Über eine neue, ferromagnetische Modifikation des Eisen (III)-oxyds

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0. Glemser u. E. Gwinner. Neue ferromagnetische Modifikation usw. 161

Uber eine neue, ferromagnetische Modiiikation des Eisen (Ill)-oxyds l)

Von OSKAR GLEnasm und ERICH GWINNER Bekanntlich unterscheidet man zwei Oxyde des dreiwertigen

Eisens: Das hexagonal kristallisierende ct-Fe203 und das kubisch kristallisierende, ferromagnetische y - Fe,03. Trotzdem bis heute dnrch rontgenographische Untersuchungen kein neues Gitter eines Eisen(I1I)-oxyds entdeckt werden konnte, h d e n sich doch in der Literatur Stellen, die von anderen als den genannten Modifika- tionen zu berichten wissena). Htiufig wird die Annahme besonderer Modifikationen durch verschiedene chemische Eigenschaften det. Oxyde gestiitzt, obwohl beidemal die gleichen Rontgenlinien er- halten werden 3). Chemische Unterschiede berechtigen aber noch nicht eine solche Annahme, denn, wie FRICKE, BLASCHKE nnd SCHMITT 4, zeigten, konnen z. B. aktive (energiereiche) ZusTAnde e b und derselben chemischen Verbindung sich in ihren chemischen Eigenschaften anders verhalten. Auch ist bislang nmh nicht gana geklirt, inwiefern TeilchengroEenunterschiede oder Gitterstorungen einen EinfluE besitzen.

Kiirzlich teilte der eine von uns 6, eine Darstellungsmethode fur a-FeOOH (Goethit) aus Ferrosulfat und Wasserstoffperoxyd mit? wobei ein gelbes Zwischenprodukt erbdten wurde, das rontgeno- graphisch nicht identifiziert werden konnte. Aus diesem Grunde haben wir die Oxydationsprodukte von E’errosalzl6sungen untersucht und ihre rontgenographische Identifikation, soweit moglich, versucht. Ober die Produkte, die in alkalischer Losung durch Oxydation er- halten wurden, berichtet diese Mitteilung.

l) Vgl. die kurze Mitteilung in Naturwiss. 26 (1938), 739. 2, C. C. BIDWELL, Physic. Rev. 10 (1917), 756; G. F. HUTTIQ, Z. anorg. allg.

Chem. 937 (1938), 209; G, F. HUTTIQ, Z. Elektroehem. angew. physik. Chem. 41 (1935). 527; S. HILPERT, Ber. dtsch. chem. Ges. 70 (1937), 1440; weitere Literatur: GMELIN-KRAUT, Handb. d. anorg. Chem., 8. Aufl., Bd. FeB, S. 74.

*) S. HILPERT, 1. c. 4) R. FBICKE, F. BLASCHKE u. C. SCHMITT, Ber. dtsch. chem. Ges. 71

(1938), 1738. 0. GLEYSER, Ber. dtsch. chem. Ges. 70 (1937), 2117.

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Vor einiger Zeit beschrieb CHEVALLIBR l) ein ferromagnetisches Eisen(II1)-oxyd (Herstellung durch Oxydation von Ferrosulfat), das abweichende Eigenschaften von dem kubisch kristallisierenden, ferro- magnetischen y-Fe,O, aufwies. Weil es schon bei kurzem Erhitzen auf 100 O grofitenteils seinen Magnetismus verliert, faBte CHEVALIER dieses Oxyd als neue Art eines ferromagnetischen Eisenoxyds auf. (Die Identifikation durch eine Rontgenaufnahme unterlieB er jedoch.) Zudem widerlegte er in seiner Arbeit die Theorie HILPERT’S ,), nach der man nur dann zu ferromagnetischen Eisen(III)-oxyden kommt, wenn man bei der Oxydation von Ferrosalzlosungen iiber das Zwischenprodukt Ferroferrit geht.

