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Tierreport - die Zeitschrift des Schweizer Tierschutz STS / Ausgabe 2/2009
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TIERREPORTO F F I Z I E L L E S O R G A N D E S S C H W E I Z E R T I E R S C H U T Z S T S
CHF 5.– / EURO 4.– 2/2009
Stoppt die Hundemafia:
Petition im
Heft
Gefahren für die Tierwelt
TIERREPORT 2/20092
4 Verstecktes Tierleid In Backwaren und Fertigprodukten stecken oft Importeier aus Käfighaltung.
5 Skandalös In Altstetten erschiesst der Tierschutzbeauftrage eine junge Findelhündin.
5 Überhitzungsgefahr Parkierte Autos können für Tiere zu tödlichen Hitzefallen werden.
6 Tiere im Zirkus Der STS hat wieder einen Blick hinter die Manege in Schweizer Zirkussen riskiert.
8 Versuchsaffen Vierzig einstige Versuchstiere stehen vor einer ungewissen Zukunft.
9 Katastrophenhilfe Auch in Gaza sind Tiere Opfer des Krieges – der STS hilft.
10 Aktuelles Schweiz Kurzmeldungen aus der Schweiz.
12 Tiersammler Wenn aus falsch verstandener Tierliebe Tierquälerei wird.
14 Therapie als Show Fernseh-Tiernannys und Hundeflüsterer haben im Fernsehen Hochkonjuktur.
16-19 Artenvielfalt Weltweit drohen die Froschpopulationen auszusterben.
20 Geheimniskrämerei Der STS fordert mehr Transparenz bei Tierversuchen.
22 Tierschicksale Bewegende Geschichten aus den Tierheimen der STS-Sektionen.
24 Hundemafia Eine STS-Petition verlangt vom Bundesrat endlich Massnahmen.
26 Aktuelles Welt Kurzmeldungen aus aller Welt.
28 Vorbildlich 1 Die Niederlande sind in Sachen Ebermast eine Nasenlänge voraus.
30 Vorbildlich 2 Der Circus Knie wird seiner Pionierrolle bei der Pferdehaltung gerecht.
32 Tiere suchen ... Ausgesetzte, verlassene Tiere suchen ein neues, richtiges Zuhause.
TIERREPORT (ehemals «Du+die Natur»)Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS136. Jahrgang, Nr. 2, Juni 2009, erscheint viermal jährlichHerausgeber: Schweizer Tierschutz STSDornacherstrasse 101, 4008 BaselTelefon 061 365 99 99, Fax 061 365 99 90, sts@tierschutz.comTT
Redaktor: Mark Rissi
Mitarbeiter dieser Nummer: Matthias Brunner, Julika Fitzi-Rathgen, Michael Götz, Hansuli Huber, Catherine Reber, Stefan Tschopp, TTEva Waiblinger
Gestaltung, Produktion: die zwei, Basel
Druck: Birkhäuser+GBC, Reinach
Abonnementspreise:Jahresabonnement (4 Ausgaben) CHF 12.80 inkl. MWStEinzelnummer CHF 5.–
Tierreport-Abonnentendienst:General-Wille-Strasse 144, 8706 Meilen, Tel. 044 925 38 20, Fax 044 925 36 96, sts@rbc-gruppe.chTT
Abdruck nach Genehmigung durch die Redaktionmit Quellenangabe gestattet
ISSN 1424-9537, Papier 100% Recycling
Besuchen Sie uns im Internet:
www.tierschutz.com oder www.tierreport.ch
Die Sektionen des Schweizer Tierschutz STS: Aargau · Appenzell · Basel-Stadt· Basel-Land · Bern Kanton · Bern Stadt · Biasca · Biel-Seeland · Ceresio/Mendrisi-otto · Emmental · Frauenfeld · Fribourg · Frutigen · Glarus · Graubünden · Grenchen · Haut-Léman · Heiden · Horgen · Interlaken · Jura/AJPAPP · Jura/Soubey · Kreuzlin-gen · La Chaux-de-Fonds · Liechtenstein · Linth · Locarno · Lugano · Luzern · Monthey · Neuchâtel · Nidwalden · Niedersimmental · Nyon · Oberaargau · Obersimm-ental · Oberwallis · Obwalden · Olten · Rheintal · Romanshorn · Rorschach · St. Gallen Kanton · St. Gallen Stadt · Saanenland · Sargans-Werdenberg · Schaffhausen ·Schwyz · Sirnach · Solothurn/Wasseramt · Steckborn · Thun · Toggenburg · Uri · Uster · Valais · Vaud · Winterthur · Zug · Fondation Neuchâteloise d’TT Accueil pour Ani-maux · Gerenau-Stiftung für Tierschutz, Wädenswil · Stiftung Mensch+Tier, Basel-Stadt · AKUT Aktion Kirche und Tier · APS Auffangstation für Sittiche und Papageien · Club der Rattenfreunde · Schweizer Jugendtierschutz · Schweizer Wildstation Landshut · PRT Protection et Récupération des Tortues · VTT AVV Z Verein Aquarium Zürich
TIERREPORT 2/2009
TITE
LFO
TO: I
STO
CK
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OTO
TIERREPORT 2/2009 3
EDITORIAL
chen Tierhaltungen und überlassen es dem Publikum, ob es auch
diejenigen besuchen will, die unbelehrbar sind, was den Miss-
brauch von Tieren betrifft.
Das Resultat der Recherchen hat sogar uns überrascht. Verschie-
dene Zirkusse, allen voran der Schweizer Nationalcircus, un-
ternehmen grosse Anstrengungen, um ihren Tieren auch auf
Tournee ein Leben zu bieten, das aus Sicht des Tierschutzes ein-
wandfrei ist. Ich bin überzeugt, dass nur sie langfristig bestehen
werden. Die anderen, die Unbelehrbaren, werden sich aus der
Gunst des Publikums hinausmanövrieren.
Wenn unsere Strategie aufgeht, und davon bin ich überzeugt,
dann haben wir unendlich viel mehr für die Tiere erreicht als
diejenigen, welche bei Nacht und Nebel Farbbeutel an Zirkus-
zelte schmeissen.
Herzlich, Ihr
Heinz Lienhard, Präsident Schweizer Tierschutz STS
Liebe Leserin, lieber Leser
Der Zirkus fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden. Auch
heute gibt es wohl kaum jemanden, ob gross oder klein, der
nicht von der faszinierenden Atmosphäre unter dem Zirkus-
zelt in Bann gezogen wird. Denn Zirkus ist vieles: Show, Exo-
tik, Akrobatik, Humor, Eleganz … und Tiere. Zirkus kann aber
auch Missbrauch und Entwürdigung von Tieren bedeuten; Tier-
leid, das hinter der glitzernden Fassade der Zirkuswelt verbor-
gen bleibt. Diese Tatsache hat in den letzten Jahren Leute auf
den Plan gerufen, die mit zum Teil spektakulären Protestaktio-
nen Zirkusse angreifen, ihnen Schaden zufügen und dabei auch
noch anonym bleiben. Solche Aktionen sind nicht nur feige
und dumm, sondern geradezu kontraproduktiv für die Sache
des Tierschutzes. Der STS hat sich deshalb immer davon distan-
ziert. Wir haben einen anderen Weg eingeschlagen, um Miss-
stände beim Mitführen von Tieren in Zirkussen zum Verschwin-
den zu bringen.
Unsere Spezialisten beurteilen nun schon in der dritten Saison
alle in der Schweiz gastierenden Zirkusse, und die dabei ge-
wonnenen Erkenntnisse werden veröffentlicht. Die Idee hinter
dem «Zirkusrating» ist, die Öffentlichkeit gleichermassen über
Missstände wie auch über positive Entwicklungen zu informie-
ren. Wir empfehlen den Besuch von Zirkussen mit fortschrittli-
Von Zirkussen und Farbbeuteln
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/20094
Es ist kurz vor Ostern und auf dem Markt
des Bärenplatzes in Bern herrscht emsi-
ges Treiben. Als riesige Hühner verklei-
dete STS-Aktivisten verteilen an die
Marktbesuchenden tausend kleine Gu-
gelhöpfe, die im Nu weg sind. Die Bot-
schaft dieser Aktion: Schweizer Eier aus
Freiland- und Bodenhaltung sind besser
als industriell produzierte Eier aus tier-
quälerischer Batteriekäfighaltung der
Legehennen im Ausland.
Täuschung der KonsumentenDenn während die Konsumentinnen und
Konsumenten zwar im Laden hauptsäch-
lich zu Schweizer Eiern aus Boden- oder
Freilandhaltung greifen, ist die Herkunft
der Eier bei Gebäck, Teigwaren oder eier-
haltigen Fertigprodukten meistens nicht
erkennbar, da eine Deklaration fehlt.
Gegenüber dem Vorjahr ist der Eier-
import 2008 um 100 Millionen auf 766
Millionen Eier gestiegen. Nach Recher-
chen des STS stammen davon zwischen
40 und 80 Millionen Stück aus Käfigbat-
terien. Diese Erkenntnis ist ernüchternd.
Preisdruck fördert KäfigeierGrund für diesen erhöhten Verbrauch
von Käfigeiern ist die Tatsache, dass sie
billiger sind als jene Eier aus tierfreund-
licher Produktion, und das verarbeitende
Gewerbe und die inländische Nahrungs-
mittelindustrie damit die Herstellungs-
kosten so tief wie möglich halten wollen.
«Preisdrückerei bei der Erzeugung tieri-
scher Produkte, ob Ei, Milch oder Fleisch,
geschieht stets auf dem Buckel der Tiere
und auf Kosten der Produktequalität und
-sicherheit für die Konsumenten», gibt
STS-Geschäftsführer Hansuli Huber zu
bedenken.
Im Gegenzug müssten Bauern, wel-
che ihren Hühnern Auslauf gewähren,
jedoch auch einen fairen Preis pro Ei er-
halten.
Appell an Gewerbe und IndustrieDer STS hat mit einer Medienkonferenz
auf diese Zusammenhänge aufmerksam
gemacht und gleichzeitig einen öffentli-
chen Appell an die Gastronomie, die Bä-
ckereien und die eierverarbeitenden Be-
triebe gerichtet, bis spätestens Ende 2010
auf Käfigeier aus dem Ausland zu ver-
zichten.
Immerhin gibt es hierzulande doch
einige vorbildliche Unternehmen, welche
bereits seit Längerem auf Schweizer Eier
aus Boden- und Freilandhaltung setzen.
«Wer aus Kostengründen Tiere leiden
lässt, ist auch versucht, billigen Ramsch
ins Futter zu mischen, solange noch ein
Ei hinten rauskommt», meint etwa der
erfolgreiche «Gipfeli-König» Fredy Hie-
stand. Matthias Brunner
Für Backwaren, Fertigprodukte sowie in der Gastronomie werden vermehrt Importeier aus tierquälerischer Käfighal-tung der Legehennen verwendet. Bis Ende nächsten Jah-res will der STS diesen Zustand stoppen und nimmt dabei das einheimische Gewerbe und die Nahrungsmittelindus-trie in die Verantwortung.
Versteckte Käfigeier bedeuten Tierleid
ZVG
TIERREPORT 2/2009 5
Tierschutzbeauftragter erschiesst FindelhundVöllig grundlos holt der Tierschutzbeauftragte der Stadt Altstätten die Findelhündin Funny im Tierheim ab und er-schiesst sie anschliessend.
Vorsicht vor dem Hitzetod!Wer seinen Hund im Sommer an der
prallen Sonne im Auto lässt, riskiert,
dass dieser durch einen Kreislaufkol-
laps qualvoll ums Leben kommt. Leider
passiert dies jedes Jahr wieder: Leute
stellen ihr Auto ab und lassen ihren
Hund im Fahrzeug allein zurück. Doch
wer glaubt, es genüge, das Fenster ei-
nen kleinen Spalt offen zu lassen, der
irrt: Der Innenraum kann sich innert
kürzester Zeit auf 80 Grad Celsius auf-
heizen. Der Hund hechelt immer stär-
ker, doch da er ja nicht schwitzen kann,
kommt es zum Hitzestau, welcher nicht
selten zum Tod führt.
Solch ein Verhalten des Hundehal-
ters ist nicht bloss verantwortungslos,
sondern auch strafbar gemäss Tier-
schutzgesetz. Wer einen Hund in einer
derartigen Situation beobachtet, sollte
unbedingt unverzüglich die Polizei be-
nachrichtigen, aber nur im äussersten
Notfall selber die Autoscheibe einschla-
gen. mb
Hitzefalle: Der STS hat dieses Plakat an sämtliche Gemeinden verschickt.
ZVG
Funny war eine lebensfrohe, rund einjäh-
rige Mischlingshündin. Da sie allein he-
rumirrend von der Polizei aufgegriffen
wurde und keinen Mikrochip trug, kam sie
ins Tierheim Tannenhof in Walzenhau-
sen. Doch dann nahm ihr Schicksal einen
tragischen Verlauf: Ein paar Tage später
tauchte plötzlich der Tierschutzbeauf-
tragte der Stadt Altstätten auf und holte
Funny einfach ab. Kurz darauf erschoss
der pensionierte Wildhüter das wehrlose
Tier mit seiner eigenen Waffe.
