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Unterrichtsdiagnostik – Voraussetzung f�r dieVerbesserung der Unterrichtsqualit�t

ANDREAS HELMKE/TUYET HELMKE/GERLINDE LENSKE/GIANG PHAM/ANNA-KATHARINA PRAETORIUS/FRIEDRICH-WILHELM SCHRADER/

MANUEL ADE-THUROW

Die Sicherung und Weiterentwicklung der Unterrichtsqualit�t ist ein Anliegen, dasjeden Lehrer betrifft; zugleich handelt es sich um eine F�hrungsaufgabe der

Schulleitung. Die Forschung hat gezeigt, dass die Qualit�t des Unterrichts und dieProfessionalit�t der Lehrkr�fte die Schl�ssel sind, um das Lernpotenzial der Sch�lerauszuschçpfen. Wenn Schulen aber die Qualit�t des Unterrichts verbessern wollen,

bençtigen sie daf�r geeignete Instrumente zur Diagnostik der Unterrichtsqualit�t. Dievon uns im Auftrag der KMK entwickelten Materialien zu „Evidenzbasierten Methodender Unterrichtsdiagnostik (EMU)“ bieten daf�r Hilfen an. Sie kçnnen seit Januar 2011

kostenlos im Internet eingesehen, heruntergeladen und genutzt werden, siehewww.unterrichtsdiagnostik.info.

Inhaltsverzeichnis

1 Basiswissen1.1 Was ist Unterrichtsdiagnostik und warum ist sie

erforderlich?1.2 Wie kann das Kollegium zum Mitmachen motiviert

werden?1.3 Welche Szenarien der Durchf�hrung haben sich in

der Praxis bew�hrt?1.4 Welche Gelingensbedingungen m�ssen beachtet

werden?1.5 Welche Anforderungen werden an die Schulleitung

gestellt?1.6 Was folgt aus der Unterrichtsdiagnostik f�r die

Unterrichtsentwicklung?

2 Weiterf�hrende Literatur

3 Arbeitshilfen3.1 Evidenzbasierte Methoden der

Unterrichtsentwicklung (EMU)3.2 Beispiele f�r die Triangulation auf der Grundlage

der EMU-Software3.3 Beispiel f�r die Diagnose von

Unterrichtsver�nderung und Unterrichts-entwicklung

Anmerkung: Aus Gr�nden der besseren Lesbar-keit verzichten wir auf „politisch korrekte“,aber sprachlich unelegante geschlechtsneutraleFormulierungen; „Lehrer“ steht also f�r „Leh-rerinnen und Lehrer“, „Schulleiter“ f�r „Schul-leiterinnen und Schulleiter“ und „Sch�ler“ f�r„Sch�lerinnen und Sch�ler“ usw.

1 Basiswissen

1.1 Was ist evidenzbasierteUnterrichtsdiagnostik, und warum ist sieerforderlich?

Bei „Diagnose“ denkt man im allt�glichen Sprach-gebrauch h�ufig zun�chst an die Medizin undhier eher an die Identifikation von Krankheitenund ihren Ursachen (Pathogenese), hingegen weni-ger an die Gesundheitsfçrderung (Salutogenese). Ineinem weiteren Sinne bedeutet das aus dem Grie-chischen stammende Wort Diagnose lediglich, et-was genau zu unterscheiden, und wer dies kann,ist ein Diagnostikos („zum Unterscheiden begabt“).Auf den Bereich von Schule und Unterricht �bertra-gen geht es darum, Maßnahmen einzusetzen, dieder Weiterentwicklung und der Verbesserung vonKompetenzen dienen, und diese im Hinblick aufbestimmte Soll- oder Zielzust�nde zu optimieren.Diagnostik heißt deshalb hier zun�chst einmalnur, dass Informationen gesammelt werden, umeine Bestandsaufnahme durchzuf�hren, also denIst-Stand festzustellen, bevor man versucht, die an-gestrebten Ziele (= Soll-Stand) auf mçglichst effek-tive Weise zu erreichen. Dieser Ablauf – erst Infor-mationen oder Daten sammeln, dann Ver�nderun-gen in Gang setzen und diese Ver�nderungen daten-geleitet zu �berpr�fen – wird auch als evidenzba-siertes Vorgehen bezeichnet. Evidenzbasierungheißt, „dass Entwicklungsentscheidungen auf derBasis von gepr�ften Informationen fallen und in ih-rer Umsetzung empirisch evaluiert werden m�ssen“(Altrichter, 2010, S. 220).

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Was den Unterricht betrifft, finden solche Be-standsaufnahmen haupts�chlich in Form von offi-ziellen Unterrichtsbesuchen durch die Schulleitungsowie durch Lehrproben und Unterrichtsbeobach-tungen im Rahmen der externen Evaluation statt.Unterrichtshospitationen sind somit eher selteneEreignisse und oft auch mit einem gewissen Evalua-tionsdruck verbunden. Im Schulalltag f�hrt derLehrer meist ein Einzelk�mpferdasein. Aufgrundmangelnden kollegialen Feedbacks bildet er sichmeist selbst – auf der Basis von unsystematischenBeobachtungen und R�ckmeldungen – ein Urteil�ber die Qualit�t des eigenen Unterrichts. DiesesUrteil wird vielfach nicht weiter reflektiert, ge-schweige denn nach außen kommuniziert undbleibt daher oftmals implizit (Schrader & Helmke,2001). Dass das damit verbundene Wissen seineGrenzen hat, zeigt sich dann, wenn man Lehrkr�fteum Einsch�tzungen des eigenen Unterrichts bittetund diese mit realen Daten vergleicht. So hat etwadie von uns f�r die KMK durchgef�hrte DESI-Video-studie des Englischunterrichts in der neunten Jahr-gangsstufe (T. Helmke et al., 2008) gezeigt, dassLehrkr�fte ihren eigenen Sprechanteil im Unterrichtmassiv untersch�tzen.

WasAspektederUnterrichtsqualit�tanbelangt, f�rdie es keine objektiven Kriterien gibt, zeigen wissen-schaftliche Befunde, dass die Selbsteinsch�tzungender Lehrkr�fte einerseits und Einsch�tzungen durchSch�ler und externe Beobachter andererseits kaum�bereinstimmen (Clausen, 2002; Helmke, 2010).

