Über die Konstitution der Alkalicellulose und zur Frage der gerichteten Substitution bei partiell...

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H e s s , H e u m a n n und L e i p o l d 119

Uber die Konstitution der Alkalicellulose und zur Frage der gerichteten Substitution

bei partiell alkylierter Cellulose

Von Kurt Hess, Karl E . Heumann und Richard Leipold

(Aus dem Forschungsinstitut der Glanzstoff-Courtadds GmbH. in Koh)

(Eingelaufen am 18. Februar 1955)

(Mit 2 Figuren im Text)

I n vorangegangenen Arbeitenl) ist nachgewiesen worden, daB die Umsetzung von Alkalicellulose mit Schwefelkohlenstoff im Faser- verband eine Schichtgitterreaktion darstellt, bei der sich die der (101) Interferenz entsprechende Schichtebenenschar nach MaBgabe des Schwefelkohlenstoffs unter kontinuierlicher Verschiebung der Interferenz aufweitet . Die Xanthogenierung im Faserverband kann dementsprechend als wenjgstens in bezug auf die sich andernde Netzebenenschar als eine Art , ,gerichtete Substitution" aufgefaBt werden, die sich an der Alkalicellulose abspielt. In diesem Rahmen interessierte die unlangst von Sugihara und Wolfromz) durch- gefiihrte Methylierung der Alkalicellulose mit Jodmethyl, wobei ebenfalls eine gerichtete Substitution, und zwar in diesem Falle unter Bildung von 2-Methylcellulose stattfinden soll. Dieser Reaktion kam besonders bei der Starke grof3ere Bedeutung zu, bei der sie von K. M. Gaver 2a) erstmalig beschrieben wurde.

Wahrend die Xanthogenierung in Gegenwart von erheblichen Mengen Wasser in der Faser verlauft, wird im Falle der Methylierung mit Jodmethyl praktisch in Abwesenheit von Wasser gearbeitet und angenommen, daB die sich umsetzende Alkalicellulose in Form eines echten Alkoholates reagiert, so daB es moglich erscheint, aus der Stellung der eingetretenen Methylgruppe auf den Bindungsort des Natriumatoms in dem Cellulosealkoholat zu schlieBen.

Da die Ergebnisse von W ol f ro m gegebenenfalls im Zusammen- hang mit Fragen uber die Ortsbestimrnung bei der Xanthogenierung von Cellulose betrachtet werden konnen, haben wir uns eingehend

1) K. H e s s , H. Kiessig, W. Kobl i tz , Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 55,697 (1951); W.Koblitz,H.Kiessig,K.Hess,Z.Elektrochem.Ber.Bunsen,as. physik. Chem. 58, 872 (1954).

2, J. M. S u g i h a r a u. M. L. Wolf rom, J. Amer. chem. Soc. 71, 3509 (1949). 2") K. M. G a v e r , Ph. D. Dissertation, The Ohio State University 1945; vgl. auch

D. Vincent, Thesis, Mc Gill University Montreal 1953.

120 H e s s , H e u r n a n n und L e i p o l d

mit dieser Reaktion beschaftigt, kommen aber zu anderen Ergeb- nissen.

Durch vollstandige Erfassung al ler Spaltzucker der Methyl- cellulose von Sugihara und Wolfrom wird bewiesen, da8 es sich bei diesem Reaktionsprodukt nicht um eine einheitlich methylierte Cellulose handelt, sondern um ein Methylierungsprodukt mit an- nahernd statistischer Verteilung der Methylzucker, so wie es Timel13) unter Anwendung der von Purves und Mitarbeitern*) gegebenen Grundlagen fiir die unvollstandige Methylierung von Cellulose mit Dimethylsulfat in waorig alkalischer Suspension an- gibt. Die von Sugihara und Wolfrom in kristallisierter Form des Diathylmerkaptals gewonnene 2-Methylglukose ist nur e in Spalt- zucker von allen theoretisch moglichen. Im AnschluB an diese Fest- stellungen wird der Reaktionsmechanismus auf Grund der Kon- stitution der verwendeten Alkalicellulose als Dipol-Verbindung dis- kutiert und die Moglichkeit von ,,gerichteten" Cellulosereaktionen im Zusammenhang mit Gitterbau und Gitterumsetzung betrachtet.

Im Rahmen der gewonnenen Feststellungen wird die friihere Untersuchung von Hess und Mitarbeitern5) uber die Bildung einer Hemi-Methylcellulose besprochen. SchlieBlich werden die Ergeb- nisse uber die Methylierung von Alkalicellulose mit Jodmethyl mit denen von He a d6) und S i t c h7) uber die Methylierung von Cellulose- praparaten mit Diazomethan in Gegenwart von Wasser verglichen, die einen Anhaltspunkt fur die Menge an gittergeordneten Faser- anteilen bieten soll.

Versuchsfiihrung und Versuchsergebnisse Nach Sugihara und Wolfrom wird aus Schweizer-Losung ge-

fallte Cellulose durch Einwirkung von Butanol/Natronlauge alkali- siert und nach Entwasserung durch azeotrope Destillation und Aus- waschen mit wasserfreiem Methanol mit Jodmethyl im Bombenrohr bei 1000 wahrend 2l/, Stunden methyliert. Das mit Aceton aus- gewaschene Reaktionsgemisch wird nochmals in gleicher Weise al- kalisiert, entwassert und anschlieaend einer Methanolyse nach I rv ine und Hirst*) (0,85 HCl/Methanol, 130°, 60 Stunden) unter- worfen.

