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WOJ 15. Jg. - 2/2009 April/Mai/Juni 2009 ISSN 0947-5273 Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Deutsch-Osteuropäisches Forum www.gerhart-hauptmann-haus.de 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler im Gerhart-Hauptmann-Haus

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WOJ 15. Jg. - 2/2009 April/Mai/Juni 2009 ISSN 0947-5273

Stiftung Gerhart-Hauptmann-HausDeutsch-Osteuropäisches Forum

www.gerhart-hauptmann-haus.de

60 Jahre Bundesrepublik

DeutschlandProf. Dr. Hans-Ulrich Wehler

im Gerhart-Hauptmann-Haus

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Editorial

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Inhalt Liebe Leserinnenund Leser, 60 Jahre Bundes-

republik Deutschland 3

Sehnsucht nach der Diktatur? DDR-Mentalität und ihr Fortwirken 4

§ 96 Bundesvertriebenengesetz – Förderauftrag an Bund und Länder 4

Botschaftergespräch – Polen und Deutschland 5

Zeitenwende – Die politischen Ereignisse des Frühjahrs 1989 5

Verborgene Geschichten sichtbar werden lassen 6

Die deutsch-polnischen Beziehungen in Literatur und Politik 6

Auf gepackten Koffern? Zur „Ankunft“ der Vertriebenenverbände 7

„Schlesien – Das Land und seine Geschichte“ 8

Schiller und seine Zeit 1759-1805 8

„Ich bin ohnmächtig gegen dieses Schicksal…“ - Joseph Roth

„Nicht mit Dir und nicht ohne Dich“Paul Celan und Ingeborg Bachmann 10

Russland und Deutschland – zwei Heimatländer eines Volkes 11

Kinemathek: Heinz Erhardt 11

Die Sudetendeutschen – Eine Volksgruppe in Europa 12

„Der Mann, der die Tiere liebte“ –Bernhard Grzimek 17

Kinemathek. Serengeti darf nicht sterben 17

Aussiedler 18

Neuerwerbungen der Bibliothek 19

Verfasste Zeiten - 60 Jahre Grundgesetz 20

Die Wende 1989 – 20 Jahre Mauerfall - Eine Studienreise 21

Nein zu Hitler! 22

Impressionen aus Oberschlesien und aus dem Ruhrgebiet 24

Die Urzeln laufen wieder … 25

Kulturpolitische Studienreisenach Böhmen und Mähren 27

Beilage Kontrapunkt:

Wer geboren ist zu fl iegen, muss fl iegen - Gespräch mit Eva Freidzon 13

Bilder, Literatur, Musik Tanz 14

Franz Kumher und Paul Celan 15

derzeit werden wir mit vielen beunruhigenden Nachrichten konfrontiert. Das Thema Finanz- und Wirtschaftskrise beherrscht die Medien, über die richtigen Wege heraus aus dem öko-nomischen Debakel wird heftig gestritten. In diese Situation fällt der 60. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes und der formellen Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949. Dies sollte bei aller unbestrittenen Bedeu-tung der Gegenwartsprobleme nicht

vergessen werden. Es ist im Gegenteil um so wichtiger daran zu erinnern, dass die

Bundesrepublik die katastrophale Erbschaft des NS-Regimes anzutreten hatte: Ein verkleinertes, geteiltes, weithin

zerstörtes, wirtschaftlich am Boden liegendes Land, in das Millionen zwangsweise heimatlos gemachter Menschen strömten, in der Hoffnung wieder eine eigene Existenz gründen zu können. Das System der Sozialen Marktwirtschaft und der parlamentarischen Demokratie hat es vermocht, binnen eines Jahrzehnts rund acht Millionen Flüchtlinge und Vertriebene in Westdeutschland zu integrieren. Die junge Bundesrepublik ist nicht in Elend und Chaos versunken, so schwer der Weg für die Betroffenen auch immer gewesen ist. Daran sollte erinnert werden, an die Krisenbeständigkeit, die früher schon unter Beweis gestellt worden ist – freilich ohne Defi zite und politische Fehlentwicklungen zu verkennen.Eine kritische Bilanz unter sechs Jahrzehnte bundesrepublikanischer Ge-schichte zieht in unserem Hause am 28. Mai 2009 Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler. Prof. Wehler ist einer der profi liertesten deutschen Historiker der Gegenwart (vgl. S. 3). Daneben werden in anderen Veranstaltungen unter-schiedliche Aspekte der Geschichte der Bundesrepublik und Europas in den Blick genommen. So können wir etwa die wechselhafte Geschichte der Deut-schen im Sudetenland in einer umfassenden Ausstellung ab dem 05. Mai 2009 präsentieren (vgl. S. 12). Ohne einen realistischen, nichts verschwei-genden Blick in die Geschichte ist auch kein offener, wirklich auf Verständi-gung abzielender Diskurs mit unseren Freunden außerhalb Deutschlands möglich. Wir sind daher froh und stolz, bereits am 22. April den Botschafter der Republik Polen, S. E. Dr. Marek Prawda, bei uns begrüßen zu dürfen. Die Fortsetzung der „Botschaftergespräche“ soll einmal mehr der freund-schaftlichen Diskussion mit unseren Partnern im östlichen Teil des vereinten Europa dienen (vgl. S. 5).Sie fi nden darüber hinaus im Programm des zweiten Quartals 2009 wieder eine breite Palette von Angeboten, die für die kulturelle Vielfalt und Fülle der ehemaligen deutschen Ost- bzw. Siedlungsgebiete in Ostmittel- und Ost-europa stehen, für eine Vielfalt, die auch heute noch bereichernd wirkt. Die Spannbreite reicht diesmal von der Erinnerung an den vor 100 Jahren in ei-ner baltendeutschen Familie in Riga geborenen Heinz Erhard (vgl. S. 11) bis hin zum Gedenken an den vor 70 Jahren verstorbenen großen galizischen Autor Joseph Roth (vgl. S. 9).Wir freuen uns auf Ihr Kommen, Ihre Wünsche, Ihre Anregungen und Ihre Kritik – mit Ihnen bleibt die Stiftung lebendig, traditionsverbunden und inno-vativ.Herzlich Ihr

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Vorträge

Als am 23. Mai 1949 das Grundgesetz ver-kündet wurde, kam ein Staatsbildungspro-zess zu seinem vorläufi gen Abschluss, auf den sich die Mehrheit der an verantwortli-cher Stelle beteiligten deutschen Politiker nur widerwillig eingelassen hatte. Ange-sichts des sich immer weiter zuspitzenden Kalten Krieges zwischen den bis 1945 Verbündeten der Anti-Hitler-Koalition, hatten die führenden Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich im Sommer 1948 den Ministerprä-sidenten der damals 11 Länder in den westli-chen Besatzungszonen den Auftrag erteilt, die Gründung eines westdeutschen Staates vorzubereiten. Dazu wurden ihnen einen Reihe von Vorgaben gemacht, insbesondere hinsichtlich der Gestal-tung und Sicherung des zukünftigen demokra-tischen Regierungssys-tems. Die Ministerprä-sidenten sträubten sich gegen dieses Ansinnen, sahen sie darin doch – jenseits aller parteipoli-tischen Konfl iktlinien – gemeinsam eine zwangsläufi ge wesentliche Vertiefung des längst im Gang befi ndlichen Prozesses der Aufspaltung Deutschlands in einen westlich orientierten und einen unter der

faktischen Herrschaft der stalinistischen Sowjetunion stehenden östlichen Teil jenseits der Elbe. Gleichwohl vollzogen die Länderchefs und die anderen gewähl-ten Repräsentanten der westdeutschen Bevölkerung die Formierung der Bundes-republik nicht nur mit, sondern konnten darauf im Verfassungskonvent von Her-renchiemsee und im Parlamentarischen Rat in Bonn 1948/49 sogar wesentli-

chen Einfl uss ausüben. Schon die Bezeichnung „Grundgesetz“ wurde anstelle des bis dahin üblichen Begriffs „Ver-fassung“ gegenüber den Besatzungsmäch-ten durchgesetzt, um den aus der Sicht der westdeutschen Politiker vorläufi gen Charakter der Weststaatsgrün-dung zu unterstreichen – einer Teilstaatsgrün-dung, die lediglich als Zwischenstufe zur Wiederherstellung der deutschen Einheit be-trachtet wurde. Das beschauliche rheinische Städtchen Bonn wurde zur Bundeshauptstadt

erkoren, gerade damit auch dadurch das „Provisorium“ Bundesrepublik Deutsch-land betonte wurde.Wenn eine vermeintliche Übergangslö-sung ihren 60. Geburtstag feiert, besteht

allemal Grund, über die Grund-lagen einer von den Urhebern so zunächst gar nicht beabsichtig-ten Langlebigkeit nachzuden-ken. Das politische System der Bundesrepublik Deutschland hat sich seit 1949 in einer ganzen Reihe politischer und ökonomischer Krisensituati-onen bewährt – und steht im Augenblick im Zeichen der Wirtschafts- und Finanzkrise vor der wohl schwierigsten He-rausforderung seiner bisherigen

60 Jahre Bundesrepublik Deutschland – eine Erfolgsgeschichte?Vortrag von Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler

Do, 28.05. | 19 Uhr

Existenz. Dies macht es noch dringlicher, nicht nur Leistungen und Defi zite jener sechs Jahrzehnte historisch Revue passie-ren zu lassen, sondern auch die Frage nach der Zukunftsfähigkeit aufzuwerfen.Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler gehört zu den international profi liertesten Köpfen der deutschen Geschichtswissenschaft. Nach Promotion und Habilitation bei seinem Kölner Lehrer Theodor Schieder wurde Wehler 1970 auf eine Professur für amerikanische Geschichte an der Freien Universität Berlin berufen. Schon 1971 wechselte er auf einen Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Bielefeld. Dort lehrte er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1996, unterbrochen von Gast-professuren an zahlreichen renommierten Hochschulen vor allem in den USA. Stets streitbar, hat er auch das Bild der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-land wesentlich mitgeprägt – nicht zuletzt durch den im vergangenen Jahr erschie-nenen fünften und abschließenden Band seiner „Deutschen Gesellschaftsgeschich-te“, der die Zeit zwischen 1945 und 1990 behandelt. Wehlers monumentale, Sozi-al- und Politikgeschichte in spezifi scher Weise verbindende Darstellung stellt ein zentrales Standardwerk zur neuzeitlichen historischen Entwicklung in Deutschland dar.Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung NRW und der Volkshochschule Düssel-dorf. W.H.

Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler, Universität Bielefeld

Der Präsident des Parlamentarischen Rates, Konrad Adenauer, bei der Unterzeichnung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949.

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Vorträge

Die DDR wird jedes Jahr schöner – das mag ein wenig übertrieben klingen, ganz falsch ist es gleichwohl gewiss nicht. 20 Jahre nach dem Untergang der SED-Diktatur ist das landläufi ge Wissen über sie gering. Und die Krise, in der das markt-wirtschaftliche System derzeit steckt, trägt dazu bei, Verklärungstendenzen zu verstärken. Um so wichtiger ist es, 60 Jahre nach der Gründung der Bundesre-publik Deutschland und der DDR auch an die Realität des zweiten deutschen Staates zu erinnern. Und zwar an die Realität einer Diktatur, die mitten durch Deutschland einen Todesstreifen ziehen ließ. Denn würde man das geschönte, von

Di, 21. 04. | 19 Uhr

Sehnsucht nach der Diktatur? Die DDR-Mentalität und ihr Fortwirken im vereinigten DeutschlandVortrag von Dr. Stefan Wolle, Forschungsverbund SED-Staat Freie Universität Berlin

interessierter Seite propagierte Bild einer vermeintlich „heimeligen“ DDR einfach so hinnehmen, bestünde die Gefahr, die Systemkonkurrenz zwischen freiheitlicher Demokratie und totalitärer Zwangsherr-schaft noch zwei Jahrzehnte nach deren Zusammenbruch zu verlieren.Dr. Stefan Wolle ist einer der besten Kenner der Geschichte der DDR – als Wissenschaftler und auch als ehemaliger Bürger. Er war Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR; 1990/91 war er an der Aufl ösung des Ministeriums für Staatssicherheit beteiligt. Im Anschluß daran war Wolle an der Humboldt-Univer-sität in Berlin beschäftigt. Neben seiner

Gedenkkreuze für die Maueropfer am Checkpoint Charlie

heutigen Tätigkeit an der FU Berlin ist er Wissenschaftlicher Leiter des DDR-Mu-seums in der deutschen Hauptstadt. Stefan Wolle hat eine Vielzahl von einschlägigen Publikationen vorgelegt, darunter „Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herr-schaft in der DDR“ (Berlin 1998) und „Der Traum von der Revolte. Die DDR 1968“ (Berlin 2008)In Zusammenarbeit mit der Volkshoch-schule DüsseldorfVeranstaltungsort: VHS, Bertha-Suttner-Platz 1, Saal II W.H.

Mo, 15.06. | 17.30 Uhr§ 96 Bundesvertriebenengesetz - Ein Förderauftrag an Bund und LänderVortrag von Prof. Dr. Michael Silagi, Universität Göttingen

Prof. Dr. Michael Silagi

Die Kultur- und Wissenschaftsförderung der Ost- und Sudetendeutschen nach Paragraph 96 Bundesvertriebenengesetz ist ein wichtiges kulturpolitisches Hand-lungsfeld. Seit dem Inkrafttreten des Vertriebenengesetzes 1953 hat der „Kul-turparagraph“ unverändert Bestand und macht deutlich, dass das kulturelle Erbe der Vertriebenen eine gesamtdeutsche Aufgabe und unverzichtbarer Bestand-teil der Identität der Deutschen ist. Der Gesetzesauftrag, „... das Kulturgut der Vertreibungsgebiete in dem Bewußtsein des Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Vol-kes und des Auslandes zu erhalten, ... Wis-senschaft und Forschung bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus der Vertreibung und der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge ergeben, sowie die Wei-terentwicklung der Kulturleistungen der Vertriebenen und Flüchtlinge zu fördern“,

ist aus der Erkenntnis geboren, dass es ein gemeinsames kulturelles Fundament gibt. Seit Jahrzehnten werden nach dieser Vorschrift die kulturelle Breitenarbeit der Verbände, zahlreiche Museen, For-schungs- und Bildungseinrichtungen gefördert. In Gutachten für den wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages und verschiedenen Aufsätzen hat sich Prof. Dr. jur. et phil. Michael Silagi mit der herausgehobenen Bedeutung des § 96 BVFG beschäftigt. Prof. Silagi hat in München Rechtswissenschaft, Anglistik, Klassische Philologie und Amerikanistik studiert und ist dort zum Dr. phil. und Dr. jur. promoviert worden. 1996 hat er sich an der Juristischen Fakultät in Göt-tingen habilitiert und ist seit 2001 dort Professor. Zu seinen Forschungsschwer-punkten gehören Völkerrechtsgeschichte und Rechtslage Deutschlands seit 1945,

Vertriebenenrecht, Deutsches und aus-ländisches Staatsangehörigkeitsrecht. In seinen gutachtlichen Stellungnahmen kommt Prof. Silagi zu dem Schluss, dass der § 96 BVFG durch seine Aufnahme in den Einigungsvertrag 1990 mit Übergeset-zesrang festgeschrieben wurde.

Ma.Pa. In Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

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Vorträge

Vor 70 Jahren marschierte die Wehrmacht des NS-Staates in Polen ein und brach den Krieg vom Zaun, der die Selbstvernich-tung des Deutschen Reiches über eine Kette grausiger Verbrechen hinweg voll-endete. Vor 60 Jahren wurde die Bundes-republik Deutschland gegründet, die lange um eine dauerhafte Neubestimmung ihres Verhältnisses zu den ostmittel- und osteu-ropäischen Staaten jenseits des im Kalten Krieg durch die Sowjetunion errichteten Eisernen Vorhangs rang. Vor 40 Jahren begann die erste sozialliberale Koalition unter der Kanzlerschaft Willy Brandts mit der Realisierung der „Neuen Ostpo-litik“ – und keineswegs zufällig stand der Versuch der Verständigung mit der damaligen Volksrepublik Polen am Be-ginn eines in beiden Ländern kontrovers diskutierten Weges. Vor 20 Jahren brach die SED-Diktatur in der DDR zusammen, nicht zuletzt weil die Entwicklung in deren unmittelbarem Nachbarland Polen seit rund einem Jahrzehnt den vermeintlich monolithischen Ostblock zunehmend erodiert und verunsichert hatte. Vor fünf Jahren wurde unter Mitwirkung des wie-dervereinten Deutschland das demokra-tisch erneuerte Polen in die Europäische Union aufgenommen, die Nachbarschaft wurde dadurch in eine enge Partnerschaft überführt.Nur wer sich den schweren Weg verge-genwärtigt, den Deutsche und Polen vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahr-hunderts miteinander – nein, überwiegend gegeneinander gegangen sind, kann recht ermessen, was beide Völker heute erreicht haben. Dass gleichwohl noch immer über verschiedene Aspekte der gemein-samen Vergangenheit gestritten wird, unterstreicht den Wandel nur noch mehr. Denn bei aller zeitweiligen Erregung auf beiden Seiten, steht doch das gemeinsame europäische Handeln letztlich stets im Vordergrund.S. E. Dr. Marek Prawda ist seit September 2006 Botschafter der Republik Polen in

der Bundesrepublik Deutschland. Er ist ein hervorragender Deutschlandkenner, der Teile seines Studiums in Leipzig und Hamburg absolviert hat. Seit 1980 hat er sich in der Solidarność-Bewegung enga-giert. Nach verschiedenen Verwendungen im polnischen Außenministerium war Dr. Prawda zwischen 2001 und 2005 polni-scher Botschafter in Schweden. Er wird die jüngste Phase der deutsch-polnischen Beziehungen Revue passieren lassen und deren Stand und Perspektiven in den Blick nehmen.Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit

Botschaftergespräch – Polen und Deutschland, Partner mit spannungsreicher VergangenheitS. E. Dr. Marek Prawda, Botschafter der Republik Polen, zu Gast im Gerhart-Hauptmann-Haus

S. E. Dr. Marek Prawda, Botschafter der Republik Polen

Mi, 22.04. | 19 Uhr

mit dem Polnischen Institut Düsseldorf und der Deutschen Gesellschaft für Ost-europakunde.