Ergebnisse wie diese sind �brigens nur auf denersten Blick erstaunlich. Eine korrekte Selbstein-sch�tzung w�rde ja voraussetzen, dass man parallelzum unterrichtlichen Handeln von einer Meta-ebene aus ein kontinuierliches Monitoring des eige-nen Handelns durchf�hrt, dass man also st�ndigdas eigene Verhalten und dessen Auswirkungen be-obachtet und bilanziert. Damit w�ren Lehrer ange-sichts der Komplexit�t des Lehr-Lern-Geschehensim Klassenzimmer jedoch vollkommen �berfordert.Der bekannte Unterrichtsforscher Doyle (2006) hatdie Unterrichtssituation durch folgende Merkmalecharakterisiert:l Multidimensionalit�t (es finden viele Ereignisse

statt),l Gleichzeitigkeit (vieles passiert zur gleichen Zeit),l Unvorhersehbarkeit (vieles ist nur begrenzt vor-

hersagbar),l Unaufschiebbarkeit (man ist meist nicht inder La-

ge, die eigenen Reaktionen aufzuschieben) undl Relevanz f�r k�nftiges Handeln (wenn einmal in

bestimmter Weise entschieden wurde, ist damith�ufig ein Pr�zedenzfall geschaffen).

Will man den eigenen Unterricht weiterentwickeln,dann ist es zun�chst nçtig, zutreffende Informatio-nen �ber den eigenen Unterricht zu erhalten. Dieserfordert angesichts der Komplexit�t des Unter-richts und der Beschr�nkungen der menschlichenInformationsverarbeitung zwingend eine Außen-sicht. Eine solche kann z. B. durch kollegiale Hospi-tation, durch virtuelle Hospitation (der Unterrichtwird videografiert) oder durch Sch�lerfeedback ge-schaffen werden. Ohne einen solchen „fremdenBlick“ schweben Versuche der Unterrichtsver�nde-rung in der Gefahr des „Stocherns im Nebel“.Noch wahrscheinlicher ist, dass Unterrichtsver-�nderungen gar nicht erst erwogen werden, weilder Bedarf verkannt wird.

Horster und Rolff fassen die Problematik treffendzusammen: „Je l�nger Lehrkr�fte im Beruf sind,desto schwieriger wird es, eingefahrenen Routinenzu entkommen. Das gilt im �brigen auch f�r an-dere Berufe. Mit der Zeit kçnnen sich die immergleichen ‚Fehler� einschleichen, die nicht einmalvon einem selbst bemerkt werden. Wenn viele Lehr-kr�fte diese blinden Fehler zwar unbewusst sp�ren,sie aber nicht bewusst wahrnehmen und somitauch nicht �ndern kçnnen, hilft hier R�ckspiege-lung (Feedback) durch Dritte weiter . . . . Obwohldie tagt�gliche Arbeit von Lehrerinnen und Lehrernnun einmal das Unterrichten ist und Verbesserun-gen logischerweise nur durch Reflexion der eigenenT�tigkeit auf der Grundlage von Datenerhebungen,wie z. B. Unterrichtsbeobachtungen, erreicht wer-den kçnnen, wird dieses oftmals als unerw�nschtesEindringen in die ‚Privatsph�re� der Unterrichten-den missverstanden“ (2001, S. 196 f.).

Arbeitshilfe 30 71 01:Evidenzbasierte Methoden derUnterrichtsentwicklung (EMU)

1.2 Wie kann das Kollegium zum Mitmachenmotiviert werden?

Der Lehrerberuf ist �ußerst anstrengend und diezeitlichen Ressourcen von Lehrpersonen sindknapp bemessen. Es w�re daher unrealistisch zu er-warten, dass sich Schulen spontan und enthusias-tisch mit der Unterrichtsdiagnostik besch�ftigen.Unter diesen Umst�nden kommt es entscheidenddarauf an, ob es der Schulleitung oder der Studien-seminarleitung gelingt, ihr Kollegium davon zu�berzeugen, dass sich eine aktive Teilnahme lohnt.Ein Unternehmen wie die Unterrichtsdiagnostikfunktioniert nicht per Anordnung, sondern nurdann, wenn es vom Kollegium mitgetragen wird.

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Es muss sich f�r die Kollegen lohnen, Zeit und Ener-gie in ein solches Projekt zu investieren.

Im Folgenden sind einige mçgliche Argumenteaufgef�hrt, die man als Schulleitung ins Feld f�h-ren kann, wenn man das Kollegium/das Team �ber-zeugen will:l Appell an die Professionalit�t der Lehrerkollegin-

nen und -kollegen,l als Schulleitung selbst teilnehmen und somit

„Lernen am Modell“ ermçglichen,l kollegiales Feedback als Schritt zur Entwicklung

einer innerschulischen Kooperationskultur,l Hinweis auf Vorgaben und Empfehlungen in

Schulgesetzen und Orientierungsrahmen,l Sch�lerfeedback als Mittel, um das Lernklima in

der Klasse zu verbessern und unseriçsen Praktiken(wie www.spick-mich.de) den Wind aus den Se-geln zu nehmen,

l Wertsch�tzung innovativer Vorhaben durchSchulaufsicht und Schultr�ger,

l Orientierung an erfolgreichen Beispielen guterPraxis,

l Unterrichtsdiagnostik als ein Schritt in RichtungExzellenz (Zertifizierung, G�tesiegel),

l Dokumentation des Unterrichtsdiagnostik-Pro-gramms auf der Schul-Homepage,

l hohe Wertsch�tzung von Initiativen der Unter-richtsdiagnostik seitens der Eltern.

Als wirksam hat sich nach unserer Erfahrung in derErprobungsphase eine gut strukturierte Einf�h-rungs- oder Informationsveranstaltung erwiesen,die es ermçglicht, ein Instrument der Unterrichts-diagnostik wie EMU kennen zu lernen und aus-zuprobieren. Die Organisation des Tages sollteeine Steuergruppe �bernehmen; f�r den Inputund als Moderator kçnnte ein externer Referent ge-wonnen werden.

1.3 Welche Szenarien der Durchf�hrung habensich in der Praxis bew�hrt?

Abbildung 1 veranschaulicht die Architektur undmçgliche Szenarien der Unterrichtsdiagnostik amBeispiel des EMU-Instruments.