Als die STS-Sektion Tierschutzverein
Rheintal von der schrecklichen Tat erfuhr,
wandte sie sich umgehend an den Stadt-
rat. Doch der nahm den fehlbaren Amts-
träger für sein skandalöses Vorgehen so-
gar noch in Schutz: Das kantonale Hun-
degesetz lasse dies zu.
Für den STS-Rechtsexperten Lukas Berger
ist jedoch zweifelsfrei klar: Funny hätte
nicht einfach so getötet werden dürfen,
schon gar nicht auf diese Weise. Denn laut
Zivilgesetzbuch hätte Funny mindestens
zwei Monate im Tierheim verbleiben müs-
sen. Doch offenbar wollte sich die Stadt
Altstätten die weiteren Unterbringungs-
kosten ersparen. Dabei bestätigte noch
Christian Rech, Präsident des TSV Rhein-
tal, dass Funny zweifellos vermittelt wor-
den wäre. Er hat deshalb die Amtsenthe-
bung des Tierschutzbeauftragten gefor-
dert und eine Strafanzeige angekündigt.
Dieses krasse Beispiel belegt einmal
mehr, dass es in der Schweiz unbedingt
kantonale Tierschutzanwälte braucht, um
solchen Missständen Einhalt zu gebie-
ten. Matthias Brunner
Skandalös: Findelhündin Funny wurde von «Amtes wegen» erschossen.
Was für ein Zirkus
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/2008TIERREPORT 2/2008644
Wenigstens einige Zirkusse haben sich die
Kritik des STS an der Haltung ihrer mit-
geführten Tiere doch zu Herzen genom-
men. Bei einem erneuten Besuch von drei
Zirkuszoos konnten die beiden STS-Fach-
leute Lydia Baumgarten und Peter Schlup
ein paar Verbesserungen feststellen. Trotz-
dem sind noch immer etliche Tierhaltun-
gen ungenügend.
Betrieb eingestelltOffenbar scheint es auch das Publikum
nicht zu akzeptieren, wenn die Tiere mies
gehalten werden. Jedenfalls ist inzwi-
schen der Circus Medrano von der Bild-
fläche verschwunden. Der STS kritisierte
dessen völlig ungenügende Tierhaltung,
viel zu kleine Gehege mit fehlendem Ta-
geslicht im schummerigen Zeltinnern, be-
reits im Jahre 2008.
Wendel Huber, der mit dem Circus
Medrano gemeinsam auf Tournee war,
hat mittlerweile seine Elefanten auf einen
Elefantenhof in Mecklenburg-Vorpom-
mern verbracht. Nach einem Bericht des
Tages-Anzeigers hat Huber eine Anzeige
vom Zürcher Veterinäramt für die unge-
nügende Haltung der Elefanten im Win-
terquartier bei Hüttikon erhalten.
Proteste zeigen WirkungAuf Druck des Dachverbandes Berner Tier-
schutzorganisationen wegen der schlech-
ten Tierhaltungsbedingungen beim Circus
Royal, hat das Veterinäramt des Kantons
Bern Auflagen verfügt, gegen diese der
Zirkus allerdings wiederum Einspruch er-
hoben hat.
Auch heute hinterlässt der Circus Ro-
yal einen widersprüchlichen Eindruck. Die
Haltung der Rhesus-Affen, Lamas und
Watussi-Rinder ist zwar besser als noch
vor einem Jahr. Bei den neu mitgeführ-
ten Nandus ist jedoch die Auslauffläche
viel zu gering. Das Gehege des Fuchses ist
deutlich zu klein, und er lebt auf Gitterbo-
den, sodass eine Grabgelegenheit fehlt und
er durch Verhaltensstörungen auffällt.
Völlig inakzeptabel und gesetzeswid-
rig ist die Haltung eines einzelnen Geiers:
Der mächtige Greifvogel ist die ganze Zeit
an einem Stahlseil angekettet und hat des-
halb keine Möglichkeit, sich frei zu bewe-
gen, geschweige denn zu fliegen.
Kein Veränderungswille bei NockObwohl der STS beim Circus Nock einige
kritische Punkte in der Tierhaltung fest-
stellen musste, hat sich auch in der lau-
fenden Saison nichts zum Positiven ver-
ändert. Besonders stossend ist, dass ein
einzelner Tiger zusammen mit den Löwen
gehalten wird. Dabei haben die beiden
Grosskatzenarten völlig unterschiedliche
Bedürfnisse. Ausserdem sind die Gehege
viel zu klein und erfüllen nicht einmal
die Mindestanforderungen der geltenden
Tierschutzverordnung.
Im STS-Zirkusbericht vor einem Jahr kamen einige Zirkusbetriebe bei ihrer Tierhaltungschlecht weg. Leider hat sich die Situation bei einem erneuten Besuch der STS-Expertenmit wenigen Ausnahmen kaum wesentlich zum Positiven verändert.
TIERREPORT 2/2009
Zirkusdynastie Knie ist vorbildlichEine erfreuliche Ausnahme bildet der Cir-
cus Knie. Trotz der eingeschränkten Bedin-
gungen der ständig wechselnden Stand-
orte, versucht der Familienbetrieb seine
Tiere so artgemäss wie möglich zu halten.
Nochmals verbessert hat sich insbe-
sondere die Pferdehaltung. Neu verfügen
sämtliche Boxen über einen permanenten
Auslauf (vgl. auch Artikel Seite 30). Die
Pferde haben nun jederzeit die Wahl, ob sie
sich im Freien oder im Stall aufhalten wol-
len. Zusätzlich erhalten sie je nach Stand-
ort des Zirkus täglichen Weidegang.
Positiv aufgefallen ist ebenfalls, dass
die Elefanten nun nachts nicht mehr an-
gekettet werden. Für alle Tierarten wer-
den die Mindestanforderungen der neuen
Tierschutzverordnung eingehalten und zu-
meist sogar noch deutlich übertroffen.
Monti ist amtierfreundlichstenEin Vorbild bleibt nach wie vor der Cir-
cus Monti. Er verzichtet vollständig auf
Wildtiere und führt dieses Jahr überhaupt
keine Tiernummern in seinem Programm.
Im Zirkuszoo befinden sich ausschliesslich
Haus- und Heimtiere wie Meerschwein-
chen, Hühner sowie Zwergesel.
Besonders erwähnenswert sind die
guten, grosszügigen Haltungen und die
verschiedenen seltenen Ziegenrassen, für
deren Erhaltung sich ProSpecieRara ein-
setzt.
Konkurrenzkampfim VordergrundInsgesamt fällt das Fazit des STS durchzo-
gen aus. Während sich manche Zirkusse
Verbesserungen gegenüber resistent zei-
gen, versuchen fortschrittliche Betriebe
ethologische Erkenntnisse bei der Gestal-
tung der einzelnen Gehege vermehrt zu
berücksichtigen. Gerade die Grösse von
Weide- und Auslaufflächen variiert aller-
dings je nach Spielort beträchtlich.
Genauso wichtig ist selbstverständ-
lich, die Tiernummern so zu gestalten,
dass die Tiere dabei nicht überfordert wer-
den, und ihre Würde gewahrt bleibt.
Was bleibt, ist der ständige Konflikt
zwischen den Ansprüchen der Tiere und
der Tatsache, dass sie Teil eines kom-
merziellen Showgeschäfts sind, das ei-
ner knallharten Konkurrenz unterliegt.
7
Einige Zirkusbetriebe sind heute in ihrer
wirtschaftlichen Existenz bedroht, wobei
auch die Tiere in Mitleidenschaft gezogen
werden können.
Gesetz bleibt laschDer STS bemängelt, dass auch im revidier-
ten Tierschutzgesetz Zirkusbetriebe von
zahlreichen Ausnahmbestimmungen bei
der Tierhaltung und langen Übergangs-
fristen profitieren können. Meistens geht
es dabei um die Gehegegrösse.
Dabei haben die einzelnen Tierarten
immer dieselben spezifischen Anforde-
rungen, egal ob sie nun in einem Wild-
park, in einem Zoo, in einem Zirkus oder
bei einer Privatperson zu Hause gehalten
werden. Besonders Wildtiere sind ja be-
reits durch die Gefangenschaft in ihrem
Leben stark eingeschränkt, weshalb ihrer
natürlichen Lebensweise so weit wie mög-
lich entsprochen werden sollte.
Matthias Brunner
Der vollständige Zirkusbericht sowie eine
Liste mit Zirkusunternehmen ohne Tiere
sind unter der folgenden Internetadresse
abrufbar: www.tierschutz.com/zirkus
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/2008TIERREPORT 2/2008844
Vor zwanzig Jahren wurden 47 Schim-
pansenbabys im Urwald Sierra Leo-
nes gewaltsam ihren Familien entrissen
und nach Europa verschleppt. Diesem
Trauma folgten Jahre der Isolationshal-
tung in engen, sterilen Käfigen, damit an
den Primaten Experimente für die HIV-
Ungewisse Zukunft für Baxter-Schimpansen Vierzig einstige Versuchstiere leben derzeit im so genann-ten Affenhaus, das der Pharmakonzern Baxter in der Nähe von Wien für sie errichtet hat. Neuesten Plänen zufolge soll nun ein Grossteil der Schimpansen nach Ungarn abgescho-ben werden.
und Hepatitisforschung durchgeführt
werden konnten. 14 der 40 noch über-
lebenden Affen sind tatsächlich mit HIV
bzw. Hepatitiserregern infiziert.
Zehn Jahre später wurden die Versu-
che endlich eingestellt. Der Baxter-Kon-
zern gründete für die Haltungskosten der
Affen einen Pensionsfonds und errich-
tete ein Affenhaus im Safaripark Gänse-
rndorf. Doch noch bevor ein Aussenge-
hege realisiert werden konnte, ging der
Safaripark Konkurs. Die meisten Tiere
leiden an starken Verhaltens- und Ess-
störungen. Viele sind nicht sozialisiert,
aggressiv und neigen zur Selbstverstüm-
melung.
Ungeeigneter ZooJüngsten Plänen zufolge soll nun ein Teil
der Schimpansen an einen Zoo in Un-
garn abgeschoben werden, wo der an-
dauernde Besucherstrom die hochgra-
dig verhaltensauffälligen Tiere enor-
mem Stress aussetzen würde. Bei diesem
Lösungsversuch stehen finanzielle und
nicht tierschützerische Erwägungen im
Vordergrund.
Denn die Affen bedürfen einer ganz
besonderen Pflege und Fürsorge. Ver-
trauen zu neuen Pflegern aufzubauen
kann Jahre dauern und den mühsam
eingeleiteten Resozialisierungsprozess
nachhaltig stören. Die bestehende Sozi-
alstruktur der Schimpansen würde durch
eine Trennung gestört. Zudem ist in be-
sagtem Zoo keine bauliche Massnahme
getroffen worden, um die männlichen
Affen abends zu separieren. Raufereien
mit mitunter tödlichem Ausgang sind
damit förmlich vorprogrammiert.
Gute Lösung gefordertDer STS forderte die Schweizer Baxter-
Niederlassung auf, eine langfristige und
tierschutzkonforme Unterbringung der
ehemaligen Versuchstiere sicherzustel-
len. Der Medien- und Kommunikations-
beauftragte des Pharmakonzerns versi-
cherte in einem Brief, Baxter sei bereit,
eine nachhaltige und für die Schimpan-
sen gut geeignete Lösung im Rahmen
seiner Möglichkeiten finanziell zu un-
terstützen. Die Firma darf sich jedenfalls
nicht der Verantwortung für die jahre-
lang missbrauchten Schimpansen ent-
ziehen. Der STS wird die Fortsetzung
dieser traurigen Saga im Auge behal-
ten.
Mark Rissi
TIERREPORT 2/2009
Der Gazakrieg zwischen Israel und der Ha-
mas endete im Januar 2009 nach 22 Ta-
gen mit einer fragilen Waffenruhe. Über
20 000 private und öffentliche Häuser
wurden zerstört, Zigtausend Menschen
wurden obdachlos.
Nach dem Waffenstillstand gelang es
den vor Ort arbeitenden Tierärzten Dr. Or-
han Khateeb und Dr. Reem Khoury, dem
Koordinationsbüro für Katastrophenhilfe
der Welttierschutzgesellschaft (WSPA)
mit Sitz in London genauere Informatio-
nen zu den aktuellen Tierschutzproblemen
im Gazastreifen zu übermitteln. Das Büro
stellte sofort eine Lieferung der dringend
benötigten tierärztlichen Versorgungsgü-
ter zusammen. Der STS als aktives Mit-
glied dieser Katastrophenhilfe-Allianz
(Disaster Alliance) sicherte seine Unter-
stützung zu.
Bevölkerung auf Lasttiere angewiesenEs stellte sich leider rasch heraus, dass die
Situation der leidenden Tiere noch um ein
Vielfaches schlimmer war als ursprünglich
eingeschätzt. Zahllose Esel und Pferde lit-
ten unter den kriegerischen Auseinander-
setzungen. Diese Lasttiere sind für den
Wiederaufbau von Lebensgrundlagen in
der Region, für die Schaffung einer Spur
von Normalität für die Einwohner des Ga-
zastreifens überlebenswichtig. Sie sind das
Hauptverkehrs- und Haupttransportmittel
vor Ort. Viele Palästinenser sind von ih-
ren Nutztieren abhängig. Sie liefern ihnen
STS und WSPA stellten tierärztliche Hilfsgüter zurVerfügung, um Wunden und Verletzungen von Tieren im Gazastreifen zu behandeln, und die Folgen von konfliktbedingter Mangelernährung zu lindern.