CEEVALLIER ging von Ferrosulfatlosungen aus und oxydierte sie mit Wasserstoffperoxyd. Die giinstigsten Bedingungen fiir die Entstehung seines ferromagnetischen Produktes sind stark alkalische Losung @is 14 n-NaOH) und eine Arbeitsternperatur von 45-50° C. Die Zwischenstufe des Ferroferrits wird dabei nicht erhalten. HIL- PERT ging ebenfalls von Ferrosulfatlosungen aus. Er beniitzte ver- schiedene Oxydationsmittel, wie Wasserstoffperoxyd, Ammonium- persulfat und erhielt die starksten Grade der Magnetisierbarkeit, wenn er frisch ausgef alltes Eisenoxyduloxyd unter kochendem Wasser mit Persulfat oxydierte.

Wir haben, wie in der Beschreibung der Versuche eingehend daxgelegt wird, die Angaben von CHEVALLIER und HILPERT nach- gepriift, die Versuchsbedingungen, sowie das Ausgangsmaterial variiert und dabei immer dieselben Interferenzen erhalten. Fur die im rontgenographischen Teil beniitzten Praparate wurden Oxyde ver- wendet, die ohne die Zwischenstufe des Ferroferrits aus E’errosulfat entstanden waren.

Rintgenographischer Teil

Zur rontgenographischen Untersuchung der Pulverpraparate wurde gefilterte Fe- Strahlung benutzt; bei einem Teil der Auf- nahmen wurde ein Monochromator verwandt. (Kammerradius 28,7 mm.) Wahrend ein ungetempertes Praparat nur 4 Linien auf- wies, konnten bei einem 30 Stunden bei SOo getemperten Praparat noch 3 weitere schwache Linien mit hohem Ablenkungswinkel fest- gestellt werden. Die Lage der 4 inneren Linien stimmte zwar etwa mit der Lage starker Interferenzen von cc-Fe,O, bzw. y-E’e,O,

I) R. CHEVALLIER, Compt. rend. 184 (1927), 674. 9, S. HILPERT, Ber. dtsch. chem. Ges. 42 (1909), 2248.

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iiberein, in ihrer Intensitat und Form sind jedoch die gefundenen Interferenzen vollkommen verschieden von den Interferenzen der bekannten Fe,O,-Gitter, so daB sine Erkliarung bspw, durch fjber- lagerung der Linien beider Gitter ausgeschlossen ist. Auch die Deutung der Interferenzen durch ein gedehntes a-Gitter, wie es H. FORESTIER und G. GUIOT-GUILLAIN l) bei einem ferromagnetischen Eisenoxyd aus Fe,O,. 4Be0 gefunden haben, ist in unserem Falle nicht moglich. Es ist vielmehr als sicher anzunehmen, dab die Interferenzen von einer neuen, bis jetzt noch nicht bekannten Modifikation von Eisen(III)-oxyd herriihren.

Die beobachteten Reflexe lassen sich durch Annahme einer hexagonalen Elementarzelle mit den Achsen a = 5,09 A und c = 4,41 erkraren. Mit dem Achsenverhaltnis c/a = +fi stimmt uberein, daB nur Reflexe auftreten, fur die h - L = 3n ist. I n der Tabelle sind Lage, Linienform und IntegrttlintensitSit der Inter- ferenzen eingetragen.

Tabelle 1 Pulveraufnahme mit monochromatischer Fe-Strahluna

8 scharf 22,4 146 144 1 1 0 10 ’breit 26,2 195 192 1 1 1 10 sehr breit 34,9 328 336 1 1 2 8 scharf 40,9 428 432 3 0 0 1 scharf 49,5 579 576 2 2 0

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Berechnet man die Dichte unter der Annahme, daB 2 Mole- kiile pro Zelle vorhanden sind, so erhalt man e R = 5,32. Experi- mentell fanden wir [nach der Methode von BILTZ~) im Pyknometer mit Nitrobenzol] g p = 4,7. Zum Vergleich sei angegeben, daB die Rontgendichte fur a-Fe,O, QR = 5,35 betriigt, wahrend die experi- mentell bestimmten Werte zwischen 4,8 und 5,3 ,) schwanken.

