur Vergabe an den (so wörtlich
in Englisch) „next best ranked athlete at the 2011 AIBA Men’s World Boxing
Championship, not yet qualified“. Vor diesem Hintergrund machte der Boxer Ward
gegenüber der IOC im Vorfeld der Olympiade (Beginn der Korrespondenz 19. Juni
2012) geltend, dass der in seiner Klasse (Halbschwergewicht bis 81 kg) zugewiesene
„invitation place“ an einen Boxer aus Montenegro nicht regelkonform vergeben worden
sei. Sein Haupteinwand war, dass Montenegro keinen Anspruch auf einen „invitation
place“ hätte. Ward verwies dabei auf die einschlägige Regelung, nach der ein
Nationenstartplatz nur reserviert sei für (wörtlich auf Englisch) „NOCs with delegation
of 6 (six) or less athletes at the last two editions of the Olympic Games“. In Athen
(2004) – so Ward in seiner Argumentation – bildete Montenegro noch gemeinsam mit
Serbien ein Olympiateam und stellte somit mehr als die fixierte Höchstzahl von 6
Athleten. In Peking (2008) stellte Montenegro 6 Einzelathleten und 13
Wasserpolospieler und – nach Auffassung von Ward – mithin ebenfalls mehr als 6
Athleten insgesamt. Er verwies dabei auf die Tatsache, dass in der vorgenannten
Vorschrift nicht zwischen Individual- und Mannschaftssportlern differenziert worden
sei, was zur Folge habe, dass unter dem Begriff „athletes“ auch Mannschaftssportler zu
zählen seien. Das IOC bestritt die von Ward behauptete Fehlinterpretation der Regeln
durch die „Tripartite Commission“. Ward beantragte daher am 24. Juli 2012 mit einer
Eingabe („application“) bei dem ad-hoc-Schiedsgericht des CAS in London den an den
Boxer aus Montenegro zugeteilten „invitation place“ zu annullieren und im Gegenzug
ihn kurzfristig bei Olympia teilnehmen zu lassen. Nach mündlicher Verhandlung und
innerhalb der Zeitschiene von 24 Stunden lehnte das ad-hoc-Schiedsgericht den Antrag
von Ward als unzulässig (hilfsweise als unbegründet ab). Im Rahmen der Unzulässigkeit
wertete es die umfangreiche außerschiedsgerichtliche Korrespondenz aus und kam zu
dem Ergebnis, dass der Rechtsstreit spätestens am 11. Juli 2012 entstanden ist, mithin
außerhalb der 10 Tagesfrist vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Das ad-
hoc-Schiedsgericht sei daher nach den klaren Regeln nicht zuständig. Wie in ad-hoc
Verfahren nicht unüblich ging das Gericht hilfsweise auch auf die Begründetheit ein und
stellte fest, dass Ward – unabhängig von der interessanten Frage, ob Montenegro die
letzten zwei Olympischen Spiele mit mehr als 6 Athleten teilgenommen hatten –
jedenfalls nicht der „next best ranked athlete at the 2011 AIBA Men’s World Boxing
91
Championship, not yet qualified“ sein würde. Der Begriff „ranked“ beziehe sich –
entgegen der Auffassung von Ward – nicht auf den offiziellen Platz in der Weltrangliste
zum Zeitpunkt besagter Boxweltmeisterschaft sondern auf sein bei dieser
Weltmeisterschaft erzieltes Resultat. Danach wäre Ward in keinem Fall für einen
„invitation place“ an der Reihe gewesen.196
2. Mullera
Mullera ist ein spanischer 3000-Meter Hindernisläufer. Der spanische
Leichtathletikverband (RFEA) erhielt Anfang 2012 Kenntnis über belastende E-Mail-
Korrespondenz zwischen Mullera und einem Trainer zu verschiedenen
Dopingmethoden. Unter anderem aufgrund der privaten Natur dieser Korrespondenz
verzichtete der spanische Leichtathletikverband auf die Einleitung eines
Dopingdisziplinarverfahrens. Mullera wurde in der Folgezeit noch verschiedene Male
auf Doping getestet. All diese Tests waren jedoch negativ. Am 12. Juli 2012 schließlich
wurde Mullera vom Spanischen Olympischen Komitee für Olympia 2012 gemeldet bzw.
nominiert.