9
Gaza:Tiere alsKriegsopfer
Natürliche oder zivilisationsbedingte Katastrophen überraschenjedes Jahr Millionen von Menschen und zerstören ihre Umwelt. Ob schwere Überflutungen, Vulkanausbrüche oder Krieg – fast immer sind auch Tiere Opfer dieser Katastrophen. Trotzdemfinden ihre Schicksale wenig Beachtung. Wegen des globalen
Rettungsnetzwerkes können WSPA-Mitarbeiter nach einer Kata-strophe innerhalb von nur wenigen Tagen vor Ort sein und eineffektives Hilfsprogramm zusammenstellen, das sie zügig voran-bringen. Unterstützen Sie uns dabei! Benutzen Sie dafür denbeigehefteten Einzahlungsschein.
Nahrung, erleichtern den Transport von
Gütern und sichern den Lebensunterhalt.
Nutzvieh und Zootiere betroffenDie Untersuchungen der Veterinäre bestä-
tigten den erwarteten Akutbedarf für eine
medizinische Erstversorgung der in Not
geratenen Tiere, deren schlimmstes Leid
von Verletzungen und Wunden als Folge
des Konflikts herrührte – verstärkt noch
durch einen Mangel an Nahrung und Was-
ser. Die Veterinäre Khateeb und Khoury
wiesen ausdrücklich darauf hin, dass ein
unmittelbarer Bedarf an tierärztlicher Be-
treuung auch für Schafe und Ziegen sowie
für die Bewohner des Gazazoos vonnöten
sei. Mark Rissi
Unterstützen Sie bitte unseren Katastrophenfonds!
TIERREPORT 2/200910
S C H W E I Z E R F R E I L A N D E I E R
Hiestand mit dem Tierschutzpreis «Goldenes Ei» ausgezeichnet
Die Backwarenfirma Hiestand Schweiz AG wurde mit der Aus-
zeichnung «Goldenes Ei» geehrt. Die internationale Nutztier-
schutzorganisation Compassion in World Farming CIWF und
der STS würdigten damit die Verdienste der Schweizer Nie-
derlassung von Hiestand, ausschliesslich Schweizer Freiland-
eier für ihre Backwaren zu verwenden. Das Unternehmen ist
damit dem Grundsatz seines Firmengründers Fredy Hiestand
treu geblieben.
Dass Tierschutz bei einer Firma dieser Grösse mit allein
1000 Mitarbeitenden in der Schweiz so konsequent berück-
sichtigt wird, ist angesichts des knallharten Preiskampfes auf
dem Markt alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Zur Volksinitiative für Tierschutzanwälte
wird es keinen indirekten Gegenvorschlag
geben. Mit 91 zu 64 Stimmen hat der Na-
tionalrat Mitte März einen entsprechen-
den Antrag seiner Kommission für Wis-
senschaft, Bildung und Kultur (WBK) ab-
gelehnt.
Die Volksinitiative des STS verlangt,
dass in Strafverfahren wegen Tierquäle-
rei und anderer Verstösse gegen das Tier-
schutzgesetz ein Tierschutzanwalt die In-
teressen der geschädigten Tiere vertritt.
Die WBK des Nationalrates stellte sich
hinter das Anliegen der Initianten. Sie
wollte dieses aber nicht auf Verfassungs-
stufe, sondern mit einer Änderung des
Tierschutzgesetzes erfüllen.
Weil die ständerätliche Schwester-
kommission opponierte, hätte es nun ei-
nen entsprechenden Auftrag des Plenums
gebraucht. Doch der Nationalrat verwei-
gerte der Kommission dieses Mandat und
folgte damit der Kommissionsminderheit.
Vergeblich wies Kommissionssprecherin
Kathy Riklin (CVP, Zürich) darauf hin,
dass die Kantone – wie beispielsweise St.
Gallen – auch eine bereits bestehende Be-
hörde als Tierschutzanwalt einsetzen kön-
nen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab,
weil er angeblich nicht in die Organisa-
tionsautonomie der Kantone eingreifen
möchte.
S T S - I N I T I A T I V E
Kein Gehör für Tieranwälte
Die Kosten für die Haltung von Tieren
zu Versuchszwecken in den beiden ETHs
und den Universitäten betragen rund 82
Millionen Franken. Der Bund zahlt da-
von 46 Millionen. Die Eidgenössische Fi-
nanzkontrolle (EFK) untersuchte den Be-
willigungsprozess sowie die Kosten und
die Finanzierung von Tierversuchen. Da-
bei stellte die EFK fest, dass die Daten für
die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von
Investitionen in Tierhaltungen nicht vor-
S T A A T L I C H E T I E R V E R S U C H E
Finanzkontrolle will mehr Transparenz
handen sind. Es bestehe daher das Risiko,
dass mangels Kostentransparenz Fehlent-
scheide getroffen würden.
Dank dem neuen Tierschutzgesetz
könne das Bundesamt für Veterinärwe-
sen (BVET) nun Daten erheben. Diese Da-
ten sollen gemäss Empfehlung der EFK
dem Staatssekretariat für Bildung und
Forschung sowie dem ETH-Rat als Pla-
nungsgrundlage zur Verfügung gestellt
werden.
+ + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H
ISTO
CKPH
OTO
TIERREPORT 2/2009 11
N A T I O N A L R A T
Für Deklarations-
pflicht von Pelzen
Wer sich einen Pelz kauft, soll wissen,
wo und wie das Tier gehalten wurde. Der
Bundesrat ist bereit, zwei Motionen zur
Deklaration der Herkunft von Pelzen zu
prüfen, wie er Ende Mai mitteilte.
In ihrer Motionsbegründung schreibt
die grünliberale Zürcher Nationalrätin Ti-
ana Angelina Moser, dass vor 25 Jahren
Pelztragen erfolgreich in der Öffentlich-
keit zur Gewissensfrage deklariert worden
sei. Heute aber sei Pelz wieder Mode und
sei – vor allem aus chinesischer Produk-
tion – ins Billigsegment der Kleidungsin-
dustrie aufgenommen worden.
Neue Kennzeichnungsvorschriften
widersprechen laut dem Bundesrat den
Bestrebungen, Handelshemmnisse zu be-
seitigen. Doch sei das Interesse der Kon-
sumentinnen und Konsumenten, sich zu
informieren und sich bewusst für oder ge-
gen bestimmte Pelzprodukte entscheiden
zu können, gerechtfertigt.
Gemäss der eidgenössischen Jagdstatistik
werden in der Schweiz jährlich 1000 bis
3000 Rehkitze beim Mähen getötet; die
Dunkelziffer liegt um einiges höher. Auch
andere Tiere, beispielsweise Junghasen,
junge Füchse und Igel fallen oft den Mes-
sern der Mähmaschinen zum Opfer. Wie
viele Kleintiere jährlich auf diese Weise
sterben, wird statistisch aber nicht erfasst.
Dem Problem ist schwer beizukommen.
Doch mit einer guten Kommunikation zwi-
schen Landwirten und Wildhut liesse sich
einiges machen. Der STS propagiert den
Gebrauch eines Hightechgerätes, mit dem
Rehkitze aufgespürt werden können, des so
R E H K I T Z T O D
Der Ball liegt bei den Bauerngenannten ISA-Wildretters. Das Gerät ist,
vereinfacht gesagt, eine mit Infrarotsenso-
ren ausgerüstete Stange, die Wärmequellen
wahrnimmt – beispielsweise Rehkitze. STS-
Zoologe Peter Schlup erklärt: «Die Land-
wirte müssen sich bei der Wildhege melden,
bevor sie mähen wollen, damit deren Ver-
treter frühmorgens die Wiesen abschreiten
und nach Kitzen suchen können.»
Die Anschaffung eines Gerätes kostet
rund 2500 Franken. Der STS unterstützt
diese mit je 500 Franken. Bislang sind in
der Schweiz, vornehmlich im Mittelland,
neun solcher Geräte erfolgreich im Ein-
satz.
H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W SFR
ANZ
HÜRL
IMAN
N
ZVG
S T Ä N D E R A T
WBK-Kommission legitimiert Robbenmord
Die EU hat mit überwältigendem Mehr das
Embargo für sämtliche Robbenprodukte
beschlossen. Umso befremdlicher wirkt
die kürzlich abgegebene Stellungnahme
der ständerätlichen Kommission für Wis-
senschaft, Bildung und Kultur (WBK),
die Einfuhr, den Transit und den Handel
mit Robbenprodukten zuzulassen, sofern
diese aus «staatlich bewilligter und kont-
rollierter Jagd» stammen, die «nachweis-
lich unter Einhaltung der massgeblichen
Tierschutzstandards erfolgte.»
Der Zürcher EVP-Nationalrat Ruedi
Aeschbacher hatte dagegen in seiner Mo-
tion, die vom Nationalrat bereits gutge-
heissen wurde, unmissverständlich gefor-
dert: «Kein Handel mit Produkten aus ka-
nadischer Robbenschlächterei.»
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/2008TIERREPORT 2/20081244
Frau M. hält im und ums Haus unter er-
bärmlichen hygienischen Bedingungen
20 Hunde dreier Rassen und zahlreicher
Mischlinge, mit drei soeben geborenen
Würfen von Welpen, eine Sporenschild-
kröte, zwei grüne Leguane, einige Kral-
lenfrösche, zwei Schlangen, Fische, und
in der kalten, zugigen, dunklen Garage
einen Javaneraffen, einen Totenkopfaf-ff
fen, zwei Krallenaffen (alle ohne Hal-
tungsbewilligung, genauso wie die Legu-
ane und die Schildkröte), vier Nacktkat-
zen, etwa zehn Laborkäfige mit Futterrat-
ten und Mäusen, die auf Zeitungen von
Brot und veralgtem Wasser leben, sowie
Nymphensittiche, Lachtauben und eine
einzelne Wachtel in einer Voliere von ei-
nem Quadratmeter Grundfläche. Frau M.
ist eine Tiersammlerin.
Zwanghaftes Sammelnvon TierenDie Geschichte von Frau M. ist typisch
für Tiersammlerinnen: Meistens handelt
es sich um Frauen ab vierzig bis fünfzig
Jahren, die selber oft Sozialfälle (Frau M.
ist Trinkerin) und sozial wenig kompe-
tent bis sehr vereinsamt sind, die unzäh-
lige Tiere und Tierarten aufnehmen. Sie
agieren in der festen Überzeugung, dass
es diese Tiere nur bei ihnen gut haben,
nirgends sonst.
Dabei wächst ihnen die Pflege der
überbordenden Anzahl Tiere längst sel-
ber über den Kopf. Oft können sie nicht
einmal genau bezeichnen, wie viele Tiere
ERICH LAUBER
Sogenannte Messies häufen Abfall an, weil sie sich von nichts trennen können.Ein vergleichbares Verhalten legen zwanghafte Tiersammlerinnen an den Tag, wo-bei sie sich noch als Tierschützerinnen fühlen. Ein Tierhaltungsverbot reicht meis-tens nicht aus. Solche Leute benötigen psychiatrische und psychologische Hilfeund Betreuung.
Wenn Tiere sammeln zur Krankheit wird
TIERREPORT 2/2009
sie denn überhaupt haben. Anfangs kann
es sein, dass die Tiere noch korrekt ge-
pflegt und gefüttert werden. Bald werden
aber der zeitliche Aufwand und die fi-
nanzielle Belastung für Futter, Einstreu
und Tierarzt zu gross. Die Tiere bekom-
men oft zu wenig oder gar kein Futter,
kein Wasser, werden mangels präventiver
Massnahmen von Parasiten und Infekti-
onskrankheiten geplagt, ja sterben qual-
voll durch Vernachlässigung.
Bekannt werden nur wenige Fälle in
der Schweiz. Hierzulande wird die Diag-
nose «Tiersammlerin» auch nicht als ein
psychiatrisches Problem angegangen. So
sammelte eine 43-jährige Frau insgesamt
267 Tiere (Kaninchen, Meerschweinchen,
Hamster, Kanarienvögel, Hühner, Papa-
geien sowie über 100 weitere Vögel ver-
schiedenster Arten). Eine «Katzenmutter»
hielt nebst 75 Katzen auch noch 60 wei-
tere Tiere von 13 verschiedenen Arten.
Diese Frau gab sich als Tierschützerin aus
und bezeichnete ihr Tiersammelsurium
als Gnadenhof. Genau als das empfinden
sich die meisten Tiersammlerinnen.
Hohe Rückfallgefahr drohtDer Fall von Frau M. flog erst auf, als eine
Zoohändlerin stutzig wurde, nachdem
Frau M. von ihr Futter in 25 kg-Säcken
für die Tiere erbetteln wollte, weil sie kein
Geld mehr dafür hatte. Polizei und Tier-
schutzverein sahen sich die Situation vor
Ort an. Viele Tiere sassen im Dunkeln (un-
ter anderen auch ein Wurf Nackthunde
und zwei der einzeln gehaltenen Affen),
in der zugigen Kälte (Nacktkatzen, Rep-
tilien), oder im eigenen Kot. Sie wurden
nicht artgerecht gefüttert oder gepflegt
und vermehrten sich unkontrolliert.