Abb. 1: Architektur des Programms „Unterrichtsdiagnostik“

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In Abbildung 1 werden drei Phasen unterschie-den:

A) Vorbereitung: Diese Vorbereitung zu initiierenund entsprechende Gremien zu etablieren, ist eineF�hrungsaufgabe der Schulleitung, unterst�tztdurch Kollegen. Die in der Erprobung gewonnenenErfahrungen zeigen, dass ohne eine sorgf�ltige Vor-bereitung durch eine (Steuer-)Gruppe der Erfolgfraglich ist.

B) Der Einstieg in die Unterrichtsdiagnostik kannauf unterschiedliche Weise erfolgen.l Traditionell geschieht dies durch eine zentrale

Veranstaltung im Kollegium, bei der in die The-matik eingef�hrt wird, gefolgt von einer Praxis-phase: Unterrichtsvideo zeigen, den Unterrichtmit dem Ratingbogen beurteilen, Ergebnisse ein-geben, datenbasiert �ber Dissens und Konsensdiskutieren. F�r eine solche Einf�hrungsveran-staltung wird auf der EMU-Website eine Power-point-Pr�sentation zur Verf�gung gestellt und eswerden Hinweise auf geeignete k�uflich erwerb-bare Unterrichtsvideos gegeben. Ab Sommer2011 steht f�r Trainingszwecke ein eigenes Videoeiner authentischen Unterrichtsstunde auf derWebsite www.unterrichtdiagnostik.info (Real-schule, Englischunterricht in der neunten Klasse;Lehrer ist Manuel Ade-Thurow, Coautor des EMU-Studienbriefs).

l Denkbar ist auch ein Start in Gestalt einer punktu-ellen Nutzung, sozusagen eines „Schnupper-Ein-satzes“ des EMU-Instruments im Rahmen einerkollegialen Hospitation oder durch Sch�lerfeed-back; auch dies kann Auftakt oder Startschussf�r den Einstieg in eine systematische Unter-richtsentwicklung sein. Theoretisch kann nat�r-lich auch eine einzelne Lehrperson, ohne Integra-tion in ein systematisches Schulentwicklungspro-gramm, mit der Unterrichtsdiagnostik beginnen,z. B. durch den Abgleich von Selbsteinsch�tzungund Sch�lerfeedback. Dies kçnnen durchaus ersteSchritte in Richtung einer Tandemstruktur undkollegialen Kooperation sein.

C) Durchf�hrung: Das Herzst�ck von EMU ist einl�ngerfristiges Unternehmen einer Diagnostik undReflexion des Unterrichts mit dem Ziel einer syste-matischen und evidenzbasierten Weiterentwick-lung des Unterrichts.

Arbeitshilfe 30 71 02:Beispiele f�r die Triangulation auf derGrundlage der EMU-Software

1.4 Welche Gelingensbedingungen m�ssenbeachtet werden?

In der wissenschaftlichen Literatur zur Schulent-wicklung wird zu Recht darauf hingewiesen unddie Praxis der Unterrichtsdiagnostik best�tigt es:Der Erfolg des Unternehmens h�ngt von wichtigeninstitutionellen und auch von individuellen Bedin-gungen ab.

Auf institutioneller Seite sind die Chancen f�rein Gelingen der Unterrichtsdiagnostik umso hç-her, je mehr Schulen bereits eine Kultur der Koope-ration und fachbezogenen Zusammenarbeit entwi-ckelt haben. Eine weitere Gelingensbedingung istdie externe Unterst�tzung bei der Rezeption, Nut-zung und Umsetzung zur�ckgemeldeter Informa-tionen. Als herausragend wichtig erwies sich beiden Befragungen im Rahmen der Erprobung vonEMU, dass ausreichende Ressourcen zur Verf�gungstehen, insbesondere Zeit f�r Hospitation und an-schließende Reflexion.

Auf individueller Ebene erfordert die erfolgreicheDurchf�hrung der Diagnostik vor allem die F�hig-keit und Bereitschaft zur Selbstreflexion, gekoppeltmit der F�higkeit, im Team zu arbeiten. Das Ver-st�ndnis der zur�ckgemeldeten Unterrichtsbeurtei-lungen erfordert zudem ein Mindestmaß an Ver-trautheit mit graphischen Darstellungen empiri-scher Ergebnisse. Ganz allgemein gesagt muss essich – wie schon erw�hnt – f�r eine Lehrperson sub-jektiv lohnen, sich an der Unterrichtsdiagnostik ak-tiv zu beteiligen, d. h. der erhoffte Gewinn (Nutzen,Ertrag) muss grçßer sein als bef�rchtete Kosten(Zeitverlust, Verunsicherung).

Nat�rlich kann es durchaus sein, dass die Unter-richtsdiagnostik auch unter ung�nstigen Umst�n-den gelingt, z. B. in Schulen, in denen sich nochkein fçrderliches kooperatives Klima und nochkeine Feedbackkultur entwickelt haben. Der Einsatzdes EMU-Programms unter solchen Bedingungen istjedoch riskant, weil Fehlschl�ge dazu f�hren kçn-nen, entsprechende Aktivit�ten ganz einzustellen.

1.5 Welche Anforderungen werden an dieSchulleitung gestellt?

Analog zu anderen Unterrichtsentwicklungsmaß-nahmen nimmt die Schulleitung auch bei der Un-terrichtsdiagnostik eine Schl�sselposition ein.Scheerens, Glas & Thomas (2003) formulieren typi-sche Merkmale von unterrichtswirksamen Schullei-tungen (vgl. Bonsen 2009, S. 53). Bezogen auf dieAnforderungen an Schulleitungen bei der Unter-richtsdiagnostik lauten diese:

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Schulleitungenl „r�cken die Aufmerksamkeit in der Schule auf den

Unterricht“: Mit der Entscheidung, Unterrichtsdi-agnostik zu praktizieren, fokussieren sie die Un-terrichtsentwicklung an ihrer Schule und machensie so zur „Chefsache“. Gemeinsam mit einerSteuergruppe erarbeiten sie ein schulspezifischespraktikables Konzept.