W.H.

Am 2. Mai 1989 begannen ungarische Soldaten nahe der Ortschaft Köszeg an der Grenze zu Österreich mit dem Abbau der Grenzsperranlagen. Ungarn, wenngleich einstweilen noch unter kommunistischer Führung, scherte damit als erstes Land offen aus dem Ostblock aus und öffnete den „Eisernen Vorhang“. Wenige Wochen später, am 27. Juni 1989, durchschnitten die damaligen Aussenminister Ungarns und Österreichs, Guyla Horn und Alois Mock, bei Sopron (Ödenburg) symbolisch den Grenz-zaun. Mit Billigung der ungarischen Regierung nutzten im Sommer und Herbst 1989 Tausende von DDR-Bürgern die Gelegenheit, von Un-garn aus zumeist in Richtung Bundesre-publik zu fl iehen. Der folgende Zusammen-

bruch der DDR, der Beginn des Weges zur deutschen Einheit und die Vereinigung Europas nach der Aufl ösung des Ostblocks wären ohne die komplexen Ereignisse in der ersten Hälfte des Jahres 1989 kaum verständlich. Der Vortrag richtet sich auf die Klärung der Voraussetzungen und Ursachen der fundamentalen historischen Wende, die damals eingeleitet wurde.Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters ist durch

eine Vielzahl von Ver-öffentlichungen nicht zuletzt zur Geschichte der Deutschlandpolitik ausgewiesen. Er lehrt am Historischen Se-minar der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

In Zusammenarbeit mit dem ASG-Bildungsfo-rum Düsseldorf. W.H.

Vortrag von Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Zeitenwende – Die politischen Ereignisse des Frühjahrs 1989

Do, 07.05. | 19 Uhr

Die Außenminister Österreichs, Alois Mock (li.) und Ungarns, Gyla Horn durchschneiden den eisernen Vorhang an der österreichisch ungarischen Grenze

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Schreibwerkstatt/Dialog

Im September 2008 haben wir zur ersten Schreibwerkstatt eingeladen – und wollen dies nun nach den guten Erfahrungen wiederholen. Denn Erinnerungen sind ein sehr persönliches, sie sind aber auch ein kostbares Gut. Und von hohem Wert sind sie eben nicht allein für diejenigen selbst, die sich erinnern, sondern auch für andere Menschen. Das Erfahrungswissen gleich welcher Generation gehört stets auch zum großen Wissensschatz der Menschheit, aus dem wir alle Warnungen erhalten, aber auch Hoffnung und Ermunterung schöp-fen können. Erinnerungen müssen jedoch festgehalten werden, sonst verfl üchtigen sie sich – und damit werden die Späteren immer auch um ein Stückchen ärmer. Erinnerungen festzuhalten ist indessen leichter gesagt als getan. Einfach ist es jedenfalls nicht, das was im Kopf ist, zu Papier zu bringen.Die Schreibwerkstatt will dazu anregen, das eigene Erlebe vor der Verfl üchtigung zu bewahren. Das kann für eigene Ange-hörige geschehen, für Freunde, für „die Späteren“ ganz allgemein – wer auch immer erreicht werden soll, die ersten Schritte wollen wohlüberlegt geplant und getan sein.Wir laden Sie dazu ein, Ihre ganz per-sönlichen Erinnerungen an Flucht und Vertreibung, aber auch das „Davor“ und das „Danach“ aufzuschreiben. Weil es für die allermeisten Menschen aus vielen und ganz unterschiedlichen Gründen schwierig ist, dies zu tun, wollen wir dazu Hilfestellung geben. In der Schreibwerk-statt wird Michael Zeller Anregungen geben, wie man mit dem (Auf-)Schreiben überhaupt erst einmal beginnen, wie man es fortsetzen kann.Dr. Michael Zeller wurde 1944 in Bres-lau geboren, wenig später musste seine Familie aus der schlesischen Metropole fl iehen. Er hat später in Westdeutschland Germanistik studiert und wurde 1974 in Bonn promoviert, 1981 in Erlangen habilitiert. Kurz darauf hat er das Wagnis unternommen, sich als freier Schriftsteller selbständig zu machen. Seither hat Zeller zahlreiche Prosa- und lyrische Werke

vorgelegt, die nicht selten Themen der deutsch-polnischen Vergangenheit und Gegenwart behandeln. Neben anderen Auszeichnungen erhielt Michael Zeller im Januar 2009 den Von-der-Heydt-Kulturpreis der Stadt Wuppertal.Da aus organisatorischen Gründen die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilneh-mer der Schreibwerkstatt begrenzt ist, wird um eine kurze formlose Anmeldung gebeten (bis 08. 05. telefonisch unter 0211/1699118 – Herr Lask – via e-mail

Mi, 13.05. | 16 Uhr

Schreibwerkstatt II mit Dr. Michael Zeller

Verborgene Geschichten sichtbar werden lassen

unter [email protected] oder postalisch an Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus, Bis-marckstr. 90, 40210 Düsseldorf, Stichwort Schreibwerkstatt). Die Teilnahme ist kos-tenlos. Ein Imbiss wird von der Stiftung zur Verfügung gestellt. W. H.

Dr. Michael Zeller

„Die Politik ist das Paradies zungen-fertiger Schwätzer“ – man muß George Bernhard Shaw nicht in dieser drastisch formulierten Ansicht folgen. Leichter ist es schon, sich mit Christoph Ransmayr einig zu erklären: „Und warum sollten die Dichter, wenn sie denn klärende Kommentare zum Lauf der Welt und Zeit schreiben, Pamphlete, Programme, Verhaltensempfehlungen – weniger oft irren, als der Nächstbeste?“ Gewiss ist je-denfalls, dass beide, Politik und Literatur, schon darin elementar miteinander ver-bunden sind, dass sie beide gleichermaßen entscheidend von Wert und Wirkung des Wortes abhängen. Gewiß ist ferner, dass beide Disziplinen in einer stets spannungs-reichen Beziehung miteinander verwoben sind. Daher ist es auch reizvoll, Vertreter von Politik und Literatur miteinander ins Gespräch zu bringen – und am besten über ein kontroverses Thema.Artur Becker und Michael Mertes dis-kutieren miteinander über die deutsch-polnischen Beziehungen, die gerade in jüngster Zeit wieder schlagzeilenträchtig waren. Artur Becker wurde 1968 als Kind polnisch-deutscher Eltern in Bartoszyce/Bartenstein in Masuren geboren. Seit 1985 lebt er in Deutschland. Er schreibt Ro-mane, Erzählungen und Gedichte und ist darüber hinaus als Übersetzer polnischer Literatur ins Deutsche tätig. Aufsehen er-

regte nicht zuletzt sein 2006 erschienener Roman „Das Herz von Chopin“. Im Jahre 2008 erschien sein bislang letzter Roman „Wodka und Messer. Lied vom Ertrin-ken“, kürzlich legte er im Bremer STINT Verlag seinen jüngsten Gedichtband unter dem Titel „Ein Kiosk mit elf Millionen Nächten“ vor. Artur Becker hat zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, so bereits 1998 das Villa-Decius-Stipendium in Krakau und 2006 ein Literatur-Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Else-Heiliger-Fonds. Jüngst wurde Becker mit dem Adelbert von Chamisso-Preis 2009 ausgezeichnet. Der gebürtige Bonner Michael Mertes hat seine Kindheit unter anderem in Paris, Marseille und Moskau zugebracht. Nach seinem Jura-Studium war er unter der Regierung Helmut Kohl in verschiedenen Stellungen im Bundes-kanzleramt tätig. Zwischen 1998 und 2002 amtierte Mertes als Stellvertretender Chefredakteur des „Rheinischen Merkur“. Im August 2006 wurde er durch Minister-präsident Dr. Jürgen Rüttgers zum Staats-sekretär für Bundes- und Europaangele-genheiten und zum Bevollmächtigten des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund berufen. Seit Anfang 2008 ist er zudem als Staatssekretär für Medien tätig.In Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Polnischen Institut Düssel-dorf. W.H.

Artur Becker im Gespräch mit Michael Mertes Moderation: Michael Serrer, Literaturbüro NRW

Mo, 08.06. | 19 UhrWahlverwandtschaften: Literatur und Politik

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Vorträge

In der unmittelbaren Nachkriegszeit seit 1945 haben zunächst auch die westlichen Besatzungsmächte die Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen, die in die Westzonen gelangten, daran gehindert, sich in Form von Interessenverbänden zu organisieren. Zu groß waren ihre Befürch-tungen, das latente Protestpotential der Betroffenen könne gezielt mobilisiert wer-den und zur politischen Destabilisierung instrumentalisiert werden. Daher wurde eine fl ächendeckende und verbandlich geschlossene Organisation der Vertriebe-nen und Flüchtlinge erst mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland möglich. Noch im Jahre 1949 wurden mit dem „Zentralverband der vertriebenen Deut-schen“ und den „Vereinigten ostdeutschen Landsmannschaften“ zwei Dachverbände aus der Taufe gehoben, deren Zusam-menschluss zum „Bund der Vertriebenen – Vereinigte Landsmannschaften und Ver-bände“ erst ein knappes Jahrzehnt später gelang. In den 1960er Jahren waren in den Verbänden über zwei Millionen Menschen organisiert – annähernd ein Viertel der

in der Bundesrepublik aufgenommenen Menschen aus dem ehemals deutschen Osten. Es handelte sich folglich nicht zuletzt um ein durchaus bemerkenswertes Wählerpotential, so dass keine der im Bundestag und den Landesparlamenten vertretenen Parteien es sich leisten konnte, dieses einfach zu ignorieren. Die Vertrie-benenverbände haben die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland also von deren Gründung an kritisch begleitet, bis zu einem gewissen Grad auch mitgestaltet. Nicht zuletzt hinsichtlich des eingeschla-genen außenpolitischen Kurses haben sie immer wieder ihre Stimme erhoben, und dies nicht erst nachdem die sozialdemo-kratisch geführte Bundesregierung unter Willy Brandt seit 1969 damit begonnen hatte, im Rahmen der „Neuen Ostpoli-tik“ wesentliche Akzentverschiebungen gegenüber den Staaten Ostmittel- und Osteuropas durchzusetzen. Gerade zu Beginn der 1970er Jahre zeigte sich jedoch noch einmal, wie weit der Einfl uß des BdV reichte – und wie weit nicht. Die De-monstrationen mit mehreren Zehntausend

Do, 30.04. | 19.30 Uhr

Vortrag von Privatdozent Dr. Matthias Stickler, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Auf gepackten Koffern? Überlegungen zur „Ankunft“ der Vertriebenenverbände in der Bundesrepublik Deutschland

Teilnehmern 1973/74 in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn waren jedenfalls unübersehbar. Auch 1989/90 versuchten die Vertriebenenorganisationen im Kon-text der deutschen Einheit ihren Einfl uss einmal mehr geltend zu machen. Und bis in die jüngste Zeit hinein zeigt sich – etwa bei der Diskussion um das „Zentrum gegen Vertreibungen“ –, dass sie immer noch in der Lage sind, ein beträchtliches Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.Der Vortrag analysiert die deutschlandpo-litische Haltung der Vertriebenenorganisa-tionen und deren Wandlungen seit Grün-dung der Bundesrepublik Deutschland und wirft die Frage nach dem Verhältnis zwischen ihnen und dem neu gegründeten parlamentarisch-demokratisch regierten und pluralistisch verfassten Staat auf.Privatdozent Dr. Matthias Stickler ist durch zahlreiche einschlägige Veröffentli-chungen ausgewiesen. Insbesondere durch seine 2004 veröffentlichte Habilitations-schrift „Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch. Organisation, Selbstverständnis und hei-matpolitische Zielsetzungen der deutschen Vertriebenenverbände 1949-1972“ (Düs-seldorf: Droste Verlag 2004) hat er auf sich aufmerksam gemacht. Matthias Stickler lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. W.H.

In Zusammenarbeit mit dem Landesver-band Nordrhein-Westfalen des Bundes der Vertriebenen.Demonstration gegen die Ostverträge in Bonn

Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen

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Buchvorstellung/Vorträge

Mo, 27.04. | 19 Uhr„Schlesien – Das Land und seine Geschichte“Buchvorstellung mit Prof. Dr. Arno HerzigIn seinem 2008 erschienenen Buch will Arno Herzig einem größeren Leserkreis – nicht nur den ehemaligen Schlesiern –die Entwicklung dieses Landes vermitteln und dabei zeigen, wie friedlich sich hier ethnische und konfessionelle Kulturen begegneten. Auf der politischen Bühne hat Schlesien weitgehend eine zweitrangige Rolle ge-spielt. Die zahlreichen Teilungen unter den Piastenfürsten führten zu einem Machtvakuum, sodass Schlesien schließ-lich zu einem Nebenland der böhmischen Krone wurde. Friedrich II. eroberte das Land und machte es zur wirtschaftlich wichtigsten Region seiner Monarchie. Im 19. Jahrhundert geriet es in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise, auf die durch den schlesischen Weberaufstand von 1844 ganz Deutschland aufmerk-sam wurde. Erst im Kaiserreich gewann

das Land wieder an Bedeutung, musste aber nach dem Ersten Weltkrieg die Abtrennung des industriell bedeutenden Oberschlesiens an Polen hinnehmen. Die Nationalsozialisten, die auch in Schlesien stark vertreten waren, führten Deutschland in die Katastrophe, an deren Folgen auch die Schlesier durch den Verlust ihrer Hei-mat schwer tragen mussten. Inzwischen existiert über 60 Jahre eine polnisch-schlesische Geschichte, die seit der Wende von 1989 bewusst an die über 700-jährige deutsch-schlesische Geschichte anknüpft. Diese Zeitspanne wird von den beiden polnischen Autoren Małgorzata und Krzysztof Ruchniewicz beschrieben.Prof. Dr. Arno Herzig, geb. 1937 in Al-bendorf, Kreis Glatz (Schlesien), lehrte am Historischen Seminar der Universität Hamburg und ist Mitglied der Histori-

Prof. Dr. Arno Herzig

schen Kommission für Schlesien. Er hat an zahlreichen Forschungsprojekten und Publikationen, u. a. zur deutsch-jüdischen Geschichte, zur Reformationsgeschichte und Konfessionalisierung sowie zur Ge-schichte Schlesiens gearbeitet. Ma.Po.

Ich war ein Wolfskind aus Königs-bergBiographischer Roman von Ursula Dorn

Über sechs Jahrzehnte sind vergangen, bis die 1935 in Kö-nigsberg (Ostpreußen) geborene Ursula Dorn den Mut fasste, das zu erzählen, was sie als 10jäh-riges Kind erfahren musste. Sie lebt heute mit ihrer Familie in der Nähe von Göttingen. In ländlicher Abgeschiedenheit hat sie die Ruhe gefunden, ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg zu bewältigen. Die Erinnerungen an ihr Dasein als Wolfskind hat sie in einer pa-ckenden Geschichte verarbeitet.

Edition riedenburg, ISBN 978-3902647092

€19,90

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Im November 2009 wird sich Friedrich Schillers Geburtstag zum 250. Mal jähren. Die Geburt des Dichters im schwäbischen Marbach am Neckar, sein Leben in Stuttgart, Mannheim, Dresden und Weimar, wo er 1805 starb, liegen so weit zurück, dass Schillers Zeit für die meisten Menschen von heute nahezu vollkommen versunken erscheint – was weder verwunder-lich ist, noch gar ein Grund zur Schelte sein kann. Lebt Schiller heu-te nur noch dadurch, dass Teile seines Wer-kes unverändert zum literarischen Kanon der höheren Schulbildung zählen? Reicht das, um einen Autor mit dessen konkreter

Schiller und seine Zeit 1759-1805

Lebenswelt uns Heutige scheinbar kaum mehr etwas verbindet, wirklich präsent zu erhalten?