Nach einigem Hin und Her mit dem
Veterinäramt beschloss dieses, dass die
haltebewilligungspflichtigen Tiere ander-
weitig platziert werden und Frau M. nun-
mehr ein paar wenige Hunde halten darf,
der Rest aber beschlagnahmt wird.
Mit Erfolg? Nein. Zwei Jahre spä-
ter muss der regionale Tierschutzverein
erneut eine Kontrolle durchführen und
findet bei Frau M. die folgenden Tiere:
20 Hunde verschiedener Rassen, 10 Kat-
zen (Bengal und Nacktkatzen), 2 Kanin-
chen, 4 Agakröten, 3 Korallenfingerfrö-
sche, 1 Kugelfisch, 4 Barsche und wei-
tere Fische sowie 2 Blauzungensink-Ech-
sen. Doch das Veterinäramt sah keinen
Handlungsbedarf zum Einschreiten. Dies
ist typisch für Tiersammlerinnen: Selbst
wenn sie mit einer Tierbeschränkung oder
gar einem Tierhalteverbot belegt werden,
werden sie rückfällig und sammeln wei-
ter Tiere.
Krankhaftes VerhaltenTiersammlerinnen sind der festen Über-
zeugung, dass sie Tiere über alles lieben
und es diese bei ihnen am allerbesten ha-
ben. Eine englische Tierschutzorganisa-
tion berichtet von einer Tiersammlerin,
die in vollem Ernst sagte, dass sie nie ei-
nen Hund in irgendeiner Form quälen
würde und dass sie ihre «Babys» über al-
les liebe. Genau in diesem Moment starb
hinter ihr ein Hund an Unterernährung
und Krankheit.
Tiersammlerinnen sind blind für das
Elend der angesammelten Tiere, blind für
ihre Unfähigkeit, die Tiere richtig zu ver-
sorgen, blind für den Schmutz und Unrat
13
ERIC
H L
AUBE
R
im Lebensbereich von Mensch und Tier.
In Mitteleuropa wird das Problem der
Tiersammlerinnen kaum je angegangen,
im angelsächsischen Raum dagegen sind
Behörden und Tierschutzvereine viel eher
darauf sensibilisiert. Es befassen sich so-
gar Wissenschaftler aus der Psychiatrie
mit dem Phänomen und tauschen sich re-
gelmässig aus, allen voran Gary Patronek
und Arnold Arluke.
Die Forscher fanden heraus, dass die
Krankheit des Tiersammelns eng verwandt
ist mit jener der Messies, die Abfall sam-
meln und damit ihre Wohnung vollstop-
fen. Vermutlich liegt beiden Phänomenen
eine Zwangserkrankung beziehungsweise
eine obsessive Persönlichkeitsstörung
zugrunde, die psychiatrisch durch The-
rapien oder gar einen Aufenthalt in der
Klinik behandelt werden müsste. Einfach
die Tiere zu beschlagnahmen oder wegen
der hohen Tierzahlen einen Tierpfleger-
ausweis zu verlangen, bringt nichts. Es
ist der Mensch, dem dringend geholfen
werden muss, damit das Sammeln und
das Tierleid aufhört.
Eva Waiblinger
STS-Fachstelle Heimtiere
Bei einer Tiersammlerin: Falsch verstandene Tierliebe führt zu Tierquälerei.
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/200914
Cesar Millans Geschichte hört sich wie der
berühmte amerikanische Traum an: Einst
als illegaler Einwanderer aus Mexiko in
die USA gekommen, ist er heute der wohl
bekannteste Hundeflüsterer jenseits des
Atlantiks mit seiner eigenen Fernsehsen-
dung «The Dog Whisperer». In jeder Folge
zeigt Millan einen Hund, mit dem der Hal-
ter oder die Halterin Probleme hat: aggres-
sive Hunde, Hunde mit Phobien vor glatten
Böden, nicht gehorchende Hunde oder von
tanzenden Lichtflecken besessene Hunde.
Der Hundeflüsterer hört sich die Besitzer
an, beobachtet den Hund, dann ergreift er
Therapiemassnahmen und schwupps – der
Hund legt sein Problem ab.
Im deutschsprachigen Raum sendete
VOX eine Zeitlang die Produktion «Tier-
Nanny» mit Katja Geb-Mann, welche dann
von Martin Rütter, dem «Hundeprofi», ab-
gelöst wurde. In der Schweiz gab Heini
Meier beim Schweizer Fernsehen ein kur-
zes Gastspiel als «Hundecoach». Die Sen-
dung wurde aber nach nur fünf Folgen
Sie nennen sich Tiernanny, Hundeprofi oder Hundeflüsterer und zelebrieren die Therapie von Problemhunden im Fernsehen. Was ist aus Tierschutzsicht von diesen medialen Hundecoachs zu halten?
KEYS
TON
E
Fernseh-Tiernannys und Hundeflüsterer therapieren im Eiltempo
Unter Zeitdruck: Der Hundepsychologe Cesar Millan geht mit seinen Klienten spazieren.
TIERREPORT 2/2009
bereits wieder abgesetzt – vielleicht auch
wegen der massiven Diskussionen und
Proteste.
Trügerische PatentrezepteWas ist nun aus Tierschutzsicht von sol-
chen Sendungen zu halten? Verhaltens-
störungen sind zunehmend ein Problem.
18 Prozent der Katzen und 10 Prozent der
Hunde werden aus diesen Gründen im
Tierheim abgegeben. Das Positive vor-
weg: Solche Beiträge können der Bevöl-
kerung wenigstens vermitteln, dass Ver-
haltensprobleme mit der Hilfe von Profis
therapierbar sind – mehr aber auch nicht.
Denn die kurzen Szenen gaukeln den Tier-
haltern vor, dass die Therapien in Rekord-
zeit wirken.
Die Sendungen der ersten Staffel
drehte Millan tatsächlich in nur einem
halben Tag ab. Es erfolgte auch keine
Nachbetreuung der vorgestellten Perso-
nen und Hunde. Bei Rütter ist die Sendung
zusammengeschnitten aus drei Sitzungen,
für die Wochen dazwischen erhalten die
Hundehalter Übungsaufgaben. Auch drei
Sitzungen reichen oft nicht aus, das Pro-
blem zu lösen. Meist wegen den Haltern
selbst, durch falsches Timing der Übun-
gen oder Inkonsequenz.
Fragwürdige MethodenVielleicht gerade wegen des Zeitdrucks für
eine Fernsehsendung wenden Hundeflüs-
terer zum Teil Methoden an, die aus Tier-
schutzsicht bedenklich sind. Cesar Millan
legte einem Sennenhund, der zwanghaft
mit Lichtreflexionen spielte, ein Stachel-
halsband an und zupfte jedes Mal daran,
wenn der Hund seine Augen auf einen
Lichtpunkt aus einem Laserpointer rich-
tete. Auf seiner Website findet man meh-
rere Filme, die zeigen, dass Millan mit
ziemlichem Druck arbeitet und Hunde in
extreme Stresssituationen bringt.
So hatte die dänische Dogge Kane pa-
nische Angst vor glatten Böden, weil sie
als Welpe heftig ausgerutscht war und die
Halterin sie in dieser Situation durch inten-
sives Trösten in ihrer Angst noch bestärkt
hatte. Millan zerrte diese Dogge über den
glatten Boden. Der Atem der Dogge geht
im Filmclip extrem schnell und sie spei-
chelt intensiv, ein Zeichen von massivem
Stress. Auch «Hundecoach» Heini Meier
verwendete diese Methode, um die Hün-
din Fili, welche Angst vor dem Auto hatte,
ins Auto zu zerren – eine der zwei Szenen,
die zu einem massiven Entrüstungssturm
in der Hundeszene geführt haben.
Gibt es keine weniger belastenden
Möglichkeiten, Angst beim Tier abzu-
bauen? Selbstverständlich: Ein schritt-
weises Desensibilisieren und Heranfüh-
ren an die Angst auslösende Situation ist
für das Tier mit wesentlich weniger Stress
verbunden. Aber dieses Vorgehen braucht
vor allem viel Zeit und Konsequenz.
Spektakuläre Resultate um jeden PreisUnd damit kommen wir zu des verhaltens-
gestörten Pudels Kern: Unter Zeitdruck
und weil das Medium sofort sichtbare, ja
wenn möglich spektakuläre Resultate ver-
langt, verwenden die TV-Hundeflüsterer
manchmal Methoden, die einen schnellen
Erfolg versprechen, aber für das Tier be-
lastend sind. Millan liess Rottweiler Titan,
um ihn zu beschäftigen, drei Schafe jagen.
Eines der Schafe packte der Hund am Hin-
terteil und riss es zu Boden. Die Schafe
standen dabei unter massivem Stress und
Angst. Was war der Kommentar von Mil-
lan zu Titans Leistung? «Er ist ein Natur-
talent.»
In der Schweiz wäre ein solches Vor-
gehen strafbar: Hundetrainer Hans Schle-
gel wurde wegen mehrfacher fahrlässiger
sowie eventualvorsätzlicher Tierquälerei
zu einer saftigen Busse verurteilt, weil ein
Hund während einer Wesensprüfung zwei
Kaninchen totgebissen, ein drittes verletzt
und andere Tiere in Angst versetzt hatte.
Selbstinszenierung steht im MittelpunktBei «The Dog Whisperer» geht es auch um
eine Selbstdarstellung von Cesar Millan.
Es ist Millan, der eingreift, der die Leine
hält, der dem Hund zeigt, wer das Sagen
hat. Erst in zweiter Linie dürfen die Hun-
dehalter dann ausprobieren. Da geht Hun-
deprofi Rütter völlig anders vor: Bei ihm
15
VOX/
MIN
A TR
ADIN
G
müssen die Hundehalter selber die Übun-
gen durchführen. Dies ist die richtige Me-
thode, denn schliesslich müssen die Hun-
dehalter ja dann auch selber in ihrem
Alltag mit dem Hund umgehen können,
wenn kein Profi da ist, der dem Hund et-
was flüstern kann ...
Nicht zur NachahmungempfohlenBei all diesen Tiernanny-Sendungen be-
steht akute Nachahmungsgefahr. Wer
tierpsychologische Therapiemethoden
aber ausprobiert ohne zu wissen, worauf
es ankommt, wer zum Beispiel das rich-
tige Timing von Korrekturmassnahmen
verpatzt, kann mehr verderben als ver-
bessern. Ja sogar das Gegenteil des Er-
wünschten kann eintreffen und beim Tier
können Angst oder Aggressionen ausge-
löst werden!
Sinnvoller ist deshalb auf jeden Fall,
professionelle Hilfe aufzusuchen, wenn
Probleme mit einem Hund oder einer
Katze auftreten. Nach einer vorgängigen
tierärztlichen Abklärung des Tieres bieten
in der Schweiz die Tierpsychologen der
VIETA (www.vieta.ch) und die in Verhal-
tensmedizin ausgebildeten Tierärzte des
STVV (www.stvv.ch) Beratung und The-
rapien an. Eva Waiblinger
STS-Fachstelle Heimtiere
Hundeprofi: Bei Martin Rütter müssen die Hundehalter die Übungen selber durchführen.
TIERREPORT 2/200916
Zwei grosse Kulleraugen ragen knapp
über die Wasseroberfläche. Das Blickfeld
ist zwar breit, reicht aber trotzdem nur
höchstens bis zum Teichrand. So sieht die
viel zitierte, geschmähte Froschperspek-
tive aus. Doch dem Teichbewohner reicht
dieses Blickfeld völlig aus.
FOTO
S: IS
TOCK
PHO
TO
Bisher bildeten Frösche als älteste Landwirbeltiere eine riesige Artenviel-falt. Doch durch einen verschlepptenHautpilz und den Einfluss des Men-schen drohen die Froschpopulationen weltweit rasant auszusterben.
Haben Frösche bald ausgequakt?
TIERREPORT 2/2009 17
Wenn in lauen Frühlingsnächten die
Froschmännchen ihren Kehlsack aufplus-
tern und laut vernehmbar um die Gunst
der Weibchen quaken, heisst dies je-
doch noch lange nicht, dass jeder gleich
zum Froschkönig gekürt wird. Wohl jede
(Frosch-)Frau weiss, dass sie zuweilen gar
manchen Frosch küssen muss, bevor sich
einer tatsächlich in einen Prinzen ver-
wandelt.
Verwandlung inein anderes TierDoch eine beinahe unglaubliche Meta-
morphose hat bereits jeder Frosch in sei-
nem Leben hinter sich gebracht: Vom
Kiementräger hat er sich innert weniger
Wochen zur Amphibie entwickelt, welche
sich sowohl im Wasser als auch an Land
wohl fühlt.
Je nach Froschart schlüpft nach zehn
Tagen oder auch erst nach vier Wochen
aus dem Ei eine Larve. Die vorerst winzige
Kaulquappe gleicht mit ihrem ovalen Kör-
per und dem langen Ruderschwanz eher
einem Fisch, wozu auch die Kiemen pas-
sen.