3, Ingeniorsvetenskapsakademiens, Handlingm No. 205, Stockholm 1950. 4, J. Amer. chem. SOC. 61, 3458 (1939); 62, 3194 (1940); 64, 9 (1942); 64, 1539

5, K. Hess, C. Trogus, W. Eveking u. E. Garthe,Liebigs Ann. Chem. 506,

6 , J. Textile Inst. 43, T 1 (1952). ') J. Textile Inst. 44, T 419 (1953). 8 , J. C. Irvine u. E. L. Hirst , J. chem. SOC. 121, 1585 (1922).

(1942); 71, 1023 (1949).

260 (1933); K. Hess, C. Trogus, Z. physik. Chem. 15, 157 (1932).

Uber die Konstitution der Alkalicellulose 121

Der Darstellung von Wolfrom und MiLarbeiter mu13 man schon entnehmen, daB fur die Umsetzung zwischen ,,wasserfreier" Alkali- cellulose und Jodmethyl doch eine geringe Menge Wasser notwendig ist: ,,a near anhydrous medium". Wir baben daher die fur die Reaktion notwendige Wassermenge bestimmt.

Weiterhin wurde der EinfluB des Cellulosematerials in bezug auf Faserform und Denaturierung durch Umfallen, sowie der EinfluB der Tauchlaugenkonzentration auf die Natur des Methylierungs- produktes festgestellt. Da sich bei der Spaltung mit Methanol/Chlor- wasserstoff gewisse Komplikationen durch Methylierung auch von alkoholischem Hydroxyl ergeben haben, wurde vergleichsweise mit 4 1 -proc. Salzsaure gespalten.

Fur die Erfassung aller Spaltzucker wurde neben einer voll- standigen Berucksichtigung des gesamten Reaktionsproduktes die qualitative und quantitative Papierchromatographie sowie die Papierelektrophorese angewendet.

Alkalisierung und Methylierung Bei der Durchfiihrung der Reaktionen an Cellulose haben wir uns

zunachst genau an die von Sugihara und Wolfrom gegebenen Vorschriften gehalten. Dabei wurde bestatigt, da13 die Reaktion zwischen Alkalicellulose und Jodmethyl ohne eine bestimmte Menge Wasser praktisch nicht durchfuhrbar ist. Bei dem von den Autoren empfohlenen Auswaschen des Methylierungsproduktes mit Aceton zwecks Entfernung des gebildeten Jodnatriums gehen beachtliche Mengen (bis zu 29%) des Methylierungsproduktes in Losung, die bei einer sorgfaltigen Bilanz der Spaltzucker berucksichtigt werden mussen.

Das Hauptprodukt der Methylierung ist bei der Verwendung von gefallter Cellulose als Ausgangsmaterial vollstiindig in Wasser los- lich, bei Verwendung von Fasercellulose, wie z. B. Ramie, ist das Hauptprodukt bis zu 82% in Wasser unloslich. Trotz dieser Ver- schiedenheit zwischen gefgllter Cellulose und Fasercellulose fiihrt die Hydrolyse zu praktisch den gleichen Methylzucker-Gemischen, so daB die Methylierung an umgefallter Cellulose und Fasercellulose anscheinend in gleicher Weise verlauft. Die Spaltung zu den Methyl- zuckern wurde dabei getrennt an den in Aceton und Wasser ver- schieden loslichen Fraktionen durchgefiihrt und die Spaltergebnisse in einer SchluBbilanz zusammenfaBt.

Hydrolyse der Methyl ierungsprodukte Auch bei der Spaltung der Methylcellulose haben wir uns zunachst

exakt an die Arbeitsweise von Sugihara und Wolfrom gehalten. Unter diesen Bedingungen ist die Spaltung zu den Methylzucker- glukosiden nicht vollstiindig, indem sowohl bei Verwendung von

Annalen der Chemie, 694. Band 9

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124 H e s s , H e u m a n n und L e i p o l d

gefallter Cellulose als auch von Fasercellulose ein ungespaltener Ruckstand von 4-10~0 verbleibt, der fur eine Bilanz der Spalt- zucker ebenfalls berucksichtigt werden muD. Zur Vervollstandigung der Reaktion wurde daher die Salzsaurekonzentration auf 1,5 % erhoht und auaerdem die Methylcellulose vor der Spaltung feinst vermahlen.

Bei der papierchromatographischen Analyse der Spaltzucker (vgl. Fig. 1) differenzieren sich Glukose, Monomethylglukosen (ungetrennt), Dimethylglukosen (mit nur schwacher Trennung von 2 Flecken) und Trimethylglukose. Bei den quantitativen Bestimmungen, die an kunstlichen Mischungen der reinen Komponenten kontrolliert wurden"), beschrankten wir uns auf diese vier Anteile. Qualitativ wurde eine Vervollstandigung der Trennung bei den Dimethyl- glukosen und die Trennung der Monomethylglukosen papierelektro- phoretisch erreicht, wobei 2,3- und 3,6-Dimethylglukose durch Ver- gleich mit dem synthetischen Praparat nachgewiesen werden konnten, wahrend bei den Monomethylglukosen nur 2-Monomethyl- glukose differenzierbar war, 3- und 6-Monomethylglukose aber un- getrennt blieben.

