Über Chalkogenolate. 109. Untersuchungen über Perthiocyansäure 2. Darstellung und Eigenschaften...

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Z. anorg. allg. Chem. 486, 111-115 (1982) J. A. Earth, Leipzig

fjber Chalkogenolate. 109 [I]

Untersuchungen uber Perthiocyansaure 2. Darstellung und Eigenschaften der freien Sauce [l]

Von G. GATTOW und R. GERNER

Mainz, Institut fur Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Universitlit

I n h a l t s u b e r s i c h t . Durch Umsetzung einer waSrigen Losung von Bariumperthiocyanat mit verdunnter Salzsiure bei 0 "C in Gegenwart von Diethylether wurde die blal3gelbe Perthiocyansiiure hergestellt und charakterisiert.

Die Infrarot-, Elektronenabsorptions- und Massenspektren werden mitgeteilt.

On Chalcogenolates. 109. Studies on Perthiocyanic Acid. 2. Preparation and Properties of the Free Acid

A b s t r a c t. Pale yellow perthiocyanic acid has been prepared by reaction of an aqueous solution of barium perthiocyanate with dilute hydrochloric acid at 0°C in the presence of diethyl ether.

The infrared, electron absorption, and mass spectra are communicated.

Von der Verbindung mit der Zusammensetzung H2C,N,S, sind zwei Isomere heschrieben, die als Isoperthiocyansaure und Perthiocyansaure bezeichnet wer- den. Wahrend die Isoperthiocyansaure (= Xanthanwasserstoff, 5-Amino-l,2,4-

dithiazol-3-thion) S-CS-N=C(NH,)-S auch mit moderneren Methoden cha- rakterisiert worden ist [2], liegen uber die Perthiocyansaure nur wenige Unter- suchungen vor [2]. Nach Angaben in der z. T. alteren Literatur [3--51 soll es sich

bei der Perthiocyansaure um 1,2,4-Thiadiazol-3,5-dithiol k=C(SH) -N= C(SH)--k handeln, EMELEUS u. Mitarb. [6] dagegen ordnen dieser Verbindung

die Struktur von 1,2,4-Thiadiazolidin-3,5-dithion Hk-CS-NH-CS-4 zu. In Weiterfuhrung unserer Untersuchungen uber Perthiocyanate [I] haben wir uns mit der Synthese und den Eigenschaften der freien Perthiocyansaure befaBt. Hieriiber soll nachskehend berichtet werden.

Die von KLASON [7] sowie von HANTZSCH und WOLVEKAMP [4] in etherischer Losung erhaltene Perthiocyansaure konnte von ihnen nicht in Substanz isoliert werden. SODERBACK [8] bezeichnete eine weil3e Substmz, die er beim Ansauern wal3riger [C2N2S,]2--Losungen erhielt, als Perthiocyansiiure und charakterisierte sie durch ihr Laslichkeitsverhalten. EMEL~US u. Mitarb. [6] teilten das Infrarot- spektrum der Perthiocyansaure mit, beschrieben jedoch nicht niiher ihre Darstellung.

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1. Darstellung der Pcrthiocyansaure Perthiocyansaure wurde durch Umsetzung von Bariumperthiocyanat 11) mit

verdunnter Salzsaure bei 0 O C dargestellt, wobei die gebildete Pcrthiocyansaure durch Zugabe von Diethylether extraktiv entfernt wird.

Arbei t svorschr i f t . Eine Losung von 10 g Ba[C2N,S3]. 3 H,O in 200 cm3 Wasser wird niit 100 cm3 Diethylether iiberschichtet. In Ar-Atmosphare werden bei 0°C unter haftigem Riihren 54 cm3 1 n Salzsaure getropft, wobei sich die Etherphase schwach gelb farbt. Die etherische Losung wird abgetrennt und mit frisch gegliihtem Na,SO, in der Kalte getrocknet. Nach Filtration wird die Losung bei -14°C im Vakuum bis auf etwa 60 cm3 eingeengt, wobei die Perthiocyansaure teilweise ausflllt, die abgesaugt wird. Aus der klaren Losung wird die Perthiocyansiiure durch Zugabe %-on 100 cm3 Petroleumbenzin (Siedebereich 40-60°C) als blaBgelbes Pulver ausgefallt, das abgesaugt und mit Petroleumbenzin gewaschen wird. Die Substanz wird bei - 78°C aufbewahrt. Ausbeute: e tna

Analyse. Wegen der Instabilitat der Verbindungen wurde nur der Schwefelgehalt nach der

der Theorie, bezogen auf die eingesetzte Menge an Ba[C,N,S3] . 3 H,O.

Methode von SCII~NICER [9] bestimmt. S: 64,3 (ber. G4,13)y0.

