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U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N

V.a. Psyche: Relevante psychiatrische

Störungen in der Rettungsstelle

Priv.-Doz. Dr. med. Arnim Quante

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Charité – Campus Benjamin Franklin

arnim.quante@charite.de

Gliederung

Psychiatrischer Konsildienst

V.a. „Psyche“ - Ablauf in der Rettungsstelle

Der psychiatrische Notfall - Störungsbilder

Rechtliche Aspekte

Fallbeispiele

Konsiliar- / Liaisonpsychiatrie

Konsiliarpsychiatrie

Auf Anforderung

Patienten orientiert

Stationsübergreifend

Liaisonpsychiatrie

Regelmäßige Präsenz

(Teilnahme an Visiten / Sprechstunden)

Pat. u. / o. Team-orientiert(Balint, Supervision)

Feste Zuordnung zu einer Station

Aufgaben des Konsiliarpsychiaters

Versorgung von Patienten

1) bei denen nebeneinander eine körperliche und eine psychische Erkrankung besteht

2) nach Suizidversuchen

3) bei denen die Einwilligungs- bzw. Geschäftsfähigkeit überprüft werden muß

Wieviel % der Patienten in Kliniken der

Maximalversorgung haben behandlungsbedürftige

psychische Störungen?

5%

10%

20%

30%

40%

Problem

35 – 40 % aller Krankenhauspatienten haben eine wesentliche

psychiatrische Komorbidität

Bei nur 20 % dieser Patienten wird ein Konsil angefordert

Folge: häufigere, längere, teurere stationäre Aufenthalte

Psychiatrische Komorbidität kann weiterhin führen zu:

schlechterem Verlauf der Grunderkrankung

vermehrte Zuwendung durch Personal

erhöhter Mortalität

Anforderungen an den Konsilarzt

Medizinisches Wissen im somatischen Bereich

Nebenwirkungen verschiedener Medikamente sowie

deren Interaktionen (RS mit anderen Kollegen bei

Chemotherapien)

Krankenhausstrukturen (Zuständigkeiten bei

bestimmten Erkrankungen, Bettenpolitik)

Hinreichende Dokumentation

Konsile in einem Jahr – Klinikum mit Psychiatrie

1400 Betten

2100 primär psychiatrisch – 530 Konsile

Gliederung

Psychiatrischer Konsildienst

V.a. „Psyche“ - Ablauf in der Rettungsstelle

Der psychiatrische Notfall - Störungsbilder

Rechtliche Aspekte

Fallbeispiele

V.a. „Psyche“ in Rettungsstelle : Ablauf…

Primär psychiatrische Patienten

-Patient kommt selbständig in 1. Hilfe

-Patient wird mit Krankenwagen gebracht

-Pat. kommt in Begleitung der Polizei und

Feuerwehr

Primär Vorstellung in anderer Disziplin

- Konsil von Internisten / Neurologen /

Chirurgen bei

- Komorbidität

- unklarer Symptomatik

- interdisziplinären Fragestellungen

Primär psychiatrische Vorstellung durch Patienten selbst:

häufige Diagnosen/Symptome

Depressive Störungen

Akute „Krisen“ – z.B. Partnerschaftskonflikt

Suizidalität / Selbstverletzung

Ängste

Alkoholabhängigkeit – Entzugswunsch

Schizophrenie

Primär psychiatrisch aber nicht eigenmotiviert:

Mit Feuerwehr/Polizei: „hilflose Person“

Mit Feuerwehr/Polizei: akuter Erregungszustand, ggf. mit Eigen- und

Fremdgefährdung (z.B. psychotische / manische Syndrome)

Leichte Intoxikationen (meist Alkoholintoxikation)

Z.n. Suizidversuch ohne schwere Folgen

Sekundär psychiatrisch – Vorstellung durch andere

Disziplinen

„Psychoorganische“ Störungen wie Delir, Demenz

Katatone / stuporöse Zustände

Z.n. schwerem Suizidversuch (Intoxikationen, Trauma nach Sprung aus der Höhe…)

Schwere Selbstverletzungen

Schwere Intoxikationen

„V.a. Psyche“: eine psychische Ursache der Beschwerden wird vermutet („Somatisierung“, Schmerzen im Brustbereich, „diffuse Symptome“)

V.a. Psyche…

Pat. ist komisch

Pat. schreit laut

Pat. traurig

Pat. irrt umher

Pat. ist schwierig

Pat. nicht kompliant

Pat. braucht zu viele Schmerzmittel

Pat. hat Krebs und weint

Pat. will gehen, obwohl schwer krank

Pat. hat HOPS

Original Konsilanfrage aus Rettungsstelle:

91-jähriger Patient schreit immer um Hilfe. Organisch

alles abgeklärt. Ist nichts. Psy?