Die quantitativen Ergebnisse sind in Tab. 1, Spalte 11-14 sowohl fur die Spaltzucker bei exakter Einhaltung der Angaben von S u g i h a r a und Wolfrom (Vers.-Nr. 2), als auch fur die bei ver- schiedenen Variationen der Versuchsbedingungen (Nr. 6-1 3) zu- sammengestellt. Versuch Nr. 3 zeigt, da13 bei nur ejnmaliger Alkali- sierung und Methylierung keine grundsatzliche Anderung in der Zusammensetzung der Spaltzucker auftritt, Versuche Nr. 1 und 6, da13 ohne Gegenwart von Alkali eine geringe Methylierung erfolgt, und Versuch Nr. 4, da13 die Hydrolyse mit uberkonzentrierter Salz- saure zu ahnlichen Ergebnissen wie die Methanolyse bei sehr geringem Chlorwasserstoffgehalt fuhrt, ohne daB aber in Salz- saure unlosliche Ruckstiinde an Methylcellulose verbleiben. Auch Versuche an faseriger Ramie mit verschiedenen Tauchlaugen- konzentrationen (Nr. 7-1 2) fuhren zu annahernd denselben Ver- haltnissen fur die Spaltzucker.

Aus den in Tab. 2 gegebenen Spaltzuckerausbeuten geht hervor, da13 im wasserloslichen Anteil das Verhaltnis der Spaltzucker gegen- uber dem wasserunloslichen Anteil zugunsten der hoher methy- lierten Zucker verschoben ist. Beim acetonloslichen Teil erfolgt diese Verschiebung noch starker als beim wasserloslichen Teil. In keinem Fall tritt die Bildung eines e inzigen Spaltzuckers auch nur andeutungsweise hervor.

*) Fur die uberlassung der einheitlichen Methylzucker danken wir herzlich Herrn Professor D. J. Bell, Cambridge und Herrn Dr. T. E. Timell, Montreal.

Wber die Konstitution der Alkalicellulose

EinfluB der Wassermenge bei der Methyl ierung der Alkalicellulose mi t Jodmethy l

Der durch quantitative Bestimmung der entstehenden Spalt- zucker ermittelte EinfluB ist in dem nachfolgenden Schema 1 gra- phisch dargestellt. Es ergibt sich, daB unter den von Sugihara und W olfr om angegebenen Bedingungen erst oberhalb von 0,l Mol H20/NaOH/C,H,,05 eine merkliche Methylierung einsetzt. Zwi- schen einem Wasserzusatz von 0,88 Mol bis etwa 1,7 Mol und auch noch daruber hinaus bis 3,7 Mol Wasser ist kein grundsatzlicher Unterschied in der Zusammensetzung der verschiedenen Spalt- zucker festzustellen, so daB die entscheidenden Versuche der Tab. 1 und 2 mit einem Wassergehalt von etwa 1 Mol H,O/C,H,,O, durch- gefuhrt worden sind.

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Die Met hyl ie rung von Cel lulosepraparaten mi t Diazo- me than nach Head und Si tch in Gegenwart von Wasser

Fur den Vergleich dieser Reaktion mit der vorangehend unter- suchten wurde die Vorschrift der englischen Autoren fur Methy- lierung und partielle Hydrolyse (n/,-Schwefelsaure, 9O0, 27 Stunden)

126 H e s s , H e u m a n n und L e i p o l d

exakt eingehalten. Daruber hinaus wurde der ungeloste Anteil, der in erster Naherung der Menge der kristallinen Anteile der Ausgangs- cellulose entsprechen soll, der Hydrolyse mit 41-proc. Salzsaure unterworfen und anschlieflend wurden beide Hydrolysenprodukte mittels Papierchromatographie quantitativ analysiert. Dabei wurde der bereits von Si tch fur den in verd. SBure loslichen Anteil er- brachte qualitative Nachweis uber die Anwesenheit von Glukose, Mono-, Di- und Trimethylglukosen quantitativ erganzt (Tab. 3) und die Bildung von mindestens 2 definierten Dimethylglukosen sicher- gestellt (vgl. Fig. 2) .

Ta.b. 3 zeigt, da13 auch in dem bei der Hydrolyse mit ve<d. Schwefelsaure unloslichen Ruckstand doch eine grol3ere Menge an methylierten Anteilen vorliegt (50 %), als aus der englischen Unter- suchung hervorgeht. Wie bei der Reaktion mit Jodmethyl und Alkalicellulose sind die Spaltzucker bei dem loslichen Anteil zu- gunsten der hoher methylierten Zucker verschoben.

Diskussion der Ergebnisse

Bet rach tung des s tochiometr ischen Verhaltnisses bei der Methylierung

Da die bei der Methylierung der Alkalicellulose mit Jodmethyl aufgenommenen Methoxylgruppen genau dem vorhandenen Natrium der Alkalicellulose entsprechen (Tab. 1, Spalten 9 bzw. 3 und 8), ist bei der Umsetzung der Alkalicellulose mit Jodmethyl eine Methylierung der Cellulose ohne Beteiligung von NaOH ausge- schlossen. Ebenso komnit eine Umsetzung von Na bzw. NaOH mit Jodmethyl ohne gleichzeitige Methylierung der Cellulose nicht in Frage.

Die Vollstandigkeit der Umsetzung zwischen Jodmethyl und Alkalicellulose beweist, da13 bei genugend hoher Tauchlaugen- konzentration die unter den Spaltzuckern festgestellte Glukose nicht auf Unvollstandigkeit in der Bildung von Alkalicellulose oder in der Methylierung selbst zuruckgefiihrt werden kann, sondern da13 diese lediglich deshalb entstanden ist, weil das vorhandene Alkali, das ursprunglich je C,-Gruppe 1 Mol NaOH entspricht, fur eine Hohermethylierung anderer C6- Gruppen verbraucht wird.