Die verschieden breite Form der Linien erklirt sich dadurch, daB die Kristallite blattchenf ormig ausgebildet sind. Ihre Aus- dehnung in Richtung der c-Achse ist wesentlich geringer a l s in der Ebene senkrecht dam. Diese Kristallitform ist gerade bei hexa-

l) H. FORESTIER u. C. GUIOT-CUILLAIN, Compt. rend. 199 (1934), 720. 8) W. BILTZ u. E. BIRP, Z. anorg. allg. Chem. 134 (1924), 130. 9 R. FBICKE-HUTTIC+, Oxyde und Oxydhydrate, Leipzig 1937, Akad. Verl.

Ges. S. 316; MALAGUTI, Compt. rend. 66 (1862), 350; 56 (1863), 467. 11*

sehr breit 52,O 621 624 2 2 1 3 0 2 sehr breit 60,5 759 I 768 I 2 2 2 0 0 4 0

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gonalen Gittern verhaltnismaBig haufig und wurde z. B. auch bei a--Fe,O,l) nachgewiesen. Die in der Tabelle an sich als scharf bezeichneten Reflexe sind infolge der Kleinheit der Teilchen eben- falls etwas verbreitert.

Die Rbntgenaufnahmen der Temperprodukte des ferromagne- tischen Eisenoxyds ergaben bei einem Praparat, das 3 Stunden auf 1 loo erhitzt wurde, das Anftreten von a-Fe,O,-Linien. Allerdings ist anzunehmen, daI3 nicht alles Oxyd in a-Fe,O, umgewandelt ist -, wenn auch ausschlieI3lich a-Fe,O,-Reflexe auftreten - weil die ferromagnetischen Eigenschaften nicht vorsohwunden sind. Bei Oxyden, die unter l l O o getempert wurden, bewirkt selbst sehr lange Dauer des Temperns keine Umwandlung in a-Fe,O,.

Geht man bei der Herstellung der ferromagnetischen Oxyde iiber das Zwischenprodukt Ferroferrit, so erhalt man teilweise neben den Interferenzen des neuen Eisenoxyds auch die von y-Fe,O,. Dieses Ergebnis ist verstandlich, da sich aus dem gebildeten Ferro- ferrit nur y-Fe,O, bilden kann, der Rest des Fe(OH),, der direkt ohne Zwischeestufe oxydiert wird, geht in das neue Eisenoxyd iiber. J e ranger man mit der Zugabe des Oxydationsmittels wartet, um so mehr Ferroferrit bildet sich durch den Luftsauerstoff und um so weniger besteht die Moglichkeit, daI3 nachher im Rontgen- bild die Reflexe des neuen Eisenoxyds neben denen des y-Fe,O, auftreten konnen.

Oxydiert man also Ferrosalzlosungen in alkalischer Losung, SO entsteht, wenn die Gelegenheit zur Bildung von Ferroferrit unter- bunden wird, immer das neue ferromagnetische Eisenoxyd. Da seine Existenz durch Rontgenogramm und Herstellungsverfahren sichergestellt ist, schlagen wir vor, das neue Eisenoxyd &Fe,O, - zum Unterschied von a-Fe,O, und y-Fe,O, - zu benennen.

Beclchreibung der Versuche

I. 5 g Ferrosulfat werden in 40 cms Wasser gelost, dazu gibt man eine Losung von 50 g NaOH in 60 cm8 Wasser (SilbergefaBe; Kiihlung) und anschliefiend 15 cm3 15 iges Wasserstoffperoxyd. Die Temperatur stieg auf 38O. Das ausgefallene Produkt ist von tiefbrauner Farbe und stark ferromagnetisch. Es wird bis zur SO,"-freiheit dekantiert und gewaschen und dann 2 Tage bei 450 getrocknet.

l) R. FRICKE u. P. ACKERMANN, 2;. Elektrochem. angew. physik. Chem. 40 (1934), 630.