l „werden in Unterrichtsfragen anerkannt und mi-schen sich ein“: Sie bem�hen sich daher um dieWeiterentwicklung ihrer diagnostischen und be-raterischen Kompetenzen, indem sie EMU inihrem eigenen Unterricht einsetzen. Eine erfolg-reiche Einf�hrung und eine etablierte Feedback-kultur vorausgesetzt sind auch beratende Unter-richtsbesuche unter Verwendung des Instrumentsdenkbar. Individuell von der Lehrkraft ausge-w�hlte oder gemeinsam vereinbarte Bereichevon Unterrichtsqualit�t werden in einem bewer-tungsfreien Raum thematisiert. Dies kann zurWeiterentwicklung der Lehrkraft beitragen.

l „fçrdern unterrichtsbezogene Lehrerkoopera-tion“: Sie unterst�tzen die Lehrkr�fte bei derOrganisation der kollegialen Unterrichtsbesucheund schaffen organisatorische Rahmenbedin-gungen zur Durchf�hrung der Feedbackgespr�-che (z. B. in Form von Zeitfenstern w�hrend Ko-operationszeiten).

l „fçrderndie Professionalisierung der Lehrerinnenund Lehrer“: Auf Basis der R�ckmeldungen derLehrertandems, aus persçnlichen Gespr�chenund beratenden Unterrichtsbesuchen leiten sieeinen Bedarf an schulinternen und externen Fort-bildungen ab. Diese kçnnen wiederum die Profes-sionalisierung der Lehrkr�fte stimulieren.

Eine von der Schulleitung gefçrderte und unter-st�tzte systematische Unterrichtsdiagnostik greiftaktuelle Tendenzen einer „personenorientierten Un-terrichtsentwicklung (Coaching, Feedback, Hospi-tationen usw.)“ (Rolff 2011, S. 177) auf. Sie kanndann wichtige Impulse f�r die Schulentwicklunggeben: Weg von der Einzelk�mpfermentalit�t, vonder noch immer vorherrschenden Vorstellung desUnterrichts als Privatangelegenheit – hin zumTeamplayer und zu einer professionellen Lern-gemeinschaft (vgl. den Beitrag 81.15 von S. Hu-ber/S. Hader-Popp, 2006).

1.6 Was folgt aus der Unterrichtsdiagnostik f�rdie Unterrichtsentwicklung?

Wer kennt nicht die Spr�che wie „Vom Wiegenwird die Sau nicht fetter“ oder „Entwickeln statt

vermessen“? Das sind populistische Floskeln, die al-lerdings einen wahren Kern enthalten: Diagnostikohne nachfolgende Maßnahmen („Von Daten zuTaten“) ist nicht sinnvoll. Gleichzeitig suggerierendiese Spr�che, Diagnostik sei f�r Verbesserungendes Lehrens und Lernens gar nicht notwendig –eine schwerwiegende Fehleinsch�tzung, die auseiner anachronistischen, empiriefeindlichen Ein-stellung resultiert und noch keineswegs �berall�berwunden ist. Inzwischen besteht breiter Kon-sens, dass beides nçtig ist: eine solide Standort-bestimmung und daraus abgeleitete Konsequenzen.Anders ausgedr�ckt: Diagnostische Informationensind nur dann konstruktiv, wenn sie auf Seiten derbeteiligten Lehrpersonen Lernprozesse anstoßen,deren Ergebnis oder Erfolg wiederum der �berpr�-fung zug�nglich sein muss.

Arbeitshilfe 30 71 03:Beispiel f�r die Diagnose von Unterrichts-ver�nderung und Unterrichtsentwicklung

Abbildung 2 verdeutlicht diesen Zyklus. F�r diePraxis ist dabei wichtig, dass ein Einstieg an jederStelle dieses Zyklus erfolgen kann; die evidenzba-sierte Unterrichtsdiagnostik kann, muss aber nichtam Anfang stehen.

Abb. 2: Zyklus: Diagnostik – Reflexion – Intervention –Evaluation

Ebenso wie f�r guten Unterricht gibt es auch hierkeinen Kçnigsweg, sondern je nach Sachlage undvorhandenen Ressourcen kommt die gesamte Band-breite von Maßnahmen der Unterrichtsentwicklungin Betracht: von �berregionaler bis hin zu schul-interner Fortbildung, von Lehrerverhaltenstrai-nings bis hin zu Formen des Coaching, vom Trai-ning des Umgangs mit Disziplinproblemen bis zurFçrderung von Methoden- und Lernkompetenzen,von Varianten des Microteaching bis hin zum Ler-nen aus Videos. Hierzu gibt es inzwischen ein reich-haltiges Angebot an Kursen, Videos und Literatur

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(f�r einen �berblick vgl. Bastian, 2007; Horster &Rolff, 2001; Rolff et al., 2009).

Ein entscheidender Gesichtspunkt ist dabei, dassder Prozess des wechselseitigen Austauschs �ber Un-terricht im Rahmen der Hospitation selbst bereits„eine der effektivsten Lernformen in der Lehrerfort-bildung“ (Miller, 2004, S. 217) ist: „Die LehrerInnenerleben sich nicht als Einzelk�mpfer, sondern als ler-nende Gruppe, die durch den gemeinsamen Blickauf die Sache ’Unterricht’ dadurch auch ihre Bezie-hungen zueinander fçrdern. Es erhçht sich dieWahrnehmungsf�higkeit, was sich wiederum aufdie Selbstwahrnehmung im eigenen Unterricht posi-tiv auswirkt. Die vielf�ltigen R�ckmeldungen der Be-obachtenden verhelfen zum Perspektivwechsel undzu Einsichten und erleichtern Ver�nderungen voneingeschliffenen Verhaltensweisen“ (S. 217). Millerweist zugleich auf wichtige Gelingensbedingungenf�r die Unterrichtsdiagnostik im Tandem hin, n�m-lich auf ein Klima der Wertsch�tzung und des Ver-trauens sowie auf Vertrautheit mit Grundregeln desGebens und Nehmens von Feedback: „LehrerInnensind es gewohnt, ’auf der Korrigiererseite’ zu stehen.Sie erleben die R�ckmeldungen von KollegInnen alsKorrigiertwerden (. . .). Deshalb geschieht die eigent-liche Ver�nderung im Kopf: Die Unterrichtshospita-tion als Unterst�tzung und Hilfe zu sehen, und zwardurch kritische Freunde und nicht durch Kritikas-ter“ (S. 217). Die Schl�sselrolle der kollegialen Hos-pitation (Kempfert & Ludwig, 2008; Strahm, 2008)und der gemeinsamen Reflexion �ber Unterrichtmit dem Ziel, ihn systematisch zu verbessern, wirdauch von der neueren Literatur zur Schulentwick-lung unterst�tzt, z. B. Bonsen (2011), Buhren (2011)und Rolff (2011).