SchlieBlich zeigt auch die Bilanz der Tab. 1, da13 in der ver- wendeten Alkalicellulose exakt 1 Mol NaOH je C,H,,O, gebunden ist. Im Sinne dieser Feststellung mu13 auch die Mafinahme von Sugihara und Wolfrom betrachtet werden, nach der die Methy- lierung angeblich dadurch vervollstandigt wird, da13 nach der ersten

Uber die Konstitufion der Alkalicellulose 127

Umsetzung der Alkalicellulose mit Jodmethyl nochmals alkalisiert und weitermethyliert wird. Dies erweist sich fiir die Umsetzung als unnotig, da sich dadurch an dem Verhaltnis der entstandenen Spalt- zucker nichts andert. Bei Methylierungsprodukten aus Alkalicellu- lose mit geringer Tauchlaugenkonz. (etwa 6% NaOH), mit denen nur die gitterungeordneten Bereiche erfal3t werden, zeigt das Spalt- zuckergemisch keine andere Verteilung seiner Komponenten als das aus vollstandig alkalisierten Fasern. Offenbar spielt sich die Reak- tion in den gitterungeordneten Anteilen in gleicher Weise ab wie in den gittergeordneten. Auf jeden Fall ist keine bevorzugte Bil- dung einer Monomethylglukose festzustellen.

Neben der Mischung der verschiedenen Monomethylglukosen, die in Hohe von etwa 20-35% auftreten, entstehen 10-25y0 Dimethyl- glukosen und etwa 5-15y0 Trimethylglukose. Die Mengen an Di- und Trimethylglukose sind so grol3, da13 die Annahme der Bevor- zugung einer einzigen OH-Gruppe bei der Alkalisierung bzw. der anschlieaenden Methylierung sicher nicht zutrifft .

Sta t i s t i s che Vertei lung der Methylgruppen in den Reakt ionsprodukten

Bei der vorliegenden Versuchsfixhrung kam es in erster Linie darauf an, samtliche Spaltzucker bei moglichster Anlehnung an die von Sugihara und Wolfrom befolgte Vorschrift fiir die Dar- stellung der Methylcellulose zu erfassen. W o 1 from und Mitarbeiter isolierten demgegeniiber nur ein einziges Spaltstuck, das sie in Form des 2-Methylglukose-diathylmerkaptals durch Anreicherung mittels Saulenchromatographie und Umkristallisieren reinigten. Fiir das Rohprodukt des Merkaptals geben sie eine Ausbeute von 52% mit dem Schmp. 115-125O an, aus dem durch weiteres Umkristallisieren das reine Merkaptal mit dem Schmp. 156-157O hervorgeht. Aus den weiteren Angaben der Autoren kann man bestenfalls eine Ausbeute an Methylglukose von tatsachlich nur 28% folgern, was etwa der Groflenordnung der in Tab. 1 angegebenen Menge an Monomethyl- glukosen entspricht. Beriicksichtigt man, da13 neben 20-35% Mono- methylglukosen noch 10-25% Dimethylglukosen und 5-15y0 Trimethylglukose, dann aber noch etwa 30% methylfreie Glukose aus der W olfromschen Methylcellulose gebildet werden, dann kommt man iiberzeugend zu dem Ergebnis, da13 bei der Methylierung von wasserfreier Natriumcellulose mit Jodmethyl in Gegenwart von so vie1 Wasser, wie zur Durchfiihrung der Reaktion mindestens not- wendig ist, keine ,,gerichtete Substitution" stattgefunden haben kann, sondern da13 bei dieser partiell methylierten Cellulose vermutlich eine mehr oder weniger statistische Verteilung der Methylgruppen vorliegt . Die Berechnung der Substituenten bei

128 H e s s , H e u m a n n und L e i p o l d

der statistischen Verteilung erfolgte nach dem Ansatz von S p u r lin9).

Die Berechnung von Spur l in gilt fur solche Reaktionen, die aus- schliel3lich durch die Reaktionsgeschwindigkeit und nicht durch ein chemisches Gleichgewicht gesteuert werden, wobei folgende Voraus- setzungen gelten :

1. Rein statistische Verteilung der Substituenten nach dem Ge- setz der Wahrscheinlichkeit ;

2. drei methylierbare OH-Gruppen je C,, Vernachlassigung der Endgruppen ;

3. Reagens im UberschuS, so daB Konzentration als konstant anzunehmen ist und die Reaktion nach erster Ordnung ablauft ;

4. jede OH-Gruppe weist dieselbe Reaktionsbereitschaft auf, die sich wahrend des Reaktionsablaufes nicht andert.

Aus Tab. 4, in der die berechneten Ergebnisse den gefundenen gegenubergestellt sind, geht hervor, daS in allen Fallen mehr Tri- methylglukose, als der Berechnung entspricht, gefunden wird. Dies wird verstandlich, wenn man annimmt, daB die vierte Voraus- setzung nicht exakt zutrifft, sondern daB die OH-Gruppen an den Oberflachen der Cellulosemicellen reaktionskinetisch bevorzugt sind (EinfluS der Diffusion ins Innere der Micellen). Man gewinnt aber aus den Ergebnissen durchaus den Eindruck, daB es sich bei den Reaktionsprodukten in erster Naherung um eine statistische Ver- teilung der Methylgruppen handelt ; die Abweichungen durften auch durch den verhaltnismaSig langen Arbeitsgang bei der Aufarbeitung der Methylierungsprodukte und die geringe Untersuchungsmenge begrundet sein.