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Analyse eines bei 80 O getrockneten Praparats: Rontgenaufnahme: d-F%O, Gef. Fe,O, 90,54O/,, 90,26O/,, Gliihverl. 9,07 o/o

(Bei 10 sttindigen Stehen iiber Pp06 bei 35’: 7,7O/,.) Na’ Spur; SO: nicht vorhanden; Fe” nicht vorhanden’).

11. Statt Ferrosulfat wird FeC1,. 6H,O in den Konzentrationen von I. angewandt. Das Praparat hat tiefbraune Farbe und ist stark ferromagnetisch.

Riintgenaufnahme : d-Fe,O, (112 stark verwaschen, vgl. Tabelle)

IlI. Zu 40 cms einer m/25 Ferrosulfatlosung gibt man 80 cms 4 1 2 NaOH. Man schiittelt mit Luft bis zur Schwarzgriinftirbung des Niederschlages und gibt in der Kalte 20 cm* loo/, ige Ammo- niumpersulfatlosung zu; der Niederschlag f arbt sich braunschwarz. Nach weiterer Zugabe von 70 cm3 10 O l 0 iger Ammoniumpersulfat- losung wird etwa eine Viertelstunde gekocht. Das braune, stark ferromagnetische Oxyd wird dekantiert und dann bei 60 O getrocknet.

Rontgenaufnahme : 6-Fe,O,, wenig y-Fe,O,. SO,”: Spur; Fe”: nicht vorhanden.

IV. 40 cms m/25 NaOH fiigt man zu 20 cms m/50 LSsung von Ferrosulfat. Es wird mit Luft bis zur Schwarzgriinfarbung geschiittelt. Zunachst gibt man in der Kalte 45 cms einer lou/, natronalkalischen Ammoniumpersulfatlosung zu und kocht dann nach der Oxydation 6 Minuten lang. Das braune ferromagnetische Pro- dukt wird gewaschen und bei 60° getrocknet.

Rontgenaufnahme: d-F%O,; wenig r-Fe,O,. Priiparat frei von SO,“ und Fe“.

V. Wird wie Praparat IV dargestellt. Man oxydiert aber erst in der Hitze, d. h. die alkalische Ammoniumpersulfatlosung wird kurz vor dem Sieden zugegeben. Aufarbeitung wie bei IV, braunes, stark ferromagnetisches Produkt.

Riintgenaufnahme : a-F%O,; wenig 7-Fe,O,. SO,“ und Fe” nicht vorhanden.

Zutammenfassung

1. Bei der Oxydation von Ferrosalzlosungen in alkalischer L6sung entsteht ferromagnetisches &Fe,O,.

I) Die Priifung auf Fe” erfolgte nach W. H. ALBBECHT, Ber. dtsch. chem. Gea. 62 (1929), 1475.

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2. Die Linienlagen werden durch eine hexagonale Elementar- zelle erkl5irt. gR = 5,32 (2 Molekiile pro Zelle); 4 (Pyknometrie) = 4,7. In einer Tabelle sind Lage, Linienform und Intregalintensitat der Interferenzen angegeben.

3. Die teilweise vorhandene Linienverbreiterung wird durch eine blattchenformige Ausbildung der Kristallite erklart. Die Aus- dehnung der Kristallite in Richtung der c-Achse ist wesentlich geringer, als in der Ebene senhecht dazu.

4. Bei 3 stundigem Erhitzen auf l l O o wandelt sich S-Fe,O, in ac-Fe,O, um.

Herrn Prof. Dr. Dr. R. FRICKE, dem Direktor des Instituts, sind wir fiir Unterstutzung dieser Arbeit zu Dank verpflichtet.

a = 5,09 A; c = 4,41 A; c/a = SvZ.

Stuttgart, Laboratorium fiir anorganische Chemie und anor- ganisch-ch emische Te chnob gie.

Bei der Redaktion eingegangen am 22. Oktober 1938.

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