Internistische Erkrankungen mit häufiger

psychiatrischer Begleitsymptomatik

Anämie

Hypothyreose

Diabetes mellitus

Myokardinfarkt

Tumorerkrankungen

Lues/HIV

Exsikkose

Hyper-/bzw. Hypoparathyreoidismus

Hyper- / bzw. Hypocortisolismus

chronische Niereninsuffizienz

Intoxikationen

hepatische Erkrankungen

andere infektiologische Erkrankungen

Neurologische Erkrankungen mit häufiger

psychiatrischer Begleitsymptomatik

ischämischer Hirninfarkt

M. Parkinson

Multiple Sklerose

Epilepsien

Hirntumor

Chorea Huntington

NPH= normal pressure hydrocephalus

Trias?

Nebenwirkungen von Medikation

vermehrte NW v.a. ältere Patienten und bei

Polypharmazie

Jede „psychische Symptomatik“ kann medikamentös

bedingt sein

Fachinformation lesen

Überprüfen: Änderung der Medikation / Dosis? Absetzen

einer bestimmten Medikation (Benzodiazepine?)

Interaktionen (CYP-450-Verstoffwechselung – Inhibitoren,

Induktoren)

Spiegelbestimmungen (z.B. Digitalis)

Beispiele der Metabolisierung über Cytochrom P 450 Isoenzyme%-Angaben: Anteil der über das jeweilige Isoenzym abgebauten Gesamtmenge einer Substanz (Eckermann, 2007)

CYP 3ACYP 2D6CYP 2B6CYP 2E1CYP 2CCYP 1A2

- Citalopram- Escitalopram- Clozapin (2C19: 30%)- Diazepam- Diclofenac- Omeprazol (Inhib.)- Esomeprazol- Phenytoin

*1A2

*3A4

2E1

*2C8/9/19

- Agomelatin (90 %)- Clozapin (40-60%)- Duloxetin (~75 %)- Mirtazapin (~30%)- Olanzapin (~30- 40 %)- Theophyllin (~40%)- Clomipramin- Imipramin

Rauchen

(PHC)

- Aripiprazol (50 %)- Carbamazepin- Clozapin (20-30%)- Galantamin- Methadon- Mirtazapin- Quetiapin (95 %)- Risperidon (15%)- Venlafaxin (30 %)- Alprazolam- Simvastatin

* 2B6: u.a Bupropion

- Aripiprazol ( 50 %)- Clozapin (6-10 %)- Duloxetin (~ 25 %)- Haloperidol - Mirtazapin- Olanzapin (5-10%)- Quetiapin - Metoprolol ( 100 %)- Risperidon ( 85 %)- Venlafaxin ( 70 %)- TZA

*2D6

Interaktionen (Bsp: Psychiatrische Pharmakotherapie)

Beispiele für potentielle Delir-auslösende

Medikamente

Antibiotika

Cortison

Antidepressiva

Antipsychotika

Benzodiazepine

Interferone

Dopaminerg wirksame Medikation (L-Dopa)

Analgetika

Digitalis

Pharmakogene Syndrome

Interferon

Cortison

Antibiotika

Narkose / Beatmung

affektive Syndrome, Suizidalität

affektive Syndrome,

Schlafstörungen, psychotische

Syndrome

delirante Syndrome

delirante Syndrome

V.a. Psyche…Schwierigkeiten

Glaube nicht immer den Aussagen der Kollegen wie

„organisch ist alles abgeklärt – kein patholog. Befund“

„der Pat. ist voll orientiert“

„mit dieser Erkrankung wäre doch jeder depressiv“

Stattdessen:

unvoreingenommen ein Bild vom Patienten machen

Erhebung des kompletten psychopathologischen

Befundes

weitere Befunde einbeziehen (insbesondere Labor,

CT/MRT-Bilder, Medikamentenanamnese,

Fremdanamnese!!)