Vergleich der Spal tungsergebnisse mi t denen von Timell bei Methyl ierungsprodukten von Cellulose mi t Dimethyl-

su l fa t i n waSrig-alkalischem Medium Zum Vergleich sind in Tab. 4, Spalte 5, 9, 13 und 17 die Spalt-

zuckerergebnisse von Time 1110) aufgenommen. Die Spaltzucker- ausbeuten von Time 11 stimmen weitgehend mit denen fur die Methylierung nach Sugihara und Wolfrom uberein. Die Werte fur Trimethylglukose liegen allerdings in unserem Falle etwas hoher, was neben der bevorzugten Oberflachenreaktion auf einen zusatz- lichen Methoxylgehalt bei der Methylierung mit Jodmethyl in Ab-

8, J. Amer. chem. SOC., 61, 2222 (1939); vgl. dazu auch T. E. Timell , Hand- lingar s. 92.

l o ) Handlingar S. 148, Tab. 39, 8. 167, Tab. 54.

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130 H e s s , H e u m a n n und L e i p o l d

wesenheit von Alkali zuruckgeht, wobei nachweislich eine kleine Menge an Trimethylglukosegruppen gebildet wird. Die sonstige ubereinstimmung ist um so uberraschender, als es sich um zwei Reaktionen unter sehr verschiedenartigen Bedingungen handelt . Wir stimmen daher Timells Auffassung uber eine annahernd statisti- sche Verteilung der Substituenten in den Reaktionsprodukten bei unvollstandiger Methylierung der Cellulose in vollem Umfang zu.

Im Hinblick auf die Gultigkeit dieses Substitut'ionstyps bei den beiden sehr verschiedenen Durchfiihrungsarten der Methylierung wird unsere Zustimmung zu der Annahme von Timell auch auf das seinerzeit von He s s und Mitarbeitern5) als Hemi-Methylcellulose bezeichnete Reaktionsprodukt ausgedehnt, zumal die damals von diesen gefundenen quantitativen Verhaltnisse fur die verschiedenen Spaltzucker nach Timell ebenfalls durch ein angenahertes statisti- sches Verhaltnis wiedergegeben werden konnen. Das damals fur die Hemi-Methylcellulose gefundene Rontgendiagramm ist als Ausdruck eines der statistischen Verteilung entsprechenden Gitterzustandes anzusprechen.

Auch die oben behandelte Methylierung von Cellulose mit Diazo- methan fuhrt zu einer annahernd statistischen Verteilung der auf- genommenen Methylgruppen (Tab. 4, Spalten 6 , 10, 14 und 18). Auch bei dieser Reaktion ist der Unterschied im Reaktionsverhalten von gittergeordneten und gitterungeordneten Teilen nicht so aus- gepragt , daB man hierauf eine Unterscheidung beider Bereiche grunden konnte.

Diesen drei im Zusammenhang betrachteten Methylierungs- reaktionen der Cellulose steht vorerst noch die interessante Um- setzung von Cellulose-Thallaten mit Jodmethyl nach P u r vesll) gegenuber, bei der sich die Umsetzungen weitgehend auf die gitter- ungeordneten Bereiche beschranken, so da13 ihre Bestimmung aus der Methylzahl nach Ansicht des Autors moglich ist.

Kons t i t u t ion der Alkalicellulose u n d Re a k t i on s me c h a n i s m u s

Nachdem erwiesen ist, daB sich die in Frage stehende Methy- lierung bei Cellulose nicht ohne Gegenwart eines definierten Wasser- gehaltes vollzieht, ist es nicht wahrscheinlich, daB die Alkalicellu- lose in Form eines ,,echten" Alkoholates vorliegt lla). Wenn auch die notwendige Wassermenge verhaltnismaBig gering ist (etwa 1 Mol

11) Paper Trade J. 110, 29 (1940) vgl. Tab. 11, Vers. 10. Ila) Fiir den analogen Fall der Stiirke vgl. K. M. Gaver, U. S. Patent 2397732

(1946), S.3: ,,The alkali starchate (alcoholate) produced by my method when tested by titration and chemical reactions definitely prove that the starch derivative formed is not an addition or co-ordinated compound but a true alcoholate of starch."

Uber die Konstitution der Alkalicellulose 131

H,O je C6H.1005),. so kann sie doch durchaus genugen, um eine moglicherweise primar vorliegende Alkoholatbindung zu spalten.

Fur die Art der anzunehmenden Bindung des NaOH an die Cellu- lose neigen wir zu der Auffassung, da13 dieses ahnlich wie in Na-Cell I auf Grund von Dipolkraften gebunden ist. Hierdurch erklart sich die nachgewiesene Bildung al l er moglichen Methylzucker, indem die Dipolbindung fur NaOH sich nicht mehr auf e in bestimmtes OH der C,-Gruppen beschrankt.

Eine solche Bindungsart wird durchaus verstandlich, wenn auch diese Alkalicellulose wie Na-Cell I eine Schichtgitter-Struktur be- sitzt, bei der das NaOH in Schichten eingelagert ist.