Die Entwicklungsdauer zum fertigen
Frosch hängt auch hier von der jeweiligen
Art ab. Während manche Froscharten eine
Form der Brutpflege betreiben, überlas-
sen andere die geschlüpften Larven ihrem
Schicksal. Hat die Kaulquappe erst einmal
diesen Überlebenskampf gewonnen, ver-
wandelt sie sich nach und nach in einen
Frosch und damit in ein völlig neues Tier
mit ganz anderen Lebensanforderungen.
Vom Zwerg bis zum GoliathMindestens genauso faszinierend wie
diese fast unglaubliche Metamorphose
ist die riesige Artenvielfalt der Frösche:
Über den ganzen Globus verteilt sind ins-
gesamt rund 5700 Frosch- und Krötenar-
ten bekannt. Erst kürzlich entdeckten For-
scher in den «Elfenwäldern» im Hochland
des Manu Nationalparks im Südosten Pe-
rus eine neue Art. Das Fröschlein war ja
ISTO
CKPH
OTO
TIERREPORT 2/200918
Familienbande: Auch die Tanten helfen bei der Aufzucht der Jungen.
Familienbande: Auch die Tanten helfen bei der Aufzucht der Jungen.
gar leicht zu übersehen: Gerade mal 11,4
Millimeter misst «Noblella pygmaea» und
gehört damit zu den kleinsten Amphibien
der Welt.
In krassem Gegensatz dazu steht der
in Westafrika lebende Goliathfrosch als
grösster Vertreter seiner Familie. Der Ko-
loss wird bis zu 40 Zentimeter gross und
kann ein Gewicht von über 3 Kilogramm
erreichen.
Allein schon auf der Insel Madagaskar
kommen 150 Froscharten vor, von denen
einige knallbunt sind, wie beispielsweise
das leuchtend orange Goldfröschchen.
Auch die Baumsteigerfrösche im süd-
amerikanischen Regenwald zeigen sich
äusserst farbenfroh. Kaum ein Künstler
verfügt über so viel Phantasie, um einen
solchen Reichtum an Farben und Mustern
zu kreieren!
Tödliches GiftDieses auffällige Erscheinungsbild dient
einer klaren Ansage an allfällige Fress-
feinde: «Achtung! Ich bin giftig!» Denn
über Hautdrüsen sondern die Baumstei-
gerfrösche ein hoch potentes Gift ab, das
schon in kleinsten Mengen sogar für Men-
schen absolut tödlich wirkt.
Das Wissen um diese Wirkung nutzen
kolumbianische Indios schon seit jeher
für die Jagd. Sie präparieren ihre Pfeile,
Südafrikanische Krallenfrösche (Xenopus laevis)
werden vor allem in der Immunbiologie-Forschung
eingesetzt. Verwendet werden der Laich und die
Kaulquappen, um die Entwicklung des Immunsys-
tems zu beobachten. Im Biozentrum Basel warten
nun etwa fünfzehn erwachsene Krallenfrösche auf
einen Lebensplatz bei Privatpersonen.
Die Haltung der nachtaktiven Krallenfrösche
gleicht der von Aquarienfischen: Die attraktiv ge-
zeichneten Frösche verbringen ihr gesamtes Le-
ben im ca. dreissig Zentimeter tiefen Wasser und
kommen nur an die Wasseroberfläche, um Luft zu
schnappen. Tagsüber verstecken sie sich gerne in
Tonröhren, unter Wurzeln und Pflanzen.
Das Aquarium kann also nicht gross genug
sein, denn Krallenfrösche sind aktive und schnelle
Schwimmer und können auch recht zutraulich wer-
den. Krallenfrösche werden ein- bis zweimal pro
Woche mit Tubifex-Würmern, zerkleinerter Leber,
Herz oder Fertigfutter in Pelletform gefüttert. Nötig
sind eine Wasserfilterung und regelmässiger Teil-
wasserwechsel mit abgestandenem Wasser, das
optimal eine Temperatur von 18-22 Grad haben
sollte.
Die Lebenserwartung von Krallenfröschen
ist mit dreissig Jahren sehr hoch! Die Krallenfrö-
sche aus dem Biozentrum sind etwa vier Jahre
alt, haben also noch ein langes Leben vor sich.
Wer bereit ist, einigen dieser Frösche einen art-
gemässen Lebensplatz zu bieten, soll sich bei
Eva Waiblinger, Fachstelle Heimtiere, melden:
eva.waiblinger@tierschutz.com, Tel. 043 322 03
45. Es erfolgt eine Platzkontrolle, bevor Tiere ab-
gegeben werden.
TIERREPORT 2/2009 19
Krallenfrosch: Beliebt in der Forschung.
Blauer Giftpfeilfrosch
Rotrücken Giftfrosch
Krallenfrösche aus Tierversuch brauchen Lebensplätze
indem sie diese über die Haut der Frö-
sche streichen. Danach verwenden sie die
Pfeile in ihren Blasrohren. Bei einem Tref-
fer ist so beispielsweise ein Wildschwein
schon nach kurzer Zeit tot.
Weltweites FroschsterbenDoch leider reicht den kleinen Frösch-
lein, die deshalb auch Pfeilgiftfrösche ge-
nannt werden, mittlerweile selbst ihr Gift
fürs Überleben nicht mehr aus. Denn in-
zwischen bedroht der tödliche Chytridpilz
Batrachochytrium dendrobatidis ganze
Populationen und hat schon weltweit zur
Ausrottung von vielen Arten beigetragen.
Nach einer von den meisten Fachleu-
ten anerkannten These fand diese Epide-
mie ihren Anfang bei den Krallenfröschen
in Südafrika, welche Träger des Chytrid-
pilzes sind, ohne davon selber Schaden
zu nehmen. Die Verbreitung erfolgte an-
schliessend durch die Forscher über die
ganze Welt (vgl. Kasten).
Einen weiteren Beitrag zur Ausbrei-
tung der Krankheit liefert der weltweite,
schwungvolle Handel mit Amphibien.
Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse ge-
hen davon aus, dass der stattfindende Kli-
mawandel die Chytridiomykose ebenfalls
begünstigt. Doch damit nicht genug: Nach
Studien von US-Wissenschaftlern könnte
das Herbizid Roundup der Firma Monsanto
für das Aussterben der Frösche mitverant-
wortlich sein, weil es eine tödliche Wir-
kung auf die Kaulquappen habe. Dieses ef-
fiziente Pflanzengift vernichtet – einmal
ausgebracht – praktisch alles Lebendige,
ausser den gentechnisch veränderten Mais
des gleichen Herstellers.
Matthias Brunner
KARL
SW
ITAK
/NHP
A/SU
TTER
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/2008TIERREPORT 2/20082044
Der durchsichtige Plastikbehälter weist
gerade knapp die Fläche einer A4-Seite
auf und ist insgesamt nur wenig grösser
als eine Schuhschachtel. Am Boden liegt
eine spärliche Schicht Sägespäne als Ein-
streu, von oben ist eine Trinkflasche ein-
geführt, und durch ein paar Schlitze am
Deckel gelangt etwas Luft herein. Mehr
bietet die karge Einrichtung nicht. Mak-
rolon II heisst dieser für die Haltung von
Versuchstieren verwendete Käfigtyp in der
Fachsprache, in dem zwei Mäuse während
ihres kurzen Lebens eingesperrt sind.
Plötzlich öffnet sich der Deckel, rou-
tiniert greift eine Hand die überraschte
Maus am Schwanz und hebt sie empor.
Bevor sie überhaupt realisiert wie ihr ge-
schieht, bekommt sie schon eine Spritze
mit irgendeinem neu zu testenden Präpa-
rat in den kleinen Körper gestochen. Se-
kunden später findet sie sich auf dem Bo-
den wieder, während ihr Leidensgenosse
dieselbe Prozedur über sich ergehen las-
sen muss.
Trostloser Alltagder VersuchstiereDas war dann auch schon die einzige Ab-
wechslung des Tages für die Nager. Allein
im Jahre 2007 erlitten 429 100 Mäuse in
Jedes Jahr steigen die Tierversuchszahlen an. Warum und wozu die Tierversuche gemachtwerden, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Damit muss Schluss sein, sagt der STS.Er fordert mehr Transparenz und strebt ein Ende der schwer belastenden Tierversuche innert zehn Jahren an.
ISTO
CKPH
OTO
Schluss mit der Geheimnis-krämerei bei Tierversuchen
TIERREPORT 2/2009
der Schweiz dieses Schicksal. Es endet im-
mer mit dem Tod. Anschliessend werden
die Tiere aufgeschnitten, um den Versuch
zu bewerten.
Doch all dies geschieht praktisch un-
ter Ausschluss der Öffentlichkeit. Denn
die gesamte Tierversuchsindustrie scheut
das Publikum wie Dracula das Licht und
wird dabei sogar noch von den Bundes-
behörden unterstützt.
Mehr Transparenz verlangtGenau diesem undurchsichtigen Geba-
ren hat der STS nun den Kampf angesagt.
«Wenn Behörden, Forscher und Wirt-
schaft nichts zu verbergen haben, gibt es
keinen Grund, die Türen weiter verschlos-
sen zu halten», monierte STS-Geschäfts-
führer Hansuli Huber an einer gemeinsa-
men Medienkonferenz mit Fachleuten in
Bern am 23. April 2009.
Doch das Bundesamt für Veterinär-
wesen (BVET) plant genau das Gegenteil:
Die neu vorgesehene zentrale Datenbank
für Tierversuche soll nicht öffentlich zu-
gänglich sein, sondern nur den Forschern
und Ämtern vorbehalten bleiben. Dazu
kommt, dass die Mitglieder der kantona-
len Tierversuchskommission dem Amts-
geheimnis unterliegen und somit einen
Maulkorb zum Stillschweigen umgehängt
haben.
Keine schwer belastenden Tierversuche mehrNachdem die Zahl der für Tierversuche
verbrauchten Tiere seit Jahren in er-
schreckendem Ausmass ständig ange-
stiegen ist, hat der STS das Thema zu ei-
ner Priorität seiner Aktivitäten erklärt.
Aber nach drei an der Abstimmungs-
urne gescheiterten Volksinitiativen will
der STS das Problem mit den Tierversu-
chen nun auf andere Weise angehen. Das
Ziel ist indessen klar: Innert zehn Jahren
sollen zumindest die schwerbelastenden
Tierversuche überflüssig gemacht wer-
den.
Sinnfrage stellenDazu braucht es jedoch zuerst einen brei-
ten öffentlichen Diskurs; wofür über-
haupt Tierversuche gemacht werden,
welche Aussagekraft sie wirklich haben,
und weshalb nicht öfter Alternativme-
thoden eingesetzt werden. Die Menschen
müssen die Möglichkeit bekommen, un-
abhängige Informationen zu Tierversu-
chen zu erhalten, um sich selbst ein Bild
zu machen.
Denn kritische Fragen sind sicher an-
gebracht. Unverständlich ist beispiels-
weise, dass zwar für Heimtiere im neuen
Tierschutzgesetz klare Haltungsvorschrif-ff
ten bestehen, diese aber für Versuchstiere
zum grössten Teil keine Anwendung fin-
den. Dabei sind die Bedürfnisse von Mäu-
sen, Ratten, Meerschweinchen und Co.
immer die gleichen.
Tierversuche liefernfalsche ResultateWissenschaftler wollen immer alles stan-
dardisieren, weil sie überzeugt sind, nur
so zuverlässige Resultate ihrer Experi-
mente erreichen zu können. Dabei ist
das reale Leben wesentlich vielfältiger.
Das gilt sowohl für Menschen als auch
für Tiere.
Unter den sterilen Laborbedingungen
entwickeln die Versuchstiere nach den Er-
fahrungen der beiden STS-Fachfrauen Eva
Waiblinger und Julika Fitzi Verhaltens-
störungen und Krankheiten, welche die
Aussagen von Tierversuchen verfälschen.
Rund die Hälfte der Versuchstiere weisen
Verhaltensstörungen auf, etliche von ih-
nen werden sogar organisch krank.
Da erstaunt es wenig, dass Resultate
aus Tierversuchen oft nicht auf Menschen
übertragbar sind. Fatal ist die Tatsache,
dass die Zulassung von alternativen Me-
thoden immer noch an Tierversuchen ge-
messen wird – und genau an diesen Kri-
terien scheitert!
Aufgrund dieser ganzen Widersprü-
che plädiert der europaweit anerkannte
Tierversuchskritiker Franz Gruber dafür,
dass die Gesuchsteller von Tierversuchen
zumindest eine klinische Relevanz bele-
gen müssen, ohne deren Vorhandensein
keine Versuche über den Belastungsgrad
hinaus bewilligt werden dürften.
Matthias Brunner
21
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TIERREPORT 4/20084 TIERREPORT 4/2008224
Wie STS-Sektionen Tieren in Not helfen
Die Huskyhündin
Lady ist schon etwas
älter. Schwer he-
chelnd liegt sie auf
der Terrasse, wo sie
fast schutzlos der
prallen Sonnenein-
strahlung ausgelie-
fert ist. Hier befin-
det sich ihr haupt-
sächlicher Lebens-
raum, wo sie die
meiste Zeit allein verbringt und sich auch versäubern muss.