Am 19. Juli 2012 erhielt die spanische Zeitung „AS“ – durch nicht bekannte Quellen –
einen Teil des besagten belastenden privaten E-Mail Verkehrs von Mullera über
Dopingmethoden und veröffentlichte diesen. Der spanische Leichtathletikverband sah
sich daraufhin – in Abstimmung mit seinem nationalen Olympischen Komitee -
veranlasst zu reagieren und informierte Mullera schließlich über seinen Ausschluss aus
dem spanischen Olympiateam. Dabei nutze der spanische Leichtathletikverband das so
genannte „late replacement-Verfahren“. Dies dient insbesondere Nationalteams, die
verletzungs– und/oder krankheitsbedingt kurzfristig jemanden austauschen wollen. Das
entsprechende Formular sah allerdings neben den Gründen „Verletzung“ und
„Krankheit“ noch die Option (wörtlich) „other reasons…“ vor. Der spanische
Leichtathletikverband ergänzte in dieser Rubrik noch den Vermerk „technical reasons“.
Am 29. Juli 2012 beantragte Mullera bei dem ad-hoc-Schiedsgericht des CAS seine
Wiederaufnahme in das spanische Olympiateam. Er verwies darauf, dass insbesondere
das „late replacement“ Verfahren keine Rechtsgrundlage für einen solchen Ausschluss
196 Vgl. näher und illustrativ zu der 10-Tage-Frist mit Hinweisen auf frühere CAS-Rechtsprechung: http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6150/5048/0/Award20_02-2012_FINAL.pdf.
92
sei und auch im Übrigen keine einschlägige Bestimmung in den „selection rules“
existiere, die eine solche Maßnahme rechtfertige. Vielmehr sei sein Ausschluss eine
unzulässige „versteckte Dopingsanktion“ (außerhalb eines regulären
Dopingdisziplinarverfahrens). Das CAS ad-hoc- Schiedsgericht bestätigte nach
mündlicher Verhandlung (erneut in der zeitlichen Vorgabe von 24 Stunden) die
Nominierung von Mullera, allerdings ohne die streitgegenständliche Korrespondenz in
irgendeiner Weise billigen zu wollen. Zur Begründung wurde unter anderem angeführt,
dass die seitens der RFEA behauptete Störung des „Teamspirits“ nicht substantiiert
dargelegt worden sei und vorliegend in keinem Fall „technical reasons“ in Rede
stünden. Im Übrigen enthielten die „selection rules“ keinerlei klare Rechtsgrundlage.
Schließlich ging das ad-hoc-Schiedsgericht auch noch auf den Gesichtspunkt ein, dass
der spanische Leichtathletikverband monatelange Kenntnis von den belastenden E-Mails
hatte und seinerzeit kein Dopingdisziplinarverfahren eingeleitet hatte. Wörtlich heißt es
in der Entscheidung: „a national federation should pursue the fight against immoral
practices regardless of any pressure exercised by the media“.197
Nach anfänglichen Bedenken gegen das ad-hoc-Schiedsgericht bei Olympia – insbesondere
von Athleten198 - hat es sich zwischenzeitlich als effizienter Streitbeilegungsmechanismus in
der Sportwelt bewährt und etabliert.
197 Vgl. auch hierzu näher: http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6186/5048/0/Award20OG2012200620_FINAL_.pdf.
198 s. dazu Netzle aaO S. 17 f.