11. Eigenschaften der Perthiocyansaure Die Perthiocyansaure stellt eine blaagelbe, kristalline Substanz dar, die sich

bei Zimmcrtemperatur relativ schnell und bei -78OC langsam in die isomere Isoperthiocyansaure umlagert. Sie schmilzt bei 115 "C unter Zersetzung (Gelb- farhung, Sublimation). Ihre mit Hilfe der Schwebemethode bestimmte Dichte betragt d:' = 1,856 & 0,005 g/cm3; Molvolumen V, = 80,94 cm3/Mol.

Die Saure ist in Wczsser, Methanol, Ether, Aceton und Dimethylsulfoxid gut loslich. Aus ihren waSrigen Losungen, die schwach sauer (pH w 4) reagicren, kristallisiert, wie auch aus anderen Losungsmitteln, nach einiger Zeit die Isoperthio- cyansaure aus.

Die Perthiocyandure 11Bt sich von der Isoperthiocyansaure infrarotspektroskopisch und massen- spektrometrisch unterscheiden. Zum IR-Spektrum der Isoperthiocyansaure s. [lo] ; Massenspektrom vgl. [Ill sowie weiter unten.

Losungen der Perthiocyansaure in Diethylether zeigen im s i c h t b a r e n und U V -Be re i c h bei 22 "C folgende drei Absorptionen (in Klammern : molarer Extinktionskoeffizient e) : 208 nm ( F = 4,4 * lo3 1 . Mol-l . cm-l), 250 nm (9 , l - lo3) und 300 nm (1,73 . lo4).

'H-NMK- sowie l3C-NMR-Spektren konnten von der Perthiocyansaure nicht angefertigt werden. Unabhangig vom eingesetzten Losungsmittel wurden keine Resonanzsignale beobachtet, dit innerhalb kurzer Zeit aus den anfanglich klaren Losungen die schwerlosliche Isoperthiocyansaure ausfallt.

Im I n f r a r o t s p e k t r u m (KBr-PreBling, Bereich: 4000-530 cm-I) der Perthiocyansaure treten Absorptionsbanden auf, deren Maxima mit versuchs- weiscn Zuordnungen in Tab. 1 wiedergegehen sind. Es ist beziiglich der Banden- lagen im wesentlichen rnit dem von EMELEUS u. Mitarb. [6] angegebenen iden- tisch.

Die moglichen Zuordnungen der Banden erfolgte unter Zugrnndelegung bekannter IR-Daten von die Gruppierung -N-CS-S- enthaltender Verbindungen: heterocyclische Funfiingsysteme

Darstellung und Eigenschaften der Perthiocyansaure 113

Tabelle 1 Infrarotspektruma) der Perthiocyandure ~

Bandenlage Mijgliche Zuordnung Bandenlage Mogliche Zuordnung [em-'] [em-']

3030 vs 2941 vs 2824 vs 2703 m 2544 m, sh 1610w 1506 vs, sh 1490 vs 1397 m 1385 m 1328 m, sh 1310 m, sh 1230m

u(N-H)

Z'(N-H)Briicke

Y(S -H) ? v(S-C-N), v ( C = X ) ?

I } 6(N-H), v(S-C=N)

] u(C-N)

Y(C=s)? v(NCS2) Y(XCN)

1172 vs 1163 YS 1067 vs 1015 m 1002 m

929 w 913 w 909 w' 776 m, br 750 w, sh 673 m, br 663 m, sh 625 w, br 580 w

8) Es hedeuten: Y = Valenzschwingung, 6 = ebene Deformationsschwingung, Y = Deformationsschwingung au8 der Ebene. Geschatzte relative Intensitsten: vs = sehr stark, 6 = stark, m = mittel, w = schwach, br = breit, sh = Sehulter

[ 12- 161, Dicyanodithiocarbamidsiiure [17], Trithioallophankiiure [MI, Guanidinodithioameisensiiure 1191 und Perthiocyanat-Ion [l] sowie den Angaben von EXEL~US u. Mitarb. [6]. Wegen des Vorliegens von Geriistschwingungen und Kopplung verschiedener Gruppenschwingungen sind die Zuordnungen jedoch nicht sicher.

Fur die Perthiocyansaure sind folgende vier tautomere Formen A-D moglich : HS-C--N S=C--N S=C-NH HS-C-NH

II II I I / I I II I N C-SH HN C-SH HN C=S x C=S

\ / S

A B C D S

Aus der Tatsache, daB Perthiocyanate mit Alkyl- [3, 41 bzw. Benzylhalogeniden [20] zu den entsprechenden S-Estern reagieren, wurde auf das Vorliegen der Perthiocyansiure in der Form A geschlossen. Nach EMEL~US u. Mitaib. [6] hat sie aufgrund IR-spektroskopischer Daten dagegen die Struktur C.