Der Vortrag richtet sich darauf, ausgehend von den politischen und sozialen Existenz-bedingungen Schillers in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dessen Themenwahl für seine Werke zu er-läutern und deren Ak-tualiätsbezüge aufzu-zeigen. Zugleich soll gezeigt werden, wie stark das Bild Schillers in unterschiedlichen geschichtlichen Kon-texten schwankte. In Zusammenarbeit mit

der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. W.H.

Vortrag von PD Dr. Winfrid Halder

Di, 02.04. | 19 Uhr

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„Ich bin ohnmächtig gegen dieses Schicksal…“Helmut Braun liest Joseph Roth

Di, 26.05. | 19 Uhr

Joseph Roth in den zwanziger Jahren

Joseph Roth, der am 2. September 1894 als einziger Sohn jüdischer Eltern im ost-galizischen Brody geboren wurde, zählt zu der letzten Generation derer, die das Habsburger-Reich und dessen Aufl ösung noch miterleben konnten. 1913 begann er, damals noch unter dem Namen Moses Joseph Roth, ein Germanistik-studium an der Univer-sität Wien.Seine ersten schriftstel-lerischen Gehversuche wurden noch während seiner Militärzeit 1918 in Form von Ge-dichten in der pazifistischen Wiener Wo-chenzeitung Der Friede veröffent-licht. Nach dem Krieg a u s f i -nanziellen Gründen gezwun-gen, sein Studium abzubrechen, begann er Feuille-tons für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen zu schreiben. Sein Haupt-geldgeber war zu dieser Zeit die Zeitung „Der neue Tag“. Im Jahre 1920 zog Roth nach Berlin, um dort für mehrere Tages-zeitungen zu schreiben, zum Beispiel für den Berliner Börsen-Curier und für den Vorwärts. Jedoch bekannte er sich kei-neswegs zu den ideologischen Wurzeln des Sozialismus, viel mehr sehnte er sich nach der Geborgenheit, die eine sozial homogene Bevölkerungsgemeinschaft ausstrahlt.In den folgenden Jahren reiste er, oft mit seiner Frau Friederike zusammen, durch halb Europa und verfasste Feuilletons und Reiseberichte ebenso wie mehrere Romane. Sein Erstlingswerk, der frag-mentarische Fortsetzungsroman „Das Spinnennetz“ ist im sozialistischen Milieu der Nachkriegszeit angesiedelt und er-schien im Herbst 1923 in der Wiener „Ar-

beiterzeitung“. Bis zu seinem Tod folgten neben zahllosen Reportagen, Feuilletons, Novellen und Essays noch mehrere Romane, zum Beispiel „Die Rebellion“ (1924), „Die Flucht ohne Ende“ (1927),

„Hiob. Roman eines einfachen Mannes“ (1930), „Die Kapuzinergruft“ (1938) und 1932 sein wohl bekanntestes Werk „Radetzkymarsch“.1928 erkrankte seine Ehefrau, der

Roth sehr zugetan war, unheilbar an Schizophrenie und

musste ständig in einer Nerven-

heilanstalt un-tergebracht

werden.

Roth trank nun immer häufi ger und ex-zessiver. Zu dem tragischen Verlust seiner Frau kam außerdem noch, dass er, der be-kennende Monarchist mit sozialistischen Tendenzen, die Hinwendung Europas zum Faschismus nicht ertragen konnte.Am 30. Januar 1933 emigrierte er über-stürzt nach Paris und verlebte dort seine letzten Jahre. Neben seinem Engagement im Kreise österreichischer Legitimisten um den letzten Kronprinzen Otto von Habsburg verfasste er zahlreiche Artikel für französische Blätter und deutsche Exilzeitschriften. Im Frühjahr 1939 verschlechterte sich Roths Gesundheitszustand aufgrund sei-ner Alkoholabhängigkeit so massiv, dass er am 27. Mai im Hôpital Necker an den Folgen des Delirium tremens und einer Lungenentzündung starb.Joseph Roth war einer der bedeutendsten Vertreter der Kultur des untergehenden Habsburgerreiches. In zahlreichen seiner Werke hat er insbesondere der ethnischen und kulturellen Vielfalt seiner galizischen Heimat – in der Deutsche, Polen, Ukrainer und Juden zusammenlebten – ein bleiben-des literarisches Denkmal gesetzt.Am 27. Mai 2009 jährt sich Roths tragi-scher, früher Tod zum 70. Mal. Helmut Braun, Autor, Herausgeber und Nachlass-verwalter Rose Ausländers, liest zu diesem Anlass ausgesuchte Passagen aus dessen bekanntestem Roman Radetzkymarsch. Yvonne Dobrikat

Lesung/Kinemathek

Die Veröffentlichung seiner letzten voll-endeten Erzählung in einem Amsterdamer Verlag hat Joseph Roth (1894-1939) nicht mehr erlebt. Vom NS-Regime ins französische Exil vertrieben, starb er am 27. Mai 1939, erst 45 Jahre alt, in Paris. „Die Legende vom heiligen Trinker“ trägt auch autobiographische Züge: Andreas Kartak, die Hauptfi gur der Erzählung, lebt wie Roth fern der Heimat, einem Leben in Not preisgegeben, er versucht seine Verzweifl ung im Alkohol zu ertränken. Eines Tages erhält er von einem Fremden unverhofft 200 Francs – mit der Maßgabe,

das Geld sobald er dazu in der Lage ist, der Heiligen Therèse von Lisieux in einer Pariser Kirche „zurückzuzahlen“. Andreas versucht dies mehrere Male und scheitert immer wieder an sich selbst, am Ende erliegt er seiner Alkoholsucht – doch auf wunderbare Weise stirbt er hoffend.Roths traurig-schöne Geschichte wurde 1988 mit dem Niederländer Rutger Hauer in der Hauptrolle verfi lmt und wurde von der Kritik hoch gelobt. Neben anderen Auszeichnungen erhielt der Regisseur Ermanno Olmi den Goldenen Löwen der Filmfestespiele von Venedig. W.H.

Mi, 27. 05. | 15 Uhr

Die Legende vom heiligen TrinkerSpielfi lm nach einer Erzählung von Joseph Roth (Italien 1988) - Anläßlich des 70. Todestages des Autors

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Lesungen

Im Herbst 2008 erschien im Suhrkamp Verlag in Frankfurt am Main der von Germanisten und Lyriklesern, die fast ausschließlich Lyrikleserinnen sind, ge-meinsam lang ersehnte Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Paul Celan unter dem Titel „Herzzeit“. Nicht nur die Verfügung von Celans Witwe, Gisele Celan-Lestrange, die die Briefe Bachmanns dem auf fünfzig Jahre gesperrten Teil des Nachlasses des Dich-ters zugeordnet hatte, stand einer früheren Publikation entgegen, auch die Verweige-rung der Druckerlaubnis der Briefe von

Bachmann, die deren Erben aussprachen, verhinderte zuvor die Veröffentlichung des Briefwechsels. Es darf angenommen werden, dass monetäre Interessen der Erben der Dichterin und des Dichters nun die Herausgabe dieses Briefwechsels möglich machten.Geschlossen wird damit eine entschei-dende Lücke in den bisher vorliegenden Briefwechseln Celans. In den letzten Jahren waren zum Beispiel bereits seine Briefwechsel mit Ilana Shmueli, der letzten Geliebten und seiner Ehefrau er-schienen. Besonders im Letzteren spielt das Liebesverhältnis zwischen Bachmann und Celan eine für seine Frau extrem belastende Rolle, die in ihren verzwei-

„Nicht mit Dir und nicht ohne Dich“Do, 18.06. | 19 Uhr

felten Briefen aufscheint, da er sich auch während seiner Ehe nicht davon abhalten ließ, die Beziehung zu seiner Geliebten aufrecht zu halten.Im Klappentext des Bandes „Herzzeit“ heißt es: „Die Liebesbeziehung zwischen den beiden bedeutendsten deutschspra-chigen Dichtern nach 1945 beginnt im Wien der Nachkriegszeit. Bachmann studiert dort Philosophie, für Paul Celan ist Wien eine Zwischenstation. Im Mai 1948 lernen sie einander kennen, Ende Juni geht er nach Paris. Ihr Briefwechsel nach der Trennung ist zuerst schütter, verläuft zögernd, dann setzt er sich fort in immer neuen dramatischen Phasen. Jede dieser Phasen hat ihr eigenes Gesicht: ihren besonderen Ton, ihre Themen, ihre Hoffnungen, ihre Dynamik, ihre eigene Form des Schweigens. Ende 1961 brechen das briefl iche Gespräch und die persön-lichen Begegnungen ab, als sich Celans psychische Krise auf dem Höhepunkt der Goll-Affäre zuspitzt.Der Briefwechsel zwischen 1948 und 1961 (ein letzter Brief Celans datiert aus dem Juni 1967) ist ein bewegendes Zeugnis: zunächst als das Gespräch einer Liebe nach Auschwitz, mit allen sympto-matischen Störungen und Krisen aufgrund der so konträren Herkunft der beiden und ihrer schwer zu vereinbarenden Lebens-entwürfe als Mann und als Frau und als Schreibende. Aber es ist auch ein Ringen um Freundschaft oder um wenigstens irgendeine Beziehung. Ergänzend zu den beinahe zweihundert Zeugnissen ihrer Korrespondenz wurden die Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Gisele Celan-Lestrange sowie zwischen Paul Celan und Max Frisch (dem zeitweisen Lebensgefährten Bachmanns, Anm. Br.) in den Band aufgenommen.“ Tatsächlich ist die „konträre Herkunft“ der beiden Briefpartner und Liebenden gegensätzlicher kaum zu denken. Paul Ce-lan, geboren 1920 in Czernowitz in einer jüdischen Familie, in der damals bereits rumänischen Bukowina, dort aufgewach-sen und bis 1942 lebend – unterbrochen nur von einem einjährigen Aufenthalt zum Studium der Medizin in Frankreich – ab 1942 in rumänischen Arbeitslagern einge-sperrt, ab 1943 durch die Ermordung der Eltern in einem deutschen Arbeitslager

traumatisiert, seit 1945 in Bukarest le-bend und im Dezember 1947 nach Wien emigriert: „der hergelaufene Ostjude, ein Niemand ohne Heimat und Sprache“, wie er sich später in Paris bezeichnen wird. Ingeborg Bachmann, geboren 1926 in Klagenfurt / Österreich, in arischer Fa-milie mit einem Vater, der bereits 1932 in die NSDAP eintritt. Trotz Krieg behütet aufgewachsen, nach der Matura ein Stu-dium der Philosophie beginnend, dass sie ab Oktober 1946 in Wien fortsetzt und dort im März 1950 mit einer Dissertation über Martin Heideggers Existentialphilosophie abschließt. Ausgerechnet über Martin Hei-degger, der Hitlers Rektor der Universität Heidelberg war.Und doch fi nden die beiden zueinander. War der sorgsame und kreative Umgang mit Sprache, der ihnen eigen war, ein Fundament? Ermöglicht die Annahme von Schuld durch sie, das Zusammenleben mit ihm, dem Opfer? Schon die immer wieder von Trennung unterbrochenen Phasen ihres Zusammenlebens zunächst in Wien, später in Paris, zeigen wie belastend trotz aller Liebe ihr Zusammensein war. Voneinander lassen konnten oder besser mussten sie erst, als sein ins Extreme gesteigerte Verletztsein, seine nicht mehr überbietbare Ichbezogenheit, seine Versu-che, sie zur bedingungslosen Übernahme seiner Einschätzungen und Ängste zu zwingen, von ihr nicht mehr ertragen, erlitten werden konnten.Er entgleitet in die psychische Krankheit, die ihn schließlich vernichtet; nur drei Jahre später stirbt sie nach einem Brand-unfall – kolportiert wird eine Selbsttötung – in Rom.Helmut Braun und Barbara Dommer lesen und kommentieren am 18. Juni 2009, ab 19.00 eine Auswahl aus dem Briefwechsel Bachmann/Celan „Herzzeit“.

Helmut Braun

Ingeborg Bachmann und Paul Celan

Paul Celan

Ingeborg Bachmann

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Ausstellungen/Kinemathek

Im Herbst 2008 wurde vom russischen „Jugendring der Russlanddeutschen“ und dem deutschen „Jugend- und Studenten-ring der Deutschen aus Russland“ das Kulturprojekt „Russland und Deutschland – zwei Heimatländer eines Volkes“ ins Leben gerufen.Erstes Ziel des gemeinsamen Vorhabens war es, die aktuellen Lebensbedingungen der jungen Russlanddeutschen in beiden Staaten zu dokumentieren.Die Stadt Moskau wurde als Schau-platz der ersten Projektphase gewählt. Hier entstand – mit Unterstützung des Bundesministeriums des Innern und des Goethe-Instituts – eine Fotoausstellung, die von den individuellen Sichtweisen

Vom 08.04. bis 22.04.2009

Russland und Deutschland – zwei Heimatländer eines VolkesFotoimpressionen aus Moskau

Winterliche Impressionen aus Moskau

der Autoren geprägt ist. Eindrucksvolle Aufnahmen zeigen das Alltagsleben der Russlanddeutschen, geben Einblicke in ihr Berufsleben, die kulturellen Aktivitäten und ihre Freizeitgestaltung.Die Ausstellung zeigt die zwei Heimat-länder eines Volkes: Russland, in das ihre Vorfahren zu Zeiten Katharina der Großen gezogen sind und Deutschland, wohin vie-le Russlanddeutsche in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgewandert sind.Die Ergebnisse des Fotoprojektes, die im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus präsentiert werden, sind zugleich ein Beitrag zur offi ziellen Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Moskau. D. U.

Eröffnung: Mittwoch, 08. April 2009 – 19 Uhr,Eichendorff-SaalEs sprechen: PD Dr. Winfrid HalderDirektor des Gerhart-Hauptmann-HausesEleonora FaustLandesvorsitzende des Jugend- und Stu-dentenrings der Deutschen aus Russland

Der weite Weg gen WestenGefl ohen - vertrieben - angekommen an Rhein und Ruhr Hrsg. Winfrid Halder, Michael Serrer

Die Auto-rinnen und Autoren des vor-liegenden Bandes berichten von ihren eigenen Erfahrun-gen. Ihre damalige Perspek-tive war

die von Kindern und Jugendlichen, daher richten sich ihre Zeugnisse insbesondere auch an die junge Generation von heute, die dafür sensibilisiert werden soll.

Das Buch ist im Buchhandel er-hältlich oder für Multiplikatoren bei der Landeszentrale für politische Bildung NRW zu beziehen.

Schöningh-Verlag, ISBN 9783506766830

€18,90

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Heinz Ehrhardt, der im Februar 2009 hun-dert Jahre alt geworden wäre, gehört ge-wiss immer noch zu den bekanntesten und populärsten deutschen Künstlern aus der Zeit der frühen Bundesrepublik. Dennoch wissen wohl nur wenige, dass das Leben Ehrhardts in den ersten 30 Jahren eng mit seiner baltischen Heimat, mit seiner Ge-burtsstadt Riga verbunden war. Ehrhardt stammte aus einer deutschen Familie, sein Großvater betrieb in Riga einen renom-mierten Musikalienhandel. Den sollte der junge Heinz einmal übernehmen, zumal er nach der Trennung seiner Eltern über-wiegend bei den Großeltern aufwuchs. Die Musik hatte es ihm wohl angetan, nicht aber der Handel damit – frühzeitig begann Ehrhardt mit ersten Gehversuchen als humoristischer Unterhalter und Ka-barettist, der sich selbst auf dem Klavier begleitete. Der inzwischen verheiratete Ehrhardt hat Riga Anfang 1939 mit seiner Familie endgültig den Rücken gekehrt, wenige Monate bevor auch die meisten anderen Baltendeutschen infolge des Hitler-Stalin-Paktes im Zuge der „Heim-ins-Reich“-Aktion gezwungen wurden,

ihre Heimat zu verlassen. Wenngleich für Kabarettisten denkbar ungünstige Zeiten herrschten, vermochte es Ehrhardt seine Bühnenkarriere zunächst in Berlin fortzusetzen, bevor er zur Wehrmacht einberufen und in der Truppenbetreuung eingesetzt wurde – als Matrose, der nie im Leben Schwimmen gelernt hat.Seit 1946 begann die eigentliche große Karriere Heinz Ehrhardts – zunächst wieder auf der Bühne vornehmlich in Hamburg, seit 1957 mit Hauptrollen in Kinofilmen, die ihm endgültig den Durchbruch in der ganzen Bundesrepublik bescherten.Wir zeigen – als Beitrag der besonderen Art zum 60. Geburtstag der Bundesrepu-blik Deutschland – den 1960 gedrehten Streifen „Mein Mann, das Wirtschaftswun-der“. Der Film wartet neben Heinz Erhardt mit einem gediegenen Darstellerensemble auf – darunter Marika Rökk, Cornelia Froboess und Helmut Lohner – und nimmt die erfolgsverwöhnte westdeutsche Repu-blik milde auf die Schippe. Das Drehbuch schrieb der gebürtige Schlesier Dieter Hildebrandt. W.H.