93
RA Alexander Bazykin, Diplomatische Akademie Moskau
Sport arbitration in Russia: theory and practice, prospects for future development
At present, sport sector formation takes place in Russia. Every legislator tries to consider the
existent court practice, as well as the international control experience of the sport sphere
relations. Legal norms that are absolutely revolutionary for any legislator started to appear in
the Russian legislation. Thus, for instance, the Russian Labour Code foresees a possibility to
include into a labour contract a clause regarding the obligation of a sportsman to effect
payment in favour of an employer (a sport club) in case of the labour contract termination on
the sportsman’s initiative, or in connection with the sportsman’s disciplinary misconduct. This
norm is accepted by the specialists in different ways: some of them mention club interests’
protection, others consider the norm unconstitutional. This July, some changes were
introduced into the legislation currently in force, in particular, clarifications and additions to
the powers of All-Russian Sport Federations. Thus, the list of the powers of All-Russian Sport
Federations was extended with the possibility to establish restrictions on transfers (or to
establish possibilities of such transfers) to other sport clubs for certain categories of sportsmen
and coaches, as well as with the possibility to impose sport sanctions on those subjects of
physical culture and sport that acknowledge such rules.
However, apart from the norms of substantive law, one should pay attention to the
norms of procedural law. At present, at our opinion, legislators do not give enough
consideration to this issue. That is why settlement of a sport dispute in the Russian Federation
is associated with several problems:
The problem is related to the absence of the legal definition of a sport dispute,
as well as of the criteria that allow to distinguish between sport and non-sport
disputes. A sport dispute we understand as an unsettled dispute of subjects
carrying out activities in the sphere of physical culture and sport that arises as a
result of violation or possibility of violation of their legal rights and interests in the
sphere of sport legal relations, in case settlement of dispute is submitted for
examination of the body that is authorized to settle the dispute.
If we discuss the criterion of the dispute relation to sport, it is worth mentioning that one
criterion is not enough. Thus, at present, both in Russian and in international practice, the
94
competence of bodies on sport disputes’ settlement is defined widely enough in the
documents that regulate their activities. Such documents mention that they are empowered to
settle any disputes that, directly or indirectly, are related to the sphere of sport. Such approach
does not directly correspond to the requirements of sport, as, for instance, we cannot consider
as a sport dispute the dispute where we represented one of the parties. This dispute concerned
the issue of quality of services and arose between the scientific organization that carried out
the research in the sphere of sport and one of the All-Russian Sport Federations (Russian
Shooting Federation). Despite the fact that both parties in dispute are subjects of sport legal
relations in accordance with the Russian legislation, their relationship only indirectly affected
the sport sphere, so the present dispute cannot be referred to the category of sport disputes.
The next problem is the absence of sufficient quantity of scientific studies on this
topic. Unfortunately, scientific studies in the sphere of substantive law either refer mainly to
the commercial side of the issue, or are dedicated to the studies of sportsmen activities. There
is a lack of works addressing the procedural problems. They are mainly based on the
international experience of disputes’ settlement. But, unfortunately (and this is the third
problem), until now the Russian legal system is not flexible enough in order to fully adopt the
foreign experience of such disputes’ settlement.
As for the bodies that should resolve sport disputes in the Russian Federation, one
can mention the following:
There is a general system of courts that should resolve all kinds of disputes. Within
the frames of this system there are courts that settle disputes that arise in connection with
entrepreneurial activity and courts that resolve all other disputes. On the one hand, judgments
of such courts that came into force are clear in terms of procedure of their execution and may
be subject to enforcement. On the other hand, hearings in such courts have several
shortcomings, such as, for example, the principle of publicity (transparency) of court hearings
does not allow to secure the required level of confidentiality at dispute settlement. The main
problem, however, is the terms of disputes’ consideration that can constitute from half a year
to three or more years from the moment of filing a statement of claim till the moment of court
decision receipt. Moreover, the terms may enlarge in case of appeals. The situation is even
worsened by the terms of decisions’ execution. Please, consider the following example of a
dispute settlement in such courts, namely the dispute between the coach S.R.Gersonsky and
the hockey club – Non-Commercial Partnership “Sport Club “Avangard”.