Beispiele

Dysarthrie: Intoxikation oder doch eher Hirninfarkt

Sprachloser Patient: wirklich dissoziativ oder katatonoder doch locked-in-Syndrom, nonkonvulsiver Status epilepticus?

Agitierter Patient: wirklich Angst oder Depression oder doch eher Schmerzen oder NW?

Gliederung

Psychiatrischer Konsildienst

V.a. „Psyche“ - Ablauf in der Rettungsstelle

Der psychiatrische Notfall - Störungsbilder

Rechtliche Aspekte

Fallbeispiele

Der psychiatrische Notfall

Zustand, der häufig durch eine

psychiatrische Erkrankung bedingt ist

und der eine unmittelbare Handlung

zur Abwendung von Lebensgefahr

oder anderen schweren Folgen erfordert

_________

Er erfordert eine akute Therapie

um die Gefahr für die Gesundheit des Patienten

oder ggf. einer anderen Person

abzuwenden

Psychiatrische Notfälle

Ca. 10 – 15 % aller Notarzteinsätze

bei ca. 2.5 Millionen Einsätzen

=

250 000 – 400 000 versorgte

psychiatrische Notfallpatienten / Jahr

Pajonk et al., 2009

Diagnostische Zuordnungen (Notarzt)

Pajonk et al., 2002

Psychiatrische Notfalluntersuchung

Checkliste:

Bewusstsein klar / verändert

Motorik (nicht) vorhanden

Suizidalität ja / nein

Fremdgefährdung ja / nein

Krankheitseinsicht ja / nein

Positivsymptome ja / nein

Wichtigste psychiatrische Notfälle

Bewusstseinsstörungen

inkl. kataton-stuporöse Zustände

Erregungszustände

Suizidalität

Bewusstseinsstörungen

Delirantes Syndrom / Intoxikationen / Katatonie

In welche 2 Kategorien werden Bewusstseinsstörungen eingeteilt?

Bewusstseinsstörungen

Quantitative

Bewusstseinsstörung

Verminderte Vigilanz:

Benommenheit

Somnolenz

Sopor

Koma

Qualitative

Bewusstseinsstörung

Bewusstseinstrübung

Bewusstseinsverschiebung

Z.B. Schädel-Hirn-Trauma, Hirninfarkt,

Encephalitis, Subduralhämatom,

Hyperglykämie, Intoxikationen….

Z.B. Delir, Intoxikation,

Epilepsie

Delirantes Syndrom (nach ICD-10):

Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit

Globale Störung der Kognition, Wahrnehmungsstörungen, Illusionen und meist optische Halluzinationen

Beeinträchtigungen des abstrakten Denkens und der Auffassung

Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, relative intaktes Langzeitgedächtnis

Desorientierung (Zeit > Situation > Ort > Person)

Psychomotorische Störungen (intermittierend)

Schlaf-Wach-Rhythmus gestört

Affektive Störungen (Depression, Angst, Reizbarkeit, Euphorie, Apathie)

Wahnhaftes Erleben

Dauer: Stunden bis Monate

Delir

Nicht Substanzgebunden Substanzgebunden

F05.1 bei Demenz Intoxikationsdelir

Entzugsdelir

F 05.0 ohne Demenz

Postoperativ

Hypo / Hyperglykämie

Exsikkose

SHT

Infekt …

Delir F05.0

Delirantes Syndrom

Verwirrtheitszustand

„Hirnorganisches Psychosyndrom HOPS“

„Durchgangssyndrom“

Hypoaktives Delir Hyperaktives Delir

Psychomotorisch reduziert psychomotorisch erregt

verminderter Antrieb gesteigerter Antrieb

Affekt: depressiv, ratlos gereizt

Hinweise für somatische Ursachen für ein Delir:

Fieber

Kopfschmerzen

Übelkeit / Erbrechen

Fokale neurologische Befunde

Vegetative Befunde (Tachykardie, Hypertonie,

Schwitzen)

Delir:

Untersuchungen und Assessment-Instrumente

klinische Untersuchung, Labor, EKG, Röntgen-Thorax;

evt. EEG, cMRT / CCT, evt. Liquorpunktion

Confusion Assessment Method (CAM, 1990), dt. Version

(2007) Lang-und Kurzversion validiert; Sensitiviät: 94- 100%; Spezifität: 90-95%

Für die Intensivmedizin (2009): CAM-ICU

Vier Domänen werden getestet:

1. akuter Beginn/fluktuierender Verlauf (letzten 24 Std.)