Di, 30.06. | 15 Uhr

Mein Mann, das WirtschaftswunderFilmkomödie mit Heinz Erhardt (Deutschland 1960)

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Ausstellungen

Im 12. und 13. Jahrhundert riefen böhmi-sche Herzöge und Könige Deutsche als Bauern, Bergleute, Handwerker, Kauf-leute und Künstler ins Land, um das Land wirtschaftlich zu entwickeln und seine Steuerkraft zu erhöhen. Diese Besied-lung war ein völlig friedlicher Vorgang, der von einem Aufschwung der Landwirtschaft und kräftig stei-genden Bevöl-kerungszahlen beglei te t war. Dass an diesem „Landesausbau“ auch die Tsche-chen beteiligt waren, belegen die tschechischen Ortsnamen mit den Bestandteilen Ihota und újezd aus dieser Zeit, die auf Rodungen hinweisen.Die deutsche Besiedlung be-traf vor allem die bis dahin kaum besiedelten, meist bewaldeten Randgebiete. Die sudetendeutschen Mundarten belegen die Herkunft der mittelalterlichen Siedler: Sie kamen jeweils aus den direkt angrenzenden Gebieten im Westen, Süden und Nor-den. In den Städten im Landesinnern vermischte sich die Bevölkerung. Einen starken Impuls gaben die Deutschen dem (Silber) Bergbau, vor allem im Erzgebirge, im ostböhmischen Kutten-berg und in Iglau.Eine frühe und wichtige Rolle bei der Ortssiedlung spielten die Klöster, vor al-lem die Orden der Prämonstratenser und der Zisterzienser.Um das Jahr 1300 – zweihundert Jahre vor der Entdeckung Amerikas – sah das von Deutschen besiedelte Gebiet der böhmi-schen Länder schon annähernd so aus wie in der Neuzeit. In Mähren war es etwas größer, in Böhmen kleiner, hinzu kamen Deutsche fast in allen Städten im Landes-inneren und ländliche Sprachinseln.Die sudetendeutsche Volksgruppe war entstanden, auch wenn sie auch noch nicht so hieß.Die Ausstellung „Die Sudetendeutschen

– Eine Volksgruppe in Europa“, die der Sudetendeutsche Rat, München, präsen-tiert, zeigt auf über einhundert Schautafeln deren wechselvolle Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart.Seit den 1990er Jahren hat durch die Öffnung der Archive das Wissen um Vor-

geschichte, Verlauf und Folgen der Ver-treibung der Sudetendeutschen sprunghaft zugenommen. Mit mehreren Anläufen für einen deutsch-tschechischen Ausgleich sind zudem der Geschichte der Volks-gruppe neue Kapitel hinzugefügt worden. Sie stellt sich heute noch vielseitiger, spannender und überraschender dar als vor der Wende von 1989.Als der Sudetendeutsche Rat Ende 2005 beschloss, eine neue Ausstellung über Geschichte und Gegenwart der sude-tendeutschen Volksgruppe zu erstellen, wusste niemand, wie viel Aufmerksamkeit das Thema „Vertreibung“ bald bekommen würde. Doch inzwischen haben Fern-

sehserien mit hohen Einschaltquoten, eine Reihe von Buchveröffentlichungen und die Diskussion um die Schaffung eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin die lange verdrängte Thematik in die Mitte der öffentlichen Diskussion zurückgeholt.In diesem veränderten Umfeld präsentiert der Sudetendeutsche Rat die neue Ausstel-lung. Ihr erstes Ziel ist die Information über historische, politische und völker-rechtliche Tatsachen. Die jahrzehntelange Verdrängung hat Wissensdefi zite hinter-

lassen.Dem überpartei-lichem Sudeten-deutschen Rat war daran gelegen, die Beiträge aller poli-tischen Richtungen zur Geschichte der Volksgruppe zur Geltung zu bringen.

Denn es ist keineswegs so, dass nur eine politi-sche Kraft den Anliegen der sudetendeutschen Volksgruppe verpfl ichtet wäre – heute nicht und in der Vergangenheit erst recht nicht. Neben den bürgerlich-konservativen Kräften hat insbesonde-re die Sozialdemokra-tie die Geschichte dieser Volksgruppe prägend be-einfl usst. Neben diesem überparteilichen Blick-winkel kam es auf eine versöhnliche Gesamtaus-sage im Geist der euro-päischen Kooperation an.

Verbrechen der Vergangenheit – wer immer sie verübt hat – werden klar be-nannt, Meinungsverschiedenheiten der Gegenwart nicht verschwiegen. Doch der Ton soll nicht verletzen und nicht trennen, sondern zusammenführen. D. U.

Eröffnung: Dienstag, 05. Mai 2009 – 19.00 Uhr, AusstellungsraumEs sprechen: PD Dr. Winfrid HalderDirektor des Gerhart-Hauptmann-HausesDr. Ortfried KotzianDirektor des Haus des deutschen Ostens, München

Vom 05.05. bis 27.06.2009Die Sudetendeutschen – Eine Volksgruppe in Europa

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kontrapunkt

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„Bilder müssen wunderbar sein“, be-hauptet der amerikanische Maler Marc Rothko. Nach Meinung der Kritiker setzen Sie diese Forderung in Ihren Bildern um. Wieviel Realität braucht ein Wunder?In vielen meiner Arbeiten stelle ich mir diese Frage nach der Realität. So in dem dreiteiligen Zyklus „Fragen zur Realität“ oder im Zyklus „Imaginäre Realitäten“. Auf das Wunder wartet man und hofft, dass der Funke des Wunders, den man während der Arbeit erlebt, auch noch im Bild weiter lebt. Dazu muss das Bild nicht unbedingt „wunderbar“ im Sinne von „wunderschön“ sein. Rothko selbst protestierte gegen eine solche Betrachtung seiner Bilder. Bilder sind so wie sie sind – eben geboren. In der Macht des Künstlers steht es, sie zu bestätigen oder zu vernich-

dem Osten zugewanderte Künstlerin?Die erste Frage zu beantworten fällt mir schwer. Ich weiß es einfach nicht. Meine Kenntnisse über die Kunstszene in Russland oder auch Moldova sind aus der Vergangenheit, und die existiert nicht mehr so, wie ich sie kannte. Ich denke aber, die russische Kunstszene ist, wie die deutsche, schwer zu verallgemeinern und zu beschreiben. In Deutschland gibt es eine sehr lebendige Szene, voller Kämp-fe, Zweifel und Widersprüche. Und, wie für jeden anderen auch, ist es schwer als Künstler zu leben, zu arbeiten, zu exis-tieren. Wir sind alle Individualisten, und trotzdem suchen und fi nden wir unsere Seelenverwandtschaften und stellen fest, es ist egal woher man kommt. Hauptsache ist, man ist, was man ist. In diesem Sinne gibt es ein Sprichwort: Wer zum Kriechen geboren ist, kann nicht fl iegen. Ich sage das anders: Wer zum Kriechen geboren ist, will nicht fl iegen, und wer geboren ist zu fl iegen, muss es tun.

„Erinnerungen an Nichtgeschehenes“ nennen Sie eine Bilderfolge aus dem Jahr 2000. Auch andere Motive in Ihrem Werk lassen die Vermutung einer intensiven Verinnerlichung von Vergangenheit zu. In diesem Zusammenhang kann auch das Visionäre in Ihrer Kunst gesehen werden. Wie wichtig sind Visionen?Die Kraft der Vorstellung, die Vision ist das Wichtigste in unserer Arbeit. Von Shakespeare stammt der Satz: Wir sind der Stoff,/ Aus dem die Träume sind.“

Era Freidzon ist 1960 in Chişinău, der Haupstadt der zur GUS gehörenden Repu-blik Moldova geboren. Sie studierte die Fächer Buchdesign, Grafi k, Malerei und Kunstgeschichte an der Staatlichen Kunstakademie St. Petersburg und war bis zu ihrer 1992 erfolgten Ausreise nach Deutschland in ihrer Heimat als freischaffende Künstlerin, Kunstpädagogin und Buchillustratorin tätig. Sie nahm an zahlreichen Ausstellungen in Russland, China, Polen und Rumänien teil. Heute in Dortmund ansässig, gehört Era Freidzon dem Bundesverband Bildender Künstler (BBK) an und ist Mitglied der Künstlervereinigung „Dortmunder Gruppe“. 1998 gestaltete sie die Wandmalerei im Festsaal der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund, 2002 war sie mit einer Performancereihe in Hagen, Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund zu sehen. In ihren Bildern und Illustrationen beeindruckt die Künstlerin durch subtile Ästhetik, Spontanäität des Ausdrucks und visionäre Kraft.- Mit Era Freidzon sprachen Franz H e i n z und Ulla D r e t z l e r.

Wer geboren ist zu fl iegen, muss fl iegenKontrapunkt-Gespräch mit der Künstlerin Era Freidzon

Paul CelanDie KrügeFür Klaus Demus

An den langen Tischen der Zeitzechen die Krüge Gottes.Sie trinken die Augen der Sehenden leer und die Augen der Blinden,die Herzen der waltenden Schatten, die hohle Wange des Abends.Sie sind die gewaltigsten Zecher:sie führen das Leere zum Mund wie das Volleund schäumen nicht über wie du oder ich.

Era Freidzon

Fortsetzung auf Seite 14

ten. Der Künstler muss mit sich kämpfen. Ich bin der Meinung, dass die Kunst, wie die Natur, nach eigenen Gesetzen lebt. Der Künstler muss den Funken der neuen Realität, des neuen Lebens, des neuen Wunders an den Betrachter weiter geben. Bloß keine tödliche Gleichgültigkeit. Das ist das Wunder der Realität der Kunst, die Verführung auch und die Sucht, wie im „Zauberer von Oz“. Die Frage ist, ob man genug Kraft hat zu dem Wunder, seine eigene Realität, das „larger than life“ – wie die Amerikaner sagen, zu erschaffen.

Ihre Bilder werden als eine Malerei des Erzählens aufgefasst und dabei mitunter in Anlehnung an Marc Chagall gesehen, der von einer östlichen Welt mitgeprägt worden ist, die Ihrem Heimatgebiet Moldova angenähert sein dürfte. Welche Bedeutung könnte dieser Herkunft in Ihrer Kunst zufallen?Ich denke, ein Künstler ist ein Konglo-merat von Erfahrungen aus der Kindheit, den Begegnungen mit verschiedenen Menschen, mit den Eltern und den eigenen Kindern, mit Büchern, Gedanken, Ent-täuschungen - aus allem, was man erlebt, fühlt, denkt, liest, versteht. Die Heimat gehört dazu. Vielleicht ist die Kunst eine Form, es zu leben und zu verstehen – in diesem Fall eben visuell. Das ist eine neue Realität und auch die alte, vergessene. Meine Heimat ist meine Vergangenheit, und meine Vergangenheit ist auch meine Heimat. Ich maße mir an, das auch über Chagall zu sagen.

Sie leben seit 1992 in Deutschland und sind im Ruhrgebiet ansässig geworden. Worin unterscheidet sich, Ihrer Meinung nach, die deutsche Kunstszene von der in Ihrer Heimat? Wie fremd bleibt eine aus

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(Der Sturm, IV,I.) – Bloß, das reicht nicht. Wir haben es mit dem Rampenlicht zu tun, wo Schminke notwendig ist, um die wahre Natur zu fi nden. Diese Vision fokussiert während der Arbeit, immer genauer und präziser. Es bleibt nur zu hof-fen, dass das, was man zu sagen hat, den Funken des Wunders beinhaltet und dass es gelingt, die Form und den Inhalt so zu verschmelzen, dass diese Vision sichtbar wird. Ich bediene mich noch eines Zitats von Hrdlicka: „So lieb ist der liebe Gott nun auch wieder nicht, dass er dem, der keinen Inhalt hat, die Form schenkt.“

Durch die Verwendung von Metaphern und Symbolen fordern Sie den Betrachter Ihrer Werke zur individuellen Sinnfi ndung auf. Er sucht nach Botschaften und wird fündig. Wie konkret, nach Ihrer Vorstel-lung, soll, darf oder kann eine Botschaft im Kunstwerk sein?

Ich versuche nur, die Zeichen der Zeit zu verstehen und sie zu visualisieren. Das ist ein Gespräch mit mir selbst. Es geht um

den heutigen Menschen, wie ich es auch bin, um seine Einsamkeit, seine Ambiva-lenz, seine Angst und seine Entfremdung, seine Suche nach dem Weg und Ausweg. Dabei ist für mich die Findung der eige-nen Bildsprache sehr wichtig, auch der „Buchstaben“ dieser Sprache - der eigenen Archetypen, eigenen Symbole und Meta-phern. Die Kunst, für mich heute, dient nicht der Verschönerung. Es ist meine Überzeugung der Notwendigkeit der Kunst, der Musik, der Poesie im mensch-lichen Leben. Ich bin nicht frei von diesem Fluch und gleichzeitig diesem Geschenk. Ich muss meine ewige Angst vor dem weißen Blatt oder der weißen Leinwand, vor diesem unschuldigen Nichts über-winden. Diese jungfräuliche Oberfl äche muss der Künstler mit den Zeichen des Lebens erfüllen. Die Verantwortung für die Qualität dieser neuen Realität trägt der Künstler. Er bekommt keine Hilfe, und es kann ihm auch keiner helfen. Ich möchte, dass ich genug Kraft habe, meine Visionen in Bildern auszudrücken. Mehr will ich nicht.

Era Freidzon: „Um die Ecke“, Mischtechnik/Holz, 2004

Die West-Ost-Künstlerwerkstatt im Ger-hart-Hauptmann-Haus setzt in diesem Jahr ihre traditionelle Jahresveranstaltung fort. Sie fi ndet am Abend des 20. August 2009 im Ausstellungssaal in der Düsseldorfer Bismarckstraße 90 statt und präsentiert Werke der Dortmunder Künstlerin Era Freidzon und des in Kamen ansässigen Künstlers Reim Kasper. Die musikalische Umrahmung gestaltet der Pianist Roger Dretzler, die Ballett-Einlagen bestreitet

die aus Petersburg stammende Tänzerin Irina Goubernik. Eine Montage ostdeut-scher und jiddischer Literatur hat Franz Heinz zusammengestellt.Reim Kasper, geboren 1947 in Werne, entstammt einer westpreußischen Familie und erhielt seine künstlerische Ausbildung in Karlsruhe, Berlin und Münster. Er gründete und leitete die Städtische Galerie Kamen, ist seit 1998 Leiter des Fachbe-reichs Kultur Stadt Hamm. 2008 gründete

er das Kunsthaus Kasper Ateliers sowie die Kunst-messe für den Kreis Unna. Zu seinen Hauptwer-ken gehören das Denkmal 50 Jahre Israel in Eilat, die Serie „Menschen“ (18 bemalte Stahl-plastiken), Groß-plastiken, Reliefs, Mappenwerke und

Installationen. Er leitet Seminare und ist als Dozent für Malerei, plastische Gestal-tung, Grafi k und angewandte Fotografi e tätig.Roger Dretzler, in Münster geboren, be-suchte das Dortmunder Konservatorium, studierte bei Prof. Roland Pröll an der Musikhochschule Dortmund und absol-vierte an der Musikhochschule Münster (Prof. Gregor Weichert). Meisterkurse und Privatstudent an der Ivo-Mirkovich-Akademie in Loran/Kroatien. Seit 1998 Lehrtätigkeit an der Musikhochschule Münster und am Institut für Musik und ihre Didaktik an der Universität Dortmund. Künstlerisches Hauptfach Klavier. Solist und Kammermusiker des Rossignol-Klavierquartetts.Irina Goubernik wurde 1960 in St. Pe-tersburg geboren und lebt seit 1993 in Deutschland. Sie war Schülerin der Waga-nowa-Ballettakademie, nahm Unterricht beim Malyi Opern- und Balletttheater St. Petersburg und gehörte Meisterklassen für modern-dance an. Sie trat in vielen Rollen im Kirow-Ballett, im Malyi Theater und in der Sasha Kukin Dance Company auf und war bei zahlreichen choreographischen Festivals zu sehen.