In accordance with the conditions of the labour contract concluded for the period of
2,5 years, in case the club canceled the labour contract with the coach on the club’s initiative,
95
the club should pay the compensation in the amount of 75% from the total amount due for
payment to the coach. After four defeats in six matches the club decided to cancel the contract
with the coach. After the cancellation of the labour contract with the coach, the club refused
to pay off to the coach the considerable compensation amount.
S.R Gersonsky applied to court for the protection of his rights with the suit against
the hockey club claiming that in accordance with the labour contract clause specifying the
case of cancellation on the employer’s initiative, he should have been paid 75 per cent from
the remaining amount of the contract, namely 17 millions 322,9 thousand of rubles. Also, he
demanded to reimburse the moral damage in the amount of 500 thousand rubles. On
November, 18, Kirovsky District Court of the city of Omsk partially satisfied the
requirements of the former Chief Coach, having recovered in his favour practically the whole
amount of the compensation in accordance with the labour contract and having reduced the
amount of the moral damage reimbursement down to one thousand of rubles.
The hockey club appealed against the aforementioned decision. Omsk Regional Court
as a court of review reversed the decision and passed the case for the new consideration. The
representatives of the club referred to the need to carry out the expert appraisal of the labour
contract and to the fact that the case was considered not in accordance with the jurisdiction, as it
should have been considered not in Kirovsky District Court, but in Kuibyshevsky District Court;
as well as to the fact that the court of the first instance did not satisfy several pleas of the club.
The hockey club “Avangard” insisted on the fact that the contract clause in
accordance with which the club should have paid the compensation in case of the contract
cancellation applies to different cases. Moreover, the court referred to the fact that the
percentage of the compensation should be calculated not on the basis of the whole contract
amount, but only on the basis of the official salary amount. In this case, the amount of
payment should have constituted around 880 thousand of rubles.
The court of review returned the case for the new consideration. After the new
consideration of the dispute Kuibyshevsky District Court of the city of Omsk adopted the
decision in accordance with which the following compensations were levied upon the Non-
Commercial Partnership “Sport Club “Avangard” in favour of S.R Gersonsky: the
compensation in accordance with the contract and taking into account the indexation in the
amount of 890 836,24 rubles, compensation for the delay in payments in the amount of
73 624,79 rubles, compensation for moral damage in the amount of 10 000 rubles; 974 461,03
rubles in total. State dues for the case in the amount of 22 000 rubles were also recovered
from the Non-Commercial Partnership “Sport Club “Avangard”.
96
The expert linguistic appraisal of the labour contract established that in the document
the word “payment” is absent after the word “salary” and in the clause regarding the
compensation the noun “total” and the preposition “up to” are absent. Due to these facts it is
impossible to conclude that the compensation should be constituted out of the total of salaries.
Therefore, the sport club was allowed to pay the compensation not on the basis of the total of
salaries, but on the basis of just one salary.
The cassational appeal was filed on the decision of Kuibyshevsky District Court of
the city of Omsk, but the court of review left the decision in force.
The legislator, being aware of the difficult situation, tries to extend the ways of
disputes’ settlement. For instance, one of the legislator’s steps in this direction is adoption of
the Federal Law №193 dated 27.06.2010 “About alternative procedure of disputes’ settlement
with mediator’s participation (mediation procedure)”.
In order to implement the mediation procedure several conditions should be
observed:
- presence of the agreement between the parties on mediation procedure
implementation;
- mediation procedure may be carried out both: before the appeal to court or to
arbitration court, as well as after the start of legal proceedings in the corresponding court;
- presence of the agreement on mediation procedure implementation or of the
agreement on mediation procedure execution, as well as the fact of mediation procedure
execution do not represent obstacles for the appeal to a court or to an arbitration court, except
for the cases stipulated in the Federal Law (for example, in case the parties have obliged not
to appeal to any court before the mediation procedure execution);
- mediation procedure execution starts on the date of conclusion by the parties of the
agreement on mediation procedure execution;
- the party that intends to apply for the mediation procedure should send to the other
party independently (or through a mediator or through an organization that carries out
activities in support of mediation procedure execution) the appropriate offer.