2 Literatur

l Altrichter, H.: Schul- und Unterrichtsentwicklungdurch Datenr�ckmeldung. In: H. Altrichter & K.Maag Merki (Hrsg.): Handbuch Neue Steuerungim Schulsystem (S. 219–254). Wiesbaden, VS Ver-lag f�r Sozialwissenschaften, 2010

l Bastian, J.: Einf�hrung in die Unterrichtsentwick-lung (P�DAGOGIK-Studium). Weinheim und Ba-sel, Beltz, 2007

l Bonsen, M.: Kooperative Unterrichtsentwick-lung. In: H.-G. Rolff (Hrsg.): Qualit�t mit System.Eine Praxisanleitung zum UnterrichtsbezogenenQualit�tsmanagement (UQM) (S. 99–118), Kçln,Carl Link, 2011

l Bonsen, M.: Schulleitung, Schuleffektivit�t undUnterrichtsentwicklung – Was wissen wir �berdiesen Zusammenhang? In: H.-G. Rolff/E. Rhi-now & T. Rçhrich (Hrsg.): Unterrichtsentwick-lung – eine Kernaufgabe der Schule. Die Rolleder Schulleitung f�r besseres Lernen (S. 44–58),Kçln, Link Luchterhand, 2009

l Buhren, C.: Kollegiale Hospitation. Verfahren,Methoden und Beispiele aus der Praxis. Kçln,Carl Link, 2011

l Clausen, M.: Unterrichtsqualit�t: Eine Frage derPerspektive? M�nster, Waxmann, 2002

l Doyle,W.:Ecologicalapproachestoclassroomma-nagement. In: C. M. Evertson & C. S. Weinstein(Hrsg.): Handbook of Classroom Management.Research, Practice and Contemporary Issues(S. 97–125),Mahwah,NJ,LawrenceErlbaum,2006

l Helmke, A.: Unterrichtsqualit�t und Lehrerpro-fessionalit�t. Diagnose, Evaluation und Verbesse-rung des Unterrichts. 3. Auflage. Seelze, Klett-Kallmeyer, 2010

l Helmke, A./Helmke, T./Lenske, L./Pham, G. H./Praetorius, A.-K./Schrader, F.-W. & Ade-Thurow,M.: Studienbrief Unterrichtsdiagnostik. ProjektEMU (Evidenzbasierte Methoden der Unterrichts-diagnostik) der Kultusministerkonferenz. Land-au, Universit�t Koblenz-Landau, Campus Land-au, 2011, www.unterrichtsdiagnostik.info

l Helmke, A. & Schrader, F.-W.: Merkmale der Un-terrichtsqualit�t: Potenzial, Reichweite und Gren-zen. SEMINAR – Lehrerbildung und Schule, 3,17–47, 2008

l Helmke, T./Helmke, A./Schrader, F.-W./Wagner,W./Nold, G. & Schrçder, K.: Die Videostudie desEnglischunterrichts. In: DESI-Konsortium(Hrsg.): Unterricht und Kompetenzerwerb inDeutsch und Englisch. Ergebnisse der DESI-Studie(S. 345–363). Weinheim, Beltz, 2008

l Horster, L. & Rolff, H.-G.: Unterrichtsentwick-lung. Grundlagen, Praxis, Steuerungsprozesse.Weinheim, Beltz, 2001

l Huber, S. G. & Hader-Popp, S. (2006). Von Kolle-gen lernen: professionelle Lerngemeinschaften.In: Bartz, A./Dammann, M./Huber, G./ Kloft, C.& M. Schreiner (Hrsg.): PraxisWissen SchulLei-tung (Kap. 81.15). Kçln, Wolters Kluwer, 2006

l Kempfert, G. & Ludwig, M.: Kollegiale Unter-richtsbesuche. Besser und leichter unterrichtendurch Kollegen-Feedback. Weinheim, Beltz, 2008

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l Miller, R.: 99 Schritte zum professionellen Lehrer.Erfahrungen, Impulse, Empfehlungen. Seelze,Friedrich Verlag, 2004

l Rolff, H.-G.: Unterrichtsentwicklung als ChangeManagement. In: H.-G. Rolff (Hrsg.): Qualit�tmit System. Eine Praxisanleitung zum Unter-richtsbezogenen Qualit�tsmanagement (UQM)(S. 175–181), Kçln, Carl Link, 2011

l Rolff, H.-G./Rhinow, E. & Rçhrich, T. (Hrsg.): Un-terrichtsentwicklung – eine Kernaufgabe derSchule. Die Rolle der Schulleitung f�r besseres Ler-nen (Praxishilfen Schule). Kçln, Link Luchter-hand, 2009

l Scheerens, J./Thomas, S. M. & Glas, C. A. W.: Edu-cational Evaluation, Assessment and Monitoring– A Systematic Approach (Contexts of Learning).Lisse, Swets & Zeitlinger, 2003

l Schrader, F.-W. & Helmke, A.: Allt�gliche Leis-tungsbeurteilungen durch Lehrer. In: Weinert,F. E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen(S. 45–58), Weinheim, Beltz, 2001

l Strahm, P.: Qualit�t durch systematisches Feed-back. Grundlagen, Einblicke und Werkzeuge.Bern, Schulverlag, 2008

Hinweis: Der gesamte EMU-Studienbrief kannunter www.unterrichtsdiagnostik.info (stattinfo kann auch verwendet werden: .de, .net,.com, .eu) heruntergeladen werden.