Bilder, Musik, Literatur, TanzIm August wieder große Jahresveranstaltung der Künstlerwerkstatt

Reim Kasper (l.) und Roger Dretzler

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CoronaAus der Hand frisst der Herbst mir sein Blatt; wir sind Freunde.Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehn:die Zeit kehrt zurück in die Schale.

Im Spiegel ist Sonntag,im Traum wird geschlafen,der Mund redet wahr.

Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten:wir sehen uns an, wir sagen uns Dunkles,wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis,wir schlafen wie Wein in den Muscheln, wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.

Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße:es ist Zeit, dass man weiß!Es ist Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt,dass der Unrast ein Herz schlägt.Es ist Zeit, dass es Zeit wird,

Es ist Zeit.

Vor drei Jahren war dem „West-Ost-Journal“ der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus das Albumblatt 4 der Künstler-

werkstatt beigefügt, auf dem, neben dem Gedicht „Sprachgitter“ von Paul Celan, zwei Reproduktionen in Farbe nach Werken des Künstlers Franz Kumher zu sehen waren. Er bezeichnet sie als Visualisierungsversuche, die nicht nur Illustrationen im Sinne des Dichters sein wollen, sondern auch Anlass sind, eigene Assoziatio-nen, Erfahrungen und Aussagen zum behandelten Thema zu fi nden und zu formulieren.

Sprachgitter“ war nicht die erste kreative Auseinandersetzung Kumhers mit dem dichterischen Werk des aus Czernowitz

in der Bukowina stammenden Dichters. Bereits während seiner Studienzeit an der Werkkunstschule Hannover (1953-57) fertigte der Künstler Skizzen zu Texten von Celan an, und in den Literatur-Seminaren der Universität Hamburg (1957-61), die Franz Kumher belegte, wurde diese erste Annäherung verfestigt. In den Folge-jahren hat sich diese verstärkt und zu einem Arbeitsschwerpunkt im bildnerischen Schaffen Kumhers entwickelt. Seither sind in mehreren Varianten Bilder zu sieben Celan-Gedichten entstanden: Sprachgitter, Assisi, Corona, Tenebrae, Die Krüge, Das Geheimnis der Farne, Mandorla.

Für diese nachhaltige Zuwendung zum dichterischen Werk Celans, lassen sich zwei Gründe nennen, die eng miteinander

verbunden sind und sich gegenseitig geradezu bedingen. Der 1927 in Orawitz im Banater Bergland geborene Franz Kumher und Paul Celan (1920-70) sind, generationsverwandt, im Rumänien der Zwi-schenkriegszeit aufgewachsen. Wenn auch die Heimatlandschaften weit voneinander entfernt an verschiedenen Grenzpunkten des damaligen Königreichs Rumänien lagen und die beiden späteren Künstler unterschiedlichen Minderheiten angehörten, gab es doch intensive Erlebnismomente, die sich bei aller vordergründigen Ge-gensätzlichkeit ähnlich auswirken mussten. Deportation, Zwangs-arbeit und der Verlust der Heimat gehören ebenso dazu, wie das nie ganz bewältigte Gefühl der Fremde. In der Zeile „Wir sind Fremde“ im Gedicht „Sprachgitter“, erkannte Kumher sowohl das konkret erfahrene Leid wie das „dramatische Weltereignis unserer Zeit“. In seiner lichtkinetischen Projektion von 1979 überträgt er den Vers als Schlüsselwort visuell, und mehrfach arbeitet er ihn begriffl ich in seine Zeichnungen ein. „Zu ‚Sprachgitter’“, berichtet er, „habe ich die meisten Bilder gezeichnet und gemalt, Gitterformen mit Licht und Schatten. Auf und hinter den Gittern setze ich Zeichen ein, meist Augen, Wörter und Buchstaben für die Sprache, aber auch Wörter mit signalhafter Bedeutung sowie bekannte und un-bekannte Zeichen.“

Eine persönliche Begegnung mit Paul Celan ergab sich während einer Ausstellung mit Radierungen von Giséle Celan-Lestrange

(der Ehefrau des Dichters) in der Kestner-Gesellschaft Hannover (21. Mai – 21. Juni 1964). Es kam zu einem Gespräch. „Ich teilte ihm mit“, schreibt Kumher darüber, „dass ich Bilder zu seinen Texten angefertigt habe, die mich sehr angesprochen und zu eigenen bild-nerischen Übersetzungen angeregt haben. Da es sich beim Dichten und Malen um unterschiedliche Medien handelt, kamen wir auf

unterschiedliche Illustrationsmöglichkeiten zu sprechen.“

Franz Kumher geht hier von zwei Grundpositionen aus: der Illustrator kann eine dienende Rolle spielen und versuchen,

den Text zu interpretieren, oder er wird angeregt, aus seiner Erfahrung und Empfi ndung auf die Texte zu reagieren, um zu eigenen kreativen Aussagen zu fi nden. „Bei meinen Skizzen, die ich zu den Texten des Dichters angefertigt habe“, schreibt Kumher, „ging es mir nicht um Übersetzungen in die Bereiche Grafi k und Malerei im Sinne von Kopien. Meine Illustrationen sollten keine dienende Rolle Celans Inhalten und Aussagen einnehmen.“

Eine zweite Begegnung, diesmal mit Ingeborg Bachmann 1970 im Österreichischen Kulturinstitut in Rom, hat dazu

beigetragen, die künstlerische Auseinandersetzung Franz Kumhers mit der Dichtung Celans zu vertiefen. Er berichtet: „Ingeborg Bachmann erzählte von ihren Begegnungen mit Paul Celan und von seinen Schwierigkeiten der Anerkennung in der Anfangszeit. 1952 hatte Paul Celan seine Gedichte in Niendorf an der Ostsee bei einer Tagung der Gruppe 47 vor-getragen und keine Zustimmung gefunden. Er war von der Reaktion der Zuhörer sehr enttäuscht. Hingegen schätzte es Ingeborg Bachmann sehr, wie Celan mit seiner einmaligen

Gegen die Unfähigkeit zueinander zu fi ndenFranz Kumher und seine bildnerische Umsetzung von Gedichten Paul Celans

Fortsetzung aus Seite 16

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kontrapunkt

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Zeichensprache reagierte auf die Tragödie seines Lebens und der Juden im ‚Dritten Reich’.“

Intuitiv und analytisch hat Franz Kumher erkannt, wie Celan sein Welterleben, die inneren Stimmungen und das erfahrene

Leid in persönliche lyrische Ausdrucksformen zu bringen verstand. Kumher fi el die „alte und neue Wortwahl“ auf, die auf die jüdische Folklore und Geschichte zurückgreift und ebenso hebräische wie Zitate aus der Heiligen Schrift verwendet. Es war besonders Celans „Zeichensprache mit Metaphern und Chiffren“, die auf den Maler wirkte wie „eine neue Geheimschrift der Poesie“.

Franz Kumher, gleichermaßen angesprochen vom Erlebnishinter-grund wie von Form, Inhalt und Sprachkunst dieser Dichtung,

hat es in einem langen kreativen Vorgang unternommen, diese „Ge-heimschrift der Poesie“ in eine eigene Bildsprache zu übertragen, indem er dort, wo er über den Erlebnisbereich des Dichters hinaus-gehende Sinnbezüge feststellt, zusätzliche Elemente einbaut. Es gab dafür keine vergleichbaren Versuche. Sei es, dass die künstlerische Umsetzung von Celans Lyrik ins bildnerische sich als besonders schwierig darstellt oder dass die gestaltete Tragik des Dichters keine Parallelkonstruktion moralisch zu gestatten schien – es blieb das einsame Risiko Kumhers das zu wagen, was ihn nicht los ließ. „Es ging um den Inhalt der Wörter“, schreibt der Künstler in seinen Bildberichten. „Paul Celan erfi ndet in seinen Texten Chiffren für das Unaussprechliche. Durch seine Chiffren hat er mehr ausgesagt, als dies durch eine exakte Beschreibung möglich wäre.“

Die Vielzahl der ausgeführten Skizzen und Variationen machen deutlich, wie intensiv und nachhaltig sich Kumher mit dem

Werk insgesamt und mit jedem der für die künstlerische Umsetzumg ausgewählten Gedichte im Einzelnen auseinander setzte. Jedes die-ser Bilder kann als Beispiel dafür dienen, auf welche Weise sich der Maler die Dichtung kreativ zugeeignet hat. Sein Bild „Corona“, nach dem gleichnamigen Gedicht Celans gestaltet, in dem er den Tod sei-ner deportierten Eltern abmahnt. will eine Widmung für den Dichter

sein. Franz Kumher beschreibt es so: „Die Frontseite des Hauses ist unterschiedlich gegliedert. Oben befi nden sich verschlüs-selte rätselhafte Zeichen .Der Hauptteil der Frontseite ist dreigeteilt. Auf der linken Seite ist eine einfache Brücke – sie steht für Beziehung, Verbindung. Die Krone – Hinweis auf den Titel – soll Erfahrung und Krönung bedeuten. (Im Gedicht wird Corona als Hinweis auf die Dornenkrone verwendet). Das Fenster auf der rechten Seite steht für Durchblick und Öffnung. Im mittleren Feld ist ein geheimnisvolles Tor mit unbekanntem Kennzeichen zu sehen und kann zeichenhafte Bedeutung für Verbindung oder Durchgang haben. Neben der Gliederung der Komposition fällt die Korrespondenz halbrunder Formen auf. Bildgestaltung, Formen und Farben erge-ben eine harmonische Komposition, die in ihren Chiffren erlösend wirkt.“

Was Franz Kumher hier wie scheinbar zufällig und unprätentiös anein-

anderreiht und aufeinander stellt, entspricht seiner Absicht, Gegenstücke zur Sprachlosigkeit des Dichters zu fi nden und zu erfi nden, dem Unsagbaren das nicht Darstellbare beizufügen. Er verhütet die Eindeutigkeit der Symbole und Bildzeichen und enthebt sie somit einer geradlinigen Sinnhaftigkeit. Insofern mag seine Beschreibung ebenso hilfreich wie entbehrlich sein, ähnlich der Interpretationen von Gedichten Celans. Es gibt diese in großer Fülle und hoher Intellektualität ohne dass es gelungen wäre, Letztes zu sagen. Hier ist alles Kern und alles Schale. Eine gewisse Zurückhaltung in der bildnerischen Umsetzung scheint angebracht, und es zeichnet Franz Kumher aus, das zu erkennen und zu beachten.

Eine eigenartige, melancholische Nähe verbindet Franz Kumher mit dem Dichter Paul Celan, bemerkte Frau

Dr.habil. Beatrix Nobis 2007 gelegentlich einer Ausstellung des Künstlers im Stammelbach-Speicher Hildesheim. „Beide scheinen Brüder im Geiste zu sein in ihrer Heimatlosigkeit, der beständigen Nähe von Gefahr und Vernichtung, auch in ihrer Aufrichtigkeit, mit der sie sich ihrer eigenen Stärken und Schwächen aussetzen.“ In Kumhers Arbeiten sieht Beatrix Nobis die „Darstellung des Unergründlichen und wohl auch Gedenksteine für die Unfähigkeit des Menschen, über die Wege und Brücken der Vergangenheit und Gegenwart zuei-nander zu fi nden“.

Ruth Klüger indessen stellt in der „Frankfurter Anthologie“ der FAZ vom 19. August 1995 die Frage zum veröffent-

lichten Celan-Gedicht „Assisi“ die provokante Frage danach, ob „unser Gedicht ein Kunstwerk oder nur ein Kunststück“ sei. „Die Antwort“, so Ruth Klüger, „hängt weitgehend da-von ab, ob Wort- und Lautstrukturen uns als sinngebend, als sinnersetzend einleuchten.“ Franz Kumher geht mit seinen Bildern dieser Frage nach.

Redaktion der Beilage: Franz Heinz

Franz Kumher, „Corona“, Holzschnitt 1991

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Buchvorstellung/Kinemathek

Viele erinnern sich heute gewiss noch an die aufregende Frage: Welches Tier hat er heute wohl dabei? Das war die Zeit, als das Fernsehen noch auf andere Span-nungseffekte setzte als die hemmungslose Breittrampelung aller Beziehungsproble-me von Jeanine und Andie oder wie immer sie heißen mögen in einer der x-beliebigen Talkrunden des Reality-TV …Prof. Dr. Bernhard Grzimek, seit 1945 Direktor des Frankfurter Zoos, brachte in jede seiner Sendungen ein Tier mit, das er den Zuschauern vorstellte. Von 1956 an lief zur besten abendlichen Sendezeit „Ein Platz für Tiere“ und hat es auf nicht weniger als 175 Folgen gebracht. Die Sendereihe wurde erst 1987 eingestellt, nachdem Bernhard Grzimek im Alter von 77 Jahren verstorben war.Der 1909 im oberschlesischen Neiße geborene Grzimek, der in Leipzig und Berlin Tiermedizin studiert hatte, hat aber nicht nur Fernsehgeschichte geschrieben. Seinem frühzeitigen Interesse an Fragen der Verhaltensbiologie ist er auch schon nachgegangen, als er noch Beamter im Reichsernährungsministerium war. Die Leitung des Frankfurter Zoos fi el ihm eher unerwartet zu – und er hat den durch den Krieg nahezu völlig zerstörten Tierpark vor der schon beschlossenen defi nitiven Schließung bewahrt und berühmt ge-macht. Durch seine stetige Fernsehpräsens weithin bekannt und populär, hat Grzimek außerdem zu denen gehört, die sich sehr früh schon für eine aktive Tier- und Um-weltschutzpolitik einsetzten.Anläßlich des 100. Geburtstages von Bernhard Grzimek zeigt das Oberschle-sische Landesmuseum in Ratingen-Hösel vom 22. März bis zum 12. Juli 2009 die Ausstellung „Mein Leben für die Tiere“. Die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus präsentiert begleitend dazu die soeben erschienene erste umfassende Biogra-phie Bernhard Grzimeks und zeigt ferner den 1959 entstandenen Dokumentarfi lm „Serengeti darf nicht sterben“ – für den Grzimek im Folgejahr als erster Deutscher

Buchvorstellung mit der Autorin Claudia Sewig In Zusammenarbeit mit dem Oberschlesischen Landesmuseum

nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem „Oscar“ ausgezeichnet wurde (Kategorie Bester Dokumentarfi lm) (vgl. S. …).Die Autorin Claudia Sewig ist studierte Biologin und war in verschiedenen Zoos tätig, bevor sie sich dem Journalismus zuwandte. Seit 2001 arbeitet sie beim Hamburger Abendblatt als Redakteurin vor allem für die Bereiche Natur und Um-welt. W.H.

Der Mann, der die Tiere liebte. Bernhard Grzimek – Biographie

Do, 23. 04 | 19 Uhr

Die Serengeti, jene baumarme Savanne, die sich vom Norden Tansanias bis in den Süden Kenias erstreckt, ist der Schauplatz des inzwischen zum Klassiker avancierten Tierfi lms, den Bernhard Grzimek und sein Sohn Michael 1959 produzierten.Die Dokumentation berichtet von den An-fängen des 1951 gegründeten Serengeti-Nationalparks, der heute zu den größten seiner Art und zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt.