Auch die Bildung nicht substituierter Glukosegruppen in der entstandenen Methylcellulose neben entsprechend hochsubstitu- ierten wird verstandlich. Da die eingebauten NaOH-Molekiile in den Schichten zunachst gleichma13ig verteilt sind, ist gemaB der Zusammensetzung im Durchschnitt 1 NaOH einer C6Hlo0,-Gruppe zugeordnet. Nachdem fast 1/3 aller C,-Einheiten bei der Methy- lierung keine Methylaufnahme erfahren hat, andere C,-Einheiten aber mehrere, d. h. bis zu 3 Methylgruppen aufnehmen, mu13 man folgern, da13 das Alkali bei der Reaktion in dem sich umsetzenden Gitter starke P la tzvergnderungen erfahrt, was bei der dipol- artigen Bindung in den Schichten unter verhaltnismaSig milden Reaktionsbedingungen moglich erscheint (nicht aber bei einer fixierten Alkoholatbindung).

Zur Frage der verschiedenen Reakt ionsbere i t schaf t der OH- Gruppen bei Subs t i tu t ionsreakt ionen a n Cellulose

im Faserverband Wenn nach verschiedenen Autoren12-ls) immer wieder das

2-Hydroxyl in Cellulose bzw. auch Starkelg) wegen angeblich saurer Eigenschaften bevorzugt reagieren soll, so ist dazu grundsatzlich folgendes zu berucksichtigen : Bei der Durchfuhrung chemischer Reaktionen an Cellulose und ebenso auch an Starke handelt es sich urn Umsetzungen im festen Zustand, bei der die Reaktionsbereit- schaft einer OH-Gruppe zunachst ausschliefilich vom Gitterbau und der dadurch bedingten Zuganglichkeit fur das Reagens abhangt.

12) T. Lieser,Liebigs Ann. Chem. 464, 43 (1928); 470, 104 (1929). 1s) T. Lieser u. E. Leckzyck, Liebigs Ann. Chem. 511, 137 (1934). 14) P. Schorigin u. N. N. Markarowa, Ber. dtsch. chem. Ges. 69, 1713 (1936). 1 5 ) W. H. Heddle u. E. G. V. Percival, J. chem. SOC. [London] 1939, 249. 16) K. Lauer, R. Jeks u. L. Stark, Kolloid-Z. 110, 26 (1945). 1') T. E. Timell, Svensk Papperstidn. 56, 383 (1953). 18) P. Karrer, Helv. chim. Acta 4, 169 (1921). 1s) K. M. Gaver, U. S. Patent 2397732 (1946).

132 H e s s , H e u m a n n und L e i p o l d

Dies gilt sowohl fur die in der Regel heterogen bzw. micellar- heterogen verlaufenden Reaktionen, als auch fur die eingangs er- wahnte Schichtgitterreaktion bei der Umsetzung der Alkalicellulose mit Schwefelkohlenstoff. Bei heterogenen Reaktionen wird der Um- satz bevorzugt durch die Geschwindigkeit der Diffusion des Reagens an den Reaktionsort geregelt, die meist gegenuber der chemischen Reaktionsgeschwindigkeit so klein ist, dafi an sich unterschiedliche Reaktionskonstanten von OH- Gruppen uberhaupt nicht wirksam werden konnen. Wiirde die Diffusionsgeschwindigkeit durch das Reaktionsmedium und sonstige Mafinahmen so erhoht werden, da13 die verschiedenen Reaktionskonstanten wirkungsvoll werden konn- ten, so kann die Lage z. B. einer OH-Gruppe im Gitter fur die chemische Umsetzung so ungiinstig sein, dafi andere OH-Gruppen mit an sich niedrigeren Reaktionskonstanten trotzdem bevorzugt werden. Die Ausbildung von Wasserstoffbrucken zwischen Sauer- stoffatomen bei riiumlich gunstiger Lage sind dabei zu beruck- sichtigen. Es ist danach nicht angangig, fur eine bestimmte OH- Gruppe in der C,-Einheit allgemein ein bevorzugtes Reaktions- vermogen anzunehmen, auch wenn dies z. B. fur homogene Um- setzung der Zucker erwiesen ist. Tatsachlich haben sich bisher auch alle experimentellen Befunde nicht als stichhaltig fur den Nachweis des Gegenteils erwiesen.

Bei der gegebenen Vorstellung uber den heterogenen Reaktions- ablauf ist auch eine s t r e n g statistische Verteilung der Substituenten in den Reaktionsprodukten nicht zu erwarten. 1st die Diffusions- geschwindigkeit gro13 genug, so kann, wie im vorliegenden Falle, nur eine angenahert statistische Verteilung herauskommen. Dann ist fur die in Frage stehende Platzwechselreaktion des NaOH der Methylierung eine sehr hohe Geschwindigkeit anzunehmen, damit die Voraussetzung 4 uber die Reaktionsbereitschaft aller OH- Gruppen wahrend des Reaktionsablaufes gewahrleistet ist.

Grundsatzlich andere Verhaltnisse in bezug auf den Aufbau der Reaktionsprodukte bei partieller Substitution von Cellulose sind bei Schichtgitterreaktionen zu erwarten, wie sie erstmalig und bisher ausschliefilich fur die Umsetzung von Alkalicellulose mit Schwefel- kohlenstoff beobachtet worden sind.