Besorgte Leute rufen beim Tierschutzverein an und schildern
diese unhaltbaren Zustände. Die Tierschützerinnen besuchen
darauf den Hundehalter und ermahnen ihn eindringlich, sich in
Zukunft besser um seinen Hund zu kümmern. Doch schon ei-
nige Zeit später gehen erneut Meldungen ein, dass sich an der
Situation von Lady nichts geändert habe.
Uschi Frei, welche für die Meldungen zuständig ist, kann
schliesslich den Hundehalter nach intensiven Gesprächen da-
von überzeugen, Lady abzugeben.
Darauf wird die stark unterernährte Hündin zunächst ein-
mal ins Tierheim Altnau gebracht. Zu diesem Zeitpunkt ist sie
auf 18 Kilogramm abgemagert, geschwächt und ohne jegliche
Muskulatur. Ausserdem ist ihr Fell total verfilzt.
Im Tierheim lebt sie auf und liebt es, mit anderen Hunden zu
spielen. Durch täglichen Futterzusatz baut sich die Muskulatur
wieder auf. Auch ihr Fell glänzt nun, nachdem sie regelmässig
gepflegt worden ist. Heute lebt die kontaktfreudige Lady glück-
lich in einer Familie mit erwachsenen Kindern, zusammen mit
einem älteren Appenzeller-Hund.
Tierschutzverein Frauenfeld und Umgebung
Ein Pyrenäenschäferhund-Mischling irrt orientierungslos in
Arogno herum, etwa zwanzig Minuten von Melano in Richtung
italienischer Grenze entfernt. Zum Glück wird eine Passantin
aufmerksam und nimmt sich des völlig verstörten Hundes an.
Das Tier hinterlässt einen seelisch schwer ange-
schlagen Eindruck. Die Frau muss die Hündi
sogar in ihr Auto tragen, da sie keinen Schri
mehr macht.
Wie sich nach der Ankunft im Tierheim
Trovatelli herausstellt, trägt die Hündin kei-
nen Mikrochip. Offenbar wurde dieser ent-
fernt, denn die Hündin weist eine frische
Wunde am Hals auf.
Ambra, wie die Hündin von nun an ge-
nannt wird, scheint total traumatisiert von
irgendeinem schrecklichen Erlebnis zu sein.
Während der ersten zwei Wochen hat sie ihr
«Geschäft» ausschliesslich in ihrer Boxe ver-
richtet, selbst wenn sie zuvor in den Garten
getragen wurde.
In der Anfangszeit heult Ambra von etwa halb elf bis ein
Uhr nachts fast pausenlos. Jede Nacht muss deshalb Tierheimlei-
terin Helga Geiger aufstehen, um sie zu beruhigen. Doch schon
nach einer halben Stunde setzt das Heulen erneut ein, manch-
mal auch tagsüber.
Nach drei Wochen hat sich
Ambra wenigstens soweit beru-
higt, dass sie nicht mehr heult.
Doch nach wie vor hat sie pani-
sche Angst vor Männern und Au-
tos. Mittlerweile geht Ambra jeden
Tag auf einen längeren Spaziergang.
Im Garten des Tierheimes spielt sie
gerne mit der Hündin Shila, die spä-
er als Ambra fast am selben Ort auf-ff
efunden wurde wie sie und vermut-
ch sogar ihre Mutter ist.
ocietà Protezione degli animali
ovatelli del Ceresio e Mendrisiotto
Leben auf der Terrasse
Traumatisierte Findelhündin
TIERREPORT 2/2009 23
Kätzchen im letzten Moment
gerettet
Aus Adelboden erreicht den Tierschutz-
verein Frutigen ein dringender Hilferuf:
Eine wilde Katzenpopulation ist einzu-
fangen und zu kastrieren, damit sie wie-
der am selben Ort freigelassen werden
kann. Susannne Grossenbacher macht
sich zunächst selber ein Bild der Lage
vor Ort.
Beim ersten Besuch zählt sie sechs erwach-
sene und zwei junge Katzen. Nach Rücksprache mit der Veteri-
närin Andrea Feist fängt sie zwei Tage später am Morgen früh
die Katzen ein und bringt sie ihr zum Kastrieren. Die zwei Jun-
gen nimmt derweil Susanne Holzer von der Katzenauffangsta-
tion auf. Schon am nächsten Tag dürfen die älteren Katzen wie-
der in ihr gewohntes Revier zurück.
Bei dieser Gelegenheit klettert Susanne Grossenbacher zu-
fällig über einen Holzstapel und staunt dabei nicht schlecht: Da
liegt doch an der prallen Sonne ein erst etwa sieben Tage al-
tes, noch blindes Tigerkätzchen! Die Tierschutzpräsidentin geht
zuerst davon aus, dass das Kätzchen bereits tot ist. Doch als
sie es berührt, zeigt es plötz-
lich noch minimale Lebens-
zeichen.
Zuerst legt sie den Winz-
ing unter einem abgestellten
ferdeanhänger in den Schat-
en – in der Hoffnung, die
Mutter würde das Kleine ho-
len. Doch nichts geschieht. So
packt sie das Tigerli in ihre Jacke und bringt es zu Elisabeth
Jäggi nach Spiez.
Diese versucht ihm sofort mit einer Spritze etwas Katzen-
milch einzuflössen. Tatsächlich: Das Kleine fängt gleich an, die
Milch zu lecken. Das völlig entkräftete Kätzchen muss von nun
an Tag und Nacht alle zwei Stunden so gefüttert werden. Nach-
dem es zu Beginn fast mehr aus Kopf als aus einem Körper be-
stand, hat es sich innert rund drei Wochen schon gut entwickelt.
Zu guter Letzt hat es ein schönes Zuhause bei einer Familie in
Schönbühl gefunden.
Tierschutzverein Frutigen
Grenzkontrolle am Zollübergang zwischen Österreich, Liech-
tenstein und der Schweiz: Ein slowenischer Möbeltransporter
wird routinemässig zur Kontrolle angehalten. Plötzlich ertönt
ein klägliches Winseln aus dem Innern. Eine Zollbeamtin wird
aufmerksam und lässt darauf die Möbel beiseite räumen.
Der Verdacht bestätigt sich: Es kommen Katzentransport-
kisten zum Vorschein, in denen sich drei Hundewelpen befin-
den. Sie sollten illegal in die Schweiz geliefert werden, wo sie
von Leuten über die Internetplattform Ebay bestellt und bereits
bezahlt worden sind.
Da die Einfuhr in die Schweiz verboten ist, werden die Wel-
pen über Nacht ins Tierschutzhaus Liechtenstein gebracht. Doch
nach Gesetz dürfen die slowenischen Schmuggler die Hunde an-
schliessend wieder mitnehmen.
Zusammen mit der Beamtin kämpfen die Tierschützerinnen
im Zollamt um die Unterschrift der Hundehändler. Alle Über-
redungskünste sind erforderlich, bis die Slowenen schliesslich
doch noch ihre Zustimmung geben, die Welpen der Obhut des
Tierschutzvereins Liechtenstein zu überlassen.
Suma, James und Tyson haben zuerst lange an Durchfall
und Hautveränderungen gelitten. Doch nun sind sie zu drei
prächtigen Junghunden herangewachsen und haben alle gute
Plätze bei neuen Besitzern gefunden.
Tierschutzhaus Liechtenstein
Welpenschmuggel aufgeflogen
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/2008TIERREPORT 2/20082444
Bianca wollte zu ihrem Rüden Balou, der
täglich mit dem Ehemann im Schutz-
dienst unterwegs ist, gerne noch einen
kleineren Hund dazukaufen. Weil sie aber
schon vieles über kranke und schlecht
sozialisierte Hunde erfahren hatte, die
im Internet angeboten werden, wollte sie
sichergehen und keinen Hund aus dem
Ausland – schon gar nicht aus dem Ost-
block – kaufen. So informierte sie sich
über diverse Medien (Internet, Fachzeit-
schriften, Kleinanzeigenmärkte wie z. B.
in der «Tierwelt») und auf Homepages
von Schweizer Hundezüchtern.
Die Inserate und die Homepage der
Welpenzucht S.* im Kanton Bern mach-
ten einen seriösen Eindruck auf Bianca.
Nach einem Telefongespräch lud die
Berner Züchterin sie zur unverbindli-
chen Besichtigung der Welpen ein und
ging freundlich auf ihre Fragen ein. So
fuhr sie mit ihrem Mann nach T.* und
besichtigte Zuchtstätte, Muttertier und
Aufzucht. Nachdem sie sich alles an-
geschaut hatten, entschied sich Bianca
schliesslich für die kleine schwarze Ha-
vaneserin Luna.
Zwar fiel ihr auf, dass der zweite an-
gebotene Welpe grösser war als Luna.
Doch darüber machte sie sich keine
weiteren Gedanken, denn beide Wel-
pen schienen gesund und munter. Dass
die Hündin gar nicht Lunas Mutter war,
und der andere Havaneser nicht ihr Ge-
schwisterchen, konnte sich Bianca erst
zwei Wochen später ausmalen, als Luna
das erste Mal zum Tierarzt musste.
Schwindel aufgeflogenDort nämlich wurde ihre Chipnummer
abgelesen und festgestellt, dass Luna
nicht aus der Schweiz, sondern aus Un-
garn stammte. Entgegen der Aussagen
der Züchterin war sie auch nicht bei der
Tiermeldestelle Anis registriert.
Erst, als Bianca die Züchterin noch
einmal telefonisch aufforderte, ihr end-
lich und unverzüglich die Ausweispa-
piere von Luna zu senden, wurde defi-
nitiv klar: Das Hündchen stammte nicht
aus der familieneigenen Zucht aus T.
Zwar erhielt Bianca den Original-EU-
Ausweis und die nachträgliche Anis-An-
meldung sowie einen Blanko-CH-Heim-
tierausweis für Luna per Post zugestellt,
fühlte sich aber trotzdem betrogen: Sie
hatte alles Erdenkliche unternommen,
um einen in der Schweiz aufgezogenen
Hundewelpen zu kaufen und erhielt ge-
gen ihren Willen doch einen Hundewel-
pen aus Ungarn.
Wer einen Hund aus einer Schweizer Zucht kaufen möchte, hat bis jetzt noch keine Gewähr, dass der Hund tatsäch-lich auch aus der Schweiz stammt und hier aufgezogenwurde. So geschehen mit dem Havaneser-Welpen Luna,der angeblich aus familieneigener Zucht im Kanton Bernstammen sollte.
ISTO
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man heute innert kürzester Zeitund äusserst günstig zum er-rrsehnten Hund gelangen. Doch diemeisten Angebote aus dem Inter-rrnet sind nicht seriös. Zu einemgrossen Teil kommen diese Hun-de aus dem Ausland. Sie werdenüber die Grenze geschmuggeltoder kurz vor der Grenze an dieneuen Besitzer übergeben, sindkrank, geschwächt, nicht soziali-siert und werden ohne Handels-bewilligung verkauft. Die meis-ten dieser Hunde stammen ausunkontrollierten ausländischenMassenzuchten – vielfach ausosteuropäischen Ländern.
Mit jedem gekauften Hundwird diese kriminelle Hundemafia unterstützt. Je erbärmlicher dieTiere im Ausland gehalten wer-rrden, desto geringer sind die Hal-tungskosten der Hundehändler– und entsprechend grösser der Gewinn beim Verkauf.
Oft sterben die Hunde be-reits innert weniger Tage nachder Übergabe aufgrund ihresschlechten Allgemeinbefindens
bedingungen, Massentierhaltung,Infektionskrankheiten, starke Ver-wurmung, schlechtes Immunsys-tem, fehlende Schutzimpfungen,Dauerlärm, Stress, lange Trans-porte ohne Wasser/Futter etc.).Da ein Kaufvertrag meist fehlt,können auch keine Regressan-sprüche, Schadensersatz bzw.Kostenbeteiligung geltend ge-macht werden.
Um solche Machenschaftenzu stoppen, verlangt der STSdaher vom Bundesrat, den Zwi-schenhandel mit Hunden in derSchweiz zu verbieten. Ferner wirdder STS dafür kämpfen, dass seinAnliegen auch in der Herbstses-sion des eidgenössischen Parla-mentes zu einem Thema wird.
Unterschreiben Sie den beige-hefteten Unterschriftenbogen«Stoppt die Hundemafia» undsenden Sie ihn uns umgehendzurück, oder unterschreiben Sieauf unserer website:
www.tierschutz.com
TIERREPORT 2/2009
Keine SanktionsmöglichkeitenNatürlich könnte Bianca den Hund zu-
rückgeben, aber das würde sie nicht übers
Herz bringen. Genau darauf spekuliert das
Berner Züchterpaar und verdient an den
Emotionen gutgläubiger Leute eine gol-
dene Nase.
Dem zuständigen Veterinäramt sind
zwar die Vorkommnisse bekannt, da der
Züchter aber eine gültige Handelsbewil-
ligung besitzt und die Mindestvorausset-
zungen erfüllt, wird gemäss telefonischer
Auskunft nicht gegen ihn vorgegangen.