2. Aufmerksamkeit („SAVEAHAART“)

3. Bewusstsein

4. Denken (Ja/nein Fragen; einfachen Befehl befolgen)

Delir - Therapie

Medizinischen Krankheitsfaktor symptomatisch behandeln

(Flüssigkeitszufuhr, Infektion behandeln, potentielle Medikation absetzen)

Bei schwereren Formen: Sitzwache, ggf. Intensivstation

Medikamentöse Behandlung

- wenn per os möglich: 0,5-1,0 mg Risperidon, 5- 10 mg Olanzapin,

50-100 mg Quetiapin, 25 mg Melperon

- parenterale Gabe : Haloperidol i.v./i.m. 1-2 mg

(Höchstdosis von 3 mg/24 hrs nicht überschreiten!);

Aripiprazol i.m. 2,5-5 mg

Wenn Fixierung notwendig: i.v.-Medikation im Notfall auch mit

kurzwirksamen Benzodiazepinen (Lorazepam 0.5-1 mg)

Vom Delir abzugrenzen: Dementielles Syndrom

häufig „Dekompensation“ durch Umgebungswechsel bei stationärer

Aufnahme

DD:

M. Alzheimer, vaskuläre Demenz, Mischform, fronto-temporale Demenz,

Lewy-Körperchen-Demenz, Verhaltensstörung bei Demenz (BPSD)

dementielles Syndrom bei Depression

Andere Erkrankungen (dementielles Syndrom)….:

Hypothyreose, Hypercalciämie, NPH, Subduralhämatom, HIV-

Encephalopathie, Lues, Benzodiazepinabhängigkeit...

Orientierende Tests: MMST, Uhrentest, DemTect

Therapie: potentielle Ursache beseitigen, ggf.

Acetylcholinesteraseinhibitoren, Sozialdienst (ambulante oder

stationäre Pflege)

Intoxikationen

Alkohol

andere Drogen (Halluzinogene, Amphetamine,

Kokain, Opioide…)

iatrogen (Pharmakotherapie)

nach SV (meist Medikamente wie Benzodiazepine

oder Antihistaminika, Antidepressiva)

Alkoholintoxikation

Ca. 50 % aller psychiatrischen Notfälle unter

Beteiligung von Alkohol / Drogen

Symptome:

Verhaltensstörungen

Neurologische Störungen

Bewusstseinsstörungen

Atemdepression

Unterkühlung / Einnässen

Intoxikationen - Therapie

US (Hämatome?) / Vitalparameter

je nach Ausprägung: Überwachung, ggf. intensivmedizinisch (GCS?)

Labor inkl. Toxikologie / BGA / BZ (ggf. Therapie)

ggf. Bildgebung (CCT, CMRT)

Flüssigkeitssubstitution / Aktivkohle (Medik.)

abwartende Haltung

cave Alkohol:

– Nach 4 Stunden plötzlich agitiert, Tremor, HF > 100/ Min

Katatones Syndrom

Katatonie: psychomotorisches Syndrom – Störung der

Willkürmotorik (i.d.R. bei Schizophrenie)

Mutismus (spricht nicht)

Motorische Hemmung bis Stupor („Leibstarre“) bei

wachem Beußtseinszustand

Sterotypien (z.B. Grimassieren)

Nachahmungsautomatien (z.B. Echolalie)

Negativismus (aktiver Wiederstand gegen passive

Bewegung )

Katalepsie: Beibehaltung der Körperstellung

Katatoner Erregungszustand

Katalepsie

Katatonie - Differentialdiagnosen

Dissoziativer Stupor

Intoxikation

SHT

Hirnstamminfarkt

Hirnblutung

Epilepsie (non-konvulsiv)

Encephalitis

Was tun?

Untersuchung nicht alleine, da ein katatoner

Zustand schnell in eine psychomotorische Erregung

wechseln kann

US, Labor,ggf. EEG, ggf. Bildgebung

Zugang legen

Fremdanamnese

Bei katatonem Syndrom i.R. einer Schizophrenie:

Welches Medikament?

wenn Pat. dann auf Ansprache reagiert: Exploration

/ PPB

Erregungszustände

Erregungszustände

Ein Erregungszustand ist das häufigste der psychiatrischen

Notfallsyndrome und führt sehr häufig zu einer Aufnahme in

einer psychiatrischen Klinik.