The law lists three methods of establishing the order of mediation procedure
execution. The order may be established by the agreement between the parties; the parties
may refer to the order that is defined by the rules and procedures of the organization that
carries out activities in support of mediation procedure execution; the parties have the right to
stipulate in the agreement on mediation procedure execution the clause about independent
definition by the mediator of the order of mediation procedure execution.
97
After consideration of the dispute the parties should conclude the mediation
agreement.
The mediation agreement is subject to execution on the basis of principles of
voluntariness and good faith of the parties.
The legislator establishes the maximum term of 60 days for mediation procedure
execution. At the same time, in exceptional cases due to the complexity of the dispute under
consideration the term may be increased in accordance with the agreement between the parties
and in case of the mediator’s consent. However, even in this case the term for mediation
procedure execution should not exceed 180 days. Thus, the term of 60 days is more
acceptable to the parties in comparison with the terms of disputes’ consideration in state
courts.
Due to the fact that mediators may resolve rather complicated categories of cases, the
legislator indicates the requirements that mediators should comply with. The mediators’
requirements depend on the category to which they belong. Let us consider these
requirements.
The legislator names two categories of mediators: those that carry out their activities
on a non-professional basis and the professional ones.
For the persons that carry out their activities as mediators on a non-professional basis
the legislator stipulates the minimal obligatory requirements: 18 years old, full legal capacity,
absence of conviction record.
For the mediators that carry out their activities on a professional basis, more serious
requirements are stipulated: 25 years old, higher professional education, special mediators’
training courses.
The legislator limits the categories of persons that may become mediators. Thus,
neither persons employed at state civil or municipal service nor persons that are
representatives of any of the parties of the dispute can act as mediators. The parties may
introduce additional requirements to mediators.
However, at present there is no well defined practice of disputes’ settlement with
implementation of this procedure. That is why it is not so widespread in Russian reality.
Apart from the aforementioned ways of disputes’ settlement, there are special bodies
in the Russian Federation that should resolve sport disputes. The existence and activities of
such bodies are stipulated by the need to resolve sport disputes taking into account sport
sphere peculiarities, by the importance of disputes’ settlement in the short period of time, as
well as for confidentiality reasons.
98
Such bodies possess the whole range of obvious advantages, such as their increased
focus, relatively short terms of consideration procedure, etc.
Inside sport unions and associations the bodies for settlement of internal disputes
can be created. For example, within the framework of the Russian Football Union there is the
Chamber on settlement of disputes of the Committee of the Russian Football Union
concerning the status of the players. However, impartiality of such bodies is doubted. Thus,
Fédération Internationale de Football Association (FIFA) has forwarded to national football
federations a circular letter containing instructions regarding the compliance of the structure
of chambers on disputes’ settlement to FIFA regulations. FIFA requires that the Chairman and
the Vice-Chairman of the Chamber on disputes’ settlement should be elected by the
representatives of the players and the clubs from the list including not less than five
candidates. This list should be compiled by the Executive Committee of the Russian Football
Union. The candidates to the position of the Chairman/Vice-Chairman can be only persons
with legal education who do not occupy any other position within the Russian Football Union.
The Chamber should consist of from three to ten representatives of the clubs and from the
same amount of the players’ representatives. At present, the Chamber on disputes’ settlement
is headed by the Vice-President of the Russian Football Union and the Vice-Chairman is the
General Manager of the Professional Football League. The Chamber on disputes’ settlement
consists of 6 persons and only two of them represent professional union. So, the Chamber on
disputes’ settlement does not comply with the international requirements.
Besides the chambers on disputes’ settlement, disciplinary committees may be
created within the unions and associations.
Thus, in accordance with the Disciplinary regulations of the Russian Football Union
there are two committees within its framework: Control & Disciplinary Committee and
Committee of Appeal. Control & Disciplinary Committee has the power to impose sanctions
stipulated by the Disciplinary regulations for any violation of the acts (regulations) of FIFA,
UEFA, RFU, Associations and Leagues that do not fall under the jurisdiction of any other
body (Point 1 Article 54 of the Disciplinary regulations). Control & Disciplinary Committee
has also the right to impose sanctions for the violation of the regulations in respect of status
and transfers of football players, including the removal of points following the adduction of
the Chamber on disputes’ settlement of the Russian Football Union (Article 55 of the
Disciplinary regulations).
