Über die Bestimmung von Löslichkeiten durch potentiometrische Titrierung und über die...

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I% L, Hahn u. Iz. Schulxo. Bestimna9.v. Loslichlc.d.~otentiometr.Tit~ierung. 2 13

Uber die Bestimmung von Loslichkeiten durch potentiometrische Titrierung und uber die ,,unlosliche'b Form des Chlorsilbers.

Von FRIEDRICH L. HAHN und R. SCHULZE. Mit einer Figur im Text.

Auf STAS geht die Angabe zuruck, daB es eine unlosliche Form des Chlorsilbers gebe; sie sol1 sich bilden, wenn eine heiB ge- sattigte Chlorsilberliisung im Dunkeln erkaltet, und so11 in der Kalte auch bei gelber Beleuchtung bestandig sein. LORENZ und BERGHEIMER~) haben vor einigen Jahren den Befund von STAS be- sfatigt ; durch Trubungstitration wurde die Liislichkeit dieser Form zu < 10-7 Mol/Liter bestimmt. Die Erscheinung ist theoretisch so auBerordentlich schwer zu deuten, daB es lohnend erschien, sie nochmals nach einem vollig anderen Verfahren zu uberprufen. Nun konnte kurzlich gezeigt werden 2), dab eine einfftche potentiometrische Titrierung e8 gestattet, die Loslichkeit des ausfallenden Chlorsilbers recht genau zu bestimmen; eine Entscheidung dariiber, ob das im Dunkeln ausfallende Chlorsilber eine Lijslichlreit von rund 10-6 oder weniger als lo-' Mol/Liter hat, muI3te in wenigen Minuten miig- lich sein.

Es werde eine Chloridlosung fortlaufend mit stets gleichen Mengen Silbernitrat versetzt (oder umgekehrt eine Silberlosung mit Chlorid) und nach jedem Reagenszusatz das Potential eines in die Lijsung tauchendcn Silberbleches gegen eine beliebige Hilfselektrode konstanten 3, Potentials gemessen. Die durch diese Zusatze be- wirkten Potentialanderungen, P o t e n t i a l s c h r i t t e genannt, nehmen erst zu und nach Uberschreitung des Aquivalenzpunktes wiedcr ab.

Das Verfahren beruh t auf folgenden Gedankengangen.

') Z. anorg. u. allg. Chem. 137 (1924), 144. z) FRIEDRICH L. HAHN und MAX FROMMER, Z.phys. Chene. 127 (1927), 1. 3, Altere Versuche, aus potentiometrischen Titrierungen Reaktions-

konstanten zu bestimmen, eielen darauf, das Umschlagspotential gcgen eine Elektrode b e k a n n t e n Potentials zu ermitteln; vgl. SCHINDLER, Diss. Dresden 1920, ERICH MULLER, Elektrometrisehe MaBaualyse, 4. Aufl., S. 1 O O f f . Der hier eingeschlagene Weg ist einfacher und liefert bessere Ergebnisse.

214 K L. H u h und Iz. Schdze.

Wir bezeichnen den grGBten der gemessenen Potentialschritte mit A,,, die vor ihm liegenden ruckschreitend mit A,, A, usw., die auf ihn folgenden vorschreitend mit A, , A,, usw. und wollen nun zu- nachst einmal annehmen, daB A, = A,,, A, = A,, USW. ist. Dies ware das Zeichen dafiir, daB der zu A, gehorende Reagenszusatz gerade noch zur Hiilfte erforderlich war, um in der Liisung Aqui- valenz der vorhandenen Mengen Chlorid und Silber zu bewirken, oder in anderer Ausdrucksweise: in diesem Falle liegt der Aqui- valenzpunkt gerade in der Mitte des UmschlagsmaBteiles. Der einzelne Reagenszusatz, A,, sei gemessen in Millimol pro cm3 titrierte Liisung, hat also die Dimension einer Konzentration; er sei rmal so groB, vie die Umschlagskonzentration an Reagens, also wie die Loslichkeit des Chlorsilbers. Die einfache Anwendung des Massenwirkungsgesetzes und der NEBNST'sChen Potentialformel genugt dann, urn die GroBe der einzelnen Potentialschritte als Funktion von r zu errechnen. 1st dies geschehen, so kann man ruckwarts aus der gemessenen GroBe von dul) P bestimmen, nnd da man ja die GrSBe des einzelnen Reagenszusatzes kennt, ist damit die Liislich- keit des ausfallenden Silberhaloids bestimmt. Sind A, und nicht gleich, so geniigt die relative GroBe der drei Potentialschritte vor, am und nach dem Umschlag, A,, A, und A, , um daraus sowohl r, als auch die Lage des Aquivalenzpunktes im UmschlagsmaBteil zu bestimmen. Gibt man das Reagens in nicht zu kleinen Volumina recht verdunnter Liisung hinzu, so 1aBt es sich ubrigens durch einiges Probieren leicht erreichen, da6 der letzte Potentialschritt vor und der erste nach dem Umschlag n a h e z u gleich gro6 werden, und das genugt vollkommen. Zum Beispiel:

Werden zu 400 cm3 Losung 2 cm3 n/hO-Reagens gegeben, so betriigt der einzelne Reagensznsatz mmol/cm5; er ist also rund zehnmal so groB, wie die molare Loslichkeit des Chlorsilbers, d. h. es ist P = lo.,) Es sollen dann die Potentialschritte am Umschlag 27, 84, 27 Millivolt betragen. Setzt man die Loslichkeit der unlos- lichen Form zu lo-' Mol/Liter an (sie so11 noch kleiner sein), so ware

l) In diesem Falle muB naturlich A, im PotentialmaB (Volt) angegeben sein. Sind die Potentialslschritte mit irgendeinem unbekannten Proportionali- tiitsfaktor behaftet, z. B. in ,,kornpensierenden Ohm" gemessen, so kann man aus dem Quotienten A, : Al genau so gut r errnitteln. Hierin liegt eine weitere Vereinfachung gegenuber der Ermittelung von LGsliehkeiten aus dem Um- schlagspotential.

a) F u r die erste ubereicht geniigt es vollkommen, die Liisliehkeit des Chlorsilbers mit Mol/Liter anzusetzen.

Bestimnzzing van Lb'slichkeitan dzirch ptentionzetrische Tilrierung. 2 1 5

r = 1000; dafiir berechnen sich die Potentialschritte zu 28, 156, 28 Millivolt. Rei Titrationen am Licht wurden, wenn die Ein- stellung konstanten Potentials abgewartet wurde, 33, 99, 35 Millivolt gemessen; wurde dagegen das Potential stets sofort nach Zugabe des Reagens bestimmt, so fand man die Schritte 27, 91, 29 Millivolt, also noch bessere Ubereinstimmung mit den berechneten. Es wurde deshalb auch im Dunkeln das Potential stets sofort abgelesen; eine Titration war dann in 5 Minuten beendet. Es ergab sich bei tief- rotem Licht 34, 88, 32 Millivolt, also durchaus derselbe Potential- gang, wie am Tageslicht. Nun schien es ja mijglich, daB unter diesen Bedingungen, wenn man kalt Silber rnit Chlorid fallt, die unliisliche Form nicht entsteht; es wurden deshalb die Versuche den alteren Arbeiten angepaBt und durch Erhitzen (elektrische Heizplatte) in der Dunkelkammer Lasungen hergestellt, die bei valliger Dunkelheit erkalteten und dann bei gelbem oder tiefrotem Licht titriert wurden.

Bereitnng der Losungen.

A. Zu 1 Liter heiBen Wassers wurden je 100 cm3 n/lO-KCl- und AgN0,-LBsung gegeben, der NiederschIag siebenmal rnit je 150 om3 hei6en Wassers iiurch Aufschwcnken und AbgieBen aus- gewaschen, dann mit 2 Liter etwa 10 Minuten lang bis fast zum Sieden erhitzt, die Halfte der Lijsung abfiltriert (1 in Tnbelle und Kurve) und ebenso wie der nicht filtrierte Teil bei volligem Licht- ausschluB erkalten gelassen. Aus dem filtrierten hatten sich nach 36 Stunden keine sichtbaren Mengen Chlorsilber ausgeschieden; der andere wurde rnit einzclnen Chlorsilberteilchen von der Hauptmenge des Riickstandes abgegossen (Losung 2).