Experimentelles

Hers t e l lung d e r Alka l ice l lu lose u n d Methy l i e rung Die Darstellung der Alkalicellulose aus umgefallter Cellulose (Fallung von

Schweizer-Losung durch Saure), ihre Aufbereitung und Trocknung erfolgte exakt nach den Angaben von Sug iha ra und Wolfrom. Bei der Verwendung von faseriger Ramie wurde diese aus Vergleichsgriinden zunachst mercerisiert (19-proc. NaOH, 2 Stunden, 20°, in iiblicher Weise ausgewaschen und getrocknet), zur Herstellung der Alkalisierungsprodukte erneut getaucht (6-, 8-, 19- und

Uber die Konstitution der Alkalicellulose 133

NaOH- Gehalt Cell. No1

35-proc. NaOH) und mit Butanol entwassert. Die 6-proc. Alkalisierungslauge wurde gewiihlt, weil hierbei noch keine Andeutungen der Rontgeninterferenzen von Na-Cell1 erkennbar sind, so da13 angenommen werden kenn, da13 sich im wesentlichen die Alkalisierung auf die gitterungeordneten Bereiche beschriinkt. Bei 8-proc. Lauge traten bei der verwendeten Hydrat-ramie die ersten An- deutungen fur die Alkalisierung auf. Bei Verwendung von 35-proc. Natronlauge entsteht Na-Cell I1 statt Na-Cell I, deren Rontgenbild bei Verwendung von Hydratcellulose besonders gut ausgebildet ist. Nach der Entwasserung durch azeotrope Destillation mit Butanol verhalt sich diese gegenuber Jodmethyl nicht anders als Na-Cell I.

Zur Ruckwasserung wurden die getrockneten Fasern im Exsiccator iiber verd. Natronlauge bis zur Aufnahme der in Tab. 1, Spalte 4 angegebenen Wasser- gehalte behandelt und die Praparate (3-5 g) unmittelbar mit uberschussigem Jodmethyl (10-25 g) in geschlossenem Rohr Stunden bei 100° methyliert.

Tab. 5 EinfluB der HC1-Konz. bei der Spal tung von Methylcellulose auf die Bildung von Methoxylgruppen; zum Vergleich Spaltung mi t 41-proc.

Salzsiiure

Spaltprodukt

% 1 Mol

Veranderung Unlosl. OCH,- d. OCH, Ruckst. Gehalt zu Sp. 3/6

Nr. 1 4 : 0,9% HCl/CH

Methanolyse

ber. I gef. % OCH, HC1

CH,OH Nr.

~

Nr.

Verseifung d. Glukosids

% OCH, entsprech. Mol-OCH, ber. I gef.

1

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

Tauchlauge % ig

2 6 8

19 35 6 8

19 35 6 8

19 35

3 i 4 / 5 / 6 0,35 0,52 1,04 1,16 0,38 0,43 1,08 1,16 0,33 0,58 1,12 1,15

10,5 895 693 3 8 0 0 0 0 0 0 0

l o

0,36 0,52 1,05 1,14 0 4 0,53 1,19 1,26 0,33 0,59 1,lO I 1913

+ 3,0 i 0,o + 1,o - 2,o + 16,O + 23,O + 10,o + 8,O * 0,o

~ + 290 ' - 2,o I - 270

134 H e s s , H e u m a n n und L e i p o l d

Zur Aufarbeitung wurde in allen Fiillen vom iiberschiissigen Jodmethyl ab- destilliert und dem Ruckstand durch erschopfende Behandlung mit Aceton Jodnatrium und acetonlosliche Methylcellulose entzogen. Vom Hauptprodukt wurde der gegebenenfalls - wie bei Verwendung von Ramie - vorhandene wasserunlosliche Anteil (etwa 80%) bei der Aufnahme in Wasser abgesondert und alle Anteile getrennt weiterverarbeitet, der acetonlosliche Riickstand zu- sammen mit dem Jodnatrium.

Spa l tung de r Methyl ie rungsprodukte Wiihrend bei der Verwendung von 0,9% HCl/Methanol, wobei etwa 4-10%

ungespalten bleiben, kein zusiitzlich alkohoLisches Methoxyl nachweisbar ist, beobachtet man bei 1,5 % HCl/Methanol unverkennbare Mengen von Anteilen, die unter diesen Bedingungen eine zusiitzliche Aufnahme von alkoholischem Methoxyl erfahren haben. Diese Feststellung ist auf Grund des Nachweises moglich, da13 die Msthylierung durch Jodmethyl iiquivalent dem anwesenden NaOH ist. In Tab. 5 ist zum Vergleich auch das Versuchsegebnis an reiner

F

E

D

C

B

Fig. 1. Chromatogramm der Spaltzucker von Methylcellulose aus azeotrop entwlsser-

ter Alkalicellulose und Jodmethyl

I Kiinstliche Mischung der reinen Substanzen

I1 Acetonlosliche Fraktion I11 Wasserlosliche Fraktion IV Wasserunlosliche Fraktion

A Glukose B Monomethylglukosen

E Trimethylglukose F Tetramethylglukose

C + D Dimethylglukosen

A

T I1 111 IV

Uber die Konstitution der Alkalicellulose 136

Glukose mit aufgenommen, die unter vergleichbaren Bedingungen unmittelbar der Einwirkung von HCl/Methanol unterworfen wurde, woraus eine zusiitzliche Aufnahme von alkoholischem Methoxyl in Hohe von 0,37 Mol hervorgeht.