3 Arbeitshilfen

Folgende Angebote finden Sie in unserem Online-An-gebot unter www.praxiswissen-schulleitung.de (inKlammern finden Sie die jeweilige Nummer der Ar-beitshilfe):

3.1 Evidenzbasierte Methoden der Unterrichts-entwicklung (EMU)(Nr. 30 71 01)! abgedruckt

3.2 Beispiele f�r die Triangulation auf der Grund-lage der EMU-Software (Nr. 30 71 02)

3.3 Beispiel f�r die Diagnose von Unterrichtsver-�nderung und Unterrichtsentwicklung(Nr. 30 71 03)

Prof. Dr. Andreas Helmke,Universit�t Koblenz-Landau (Fachbereich Psychologie,Abteilung Entwicklungspsychologie und Bildungsfor-schung)

Tuyet Helmke,wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Psycho-logie an der Universit�t Koblenz-Landau

Gerlinde Lenske,wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Psycho-logie an der Universit�t Koblenz-Landau

Giang Pham,wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Psycho-logie an der Universit�t Koblenz-Landau

Anna-Katharina Praetorius,wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Psycho-logie an der Universit�t Koblenz-Landau

Friedrich-Wilhelm Schrader,wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Psycholo-gie an der Universit�t Koblenz-Landau

Manuel Ade-Thurow,Realschullehrer und Lehrerfortbildner, Mitarbeit amEMU-Projekt

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Arbeitshilfe 30 71 01: Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsentwicklung (EMU)

Andreas Helmke u. a., Unterrichtsdiagnostik – Voraussetzung f�r die Verbesserung der Unterrichts-qualit�t, 30.71

Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsentwicklung (EMU)

Was ist EMU?EMU ist ein Akronym f�r Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung. Es handeltsich dabei um ein handlungsorientiertes Programm, das an der Universit�t Koblenz-Landau im Auftrag derKultusministerkonferenz entwickelt und deutschlandweit umfassend erprobt wurde.

Welches Material bietet EMU?Das Material umfasst:l eine Brosch�re mit Links zu weiterf�hrenden Texten und Websites,l Instrumente f�r die Unterrichtsdiagnostik aus Lehrer-, Kollegen- und Sch�lersicht zu den folgenden Unter-

richtsqualit�tsbereichen: Effiziente Klassenf�hrung, Sch�leraktivierung, Lernfçrderliches Klima und Motivie-rung, Klarheit und Strukturiertheit, Bilanz, Umgang mit Vielfalt/Individualisierung, Kompetenzorientierung/Orientierung an den Bildungsstandards, fachliche/fachdidaktische Qualit�t und Lehrersprache,

l Software f�r die Visualisierung der Ergebnisse.

Der komplette Satz Fragebçgen f�r Sch�ler/innen, unterrichtende Lehrpersonen und hospitierende Kollegenbefindet sich auf der EMU-Website. Es werden unterschiedliche Versionen f�r m�nnliche und weibliche Lehr-person angeboten, um in den Fragebçgen politisch korrekte, aber sprachlich unelegante Formulierungen wie„der Lehrer/die Lehrerin“ zu vermeiden. Auch die erforderliche Software samt Manualen kann von der EMU-Website heruntergeladen werden: www.unterrichtsdiagnostik.de.

An wen richtet sich EMU?Das Programm richtet sichl vorrangig an Schulen und hier prim�r an die Schulleitungen sowie an die Fachgruppen und, falls vorhanden,

Steuergruppen f�r Qualit�tssicherung,l andie zweite Phase der Lehrerausbildung in Studienseminaren, dort sowohl andie Lehrenden (Seminar- und

Fachleiter) als auch an die Lernenden (Referendare, Lehramtsanw�rter/-innen),l an Seminare der universit�ren Lehrerausbildung, entsprechend angereichert mit wissenschaftlich vertiefen-

dem Material,l an Experten und Multiplikatoren in Ministerien/Erziehungsdirektionen, Landesinstituten, Schulaufsicht und

Qualit�tsagenturen.

Welche Ziele hat EMU?Der Einsatz des Programms kann unterschiedliche Ziele erreichen helfen, je nachdem, welche Module desVerfahrens (Individualfeedback, Sch�lerfeedback) und welcher Veranstaltungstyp (Einf�hrungsveranstaltungim Kollegium, punktuell eingesetztes Sch�ler- oder Individualfeedback oder langfristig angelegte Unterrichts-diagnostik und -entwicklung in Schulen) gew�hlt werden.

Hier ein �berblick �ber wichtige Ziele:l Standortbestimmung: Erkennen von St�rken und Schw�chen des eigenen Unterrichtsl Bewusstmachung eigener subjektiver Theorien des Lehrens und Lernensl Erkennen blinder Flecken bei der Unterrichtswahrnehmungl Sensibilisierung f�r Heterogenit�t innerhalb der Klassel Datenbasierte Vereinbarung von Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Unterrichtsl Datenbasierter kollegialer Austausch �ber Unterricht im bewertungsfreien Rauml Austausch �ber ein gemeinsames Leitbild guten Unterrichts im Team oder Kollegiuml Schulentwicklung durch „�ffnung der Klassenzimmert�ren“ und Austausch �ber Unterrichtl Wertsch�tzung der Sch�ler/-innen: Nutzung der Fragebogeninstrumente f�r Sch�lerfeedback

Unterrichtsdiagnostik – Voraussetzung f�r die Verbesserung der Unterrichtsqualit�t30.71

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Welche Bereiche des Unterrichts werden durch EMU erfasst?F�r EMU wurden vier Prozessmerkmale der Unterrichtsqualit�t ausgew�hlt:1. Effiziente Klassenf�hrung2. Lernfçrderliches Klima und Motivierung3. Klarheit und Strukturiertheit und4. Sch�leraktivierung.

Diese Prozessmerkmale sind Schl�sselmerkmale eines effektiven Unterrichts und stehen auf gesichertem em-pirischem Fundament. Das heißt: G�nstige Auspr�gungen dieser Merkmale sind fçrderlich f�r den Lerner-folg. Erg�nzend kommt

5. ein Bilanzbereich hinzu, d. h. eine bilanzierende Einsch�tzung der jeweiligen Stunde in affektiv-emotionaler(Wohlf�hlen), motivationaler (Interessantheit) und in kognitiver Hinsicht (Lernertrag, Passung).