B. Der Ruckstand der Lijsung 2 wurde mit 11/2 Liter Wasser im Sieden erhalten, die LSsung abfiltriert und das Filtrat nochmals 20 Minuten erhitzt. Nach dem Erkalten hatten sich reichliche Mengen Chlorsilber abgeschieden (L8sung 3).

C. Zu 700 cm3 Wasser wurden Eei Siedebitze 50 cm3 n/lO-T(Cl- und 75 cms n/ 10-AgN03-L8sung gegeben, das Chlorsilber fiinfmal heif3 ausgewaschen, mit 800 cm3 Wasser 25 Minuten gekocht, die Halfte abgesaugt (LGsung 4), nochmals einige Minuten aufgekocht, und ebenso wie der unfiltrierte Teil (Liisung 5) erkalten gelassen; aus 4 hatte sich reichlich Chlorsilber ausgeschieden.

D. 50 cm3 Silbcr- und 75 cm3 Chloridlosung, sonst genau wie C (Losung 6 und 7).

216 I? L. Hahn und R. Schzclm.

J e 50 cm3 dieser Liisungen wurden mit Anteilen von je 3 Tropfen n/80-AgNO3- bzw. KC1-Lasung versetzt und die dadurch bewirkten Potentialanderungen gemessen ; als Titrierelektrode diente ein Silber- blech von etwa 2 cm2 Oberflache, als Vergleichselektrode ein gleiches Blech in einer Aufschlammung von AgBr in ges. KN0,- LBsung. Die Tabelle gibt die Mittelwerte nus jeweils 2-4 gut uberein- stimmenden Messungen. l) Die Potentiale wurden mittels einer Stiipselbrucke nach WILSMORE durch Gegenschalten gemessen.

I n einigen weiteren Reiheo wurde die Liisung 1 statt an der Silberelektrode an einem Platindraht mit Chlorbeladung titriert (1 a), Hierfur wurden der Titrierlosung einige Tropfen einer verdiinnten Aufliisung von Jod in Tetrachlorkohlenstoff zugesetzt. Die Potential- einstellung an einer solchen Elektrode ist vorzuglich.

Ferner wurden einige der Liisungen am Licht titriert, und zwar Losung 7 (am Licht S), Losung 6 (9) und Liisung 3 (lo), siimtlich am Silberblech.

Und schlieBlich wurde eine gleichartig hergestellte Bromsilber- lasung gemessen, urn sicherzustellen , daB auch Haloide kleinerer Loslichkeit richtige Werte ergeben (1 1).

I!---.

Im Duokeln

einer 4 Sil ber- 5

elektrode 6

Potentialanderungen in Millivolt beim Titrieren gesLttigter Chlorsilberlijsungen.

- .~

8 12 15 26 48 6 8 12 20 46

7 13 14 22 43 7 10 13 19 39 7 10 14 21 41

Losung Zugesetzt : (Vers’ch) Tropfen AgNO, 11 Nr. I 15 12 9 6 3

An Chlorelektrode// l a 1 6 9 11 19 35 _.

6 10 14 20 50 I 8 10 14 24 44 10 1 6 10 12 20 44 titriert

I/-- i Bromsilber 11 11 I 9 10 1 4 88

3

20 29 24 20 23 25 30

__ -

Tropfen KCI 6 9 12 15

14 13 9 7 18 13 11 8 20 14 10 8 18 15 10 8 20 14 11 8 20 13 10 6 18 12 11 7

_. -

30 14 9 8 4 26 20 1 4 10 8 26 20 14 10 8 30 18 16 10 8

Tropfen 83 19 12 8 KBr

Man sieht aus der Tabelle, daB allgemein die ersten 3 Tropfen AgNO, stets eine merklich griiBere Potentialknderung geben, a19 die ersten 3 Tropfen KCI, wahrend nach auBen zu symmetrisch zum

l) Auf Wunsch der Schriftleitung sind die Einzelwerte weggeblieben.