Aus den intensitatsstarken (NH)-Schwingungen (s. Tab. 1) ist auf ein iiber- wiegendes Vorliegen der Formen B, C der D zu schlieBen. Aufgrund der inten- sitatsschwachen (SH)-Schwingungen, die nicht mit Sicherheit zugeordnet werden konnen, und den Angaben von [15,16] sind die tautomeren Formen A, B und D nicht sehr wahrscheinlich. I n Obereinstimmung mit EMELJ~US u. Mitarb. [ 6 ] deutet alles darauf hin, daB die Perthiocyansaure in der Thion-Form C zu formu- lieren ist. Dem Infrarotspektrum kann im Zusammenhang mit dem des Perthio- cyanat-Ions [l] jedoch entnommen werden, daB keine reinen (C=N)- und (C=S)- Schwingungen auftreten, sondern Banden beobachtet werden, die auf das Vorliegen von C- N- und C- S-Bindungen hinweisen. AuBerdem ist aus dem IR-Spektrum zu ersehen, daB starke Wasserstoffbriicken der Art N--He * * vorhanden sind. Das Auftreten von (SH)-Schwingungen kann auf Wasserstoffbindungen der Art S * - . H hindeuten. Aufgrund dieser Tatsachen kann in Verbindung mit den Atom- abstanden im Dimethylperthiocyanat [ 211 geschlossen werden, daB die Perthio-

\ / S Y /'

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cyansaure durch delokalisierte Doppelbindungen mesomeriestabilisiert ist, wobei in der Molekel bzw. zwischen den Molekiilen intramolekulare undioder inter- molekulare Wasserstoffbriicken ausgebildet werden; z. B.

S-C-N-H : , ! ~ . , l : H-N;..' c-5

S'

Im Massenspektrum (Eldktronenstofiionisation, 60 eV, Temperatur der Ionenquelle 2OOC) der Perthiocyansaure werden Fragmente beobachtet, die der Tab. 2 zu entnehmen sind. Der Peak des Molekiilions (m/e = 150) tritt mit einer relativen Haufigkeit von 100% auf.

Tabelle 2 Massenspektruma) der Perthiocyamiiure

m/e rel. Haufig- Fragmention . m/e rel. Haufig- Fragmention keit ("a) keit (%)

152 151 150 149 118 102 91 90 86 85 84

~

14,7 5 , s

100,o 9,6

28,9 15,4 59,O 9,6 8,9 38,2 839

M+ + 2 M+ + 1 M+ = Ha( M + - 1 H,C,N,S,-' C,NSf HCNS2+ CNSI+ H2CIN.S+ HC&,S+ C,NsS+

76 64

2nN&f 60 59 58 46 45 44 43 42 41

20,5 17,9 60,9 57,O 15,4 10,3 25,6 11 ,s

727 727 7.7

cs,+ S *+ HICNS+ HCNS+ CNS+ H.CS+, NS+ HCS+ CSf HsCNd H,CK*- HCNf

a) Aufgenommener Massenbereich: m/e = 41-300. Fiir die S-haltigen Bruchstiicke sind nur die Maasen fur das Isotop 32S angegeben.

Das Massenspektrum der Perthiocyansaure unterscheidet sich von dem der isomeren Isoperthio- cyansaure [ll] in nur wenigen, jedoch charakteristischen Fragmenten: Bei der Perthiocyansaure treten zusatzliche Peaks bei m/e = 118 (HzC2N8S2+), 102 (CzNSz+), 91 (HCNSz+) und 46 (NS+) auf (9. Tab. 2), wahrend die Isoperthiocyansaure zusiitzliche Bruchstiicke bei m/e = 134 (C,NS,+)iund 108 (CS,+) zeigt.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Fonds der Chemie sowie die Adolf-Todt-Stiftung haben in dankenswerter Weise Hilfsmittel zur Verfugung gestellt.

Literatiir 108. bzw. 1. Mitteilung: G. GATTOW u. R. GERNER, Z. anorg. allg. Chem. 486,102 (1982). GMELM Handbuch der Anorganischen Chemie, Syst.-Kr. 14, Kohlenstoff D6, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1978. P. KLASOPI', J. prakt. Chem. [2] 36, 57 (1887). A. HANTZSCH u. M. WOLVEKAMP, Liebigs AM. Chem. 331, 265 (1904). E. SODERBACK, Acta Chem. Scand. 17, 361 (1963). H. J. EMEL~US, A. H A A s u. N. SEEPPARD, J. Chem. SOC. 1963,3168. P. KLASON, J. prakt. Chem. [2] 38, 366 (1888). E. SODERBACK, Acta Chem. Scand. 1, 529 (1947). W. SCIEOFIGER, Mikrochim. Acta 1955, 123; 1956, 869; F. E~ENBERGER u. S. GORBACH, Methoden der organischen Element- und Spurenanalyse, S. 223, 270, Verlag Chemie, Weinheim 1973.

Darstellung und Eigenschaften der Ptdiiocyansiiure 115

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Bei der Kcdaktiori eingegangen am 17. Juni 1981.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. G. GATTOW und Dipl.-Chem. R. G m x m , Inst. f. Anorg. Chemie u. .4nalyt. Chemie d. Univ., J0ha.m-Joachim-Becher-Weg 24, D-6600 Maim

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