99
Generally, in certain sport federations there are quite developed systems on sport
disputes’ settlement. For example, in NFU, apart from the mentioned committees, there are
Ethics Committee, Commission on Agents’ Activities, Committees of Appeal.
The Committees consider different categories of disputes: both issues on calling to
account for certain rules violations, as well as the issues related to salary payments (for
example, inadmissibility of different bonus systems, impossibility of unilateral cancellation of
labour contracts with sportsmen, etc.)
In particular, the Chamber on disputes’ settlement considered the issues of
compensation payments in case of cancellation of contracts with sportsmen.
Sport Arbitration Court at Trading-Industrial Chamber of the Russian
Federation is the constantly operating arbitration court. Its activity is regulated by the Federal
Law №102 dated 24 July, 2002 “On Arbitration Courts of the Russian Federation».
Sport Arbitration Procedure was approved by the Order of the Trading-Industrial
Chamber (TIC) №114 dated 24 October, 2003.
In accordance with Article 2 of the mentioned Procedure, Sport Arbitration resolves
the disputes that relate to proprietary rights and interests of the subjects of sport sphere,
including the disputes that arise from the Charters, Rules, Regulations and other documents of
physical training and sport organizations that regulate the rules of organization of
championships, tournaments and other competitions on the territory of the Russian
Federation; disputes related to identification of the statuses and of the order of transfers of
sportsmen (players); disputes arising from the agent activities, disputes resulting from
sponsorship contracts; disputes related to TV broadcasting of sport events, as well as any
other disputes arising from contractual and other civil legal relationships in the sphere of
physical culture and sport, unless the federal law stipulates otherwise. The right to appeal to
the Sport Arbitration within the frames of TIC belongs to those persons that carry out
activities in the sphere of physical culture and sport, including sportsmen. The issue of
jurisdiction is resolved by its members considering the dispute.
Only those persons who possess special knowledge in the sphere of legal
relationships that initiated the dispute may become the arbitrators. The Sport Arbitration is
composed of the arbitrators included into the list that is approved by the Trading-Industrial
Chamber of the Russian Federation in accordance with adduction of Presidium of the Sport
Arbitration for the period of 3 years. The Chairman of the Sport Arbitration under the TIC, as
well as its Vice-Chairman, are appointed by the Trading-Industrial Chamber from those
persons included into the list of arbitrators.
100
The Sport Arbitration should resolve disputes within as short as possible terms.
Arbitration proceedings on any concrete case should be terminated within the term not
exceeding two months from the moment of composition of the Sport Arbitration under TIC.
In case it is required, the term of judicial proceedings may be extended either by the Chairman
or in accordance with the agreement between the parties. However, the Procedure of the Sport
Arbitration under TIC does not establish the maximum term of extension.
One of the most considerable advantages of the mentioned body is the possibility to
resolve the disputes arising in international sport practice. In accordance with the Convention
on acknowledging and enforcing of arbitration judgements dated 10 June, 1958, the
judgements of the examined body should be acknowledged and enforced on the territory of
foreign states.
Another specialized body is the Sport Arbitration Court created within the
framework of the autonomous non-commercial organization “Sport Arbitration Chamber” on
10 June, 2003.
Conclusion.
To our opinion, in Russia the role of specialized bodies during sport disputes’
settlement, as well as the role of alternative procedures of disputes’ settlement will increase.
Russian legal system will show more and more flexibility and readiness to adopt the leading
international experience during sport relations’ regulation in general, and while regulating the
issues of disputes’ settlement in particular. The drawbacks of the Russian reality are solely
stipulated by a relative novelty of the problem of sport disputes’ settlement. However, Russia
is trying to eliminate all the disadvantages.
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