Wie ist EMU aufgebaut?l Das Instrument ist modular aufgebaut. Man kann z. B. (a) eine Auswahl aus den genannten f�nf Bereichen

treffen, (b) die eigene Sicht nur mit einer anderen Perspektive (z. B. nur des Kollegen) abgleichen. Dar�berhinaus besteht die Mçglichkeit, den Basisbereich („Fundamentum“) um einen Zusatzbereich („Additum“)zu erg�nzen. Dies kçnnen Vertiefungen der vorhandenen Qualit�tsbereiche (z. B. zus�tzliche Items zur Akti-vierung), spezifische Fragen zu fachdidaktischen Qualit�tsaspekten oder zu Schwerpunkten des Schulpro-gramms (z. B. Demokratie lernen) sein oder es kann sich um zus�tzliche, auf ausgew�hlte Sch�ler gerichteteBeobachtungsauftr�ge handeln. In der Erprobungsphase haben Schulen das Fundamentum von EMU auchdadurch angereichert, dass sie einschl�gige Fragen aus den Instrumenten der Externen Evaluation (Qualit�ts-agentur) ihres Bundeslandes bzw. Kantons hinzugef�gt haben. Wir stellen f�r diesen Zusatzbereich auf dero. g. Website zus�tzliche Itempools zur Verf�gung. Zum einen handelt es sich um zus�tzliche Items zur Ver-tiefung eines vorhandenen Qualit�tsbereiches (z. B. Lernfçrderliches Klima, Aktivierung), zum anderen gibtes Itempools zur Anreicherung des Fundamentums um weitere Qualit�tsbereiche, die kontinuierlich weiter-entwickelt und erg�nzt werden: zum Umgang mit Vielfalt, zum kooperativen Lernen, zur Lehrersprache so-wie zur Kompetenzorientierung (Thematisierung von Bildungsstandards).

l Gegenstand ist nicht, wie z. B. beim Selbstevaluationsinstrument SEIS (http://www.seis-deutschland.de/),„die Lehrer“ oder wie beim Sch�lerfeedbackinstrument SEfU (http://www.sefu-online.de/) der Unterrichteiner Lehrperson im Allgemeinen, sondern eine konkrete Unterrichtsstunde. Erst das ermçglicht einen Ab-gleich zwischen unterrichtendem und hospitierendem Kollegen, denn dieser besucht ja nur eine einzelneStunde und kann kein Urteil �ber den Unterricht des Kollegen im Allgemeinen abgeben.

l Die Items im Sch�lerfragebogen sind �berwiegend in der „Ich“-Form formuliert (d. h. auf Formulierungenwie „wir“ oder „uns“ wird verzichtet). Zum einen erleichtert dies den Sch�lern das Urteil, da jeder Sch�lerlediglich f�r sich selbst urteilt und ihm somit das Abw�gen und Aggregieren mçglicher Mitsch�lermeinun-gen erspart bleibt. Zum anderen erçffnen die R�ckmeldungen �ber das eigene subjektive Empfinden dieMçglichkeit einer Sensibilisierung f�r Heterogenit�t, da auf diese Weise deutlich wird, dass ein- und dasselbeUnterrichtsangebot je nach unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Lernpr�ferenzen unter Umst�ndenganz unterschiedlich wahrgenommen und genutzt wird. Interessanter als der Klassenmittelwert (Durch-schnitt) ist deshalb die Antwortverteilung innerhalb der Klasse, wie sie in Abbildung 1 enthalten ist.

Wie viel Zeit erfordert die Durchf�hrung?Je nach Schulart und Klassenstufe muss f�r die Sch�ler unterschiedlich viel Zeit zum Ausf�llen der Bçgen zurVerf�gung gestellt werden, zwischen zehn Minuten (Gymnasium, Sek. 1) und 20 Minuten (5./6. KlasseHauptschule). Der Durchschnitt f�r die Bearbeitung des Basisbereichs liegt bei 15 Minuten, bei der Auswahlnur eines Moduls entsprechend weniger. Was die Dateneingabe betrifft, so zeigt die Erfahrung, dass man proSch�ler ca. eine Minute bençtigt. Bei einer Klasse mit 28 Sch�lern (plus die Urteile der beiden Lehrkr�ftemacht insgesamt 30 Personen) w�rde man also eine halbe Stunde bençtigen. In der Pilotierungsphase habenallerdings die meisten Lehrpersonen die Dateneingabe an eine „Task Force“ von Sch�ler/-innen in der Klassevergeben, die diese Arbeit ausgesprochen gerne und geradezu professionell erledigt hat. Erg�nzend zu dieser„offline“-Prozedur wird derzeit an einer Online-Version gearbeitet: Die von den Sch�ler/innen und Sch�lernselbst eingegebenen Daten werden in geeigneter Weise abgespeichert und kçnnen dann in das Excel-Doku-ment hineinkopiert werden.

Unterrichtsdiagnostik – Voraussetzung f�r die Verbesserung der Unterrichtsqualit�t 30.71

Bartz u. a.: PraxisWissen SchulLeitung AL 28, 2011 9

Abb. 1: Klasseninterne Unterschiede bei der Unterrichtswahrnehmung

Im vorliegenden Beispiel zeigt sich z. B. bei Item 9: F�r die Mehrheit der Sch�ler/-innen sind die Wartezeitenausreichend, eine beachtliche Anzahl von Sch�lern gibt jedoch an, dass sie mehr Zeit zum Nachdenken ge-braucht h�tten.

Kostet die Nutzung etwas, und wie kommt man an das Material heran?Das EMU-Material ist frei verf�gbar und kann kostenlos genutzt werden von (a) Schulen und Studiensemina-ren, (b) nicht-kommerziellen Institutionen der Lehreraus- und -fortbildung sowie (c) f�r Forschungszwecke.Im Falle der Verwendung im Rahmen von Forschung und f�r Publikationen ist auf die Urheber – Helmke etal. (2011), Studienbrief Unterrichtsdiagnostik. Projekt EMU (Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiag-nostik) der Kultusministerkonferenz. Landau: Universit�t Koblenz-Landau, Campus Landau, und die Websitewww.unterrichtsdiagnostik.de hinzuweisen. �nderungen, Bearbeitungen und �bersetzungen der Instrumen-te, Texte und Software erfordern die Zustimmung der Autoren.