Ende der 1950er Jahre beabsich-tigte die Park-verwaltung, das Gebiet um den N g o r o n g o r o -Krater einzuzäu-nen, um den dort

lebenden Massai-Hirten ihre Viehweide in diesem zum Wildschutzgebiet herabge-stuften Areal zu ermöglichen. Zur Vorbe-reitung des Projektes lud die tansanische Nationalparkverwaltung 1957 Bernhard und Michael Grzimek ein, die mit neuen Zählmethoden eine detaillierte Analyse der Tierwanderungen erstellten und bis-herige Annahmen über das Verhalten der Tiere korrigierten.Schon vor der Veröffentlichung sorgte der Film für Aufsehen: Michael Grzimek

kam während der Dreharbeiten bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Daneben for-derte die Filmbewertungsstelle Wiesbaden die Streichung von Textpassagen, von der sie die Prädikatverleihung „wertvoll“ ab-hängig machte. Die beanstandeten Worte Grzimeks dokumentieren eindrucksvoll sein tiefes Engagement, das sein gesamtes Werk durchzieht und nicht nur das Schick-sal der Tiere, sondern auch die Zukunft der Menschheit thematisiert:„Diese letzten Reste des afrikanischen Tierlebens sind ein kultureller Gemein-besitz der ganzen Menschheit, genau wie unsere Kathedralen, wie die antiken Bauten wie die Akropolis, der Petersdom und der Louvre in Paris… Würde heute eine Regierung, gleich welchen Systems, es wagen, die Akropolis in Athen abzu-reißen, um Wohnungen zu bauen, dann würde ein Aufschrei der Empörung durch die gesamte zivilisierte Menschheit gehen. Genau so wenig dürfen schwarze oder weiße Menschen diese letzten lebenden Kulturschätze Afrikas antasten. Gott machte seine Erde den Menschen untertan, aber nicht damit er sein Werk völlig ver-nichte.“ D. U.Gemeinsame Veranstaltung mit dem Oberschlesischen Landesmuseum Ratin-gen/Hösel

Mi, 17.06. |19 Uhr

„Serengeti darf nicht sterben“Bernhard Grzimeks Dokumentarfi lm im GHH

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In Deutschland leben rund 15 Millionen Zugewanderte beziehungsweise deren hier geborene Nachkommen. Fast 20 Prozent der Einwohner haben damit einen so ge-nannten Migrationshintergrund. Doch wo-her kommen diese Migranten, wie fi nden sich die unterschiedli-chen Herkunftsgruppen in Deutschland zurecht, und welches Bundes-land beziehungsweise welche Stadt integriert besonders erfolgreich?Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Ent-wicklung hat zur Beant-wortung dieser Fragen erstmals einen Index zur Messung von Integ-ration (IMI) entwickelt, der den Integrationser-folg acht verschiedener Herkunftsgruppen untersucht. Zusätzlich wurden die Integrationserfolge regional – nach Bundesländern und größeren Städten – differenziert. Dadurch lässt sich mehr über den Einfl uss von regionalen wirt-schaftlichen und politischen Strukturen auf die Integration erfahren.Der IMI beschreibt mit Hilfe von 20 Indikatoren aus den Bereichen Assimi-lation, Bildung, Erwerbsleben und soziale Absiche-rung die Situati-on der Migranten im Vergleich zur deutschen Mehr-heitsgesellschaft. Als gelungene Integration wird dabei die Annäh-rung der Lebens-bedingungen von Menschen mi t Migrationshintergrund an die der Einhei-mischen defi niert. Im Durchschnitt am besten integriert sind die rund zwei Millionen Menschen aus Weiteren der EU-25 ohne Südeuropa. Ebenfalls gute Integrationswerte weisen die Aussiedler auf, die mit knapp vier Millionen die größte aller Herkunftsgrup-pen bilden. Die Zugewanderten beider Gruppen sind mit einem vergleichsweise hohen Bildungsstand nach Deutschland

gekommen und fi nden sich relativ gut auf dem Arbeitsmarkt zurecht.Regional gesehen verläuft die Integration generell dort besser, wo der Arbeitsmarkt möglichst viele Personen aufnehmen kann. Umgekehrt stößt sie auf Proble-

me, wo viele gering qualifizierte Personen mit Migrationshinter-grund leben. Auf die Bundesländer bezogen weisen daher Hessen und Hamburg relativ gute Integrationswerte auf, besonders schlechte erreicht dagegen das Saarland. Unter den Städten fallen Mün-chen, Frankfurt, Bonn und Düsseldorf positiv auf, während die Bedin-gungen für Migranten

in Ruhrgebietsstädten wie Duisburg oder Dortmund sowie in Nürnberg am schlech-testen sind. Allerdings sind selbst in den Regionen mit den besten Ergebnissen Migranten mehr als doppelt so häufig erwerbslos wie Einheimische, und sie hängen mehr als doppelt so oft wie diese von öffentlichen Leistungen ab.Um die Integration der in Deutschland

lebenden Mig-ranten zu verbes-sern, aber auch um Deutschland attraktiver für die durch den demografischen Wandel benö-t i g t e w e i t e r e Z u w a n d e r u n g zu machen, sind dringende Maß-nahmen nötig. Gezielte Förde-

rung im Bildungssystem ist dabei einen Schlüsselaspekt. Ebenso sollte den Mi-granten in Deutschland der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu einem gesicherten rechtlichen Status inklusive der deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert werden.Die Meldung stammt aus einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, bearbeitet von Fran-ziska Woellert, Steffen Kröhnert, Lilli Sippel und Reiner Klingholz.

Ungenutzte Potentiale

Zur Lage der Integration in Deutschland

Di, 12.05. | 10 UhrSeminar: Potentiale der Spätaussiedler nutzenIn den vergangenen beiden Jahrzehnten sind über 700 000 Spätaussiedler nach Nordrhein-Westfalen gekommen um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Die Eingliederung dieser Neubürger wird mit Sprachkursen sowie berufl ichen und sozialen Maßnahmen gefördert.Die Wahrnehmung der mitgebrachten Fä-higkeiten und Kenntnisse der Deutschen aus dem östlichen Europa gerät in der aktuellen Diskussion in den Fokus. Das Seminar für Multiplikatoren vermit-telt Impulse zur Förderung der Integration von Russlanddeutschen und bietet die Möglichkeit zur Diskussion. Thomas Kufen, Integrationsbeauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen„Das Land Nordrhein-Westfalen und die Spätaussiedler“Steffen Kröhnert, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung„Ergebnisse der Studie „Ungenutzte Potentiale - Zur Lage der Integration in Deutschland“ bezogen auf Spätaussiedler in Nordrhein-Westfalen“Dr. Elvira Spötter, LAG KJS NRW „Jugendliche Aussiedler - Wünsche und Träume“ - ProjektergebnisseInformation und Anmeldung unter Tel.: 0211 - 1699118

Die beste Integrationsarbeit leisten der Studie zufolge

München, Bonn, Frankfurt und Düsseldorf. Bei den

Bundesländern liegen Hessen und Hamburg vorn, Nordrhein-Westfalen folgt auf Platz drei.

Mo, 06.04. | 19 UhrTanzkreis für junge Spätaussiedler und EinheimischeWeitere Termine jeweils montags bis 29.06.2009Traditionelle Tänze aus unterschiedlichen Regionen stehen im Mittelpunkt der Ver-anstaltungsreihe. Jede dieser Regionen hat andere Tänze, die geprägt sind durch die Landschaft und die Geschichte, die Menschen und die Berufe sowie die Rituale und das Lebensgefühl. Salsa, Tango, Walzer und deutsche Volkstänze stehen auf dem Programm, zu dem junge Menschen im Alter von 16 bis 27 Jahren eingeladen sind, die gerne gemeinsam tanzen und trainieren wollen.Anmeldung und Information unter Tel.: 0211 - 1699118

Aussiedler

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Bibliothek

Die Gräfi nBiographie von Marion Dönhoff

Sie war eine ungewöhnliche Frau, und sie wurde zur bedeutendsten Publizistin der Bundesrepublik Deutschland: Marion Gräfi n Dönhoff (1909 - 2002), Aristo-kratin und Bürgerin zugleich. Als langjährige Herausgeberin des Wo-chenblatts „Die Zeit“ hat sie Ge-schichte geschrieben; als Anwältin der Versöhnung von Ost und West setzte sie moralische Maßstäbe: für die Politik, für die Gesellschaft, für das Zusammenleben der Völ-ker im vereinten Europa. Warum sie zu all diesen Leistungen fähig war und was sie dabei antrieb, wer zu ihren Freunden und Weggefährten gehörte, was für ein Mensch diese ruhig-energische und so bescheiden wirkende Preußin war - all das beschreibt Klaus Harpprecht in dieser ersten kritischen Biographie. Als erster Biograph konnte er alle privaten und offi ziellen Briefwechsel und Aufzeichnungen Marion Dön-hoffs einsehen, er wertete vor allem auch das „Zeit“-Archiv und das Familienarchiv der Dönhoffs aus. Viele Entwick-lungslinien, viele bisher ungekannte Elemente und Facetten im Leben der Gräfi n und Bürgerin rücken damit ins Blick-feld. Zum ersten Mal tritt sie als Persönlichkeit mit all ihren menschlichen Zügen ins öffentliche Bewusstsein.HARPPRECHT, KLAUS: Die Gräfi n. Marion Dönhoff. Eine Biographie. Rowohlt, 2008.

Die Landespatrone der böhmischen LänderGeschichte – Verehrung – Gegenwart

Die Böhmischen Länder, wozu hier Böhmen, Mähren, Schlesien und die Lausitz gezählt werden, besitzen eine au-ßergewöhnliche Vielzahl und Vielfalt von Landespatronen. Zu ihnen zählen u.a. Maria und Josef, Wenzel, Agnes von Böhmen, Hedwig von Schlesien, Johannes von Nepomuk sowie Norbert von Xanten und Jan Hus. Stefan Samerski hat in dem vom ihm herausgegebenen Werk die Lebensgeschichten der rund 20 Heiligen zusam-mengestellt. Jeder Vita schließt sich eine Beschreibung der Verehrungsgeschichte des jeweiligen Landespatrons bis in die heutige Zeit an. Anschaulich wird gezeigt, in welcher Form der Kult die Identität und das Alltagsleben der Bevölke-rung geprägt hat. Das Werk, das eine Mischung aus Nachschla-gewerk und Lesebuch ist, gibt Einblicke in die wechselnde Indienstnahme der Heiligen, das Auf und Ab ihrer Verehrung und den Missbrauch solcher Ge-schichtshelden durch politische Ideologien.DIE LANDESPATRONE DER BÖHMISCHEN LÄNDER. Geschichte - Verehrung – Gegen-wart. Stefan Samerski (Hrsg.). Schöningh, 2009.

Unterwegs zum OrientIda Gräfi n Hahn-Hahns Schlesienfahrt 1843

Ida Gräfi n Hahn-Hahn (1805-1880) aus bekanntem mecklenburgischen Adelsge-schlecht, war eine ungewöhnlich selbstbewusste Frau und eine der populärsten Schriftstellerinnen des späten Biedermeier. Ihr unstetes Wanderleben gab Stoff für Romane und Reiseberichte. Die 1843 in Dresden begonnene Orientreise führte sie zunächst über Schlesien und Böhmen nach Wien. Ihre 1844 erschienenen Briefe von dieser Reise sind ein höchst lesenswerter und aufschlussreicher Bericht über Schlesien, seine Landschaft und seine Menschen. Die begleitenden Essays der Herausge-berin bieten ein knappes Lebensbild der Autorin und ordnen die Reise in den zeitgenössischen Kontext ein. Das Büchlein ist mit zahlreichen zeitgenössi-schen Illustrationen bebildert. UNTERWEGS ZUM ORIENT. Ida Gräfi n Hahn-Hahn Schlesienfahrt 1843, Ein Reisebericht. Beate Borowka-Clausberg (Hrsg.). Bergstadtverlag Korn, 2007.

Buchausstellung 04.05. – 30.06.2009Sommerzeit – Reisezeit

Als Inspiration für den kommenden Sommerurlaub werden in der Ausstel-lung Bücher über Länder, Landschaf-ten und Städte in Mittel- und Osteuro-pa präsentiert.

Servicezeiten der Bibliothek

Mo-Mi 10 - 12.30 Uhr 13.30 - 17 UhrDo 10 - 12.30 Uhr 13.30 - 18.30 Uhr

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60 Jahre Grundgesetz

So feiert Nordrhein-Westfalen 60 Jahre Grundgesetz: Entspannt und fröhlich, aber nicht abgehoben. Gemeinsam, aber in Vielfalt. Als Fest der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes: Rheinländer, Westfalen und Lipper; Einheimische und Zugewanderte. Dieses Land ist unser aller Land. Sein Wiederaufbau und Aufstieg ist das Ergebnis unser gemeinsamen Arbeit und Anstrengung. Egal, ob wir am Rhein, an der Ruhr, an Lippe und Weser geboren worden sind oder unsere Herkunft im ehemaligen deut-schen Osten, in der DDR, in den Ländern Süd- und Südosteuropas, in Ostmitteleuropa, in Russland oder gar außerhalb Eu-ropas liegt. Integration und Vielfalt sind tradi-tionelle Kennzei-chen des Rhein-landes und West-falens. Pluralität aber braucht ge-genseitige Tole-ranz und auch Re-geln, auf die sich jeder verlassen kann. Für beides steht unsere Ver-fassung, das Grundgesetz. Es garantiert die Würde eines jeden Menschen, gleich welcher Abstammung, Religion oder politischen Überzeugung. Zugleich gibt es Orientierung und Sicherheit. Es er-möglicht ein friedliches Zusammenleben aller Menschen bei voller Respektierung ihrer Unterschiedlichkeit, ja mehr noch, es ist der Kern unserer freiheitlichen De-mokratie, die wir alle zusammen stärken und verteidigen wollen. Wir haben, bei allen Versäumnissen und Rückschlägen, bisher das Glück gehabt, in sicheren, eben in „verfassten Zeiten“ leben zu dürfen. Das wollen wir gemeinsam feiern: mit Festrede und politischem Kaba-rett, mit Zeitzeugen aus sechs Jahrzehnten, die über ihre Erfahrungen im Land an Rhein und Ruhr als Politiker und Journa-

listen, als Vertriebene, DDR-Flüchtlinge, Spätaussiedler, „Gastarbeiter“ und junge Migrantinnen und Migranten der „zwei-ten“ bzw. „dritten“ Generation berichten. Mit Musik und Tanz. Mit Speisen und Ge-tränken, die genauso vielfältig sein sollen wie unser Land und die Menschen, die in ihm wohnen. Und wie es sich für einen „runden“ Geburtstag gehört: Wir feiern in den großen Tag ganz einfach beschwingt und heiter hinein.

Programm

20.00 Uhr EinlassBegrüßungMaria Springenberg-Eich, Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung

FestvortragProf. Dr. Rita Süssmuth, Bundestagsprä-sidentin a. D. (angefragt)

Anschließend Zeitzeugen-Talk, „60 Jahre Grundgesetz im Land der Unterschiede“Dr. Hans-Ulrich Klose, Landtags-Vize-präsident a.D.,Franz-Josef Kniola, Innenminister a. D. (angefragt)Dr. Joachim Sobotta, Chefredakteur Rhei-nische Post a.D.

Janis Breitmeier, Student mit rußlanddeut-schen WurzelnOscar Calero Fernandez, ehemaliger So-zialbetreuer der CaritasAsli Sevindim, Mitglied im Integrations-beirat Nordrhein-Westfalen, Direktorin Kulturhauptstadt 2010Gonca Mucuk-Edis, Mitglied im Kölner IntegrationsratInna Umanska, Leiterin der Tanzgruppe „Merkas Ha’Or“ der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf

Moderation: Gisela Steinhauer und Olli Briesch

Kabarett:Fritz Eckenga

Nach(t)speise: Snack mit Spezialitäten aus Nordrhein-Westfalen und aller Weltbegleitet von Wunsch-Hits der letzten 6 Jahr-zehnte.Diskjockey und Mo-deration: Günter vom Dorp (WDR)

Veranstaltungsort:K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Ständehausstraße 1, 40217 Düsseldorf

Ansprechpartner/inDr. Guido Hitze, Tel.: 0211/8618-3235; Sabine Reißberg,

Tel.: 0211-8618-4676Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen

Anmeldung

Die Teilnahme ist kostenlos. Die Plätze sind begrenzt, daher melden Sie sich bitte bis zum 8.5.2009 an. Anmeldekarten sind bei der Landeszentrale für politische Bil-dung erhältlich. Die Anmeldungen werden in der Reihenfolge des Eingangs berück-sichtigt. Eine Zusage erhalten Sie nur bei Anmeldung per Mail. Bei Überbuchung wird abgesagt.