Die Spaltung wurde dementsprechend mit uberkonzentrierter Salzsiiure in geschlossenem GefiiB 20 Stunden bei Raumtemperatur durchgefuhrt und durch anschlieBendes Kochen der auf 8 % Salzsiiure verd. Reaktionslosung vervoll- stiindigt. Zur Aufarbeitung wurde die Salzsiiure durch Silbercarbonat gefiillt, mit Schwefelwasserstoff entsilbert, gegebenenfalls mit wenig Tierkohle entfiirbt und zur Trockne verdampft.

Chromatographische Un te r suchungen Verwendetes Papier : Schleicher & Schiill Nr. 2043 B, Losungsmittelgemisch

n-Butanol - Wasser - Essigsiiure - 4 : 5 : 1, absteigendes Verfahren, 17 Std. bei Raumtemperatur, Entwicklung mit Anilinphthalat.

Dabei differenzieren sich, entsprechend den Flecken A-E in Fig. 1 Glukose (A), die ungetrennten Monomethylglukosen (B), schwach getrennt zwei Dimethyl- glukosen (C und D) und Trimethylglukose (E). In Fig. 1 entspricht Flecken- reihe I der kunstlichen Mischung der reinen Komponenten, unter die auch Tetra- methylglukose (F) mit aufgenommen war. Fleckenreihe I1 entspricht dem

Fig. 2. Trennung der Spaltzucker durch Elektrophorese

B2- B3- B6- B2- B3- B 6 - Monomethylglukosen in dem Spaltzuckergemisch

Kunstliche Mischung von Monomethylglukosen B 2- 2-Monomethylglukose B 3- 3-Monomethylglukose B 6- 6-Monomethylglukose

D C D+C Kunstliche Mischung von Dimethylglukosen

C 2,3-Dimethylglukose D 3,6-Dimethylglukose

Dimethylglukosen in dem Spaltzuckergemisch

136 H e s s , H e u m a n n und L e i p o l d

Spaltzuckergemisch der acetonloslichen Fraktion, I11 dem der wasserloslichen und IV dem der wasserunloslichen.

Zur Vervollstiindigung der Trennung bei den Dimethylglukosen und zur Trennung der Monomethylglukosen wurde papierelektrophoretisch mit Natrium- boratpuffer PH 8, 110 V, 2 mA, Raumtemperatur, 4-6 Stunden gearbeitet; Kontrolle an Mischungen der reinen Methylzucker (vgl. Fig. 2). Bei den Mono- methylzuckern gelingt die Trennung nur fur 2-Methylglukose. wiihrend 3- und 6-Methylglukose ungetrennt bleiben, wie aus dem Kontrollversuch mit den ein- heitlichen Zuckern hervorgeht.

Wenn auch eine Trennung von 3- und 6-Methylglukose bisher nicht moglich war, so ist es doch durchaus wahrscheinlich, daB b e i d e Methylzucker in dem gewanderten Fleck des Spaltzuckergemisches enthalten sind. Wie sich die drei Isomeren auf die getrennten Flecken verteilen, bleibt ungewil3. Auch bei Di- methylglukose war die Trennung fur zwei Isomere moglich, wobei die Identi- fizierung von 2,3- und 3,6-Dimethylglukose durch die Vergleichssubstanzen fest- gelegt ist. 2,6-Dimethylglukose stand nicht zur Verfugung.

Die Annahme, dal3 die papierchromatographisch und -elektrophoretisch bisher nicht trennbaren beiden Methylzucker in dem Spaltzuckergemisch ebenfalls vor- liegen, ist durch den von Timel l s ) auf priiparativem Wege erbrachten Nachweis in dem Spaltzuckergemisch aus unvollsttindig methylierter Cellulose nach dem Dimethylsulfat-Verfahren nahegelegt, wobei die Vergleichbarkeit beider Ver- fahren aus den oben gegebenen Grunden gerechtfertigt ist.

Die quantitative papierchromatographische Analyse erfolgte nach den Anga- ben von H a w t h o r n e z 0 ) , wobei die in Tab. 6 zusammengestellten Versuche a n kiinstlichen Mischungen durchgefuhrt wurden.

Tab. 6 Q u a n t i t a t i v e papierchromatographische T r e n n u n g an b e k a n n t e n

Mischungen a u s Glukose u n d e i n h e i t l i c h e n M e t h y l z u c k e r n

1. Bestg. 2. ))

3. ))

Mittel

I Glukose

49,8 48,l 49,l 49,O

-0,7

-3,O -1,3

-0,3

Fehler %

+ 4,4 + 08 +2,9 +2,7

16,4

17,5 17,l

17,5

gef. ?a

~

30,7 30,8 30,O 30,5

I

Fehler gef. Yo I Yo

Fehler %

-7,3 -0,6

-2,8

-

~~

Tri-Mgluk.

gef. %

3,6 3,4 394

- 3,1

Fehlergrenzen: f 3% beiMengen > 1,Omg (10,7-2,4 mg) k 10% )) )) < 1,0 mg (0,66--0,48 mg)

Testsubstanzen Einwaagelmg Anteil- yo Glukose 12,020 47,7

2,3,6-Trimethylglukose 0,958 333

2-Monomet~hylglukose 7,787 30,9 3,6-Dimethylglukose 4,435 17,6

Fehler %

-22,6 - 5,5 -11,8 -10,5

Der Geschiiftsleitung der Firma Glanzstoff-Courtaulds G.m.b.H. danken wir fur die Moglichkeit, die Ergebnisse zu veroffentlichen.

20) Nature 160, 714 (1947).

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