Unterrichtsdiagnostik – Voraussetzung f�r die Verbesserung der Unterrichtsqualit�t30.71

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Arbeitshilfe 30 71 02: Beispiele f�r die Triangulation auf der Grundlage der EMU-Software

Andreas Helmke u. a., Unterrichtsdiagnostik – Voraussetzung f�r die Verbesserung der Unterrichts-qualit�t, 30.71

Beispiele f�r die Triangulation auf der Grundlage der EMU-Software

Es geht bei dem Abgleich der verschiedenen Sichtweisen der unterrichtenden Lehrkraft, der hospitierendenKollegin oder des hospitierenden Kollegen und der Sch�ler/-innen nicht darum herauszufinden, welche Ein-sch�tzung „richtig“ ist, sondern um Reflexion. Der Unterricht wird jeweils aus einem unterschiedlichen Blick-winkel gesehen; durch die Verkn�pfung dieser Perspektiven entsteht ein vollst�ndigeres und zutreffenderesBild. Der Abgleich hat insofern eher die Funktion, Anl�sse zu schaffen, um miteinander ins Gespr�ch zu kom-men, �ber den Ist-Stand, �ber Verlauf und Ertrag der Unterrichtsstunde nachzudenken. Die Frage zum Lern-gewinn ist eine der wenigen, bei denen eine �quivalente Formulierung bei Sch�lern und Lehrern keinen Sinngemacht h�tte. Hierzu sollten die Kollegen �ber Fragen der Unterrichtsplanung und Lernzielerreichung insGespr�ch kommen und ihre eigene Einsch�tzung mit dem subjektiven Lerngewinn der Sch�ler/-innen (self-assessed learning gain, siehe auch http://salgsite.org/) abgleichen.

Tabelle 1 veranschaulicht das Prinzip der Erfassung des Unterrichts durch �quivalente Angaben aus unter-schiedlichen Perspektiven. Exemplarisch f�r eine weibliche Lehrkraft wird f�r jeden der f�nf o. g. Bereiche eineFrage aus allen drei Perspektiven dargestellt.

Nr. Sch�lerfragebogen Lehrerfragebogen Kollegenfragebogen

1 Ich konnte in dieser Unterrichts-stunde ungestçrt arbeiten.

Die Sch�ler/-innen konnten unge-stçrt arbeiten.

Die Sch�ler/-innen konnten unge-stçrt arbeiten.

2 Wenn die Lehrerin in dieser Unter-richtsstunde eine Frage gestellt hat,hatte ich ausreichend Zeit zumNachdenken.

Wenn ich eine Frage gestellt habe,hatten die Sch�ler/-innen ausrei-chend Zeit zum Nachdenken.

Wenn die Kollegin eine Frage ge-stellt hat, hatten die Sch�ler/innenausreichend Zeit zum Nachden-ken.

3 Mir ist klar, was ich in dieser Stundelernen sollte.

Den Sch�ler/-innen war klar, wassie in dieser Stunde lernen sollten.

Den Sch�ler/-innen war klar, wassie in dieser Stunde lernen sollten.

4 Ich war die ganze Stunde �ber aktivbei der Sache.

Die Sch�ler/-innen waren dieganze Stunde �ber aktiv bei derSache.

Die Sch�ler/-innen waren dieganze Stunde �ber aktiv bei derSache.

5 Ich habe in dieser Unterrichts-stunde etwas dazu gelernt.

Ich habe die Lernziele dieser Un-terrichtsstunde erreicht.

Die Kollegin hat die Lernziele dieserUnterrichtsstunde erreicht.

Tab. 1: Beispiele f�r unterrichtsbezogene Aussagen aus drei Perspektiven

Die Visualisierung, die das Programm auf Knopfdruck erzeugt, macht den Abgleich der Daten aus den ver-schiedenen Perspektiven – die Triangulation – sichtbar. Ein Beispiel daf�r ist in Abbildung 2 dargestellt:

Abb. 2: Beispiel f�r die Unterrichtswahrnehmung aus drei Perspektiven („Triangulation“)

Diese Darstellung soll den Abgleich von Perspektiven erleichtern und die Reflexion �ber Unterricht anregen. Imvorliegenden Beispiel treffen wir, je nach Item, die gesamte Spannbreite von Konsens und Dissens an. Zur Un-terst�tzung dieser datenbasierten Reflexion �ber Unterricht werden in der ausf�hrlichen Fassung des Studien-briefs konkrete Beispiele vorgestellt und es werden mçgliche Leitfragen vorgegeben, anhand derer man denUnterricht und mçgliche Urteilsdifferenzen interpretieren kann.

Arbeitshilfe 30 71 03: Beispiel f�r die Diagnose von Unterrichtsver�nderung und Unterrichts-entwicklung

Andreas Helmke u. a., Unterrichtsdiagnostik – Voraussetzung f�r die Verbesserung der Unterrichts-qualit�t, 30.71

Beispiel f�r die Diagnose von Unterrichtsver�nderung undUnterrichtsentwicklung

Die Software der Unterrichtsdiagnostik ermçglicht die Analyse mehrfacher Erhebungen. Beispielsweise kçnnteman sich als Ergebnis der Bestandsaufnahme (erste Messung) vornehmen, seinen Unterricht gezielt zu ver-�ndern. Eine zweite Messung in ausreichendem zeitlichem Abstand (im gleichen Fach und mit �hnlichemStundentypus) kçnnte mçgliche Ver�nderungen visualisieren – wie im Falle von Abbildung 3. Dort hattesich eine mit dem Ergebnis der ersten Erhebung unzufriedene Lehrperson vorgenommen, geduldiger zusein und mehr Wartezeit zur Verf�gung stellen – aus Sicht der Sch�ler/-innen mit Erfolg, wie der Unterschiedzwischen den beiden Sch�lerprofilen zeigt.

Abb. 3: Vorher-Nachher-Vergleich: Visualisierung von Ver�nderungen

Im Studienbrief auf der EMU-Website werden Leitfragen und Beispielergebnisse vorgeschlagen, an denen mansich bei der Analyse und Interpretation orientieren kann. Neben der Ver�nderungsmessung sind aber auch an-dere auf der Basis von zwei oder mehr Messungen vornehmbare interessante Quervergleiche mçglich, bei-spielsweise: Wie unterscheidet sich die Beurteilung des Unterrichtsl in Parallelklassen (gleiches Fach, gleiches Unterrichtsangebot)?l in Klassen des gleichen Fachs, aber unterschiedlicher Klassenstufe?l in verschiedenen F�chern bei der gleichen Klasse (gleiche Lehrperson)?

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