In Zusammenarbeit mit der Landeszent-rale für politische Bildung und der LAGA NRW

Fr, 22.05. | 20 Uhr

Verfasste ZeitenFestveranstaltung 60 Jahre Grundgesetz

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Studienfahrt

Die Wende 1989 – 20 Jahre Mauerfall

Mittwoch, 10. Juni 2009Begrüßung - Vorstellung - Einführung in das ProgrammTeilnehmergespräch: „Die eigene Biogra-phie und das eigene Verhältnis zum geteilten und zum wieder vereinigten Deutschland“ „Wiederaufbau als Aufgabe des vereinig-ten Deutschlands mit europäischer Hilfe“ (Referat)

Donnerstag, 11. Juni 2009Politisch-historischer Spaziergang in Steinstücken und BabelsbergBesichtigung des ehemaligen Grenzge-

ländes am Griebnitzsee und beim Schloss BabelsbergDie Mauer und ihr Anfang:Unterwegs von der Glienicker Brücke zum Schloss CecilienhofBesichtigung der Ausstellung zur Potsdamer Konferenz im Schloss Cecilienhof

Freitag, 12. Juni 2009Besuch des DDR-Museums mit Führung und Gespräch mit dem Leiter des Mu-seumsBesuch des Mauermuseums in der Bernauer

Straße, Gespräch mit einem/r ehemaligen Dissidenten/in

Samstag, 13. Juni 2009Vortrag: „Ursachen und Wirkungen: Die historischen Entwicklungen im Vorfeld des Falles der Eisernen Vorhangs“Eigene Recherchen in Berlin und Potsdam

Sonntag, 14. Juni 2009Gespräch: „Vom DDR-Bürger zum Bun-desbürger –Hilfestellung beim ‚System-wechsel“

F e i e r l i c h e s Mittagessen in der Europäi-schen Akade-mie Berlin„Geschichte und Gegenwart:Perspektiven der DDR und des wieder-v e r e i n i g t e n D e u t s c h -lands“ - Eine politisch-his-torische Infor-mationsfahrt nach Lehnin, Wiesenburg und FerchExistenzgrün-dung als Wirt-schaftmodell:

Besuch eines Bio-Betriebes in Ferch

Montag, 15. Juni 2009Abreise nach LeipzigGeführter Stadtrundgang „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“Nachmittag zur freien VerfügungAbfahrt nach Düsseldorf

Tagungsleitung: Dr. Jaroslav Šonka (Europäische Akademie Berlin)

Unsere Leistungen -Technische Hinweise - Anmeldung

Hinfahrt: Mi, 10. Juni 2009, Treffpunkt: Düsseldorf Hbf., 8.40 Uhr, Gleis 18Abfahrt: Düsseldorf Hbf. 8.53 UhrAnkunft: Berlin, 13.08 UhrRückfahrt Mo, 15. Juni 2009 (über Leipzig)ab Berlin: 08.58 Uhr an Leipzig: 10.05 Uhr Aufenthalt in Leipzigab Leipzig: 16.40 Uhr an Düsseldorf: 22.07 Uhr

Leistungen:Fahrtkosten, Unterbringung im Einzel- oder Doppelzimmer mit VP, Fahrt zu auswärtigen Zielen und Programmpunk-ten innerhalb von Berlin, Reise- und Seminarleitung

Reiseleitung: Anne Kalender-SanderVolkshochschule DüsseldorfPD Dr. Winfrid Halder(Gerhart-Hauptmann-Haus)

Preise p.P.:Einzelzimmer 585,- EURDoppelzimmer 510,- EUR €

Anmeldung schriftlich bis spätestens 15. April 2009

Information/Auskunft/AnmeldungVHS DüsseldorfTelefon: 0211 89-93417Veranstaltungs-Nr. 100 700

Das neue Rathaus in Leipzig

Vom 10.06. bis 15.06.2009

Eine Studienreise der VHS Düsseldorf in Kooperation mit der Stif-tung Gerhart-Hauptmann-Haus und der Europäischen Akademie Berlin

Vom SED-Staat zum wiedervereinigten Deutschland und Europa

Brandenburger Tor Berlin

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Rückschau: Ausstellung

Wir eröffnen heute eine Ausstellung, mit der die Friedrich-Ebert-Stiftung uns, hier im Gerhart-Hauptmann-Haus, an Verfol-gung, Widerstand und Exil tapferer Frauen und Männer erinnert, an Sozialdemokra-ten und Gewerkschafter, die frühzeitig „Nein“ gesagt haben zu Hitler und zu seinem verbrecherischen Regime.Ja - wir müssen erinnert werden, weil nur noch wenige unter uns leben, die sich noch selbst daran erinnern können, was vor 75 Jahren begann, an das Leid und die Angst, den Hass und das Blut, das der Nationalsozialismus über Deutschland und Europa gebracht hat - und an den Widerstand dagegen.Auch ich bin nicht alt genug, um mich selbst erinnern zu können. Aber ich habe die Folgen von Krieg und Zerstörung bewusst erlebt. Flucht und Vertreibung aus dem Osten Deutschlands durch das zusammenbrechende Reich, die materi-elle und moralische Verwüstung, die der verbrecherische Wahn des Nationalsozi-alismus über unser Volk und viele andere in Europa gebracht hat. Das alles hätte vermieden werden können, wenn mehr Menschen rechtzeitig „Nein“ zu Hitler gesagt hätten. Solange wir leben, haben wir die Verantwortung, uns zu erinnern und das Erinnerte den Jüngeren zu ver-mitteln.In den deutschen Kinos ist vor wenigen Tagen der Film „Operation Walküre“ an-gelaufen. Hier und da ist in den Feuilletons gefragt worden: Darf man das? Darf man eine Tat des Widerstands, eine Tat schwie-rigster, höchster und differenziertester ethnisch-moralischer Verantwortung als spannenden Spielfi lm zeigen? Ich sage: Man darf. So hat vor mehr als zehn Jah-ren bereits der Film „Schindlers Liste“ mehr Menschen die Fürchterlichkeit des Holocaust vor Augen geführt und ins Bewusststein gesenkt als jede belehrende Dokumentation.Man darf es, wenn zugleich andere - wie die Friedrich-Ebert-Stiftung mit dieser Ausstellung - daran erinnern, dass es Widerstand nicht nur als eine heroische Tat eines Einzelnen und einer Gruppe Verschwörer gab. Es gab ihn auch in der Haltung vieler, in der Haltung des „Nein“, des Sich-Entziehens und des Sabotierens, in der Hilfe für andere Verfolgte und in der Verbreitung von Informationen. Und auch

Nein zu Hitler!

das gehörte dazu: Die Vorbereitung auf ein besseres, demokratisches Deutschland nach dem Krieg - wie es Julius Leber, Wilhelm Leuschner und andere Sozial-demokraten im Kreisauer Kreis und wie es Willy Brandt, Erich Ollenhauer und die ganze Exil-SPD getan haben.Im Umfeld des Attentats vom 20. Juli 1944 wurde von Freunden Stauffenbergs gesagt: „Gleichgültig, ob das Attentat gelingt: Es muss gewagt werden - als Zeugnis für ein besseres Deutschland.“ Diese Ausstellung gibt Zeugnis von Frau-en und Männern, die ohne eines Erfolges gewiss zu sein, nicht erst während des Krieges, sondern schon zehn Jahre vorher es gewagt haben, „Nein“ zu sagen und für ein besseres Deutschland zu stehen. Und sie haben nicht nur der Gewalt widerstan-den. Sie mussten auch der Verführung widerstehen, die ein anfangs scheinbar so erfolgreiches Regime auf viele ihrer Zeit-genossen ausübte und das mag manchmal noch schwerer gewesen sein.In der Ausstellung wird Otto Wels, der Vorsitzende der SPD, der 1933 im Reichstag das „Nein“ der SPD-Fraktion zum Ermächtigungsgesetz begründete,

mit dem Satz zitiert: „Wir deutschen So-zialdemokraten bekennen uns in dieser Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Er-mächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.“ Das ist ein großer, würdiger Satz. Ich möchte einen anderen Satz zitieren: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Ein solcher Satz ist heute nicht mehr hoch im Kurs. Er verstört so manchen der Heutigen, für die das Leben das höchste der Güter ist. Die Ehre höher als das Leben? Das war ja nicht irgendeine Standesehre. Es waren die Ehre und die Würde, die darin liegen, den Grundsatz der Menschlichkeit nicht aufzugeben, an ihm festzuhalten - und koste es das Leben. Die, die schon 1933 und danach aus politischer Überzeugung oder einfach nur aus menschlichem An-stand „Nein“ sagten und widerstanden, wussten, dass es sie das Leben kosten konnte: Der Güter höchstes ist das Leben nicht...Unsere Aufgabe ist es nicht, ihnen nachzueifern. Unsere Aufgabe ist es, mit Herz und Verstand dafür zu kämpfen, dass es nie nötig wird.Deshalb ist es wichtig, daran zu erinnern, wie es dazu kommen konnte, dass das nötig wurde. Dafür gab es viele Gründe - mehr als die Menschen damals wussten und wissen konnten. Aber wir sollten sie kennen. Einer der wichtigsten war dieser: Die Weimarer Republik, die erste deutsche Demokratie, ist nicht an der Stärke ihrer Gegner von rechts und links, sondern an der Schwäche ihrer Anhänger zugrunde gegangen. Sie ließen es zu - ja manchmal

Eröffnungsrede von Prof. Dr. Klaus Hänsch MdEP

Prof. Dr. Klaus Hänsch

Fortsetzung aus Seite 22

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Rückschau: Ausstellung

machten sie es auch gedankenlos mit - dass Republik und Demokratie madig gemacht, als lächerlich und verächtlich hingestellt, verhöhnt und ausgehöhlt wurden. Es war eben keine Nebensache, wenn die Farben der Republik verunglimpft wur-den: Schwarz-Rot-Mostrich. Ja, es gab das Reichsbanner: Schwarz-Rot-Gold. Aber es gab auch aus der Linken die Parole: „Republik, das ist nicht viel - So-zialismus ist das Ziel.“ - Wenn Republik und Demokratie nicht viel sind, wird man nur wenige fi nden, die bereit sind, das „bisschen“ Republik und Demokratie zu verteidigen.Gestatten Sie mir, an dieser Stelle eine „europäische“ Bemerkung zu machen: Ich bin mir der Unvergleichbarkeit bewusst zwischen dem, was 1933 und vor 1933 in Deutschland geschah - und dem, was in manchen Ländern der Europäischen Union heute geschieht. Ich gehöre auch nicht zu denen, die bei bestimmten Per-sonen oder Verhaltensweisen, seien es Berlusconi, Haider, Le Pen oder sei es die Behandlung der ungarischen Minderheit in der Slowakei oder die Bildung unifor-mierter rechtsradikaler Schlägertrupps in Ungarn, gleich zur Keule des Faschimus-vorwurfes greifen. Und doch besorgt mich etwas Vergleich-bares. Es scheint viel unscheinbarer zu sein und ist doch ein nicht weniger wirksames Gift. Es macht mich wütend, über die Fahne der Europäischen Union zu lesen oder zu hören: „Blau mit gelben Sternen“, statt - wie es richtig ist - „blau mit goldenen Sternen“. Dahinter steckt ja nicht eine partielle Blindheit für Nuancen. Dahinter steckt eine diskriminierende Absicht, ein Heruntermachen wie damals „Schwarz-Rot-Senf“. Dahinter steckt die altbekannte Haltung: Verächtlichmachung von Kompromissen und Parteienstreit in der Demokratie, Verhöhnung der Union als regelungswütigen und bürgerfernen Moloch.Mancher wird sagen: Na und? Stimmt doch! Genau so haben vor 75 Jahren auch viele reagiert. Es gab damals am Ende der Weimarer Republik eine Kritik an ihr, die nicht verbessern, sondern zerstören woll-te. So gibt es heute eine Kritik an der real existierenden Einigung Europas, die nicht verbessern, sondern zerstören will. In Europa wachsen neuer Rassismus und Nationalismus: In Deutschland, in Dänemark, in Schweden, auch in den Niederlanden, Belgien und Frankreich - eine Erscheinung am rechten und zum Teil auch am linken Rand jedes politi-schen Spektrums. In anderen Ländern -

vor allem in Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien - ist er dabei, sich schon in größere Teile der Bevölkerung hin-einzufressen. Da gilt es, rechtzeitig Halt zu sagen: Nie wieder dürfen Nati-onalismus und Ras-sismus eine Chance bekommen - nir-gendwo in Europa und schon gar nicht in unserem Land. Das sind ja nicht nur die Dumpfbacken von Rechtsaußen. Mit denen können Deutschland und Europa fertig werden. Der neue Nationalismus tritt nicht nur mit kahlem Kopf und Springerstiefeln auf. Häufi ger kommt er mit Schlips und Kragen verkleidet daher und behauptet, die Kreide der „Political Correctness“ in der Stimme, dass er „natürlich für Euro-pa“, aber gegen den undemokratischen, bürgerfernen, bürokratischen „Moloch“ in Brüssel sei. In Wahrheit geht es ihm nicht um die Beseitigung der Mängel und Fehler der Europäischen Union und um eine Korrektur ihrer Politik, sondern um die Diskreditierung und Zerstörung des ganzen Projekts. Der feste Zusammenschluss der Völker Europas in der Europäischen Union bleibt nötig, um die Schatten der Vergangenheit zu bannen – nicht nur die deutschen üb-rigens. „Der Nationalismus, das ist der Krieg“ warnte François Mitterrand in seiner großen Abschiedsrede vor dem Eu-ropäischen Parlament im Januar 1995. Die Tragödie des vorigen Jahrhunderts wird sich gewiss nicht wiederholen, aber auch als Farce wäre sie verheerend genug. In diesem Zusammenhang leitet uns die Erinnerung an die Frauen und Männer, die als Sozialdemokraten und Deutsche, sei es im Widerstand oder im Exil, „Nein“ gesagt haben zu Wahn und Hybris des Nationalsozialismus zu einem anderen Gedanken: Es war ihr Beispiel, das in Eu-ropa und in der Welt während des Krieges und unmittelbar danach den Glauben an ein besseres Deutschland aufrechterhalten hat - trotz Raub und Mord und Krieg und Verwüstung, die unser Land über andere Völker gebracht hatte. Ihrer beispielhaften Haltung verdanken wir es, dass unser Land und der westliche Teil unseres Volkes so schnell wieder

Schüler des Düsseldorfer Schloß-Gymnasiums Düsseldorf-Benrath in der Ausstellung

Aufnahme in den Kreis der westlichen De-mokratien fand. Dass wir schon fünf Jahre nach dem völligen Zusammenbruch - viel schneller als wir es eigentlich verdient hatten - gleichberechtigt am Aufbau und an der Einigung Westeuropas teilnehmen durften. Es ist auch ihrem Beispiel und ihrer Stimme zu verdanken, dass unsere Nachbarn in Europa heute mit Achtung und Vertrauen auf Deutschland blicken.Ich habe es vor dreißig Jahren erlebt, als ich zum ersten Mal ins Europäische Parlament gewählt wurde: Mit Willy Brandt, von dessen Ansehen in Europa wir uns heute gar keine Vorstellung mehr machen. Mit Volkmar Gabert, der als sudetendeutscher Sozialdemokrat seine Heimat verlassen musste, nicht vertrieben durch die Tschechen, sondern sich nach der Besetzung der Tschechoslowakei vor Hitlers Schergen in Sicherheit zu bringen. Mit Helmut Sieglerschmidt, Halbjude und Sozialdemokrat, der um zu überleben sich im Strafbataillon 999 versteckte. Und auch mit Heinz Kühn, der als ganz junger Mann vor den Nazis nach Belgien ausweichen musste.Für uns sind Freiheit und Recht und Demokratie nicht Mittel zu anderen Zwe-cken - seien es Wohlstand, Sozialismus oder Marktwirtschaft. Sie sind Werte, die aus sich selbst heraus bestehen. Daran erinnern uns die Frauen und Männer, denen diese Ausstellung gewidmet ist. Ich danke allen, die diese Ausstellung möglich gemacht haben: Der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Gerhart-Hauptmann-Haus - Deutsch-Osteuropäisches Forum und der Volkshochschule Düsseldorf. Der Ausstellung „Nein zu Hitler“ wünsche ich viele interessierte und nachdenkliche Besucher.