Herkunft sorgfältig überprüfenAlso aufgepasst: Mit der Übernahme des
Hundes beim Kauf muss neben dem Kauf-ff
vertrag auch zwingend seine Herkunft
mit den dazugehörigen Stammbaum-
und/oder Ausweisdokumenten überprüf-ff
bar sein. Welpen und Junghunde aus der
Schweiz müssen einen Mikrochip mit dem
entsprechenden Ländercode (756 …) im-
plantiert haben. Weil andere Länder weder
Ländercodes noch eine Registrierung vor-
schreiben, ist die Herkunft ausländischer
Hunde nur schwer zurückverfolgbar.
Tierärzte mischen mitLeider sind anscheinend auch (Schweizer)
Tierärzte bereit, Blankodokumente abzu-
geben, ohne vorher das in den Ausweis-
papieren genannte Tier gesehen zu haben.
Zwar machen sich diese damit strafbar,
aber auch hier hinkt der Vollzug hoff-ff
nungslos hinterher. Der Käufer ist also
weit gehend auf sich allein gestellt.
Noch einen Tipp: Hat ein Hund einen
EU-Pass und wurde er vom Züchter oder
Importeur gesetzeskonform eingeführt,
so muss auch ein Zollstempel im Ausweis
vorhanden sein. Fehlt dieser, so ist davon
auszugehen, dass der Hund nicht korrekt
verzollt wurde, und der Züchter resp. Im-
porteur entweder Steuern hinterzogen hat
oder aus einem anderen Grund den Zoll
gemieden hat … Nicht gerade ein Beweis
seiner Seriosität.
Julika Fitzi-Rathgen
Leiterin STS-Fachbereich Hunde
25
*Name und Wohnort sind der Redaktion bekannt
STS-Petition «Stoppt die Hundemafia»
TIERREPORT 2/200926
A U S A L L E R W E L T + + + A U S A L L E R W E L T + + + A U S A L L E R W E L T + +
I N D O N E S I E N
Forscher entdecken neue
Orang-Utan-Population
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Parlament einig über Handels-verbot für Robbenprodukte
Es ist nicht das Herz der Finsternis, in das
sich Tierschützer vorgewagt haben. Es ist
nicht der undurchdringliche, lebensprü-
hende Dschungel. Es ist ein eigentlich
recht übersichtliches Waldgebiet im Os-
ten Borneos, in dem Tierschützer nun eine
aussergewöhnliche Entdeckung gemacht
haben: Sie haben 219 Nester von Orang-
Utans gefunden, von deren Existenz bisher
niemand etwas gewusst hatte. 219 Nester,
die – wie die Experten der Umweltschutz-
organisation «Nature Conservancy» mit-
teilen – auf die Existenz von bis zu 2000
Orang-Utans schliessen lassen.
Vermutlich liegt in diesem recht bergi-
gen und nährstoffarmen Gebiet der Schlüs-
sel dazu, dass sich viele Orang-Utans bis-
her unbemerkt von Ast zu Ast schwingen
konnten. Denn hier verspricht der Anbau
von Palmöl und anderen Exportschlagern
kaum Gewinn. Im Osten Kalimantans, des
zu Indonesien gehörenden Teils der Insel
Borneo, suchen Forscher seit Langem nach
Orang-Utans. Und das Nesterzählen ist bei
der Orang-Utan-Suche genauso wie bei der
Gorilla- oder Schimpansensuche das Mit-
tel der Wahl. Denn wilde Menschenaffen
sind so scheu, dass es ein grosses Glück
ist, ihnen zufällig zu begegnen. Die Ent-
deckung der Forscher ist eine Sensation –
denn die grossen rothaarigen Affen, die in
der freien Wildbahn bis zu neunzig Kilo-
gramm schwer werden, gelten auf Borneo
als «stark gefährdet» und auf Sumatra so-
gar als «vom Aussterben bedroht».
Tierschützer haben Grund zur Freude.
Das EU-Parlament in Strassburg hat am
5. Mai 2009 für ein Einfuhr- und Han-
delsverbot von Robbenprodukten in al-
len 27 Mitgliedsstaaten gestimmt! Das
Verbot muss formal noch von den EU-
Regierungen abgesegnet werden und
kann dann schon nächstes Jahr in Kraft
treten.
Der Beschluss umfasst Fellprodukte,
Öle und Robbenfleisch. Ausgenommen
sind nur Produkte, die von den kanadi-
schen Inuit auf traditionelle Weise her-
gestellt wurden. Endgültig vom Tisch
ist eine von der Europäischen Kommis-
sion vorgeschlagene Ausnahmeregel
für Produkte von Robben, die nach
«tierschutzkonformen Methoden» ge-
tötet wurden. Weltweit werden im Jahr
ISTO
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rund 900 000 Robben getötet, die meis-
ten davon in Kanada, Grönland und Na-
mibia. Schon im Vorfeld der EU-Parla-
mentsentscheidung waren die Auswir-
kungen auf die kanadische Robbenjagd
zu beobachten. So wurden dieses Jahr
bis Ende April insgesamt 57 000 Rob-
ben getötet. Im Jahr zuvor waren es
noch etwa 200 000 getötete Tiere und
2006 gar 330 000 Sattelrobben.
Die Preise für Robbenfelle stürzten
2009 auf neun Euro pro Fell; etwa die
Hälfte des Preises, der noch 2008 erzielt
wurde. Mit dem Handelsverbot in Eu-
ropa bricht eines der wichtigsten Glie-
der der Handelskette weg. Denn die auf-
wändige Verarbeitung der Felle zu Pelz-
mänteln, Mützen und Handschuhen er-
folgte hauptsächlich in Europa.
TIERREPORT 2/2009 27
+ + A U S A L L E R W E L T + + + A U S A L L E R W E L T + + + A U S A L L E R W E L T
A U S T R A L I E N
Känguru-Abschuss gestoppt
A U S T R A L I E N
Trophäenjagd auf Krokodile
Das australische Bundesterritorium North-
ern Territory will die Trophäenjagd auf
Salzwasserkrokodile erlauben. Dies sieht ein
aktueller Entwurf eines Managementplans
der Provinzverwaltung vor. Diese Jagd als
reines Freizeitvergnügen kann durch uner-
fahrene Schützen zu einem qualvollen Tod
für die Krokodile führen. Nachdem diese
urtümlichen Reptilien bereits beinahe aus-
gerottet waren, konnte sich die Popula-
tion wieder erholen. Mit der Jagderlaubnis
würden die Bemühungen zur Arterhaltung
wieder zunichte gemacht.
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I S R A E L
Schweine-organe wachsen
in Affen
J A P A N
Affen als Ersatz für
Servierpersonal
Israelische Forscher haben in Affen Bauch-
speicheldrüsen von Schweinen heranwach-
sen lassen. Die künstlich zuckerkrank ge-
machten Versuchstiere brauchten daraufhin
keine Insulinspritzen mehr. Zwei von vier
Makaken überlebten ein Jahr lang. Die an-
deren Tiere starben an einer Überdosierung
der Medikamente, welche die Abstossung
des Transplantates verhindern sollten.
Nicht nur Banken sparen zurzeit Personal-
kosten, auch das Gastgewerbe hält seine
Personaldecke dünn. In Utsunomiya, Ja-
pan, ist ein Restaurant sogar dazu über-
gegangen, Speisen und Erfrischungstü-
cher von Affen servieren zu lassen. Seit
Kindheit an den aufrechten Gang gewöhnt,
sind zwei Makaken aus dem Affenzwinger
des Wirtepaars je zwei Stunden pro Tag
im Service tätig. Sie machen das Lokal
zur Attraktion. Die Begeisterung der Gäste
scheint ungeteilt zu sein, zumal tierschüt-
zerische Anliegen, verglichen mit Europa,
in Japan wenig verbreitet sind.
Ein australisches Berufungsgericht hat
den von der Regierung angeordneten
Abschuss von rund 7000 Kängurus vor-
erst gestoppt. Die Richter wollen vor ei-
ner endgültigen Entscheidung noch die
wissenschaftlichen Argumente beider
Seiten anhören. In neun Nächten haben
von der Regierung engagierte Jäger be-
reits 4000 Kängurus abgeschossen. Nach
Ansicht der Regierung müssen die auf ei-
nem Militärgelände nahe der Hauptstadt
Canberra lebenden Beuteltiere getötet
werden, weil die zunehmende Känguru-
Population den Pflanzen und der restli-
chen Tierwelt schade. Tierschützer wiesen
diese Argumentation vor Gericht jedoch
zurück. Die Kängurus stellten keine Ge-
fahr für bedrohte Reptilien oder Insekten
in der Gegend dar, erklärten die Klage-
führer.
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/200928
Während in der Schweiz die Ebermast nur
eine kleine Nische darstellt und im gros-
sen Stil in weiter Ferne ist, hat sie in den
Niederlanden schon Fuss gefasst. Auf dem
Betrieb von Hans Verhoeven, Schweine-
züchter in den Niederlanden, wurden bis-
her jedes Jahr etwa 5000 Ferkel kastriert.
Die Tochter des Landwirtes arbeitet auf
dem Betrieb mit und musste ebenfalls
diese unangenehme Arbeit machen. Hans
Verhoeven erzählt: «Ich kam nach Hause
und sagte, wir stoppen das Kastrieren. Der
Metzger hat gesagt, er wolle dem Wunsch
der Konsumenten nachkommen. Meine
Tochter hat beide Hände in die Luft ge-
streckt und gerufen: ‹Hurrah! Hurrah!›»
Kastration unter Narkose als ÜbergangslösungDas Einlenken des Metzgers kommt nicht
von ungefähr, denn in der Öffentlichkeit
hat sich ein starker Druck gegen die Kas-
tration der Ferkel aufgebaut. «Warum sol-
len wir den Tieren das antun, wenn es auch
anders geht?», ist die Meinung der Konsu-
menten. Schon im Jahre 2007 haben sich
deswegen der niederländische Tierschutz,
die Produzenten und die Metzger im Nord-
wijk Abkommen darauf geeinigt, sukzes-
sive vom Kastrieren wegzukommen und
ab dem Jahr 2015 keine Ferkel mehr zu
kastrieren.
Bisher haben die Schweinezüchter die
Ferkel ohne Narkose oder örtliche Betäu-
bung kastriert. Doch gemäss Nordwijk
Abkommen führen die Schweinezüchter
ab sofort die Kastration nur noch unter
Narkose mit Kohlendioxid (CO2) als Nar-
kosegas durch. Diese Art von Narkose ist
zwar nicht unbestritten, aber für die Pra-
xis schien es keine bessere Alternative zu
geben, die sich gleich hätte umsetzen las-
sen. «Wir akzeptieren die Methode als eine
Übergangslösung. Sie ist besser, als die
Tiere ohne Schmerzausschaltung zu kas-
trieren», sagt Bert van den Berg von der
Niederländischen Vereinigung für Tier-
schutz.
Zusammenarbeit anstatt VorschriftenEin Artikel im Tierschutzgesetz wie in der
Schweiz, welcher die Ferkelkastration ver-
bietet, würde in den Niederlanden wenig
Erfolg haben, sagt der Tierschutzvertre-
ter. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung
stünde zwar hinter einem Verbot, aber die
Produzenten würden sich nicht danach
richten. Bert van den Berg spricht von der
«Polderkultur», der freiwilligen Zusam-
menarbeit der Niederländer, wenn es da-
rum geht, dem Meer das Land, die so ge-
Ist es nötig, männliche Ferkel zu kastrieren? Die Holländer setzen auf eine andere Methode, nämlich die Ebermast. Fleischkontrollen betreffend Ebergeruch, aber auch Zu-sammenarbeit der Interessenverbände sind Voraussetzun-gen, um der Ebermast die Türen zu öffnen.
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Ebermast – die Niederlande machen es vor
TIERREPORT 2/2009
nannten Polder, abzuringen. Auch beim
Thema Ebermast bringe das gemeinsame
Gespräch am runden Tisch mehr als ein
gesetzliches Erzwingen.
Geruchtest im SchlachthofDas Problem bei der Ebermast ist der Eber-
geruch, der dazu führt, dass das Fleisch der
Tiere unangenehm riecht. Er tritt zwar nur
bei einzelnen nicht kastrierten Ebern auf,
aber das könnte genügen, dass die Kon-
sumenten weniger Schweinefleisch kau-
fen. Um dies zu vermeiden, werden im
Schlachthof Westfort in Gorinchem alle
männlichen Schweine auf Ebergeruch ge-
testet. Bei etwa 45 000 Eberschlachtungen
im Jahre 2008 gab es nur 15 Beanstandun-
gen durch Konsumenten. In den meisten
Fällen waren diese nicht einmal auf Eber-
geruch zurückzuführen. Inzwischen wer-
den in den Niederlanden etwa 10 000 Eber
pro Woche geschlachtet.
Der unangenehme Ebergeruch komme
bei etwa ein bis drei Prozent der Eber vor,
sagt Jaap de Wit, Direktor des Schlachtho-
fes Westfort. Trotzdem ist er nicht gegen
die Ebermast, denn er kann positiv getes-
tetes Fleisch für nicht erhitzte Wurstwaren
verwenden. Der Ebergeruch tritt nämlich
nur auf, wenn das Fleisch erhitzt wurde.