Bestipnmung won Loslichkeiten durch potentiometrische Titrierung. 2 1 7

xquivalsnzpunkt die Potentialschritte annahernd gleich werden. Dies entspricht vollkommen der friiher gemachten Beobachtung I), dal3 bei kleinen Reagenszusatzen die Silberlosung starker erscheint als bei groBen. Fur die Berechnung der Loslichkeit ist die Ab- weichung bedeutungslos; am anschaulichsten wertet man graphisch aus. 1st cu die Umschlagskonzentration an Reagens, hier also die molare Loslichkeit des Silberhaloids, und A, = T . cu, so ist nach dem ersten Reagenszusatz

Man kann danach die berechenbaren Potentialschritte alsFunktion v6n r zeichnen und aus dieser Kurve zu gemessenen Potentialllnderungen das zugehijrige T entnehmen. Division des bekannten Reagens- zusatzes durch T liefert die molare Loslichkeit des Niederschlages-

9?0 20 . ,4050 Die Kurve gibt die GrijBe der Potentialanderungen , die beobachtet werden sollen, wenn der erste Reagenszusatz r ma1 so groB ist, wie die LSslichkeit des gebildeten Silberhaloids. Die gemessenen Potentialanderungen sind bei Titra- tionen irn Dunkeln mit - oder x eingetragen, bei Titrationen im Licht mit 0.

l) HAHN nnd FROYXER, 1. c. S. 32.

2 18 F. L. Halanu. R. Schdzo. Bestimmg.~. LSslichk. d.potentiometr. Titvierung.

Die Figur gibt diese Auftragung: Abszisse ist r (logarithmisch aufgetragen), Ordinate As . Die gemessenen Potentialanderungen sind durch kurze horizontale S triche bezeichnet und die Ziffern der MeBreihen daneben geschrieben. Man sieht sofort, da6 die am Licht gemessenen Werte 8, 9 und 10 vollkommen innerhalb der anderen liegen. Die Werte fur r liegen bei den Chloridzusatzen zwischen 1,s und 3,1, im Mittel bei 2,5, bei den Silberzusatzen zwischen 3,9 und 7,2, im Mittel bei 5,5; das Mittel aiis beiden MeBreihen ist 4,O. Der einzelne Reagenszusatz betrug 3 Tropfen = 0,12 om3 n/SO-Losung auf 50 cm3, also 4,8.10-5 Mol/Liter. Die Liislichkeit wird also genau zu 1,2 - Mol/Liter gefunder. Die heiden Bromidtitrationen ergeben r= 27 und r =36, im Mittel r = 31, also die Loslichkeit des Brom- silbers zu 1,55 Mol/Liter, was ebenfalls mit den bekannten Werten gut ubereinstimmt.

Fu r das Bestehen einer schwerer lijslichen Form des Chlor- silbers fand sich somit keinerlei Andeutung. Fragt man sich, wie der abweichende Befund von LORENZ und BERQHEINER zu erklaren ist, so ist folgendes zu bedenken: Die Untersuchung der ,,unloslichen" Chlorsilberform bildete nicht den eigentlichen Zweck jener Arbeit ; es ist dementsprechend auch nur ein einziger Titrationsversuch be- schrieben. Da das Beobachten von Trubungen in der Dunkel- kammer auBerordentlich ermudend und die Beurteilung der Er- scheinungen stets etwas subjektiv ist, erscheint es trotz der gro6en auf diese Arbeit verwandten Sorgfalt nicht ausgeschlossen, daB in diesem nebensachlichen Punkte ein Versehen unterlaufen ist. Andern- falls kiinnte man annehmen, da6 sich die schwer losliche Form nur unter bestimmten Bedingungen bildet, die noch nicht sichergestellt sind und damals durch einen Zufall getroff en wurden.

3taam7cficrt a. M., Chemisehes Institut &r Universitat, Anorganisciee und analytisehe Abteilung.

Bei der Redaktion eiugegangen am 11. Juli 1927.

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