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Ausstellungen

Die katholische Pauluskirche in Novy Bytom ist ein Zeugnis deutsch-polnischer Geschichte im oberschlesischen Indust-rierevier. Am Hauptportal verläuft rund im den Türbogen ein zweisprachiger Psalmvers: DER NAME DES HERRN SEI GEBENEDEIT VON NUN AN BIS IN EWIGKEIT. VOM ANFANG DER SONNE BIS ZUM UNTERGANG SEI GELOBT DER NAME DES HERRN. Als die Kirche 1910 / 11 errichtet wurde, hieß die Ortschaft im Süden von Beuthen noch Friedenshütte und gehörte zum Deutschen Kaiserreich. Die Gemeinde umfasste damals Katholiken mit deutscher wie auch mit polnischer (bzw. „schlesi-scher“) Muttersprache. Das Kirchenportal spiegelt diese Situation eindrucksvoll wider. Es ist bemerkenswert und an-rührend, dass der polnische Schriftzug die Naziherrschaft der Weltkriegsjahre 1939 - 45 unbeschadet überstand und der deutsche Schriftzug die anschließenden kommunistischen Jahrzehnte. Im Übrigen gibt es zahlreiche weitere Bibelsprüche an den Außenmauern des Gotteshauses, die allerdings in lateinischer Sprache abgefasst sind. Die Pauluskirche entstand nach Plänen von Johannes Franziskus Klomp (1865 - 1946), der gebürtig aus den Niederlanden stammte und seit 1899 in Dortmund ein Architekturbüro betrieb. Wenige Jahre später eröffnete Klomp zwei Zweigbüros in Beuthen und Kattowitz. Im östlichen Ruhrgebiet errichtete er u. a. die St.-Elisabeth-Kirche in Bochum-Gerthe und die Turmfassade der Marienkirche in Herne-Baukau. In beiden Fällen arbeitete er mit dem sauerländischen Bildhauer Matthias Beule zusammen, der auch bei der Pauluskirche von Novy Bytom den aufwändigen Fassadenschmuck im Ju-gendstil gestaltete.Das Wirken von Klomp und Beule im Ruhrrevier und in Oberschlesien lenkt den Blick auf Parallelen in der Geschichte der beiden Montanreviere im Industrie-zeitalter. Kohle und Stahl haben beiden Regionen in den Jahrzehnten um 1900 ein vergleichbares Erscheinungsbild aufgeprägt: Zechen und Hüttenwerke sind von Kolonien und Gartenstädten umgeben. In den Ortszentren dominieren gründerzeitliche Geschäftsstraßen, Kir-chen, Schulen und Verwaltungsbauten. Dazwischen erinnern Bergehalden und Bergsenkungsgebiete an die ökologischen

Schattenseiten einer hektischen, zeitweilig krisenhaften Entwicklung. In einem Fotoprojekt des LWL-Indust-riemuseums Dortmund wurden typische Bauten in den beiden Montanrevieren dokumentiert. Aufnahmen von Piotr Muschalik (Zabrze/Hindenburg), Martin Holtappels (Dortmund) und Thomas Stachelhaus (Bochum) zeigen Bergwer-ke und Hochöfen, Werksiedlungen und Verkehrstrassen, öffentliche Bauten und Denkmäler. Die Bilddokumentation unter-streicht die Gemeinsamkeit der industri-ellen und städtebaulichen Entwicklung in Oberschlesien und im Ruhrgebiet. Nicht wenige Bauten spiegeln spezifi sche Aspekte von Reviergeschichte wider. An der Dortmunder Hauptverwaltung der „Union Aktiengesellschaft für Bergbau-, Eisen und Stahlindustrie“ (1916 - 20) verweist ein anfeuernder Fassadenspruch auf das trotzige Selbstbewusstsein einer missachteten Region: ES LOBT DEN MANN DIE ARBEIT UND DIE TAT. Die Essener Musterzeche Zollverein XII - seit 2001 UNESCO-Weltkulturerbe - galt zu ihrer Bauzeit (1927 - 32) als Symbol für Selbstbehauptungswillen in einer krisenhaften Zeit, die kurz zuvor noch unter Ruhrkampf und französischer Besatzung gelitten hatte. In Kattowitz, das nach der Teilung Oberschlesiens (1922) den Rang einer Provinzhauptstadt im neu

gegründeten polnischen Staat erhielt, fand Nationalstolz seinen Ausdruck in einem monumentalen Wojwodschaftsgebäude und in einer Christ-Königs-Kathedrale, bei der die römische Peterskirche als Vor-bild diente. Das Stadttheater, das bei sei-ner Eröffnung 1907 als „Bollwerk gegen die feindliche polnische Lebensart“ pro-pagiert worden war, sollte nun dezidiert auch die polnische Kultur fördern. Wäh-renddessen investierte man auf deutscher Seite in repräsentative Bahnhofsbauten in Beuthen und Gleiwitz oder in großzügige Siedlungsprojekte in Hindenburg. Heute gibt es in Oberschlesien bemerkens-werte Zeichen von polnisch-deutscher Verständigung. So wurde in Gleiwitz der deutsche Hüttenfriedhof nach jahrzehnte-langem Verfall und mutwilliger Zerstörung wieder instand gesetzt, in Königshütte das Denkmal für den Industriepionier Fried-rich von Reden neu errichtet. Inzwischen haben Kohle und Stahl ihre Dominanz im Ruhrgebiet und in Oberschlesien einge-büßt. Dafür ist ein paralleles Engagement für die Industriekultur in beiden Regionen zu beobachten. Die Ausstellung „Montanrevier“, die Fotografi en und historische Ansichtskar-ten – u. a. von den genannten Bauten und Anlagen – präsentiert, ist bis zum 10.05. im Oberschlesischen Landesmuseum Ratingen zu sehen (Tel. 02102/965-0). Als Begleitbuch erschien ein Text-Bild-Band (Thomas Parent [Hg.]: Montanre-vier, Bilder aus dem Ruhrgebiet und aus Oberschlesien, Essen [Klartext-Verlag] 2008).

Thomas Parent

Impressionen aus Oberschlesien und aus dem RuhrgebietEine Ausstellung des LWL im Oberschlesischen Landesmuseum

Hindenburg, Blick von der Zeche Königin Luise Foto: Piotr Muschalik

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Brauchtum

Das Urzellaufen - ein Fastnachtsbrauch aus dem siebenbürgischen Agnetheln – steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den handwerklichen Zünften. Die Tra-ditionsfi guren der Urzelnzunft führten den Umzug – auch Parade genannt – an. Am Urzelntag schwirrten peitschenschwin-gende und schellenrasselnde Gestalten in zotteligen Kostümen und Furcht erregen-den Masken in „Parten“ (Gruppen) durch die Straßen des früheren Marktfl eckens. Sie traten als Beschützer und Begleiter beim „Laden forttragen“ vom alten zum neugewählten Gesellenvater auf und gal-ten zugleich als Austreiber des Winters.1689 wurde in Agnetheln, der Heimat der Urzeln, zum ersten Mal der „Mummen-schanz der Zünfte“ erwähnt. Der Brauch hielt sich jahrhundertelang, wurde zeit-weilig aber auch verboten. Von 1968 bis 1990 gab es regelmäßig zur Faschingszeit das traditionelle Urzellaufen. Nach einer mehrjährigen Unterbrechung, die nicht zuletzt auf den Massenexodus der Sachsen nach Deutschland zurückzuführen ist, wurde die historisch gewachsene Kul-turveranstaltung 2006/2007 in Agnetheln reaktiviert. Ausgewanderte siebenbürger

Sachsen wiederum, die in Sachsenheim im Kreis Ludwigsburg eine neue Heimat gefunden haben, organisieren seit 1994 jährliche Auftritte mit allen Brauchtumsfi -guren der Zünfte. Der eingetragene Verein Urzelnzunft Sachsenheim hat sich der Erhaltung, der Pfl ege und Fortentwicklung der aus Agnetheln eingeführten Tradition des Urzelnlaufens verschrieben. Ein hervorragendes, grenzüberschreitendes Ereignis gab es im Jahre 2007, als rund 40 Urzeln zur Brauchtumsveranstaltung

Die Urzeln laufen wieder …Siebenbürgisch-sächsischer Brauch wird neu belebt

im Rahmen der „Kulturhauptstadt 2007“ nach Hermannstadt fuhren. Da die Be-ziehungen zwischen der Urzelnzunft Sachsenheim und jener von Agnetheln sehr gut sind, hat man beschlossen, jedes dritte Jahr zusammen zu laufen. 2010 wäre es dann wieder soweit.In Deutschland ziehen die Urzeln heute durch viele Städte – darunter Sachsenheim und Traunreut, Fürth und Geretsried, Herzogenaurach und Nürnberg sowie neuerdings auch in Bonn - in ihren tradi-tionellen, zotteligen Kostümen („Häs“) und mit bemalter Maske aus feinem Drahtgefl echt. 30 Urzeln haben sich in diesem Jahr peitschenknallend und Krapfen ver-teilend am rheinischen Karnevalszug von Bonn-Niederholtorf beteiligt. Zur Gruppe gehörte auch Doris Hutter, stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., Kulturreferentin der HOG Agnetheln und Geschäftsleiterin im Haus der Heimat Nürnberg, die sich für den Erhalt und die Weiterführung der siebenbürgischen Tra-dition engagiert einsetzt. Unter den Gästen auch das Agnetheln verbundene Ehepaar Ruth und Horst Fabritius, das sich privat wie publizistisch um den Erhalt des Ur-zelbrauchtums engagiert.In Anbetracht der jungen Frauen und Männer sowie nicht zuletzt der Kinder, die mit Begeisterung mitlaufen, muss sich wohl niemand um den Urzel-Nachwuchs Sorgen machen …

Text und Fotos: Dieter Göllner

In Bonn-Niederholtorf haben die Agnethler eine 30köpfi ge Urzelgruppe für den „Zoch“ aufgestellt

Die Masken aus bemaltem Drahtgefl echt und Fellbesatz sollen böse Geister vertreiben

Mit lautem Peitschengeknalle wird der Winter ausgetrieben

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Chronologie

Mo | jeweils 19 bis 20.30 UhrTanzkreis für junge Spätaussiedler und Einheimischemit Genriyetta KhatjanEichendorff-Saal (Siehe Seite 18)

Mi | jeweils 19 bis 20.30 UhrProbe der Düsseldorfer Chorgemein-schaft Ostpreußen-Westpreußen- SudetenlandLeitung: Iskra Ognyanova

Do, 02.04., 14.05., 04.06. | jeweils 19.30 UhrOffenes Singen mit Barbara Schoch Raum 412

Di, 02.04. | 19 Uhr„Schiller und seine Zeit 1759 - 1805“Vortrag von PD Dr. Winfrid HalderKonferenzraum (Siehe Seite 8)

Mi, 08.04. | 19 UhrAusstellungseröffnung„Russland und Deutschland – zwei Hei-matländer eines Volkes“–Fotoimpressionen aus MoskauEichendorff-SaalSiehe Seite 11

Mi, 15.04.,06.05.,17.06. | jeweils 15 UhrOstdeutsche Stickereimit Helga Lehmann und Christel KnackstädtRaum 311

Di, 21.4. | 19 Uhr„Sehnsucht nach der Diktatur? Die DDR-Mentalität und ihr Fortwirken im vereinten Deutschland“Vortrag von Dr. Stefan WolleVHS (Siehe Seite 4)

Mi, 22.04. | 19 UhrBotschaftergesprächS. E. Dr. Marek Prawda, Botschafter der Republik Polen„Polen und Deutschland, Partner mit span-nungsreicher Vergangenheit“Konferenzraum (Siehe Seite 5)

Do, 23.04. | 19 Uhr„Der Mann, der die Tiere liebte.“ Bernhard Grzimek - Biografi eBuchvorstellung mit Claudia SewigKonferenzraum (Siehe Seite 17)

Mo, 27.04. | 19 Uhr„Schlesien - Das Land und seine Ge-schichte“Buchvorstellung mit Prof. Dr. Arno HerzigKonferenzraum (Siehe Seite 8)

bis 28.04.Ausstellung„Die große Flucht 1944/45 in grafi schen Bildzeugnissen“Ausstellungsraum

Do, 30.04. | 19.30 Uhr„Auf gepackten Koffern? Überlegungen zur , Ankunft‘ der Vertriebenenverbändein der Bundesrepublik Deutschland“Vortrag von PD Dr. Matthias SticklerKonferenzraum (Siehe Seite 7)

bis 30.04.Ausstellung„Steingewordener Glaube“ – Kirchliche Architektur im BanatFoyer Eichendorff-Saal

Di, 05.05. | 19 UhrAusstellungseröffnung„Die Sudetendeutschen - eine Volksgruppe in Europa“Ausstellungsraum (Siehe Seite 12)

Do, 07.05. | 19 Uhr„Zeitenwende – Die politische Ereignisse des Frühjahrs 1989“Vortrag von Prof. Dr. Hanns Jürgen KüstersKonferenzraum (Siehe Seite 5)

Di, 12.05. | 10 UhrSeminar für Multiplikatoren„Potentiale der Spätaussiedler als Basis für Integrationserfolge nutzen“Eichendorff-Saal (Siehe Seite 18)

Mi, 13.05. | 16 Uhr„Verborgene Geschichten sichtbar werden lassen“ –Schreibwerkstatt II mit Dr. Michael ZellerKonferenzraum (Siehe Seite 6)

Fr. 22.05. | 20 Uhr„Verfasste Zeiten“ - Festveranstaltung 60 Jahre GrundgesetzIn Zusammenarbeit mit der Landeszent-rale für politische Bildung und der LAGA NRWVeranstaltungsort: K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Ständehausstraße

1, 40217 Düsseldorf

Di, 26.05. | 19 Uhr„Ich bin ohnmächtig gegen dieses Schick-sal…“ - Joseph Roth zum 70. Todestag Lesung mit Helmut BraunKonferenzraum (Siehe Seite 9)

Mi, 27.05. | 15 UhrKinemathek„Die Legende vom heiligen Trinker“ nach Joseph RothKonferenzraum (Siehe Seite 11)

Do, 28.05. | 19 Uhr„60 Jahre Bundesrepublik Deutschland – eine Erfolgsgeschichte?“Vortrag von Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler, Universität BielefeldSaal (Siehe Seite 3)

Mo, 08.06. | 19 Uhr„Wahlverwandtschaften: Die deutsch-polnischen Beziehungen in Literatur und Politik“Konferenzraum (Siehe Seite 6)

Vom 10.06. bis 15.06. 2009Studienfahrt„Die Wende 1989 - 20 Jahre Mauerfall“(Siehe Seite 21)

Mo, 15.06. | 17.30 Uhr„§ 96 Bundesvertriebenengesetz - Ein Förderauftrag an Bund und Länder“Vortrag von Prof. Dr. Michael SilagiKonferenzraum (Siehe Seite 4)

Mi, 17.06. | 19.00 UhrKinemathek„Serengeti darf nicht sterben“ von Bernhard GrzimekKonferenzraum (Siehe Seite 17)

Do, 18.06. | 19 Uhr „Nicht mit Dir und nicht ohne Dich“ –Ingeborg Bachmann und Paul CelanLesung mit Helmut Braun und Barbara DommerKonferenzraum (Siehe Seite 10)

Di, 30.06. | 15 UhrKinemathek„Mein Mann das Wirtschaftswunder“ mit Heinz ErhardtKonferenzraum (Siehe Seite 11)

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ImpressumHerausgeber:Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus. Deutsch-osteurpäisches Forum“

Vorsitzender des Kuratoriums:Reinhard Grätz

Vorsitzender des Vorstandes:Konrad Grundmann

Bismarckstr. 9040210 Düsseldorf

Postanschrift: Postfach 10 48 6140039 Düseldorf

Telefon: (02 11) 16 99 10Telefax: (02 11) 35 31 18Mail: [email protected]:www.g-h-h.de

Redaktion:PD Dr. Winfrid Halder, Chefredakteur,Dirk Urland M.A.

Satz und Layout:Markus Patzke

Herstellung:Rautenberg Druck, Rautenberg Druck GmbH, Blinke 8, 26789 Leer/Ostfries-land

Das „West-Ost-Journal“ erscheint vierteljährlich.Heftpreis: 2,50 €Abo-Bezugsmöglichkeit durch die nebenstehende Bestellkarte zum Jahresbe-zugspreis von 6,50 €Anzeigenpreise:Es gilt die Anzeigenpreislis-te vom 1. Dezember 1997Anzeigenannahme:„Gerhart-Hauptmann-Haus“

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Geöffnet Servicezeiten der Verwaltung Mo-Do 8 - 12.30 ● 13 - 17 Uhr Fr 8 - 14 Uhr

Servicezeiten der Bibliothek Mo-Mi 10 - 12.30 ● 13.30 - 17 Uhr Do 10 - 12.30 ● 13.30 - 18.30 Uhr

Viele weitere Informationen über das Gerhart-Hauptmann-Haus und zu den im Heft behandelten Themen fi nden Sie - rund um die Uhr - auch im Internet unter www.g-h-h.de.

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Die Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus“ veranstaltet vom 18.5. bis 23.5.2009 eine kulturpolitische Studienreise nach Böh-men und Mähren. Im Mittelpunkt dieser Reise stehen die Kultur, Geschichte und Traditionen der jeweiligen Regionen so-wie deren Sehenswürdigkeiten.Geplant sind Begegnungen mit Vertretern der Deutschen Minderheit in Brünn und Reichenberg. Stationen der Reise sind

Kulturpolitische Studienreise nach Böhmen und Mähren

Vom 18.05. bis 23.05.2009

Gablonz, Königgrätz, Olmütz, Brünn, Prag, Theresienstadt, Melnik und wei-tere.Der Preis für die Reise beträgt 729 € im Doppelzimmer mit Halbpension. Einzel-zimmerzuschlag 140,00 €.Information und Anmeldung im Ger-hart-Hauptmann-Haus unter Tel. : 0211-1699118 oder im Internet unter www.g-h-h.de.

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Unser Titelblatt zeigt in einer Collage wichtige Stationen und Persönlichkei-ten der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dazu gehören Konrad Adenauer und Willy Brandt, das Grund-gesetz und die Charta der deutschen Hei-matvertriebenen, aber ebenso auch Rudi Dutschke und die Einführung des Euro.

Zum wiederholten Mal war Arno Surminski Ende Januar Gast der

Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus. Er gehört zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern aus Ostpreußen. Bei sei-nem jüngsten Besuch stand sein neuestes Werk, die Novelle „Die Vogelwelt von Auschwitz“ im Mittelpunkt von Lesung und Diskussion vor einem interessierten Düsseldorfer Publikum. Die Novelle be-ruht zum Teil auf Tatsachen. Die „Jüdische Zeitung“ nannte Surminskis Buch „ein erschreckend hellsichtiges Gleichnis“, die „Westfälische Rundschau“ lobte seinen „vortrefflichen Erzählstil“, die „Lausitzer Rundschau“ seine „immense Sprachkraft“. Die Lesung fand bewußt am internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus statt.