Bei einem Label einsteigenFür den Landwirt Hans Verhoeven und
seine Tochter fällt mit dem Verzicht auf das
Kastrieren nicht nur eine unangenehme
Arbeit weg, er bringt ihnen noch weitere
Vorteile. Sie können ihre Schweine unter
dem Umweltlabel «Milieukeur de Hoeve»
vermarkten. Dabei erhalten sie einen Auf-
preis von zwei Eurocent pro Kilogramm
Fleisch. Nicht zuletzt setzen Eber weni-
ger Fett an als Kastraten. Das Futter wird
also in Fleisch und nicht in Fett umgesetzt.
Verhoeven sieht sich mit der Ebermast auf
dem richtigen Weg. In fünf bis zehn Jah-
ren werden seiner Meinung nach in ganz
Europa keine Ferkel mehr kastriert werden,
ausser vielleicht für die Salamiproduktion
in Italien. Auch «Keurslager», eine Metz-
gervereinigung für Qualitätsfleisch, steht
hinter der Ebermast, da das Fleisch so ein
besseres Image bekommt.
Wo ein Wille, da ein WegEs bleibt abzuwarten, welche Ausstrah-
lung der Weg der Niederlande auf den Rest
von Europa und auch auf die Schweiz ha-
ben wird. Nicht nur den Schweinehaltern
in den Niederlanden, sondern auch denje-
nigen in der Schweiz würde die Ebermast
grosse Vorteile bringen. Doch der Schwei-
zer Handel ist sehr zurückhaltend. Denn
der Schweizer Konsument reagiert sehr
empfindlich auf Fleisch, das auch nur ei-
nen «Hauch» von Ebergeruch aufweist.
Die Schweizer Schweinehalter set-
zen nun gezwungenermassen vor allem
auf die Kastration mittels Inhalationsnar-
kose. Schliesslich verbietet die Tierschutz-
verordnung ab dem 1. Januar 2010 nicht
29
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die Kastration selbst, sondern nur, dass sie
ohne Schmerzausschaltung geschieht.
Damit scheint die Ebermast weiterhin
eine Nischenproduktion zu bleiben, ob-
wohl Schweizer Forscher eine elektroni-
sche Nase entwickelt haben, die 95 % aller
mit Ebergeruch belasteten Schlachtkörper
entdecken kann. Zwar arbeitet dieses Ge-
rät sehr langsam und eignet sich nicht für
den Einsatz in der Praxis, aber ein Anfang
ist gemacht. Zusammen mit angepassten
Zucht- und Fütterungsstrategien müsste
es möglich sein, auf absehbare Zeit auch
in der Schweiz auf die Ferkelkastration zu
verzichten, wenn der Wille dazu vorhan-
den ist.
Michael Götz
Erfolgreich: Alex Bolomey und Bert van den Berg vom niederländischen Tierschutz setzen bei ihrem Einsatz gegen die Ferkelkastration auf Kommunikation mit den Produzenten statt auf Konfrontation.
Imagegewinn: Die Metzgervereinigung «Keurslager» sieht in der Ebermast eine Verbesserung des Images «Qualitätsfleisch».
TIERREPORT 2/20084 TIERREPORT 2/2008TIERREPORT 2/20083044
Im Stallzelt der Ausstellung BEA/Pferd in
Bern reiht sich eine bis oben hin vergit-
terte Boxe an die andere, in denen Pferde
der verschiedensten Rassen untergebracht
sind. Doch dazwischen öffnet sich eine
einzelne Lücke: Am Stand des STS befin-
det sich eine Doppelboxe mit einem Aus-
lauf, in dem sich zwei hübsche englische
Palomino-Wallache aufhalten.
Flexibles BoxensystemDoch es ist keine gewöhnliche Boxe: Die
Pferde können durch die grosszügigen
Abstände zwischen den massiven Metall-
stäben miteinander Kontakt aufnehmen,
sich beschnuppern, Fellpflege betrei-
ben und sich sehen. Die Zwischenwand
lässt sich sogar öffnen, sodass eine ein-
zige grosse Boxe für zwei Pferde entsteht,
wenn sie sich gut verstehen.
Dieses flexible Boxensystem eignet
sich besonders für Pferde, die neu in eine
Gruppe integriert werden sollen, oder bei-
spielsweise für eine Stute mit Fohlen.
Die beiden Palominos Velasques und
Picasso hat der Circus Knie dem STS zur
Verfügung gestellt, da sie mit dieser Hal-
tungsform inzwischen schon vertraut
sind. Dies ist nicht erstaunlich, denn Zir-
kusdirektor Fredy Knie jun. hat in Zusam-
menarbeit mit dem bekannten Ethologen
Andreas Kurtz dieses innovative System
als erster im Winterquartier des Zirkus in
Rapperswil getestet.
Mit Erfolg: Knie hält fast ausschliess-
lich Hengste, welche normalerweise von
der Haltung her als anspruchsvoll gelten.
Doch selbst da erweist sich das System als
problemlos. Die Pferde können so zwar
den wichtigen Sozialkontakt pflegen,
doch wird der Stallnachbar auf einmal zu
aufdringlich, kann sich das andere Tier
einfach in den abgedeckten Bereich zu-
rückziehen, um ungestört zu sein. Nur ein
Problem hat es am Anfang gegeben: «Die
Palominos haben sich gegenseitig die De-
cken ausgezogen», meint Fredy Knie jun.
mit einem Schmunzeln.
Bestärkt durch diese positiven Erfah-
rungen hat Knie nun entschieden, den ge-
samten Pferdestall im Winterquartier auf
das neue System umzurüsten. Doch auch
auf Tournee profitieren die Pferde von ei-
ner besseren Haltung. Seit dieser Saison
verfügen alle Pferde über einen eigenen
Auslauf, von dem sie laut Knie regen Ge-
brauch machen. Zusätzlich erhalten die
Pferde je nach Standort Weidegang und
werden täglich extra hintransportiert –
keine Selbstverständlichkeit. Die meis-
Circus Knie übernimmt erneut Pionierrolle bei der Pferdehaltung
Die Pferde des Circus Knie sollen selbstverständlich Geld einbringen. Doch im Vordergrund steht die gute Haltung und Behandlung. Die Pferde bleiben bis an ihr Lebensende Teil der Zirkusfamilie.
TIERREPORT 2/2009
ten Sportpferde können von solchen Be-
dingungen bloss träumen. Doch Knie ist
überzeugt: «Je mehr Abwechslung die
Pferde haben, umso freudiger sind sie bei
der Arbeit.»
Knie-Pferde verfügen übereine LebensstellungSchon seit jeher hat man sich im Cir-
cus Knie darum bemüht, die Haltungsbe-
dingungen ständig zu verbessern. «Man
muss immer das Tier in den Vordergrund
stellen, sonst hat man sein Ziel nicht er-
reicht», stellt Knie fest.
Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die
Haltung, sondern auch die Ausbildung
und die späteren Lektionen in der Manege.
Normalerweise kommen die Hengste mit
zweieinhalb bis drei Jahren frisch von der
Weide, sind also noch «roh». Während der
ersten ein bis zwei Jahre wird das Pferd
zuerst longiert und gymnastisiert und
lernt in der Grundausbildung das «Pferde-
ABC», welches die drei Grundgangarten
Schritt, Trab und Galopp beinhaltet.
Für Knie gehört es zur Basis, dass ein
Pferd in dieser Zeit gleichzeitig in der
Freiheitsdressur ausgebildet wird. Dabei
wird nicht mit Zwang, sondern mit Ein-
fühlungsvermögen und Konsequenz gear-
beitet. Denn Hengste seien sehr sensibel,
sagt Knie und meint in Anspielung auf die
inzwischen zahlreichen selbsternannten
«Pferdeflüsterer» leicht ironisch: «Wenn
ich mit meinen Pferden flüstere, verste-
hen sie mich nicht.»
Klassische Reitkunst ent-spricht der Natur der PferdeDie Ausbildung der Pferde beruht auf den
Prinzipien der klassisch-barocken Reit-
kunst, welche bis in die Antike des Grie-
chen Xenophon zurückreichen. «Dressur
muss sichtbar gemachte Liebe sein», fasste
schon Fredy Knie sen. treffend zusammen.
Dass diese Philosophie auch in der Pra-
xis angewandt wird, davon können sich die
Besuchenden bei den jeweils am Morgen
stattfindenden öffentlichen Proben über-
zeugen. Auch im Winterquartier darf das
Publikum bei der Arbeit mit den Pferden
zuschauen. Besonders interessant sind die
von Fachleuten kommentierten Proben
während der Tournee. Auf verständliche
Weise wird erklärt, dass die Pferde im Cir-
cus Knie nicht zu irgendwelchen Dressur-
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Bei der STS-Geschäftsstelle ist ein ausführliches Merkblatt über die Dop-pelboxe erhältlich, in dem dieses neu-artige Pferdehaltungssystem ausführ-lich beschrieben wird. Bestellbar unter www.tierschutz.com/publikationen oder Telefon 061 365 99 99TT
Fredy Knie jun. hat diese Broschüregeschrieben, in der die wichtigstenFragen zur Haltung, Fütterung und dem Verhalten der Pferde beantwortet wer-den. Die Broschüre liegt an sämtlichenGastspielorten kostenlos auf oder ist auch erhältlich unter: www.knie.ch
Merkblatt Doppelboxe
Broschüre «Das Pferd im Circus Knie»
lektionen gezwungen werden, sondern ei-
gentlich nur ihre natürlichen Verhaltens-
weisen auf Kommando abgerufen werden.
Manche Pferde treten noch mit 25 Jahren
in der Manege auf.
Doch selbst wenn ihre Zirkuskarriere zu
Ende ist, werden sie nicht einfach abge-
schoben. Sie bleiben bis zu ihrem Lebens-
ende im Winterquartier in Rapperswil.
Auch dort werden sie noch täglich bewegt,
da dies für die physische und psychische
Gesundheit von grösster Bedeutung ist.
Einmal bei Knie aufgenommen, geniessen
die Pferde eine Lebensstellung.
Matthias Brunner
Auf Tournee: Täglicher Weidegang gehört beim Circus Knie einfach dazu.
Doppelbox: Die beiden Nachbarn nähern sich durch das Gitter an.
TIERREPORT 4/2008
Wir suchen ein ZuhauseTierheime der STS-Sektionen suchen für diese Tiere ein neues, richtiges Zuhause.
Redaktor und Moderator
Beat Berger stellt in der TV-Sendung
«tierisch» weitere heimatlose Tiere
vor: www.tierisch.tierschutz.com
TIERREPORT 2/200932
Jsbäri, bin einjährige, kastrierte Katzendame. Ich bin verschmust und anhänglich. Möchte wieder zu einer Familie. STS-Sektion Saanenland, Tel. 079 509 47 33
Diverse Ratten, weiblich und männlich, kastriert und unkastriert. Wir haben verschiedene Vorgeschichten. Würden gerne in Gruppen ab drei Tieren zu einem liebevollen Platz. STS-Sektion Club der RattenfreundeTel. 079 624 23 20
Daisy, bin vierjährige, kastrierte Appenzeller-Schäfer-Mischlingsdame. Bin manchmal stürmisch, eben temperamentvoll. Bin freundlich, aber dominant zu Artgenossinen. Möchte gerne zu hundeerfahrenen Leuten – ohne Kleinkinder – die viel mit mir unternehmen (Hunde sport). ATs Tierschutzverein Aargau, Tel. 056 298 00 22
Darky, bin sechsjähriger, kastrierter Labrador-Schäfer-Rüde. Bin gross und stark, die neuen Besitzer sollen genügend Kraft, aber auch Einfühlungsvermögen haben. Zuhause bin ich sehr ruhig, Hundesport würde mir gefallen. ATs Tierschutzverein Aargau, Tel. 056 298 00 22
Cristobal, bin ca. achtjähriger, kastrierter Schäfermischlingrüde. Habe noch Jagdinstinkt, also nicht zu Katzen, bin aber verschmust und lieb. Erfahrener Hundehalter mit Herz hat sicher Freude mit mir. STS-Sektion Saanenland, Tel. 079 524 20 88
Abgegeben
Heimatlos
Rico, bin bald einjähriger Masin-Espanôl-Mischling, männlich. Bin verspielt und freundlich, suche Ort mit viel Platz (keine Kleinkinder), da ich noch einiges an Grösse zulege. STS-Sektion ATs Tierschutzverein Aargau, Tel. 056 298 00 22
Abgegeben
Abgegeben
Tigerli, bin einjährige, kastrierte Katzendame. Mein Fell gab mir den Namen. Ich bin verschmust und anhänglich. Würde gerne wieder zu einer Familie. STS-Sektion Saanenland, Tel. 079 509 47 33
Gerettet
Abgegeben
John Deere, bin ca. neunjähriger, kastrierter Kater. Bin liebenswürdige Katze, geniesse es, wenn man sich mit mir abgibt. Brauche ruhigen Platz, ohne Kinder, mit Auslauf. ATs Tierschutzverein Aargau, Tel. 056 298 00 22
Findeltier
Gerettet
Moushka, bin kastrierte Perser-dame, mit Jahrgang 1996. Mein Vorbesitzer wurde krank, deshalb bin ich im Tierheim, wo ich sehr leide, da ich sensibel bin. Bin sehr personen-bezogen und verschmust, brauche natürlich viel Pelzpflege. STS-Sektion ATs Tierschutzverein Aargau, Tel. 056 298 00 22
Abgegeben
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