Erregungszustand: Symptome

Agitiertheit

Antriebssteigerung

Affektive Enthemmung

Aggressivität, ggf. raptusartige Gewalt

Tremor

Tachykardie

Schweißausbrüche

Erregungszustand: Krankheitsbilder

Panikattacken

Schizophrenie

manische Episoden bei bipolarer Störung

Intoxikationen, aber auch Entzugssyndrome

ängstlich agitierte Depression

Delirien

Persönlichkeitsstörungen (z.B. histrionische PS)

Akute / posttraumatische Belastungsstörung (nach Trauma), Anpassungsstörungen

…aber auch: Schmerzsyndrome, Hyperthyreosen, Hypoglykämien, Schädel-Hirn-Trauma, Sinusvenenthrombose,

Encephalitis, LAE, Myokardinfarkt !

Differentialdiagnosen (Bsp)

Hyperthyreose

Exophthalmus, Tachykardie, Struma, Hyperhidrosis

Infektionen

Fieber, Zephalgien

SHT

Sturzereignis, neurologischer Herdbefund

Schwierigkeiten

Pat. häufig ohne Kooperationsbereitschaft

Handlungsdruck durch Angehörige / Pflegekräfte

Fremdaggression

Diagnostik und Therapie

zunächst: Ausmaß der unmittelbaren Bedrohung von

anderen Personen durch den Patienten einschätzen

Sicherheit von anderen Personen gewährleisten (ggf.

Fixierung und Hilfe durch Polizei notwendig)

Klärung der Bewusstseinslage (qualitatives Bewußtsein

intakt?)

wenn möglich: ruhige Umgebung schaffen für

Gespräch/Diagnostik („talk-down“, Reizabschirmung)

Exploration möglichst nicht alleine (Aggression)

Diagnostik und Therapie II

körperliche Untersuchung

Vegetativum prüfen: Puls, Atmung, Temperatur,

Hyperhidrosis, Hautfarbe, Pupillen, Blutzucker

Labor inkl. ggf. Toxikologie, EKG, ggf. Bildgebung

Erhebung des psychopathologischen Befundes

Denkstörungen? Halluzinationen? Katatone Symptome?

Erhebung der Fremdanamnese

Was würden Sie als nächstes machen?

Wenn Intoxikation: weiteres therapeutisches Vorgehen wie eben

Psychiatrische Therapie (wenn indiziert)

Anbieten von anxiolytischer / beruhigender

Medikation (Benzodiazepine), wenn nicht

kontraindiziert (Intoxikation):

Lorazepam 1-2 mg, Diazepam 5-10 mg

anschließend: nochmalige genaue Exploration, je

nach Ursache ggf. Weiterbehandlung in

psychiatrischer Klinik oder abwartende Haltung (zB

bis Alkoholintoxikation abklingt)

CAVE: eine medikamentöse Behandlung gegen den Willen des Patienten ist bei

Erfüllung des „gerechtfertigten Notstandes“ möglich.

Fallbeispiel: Akutes psychotisches Syndrom

Transport mit FW / Polizei

23-jähriger Pat. hat sich in Wohnung verbarrikadiert

und geschrien

schreit in Rettungsstelle weiter

ist extrem misstrauisch, gespannt, will mit

niemandem sprechen

fremdanamnestisch von Mutter am Telefon: seit

Tagen „komisch“, werde verfolgt, spricht mit sich

selbst, kaum „rankommen“ möglich

Was tun in Rettungsstelle?

Was Polizei sagen? wird gebeten bei Patient zu bleiben

Fixierung notwendig? zunächst noch nicht notwendig

in ruhigen Raum führen

Versuch der Exploration Pat berichtet von Verfolgung durch Nachbarn, der ihn „zerstören“ will und ihn mit „Geräten

bestrahlt“

Was nun? sichere Umgebung verdeutlichen, Medikament zur Beruhigung anbieten, Labordiagnostik

durchführen, körperliche US (Fieber?)

wenn in weiteren US kein pathologischer Befund: Aufnahme Psychiatrie

Was tun, wenn Pat. weitere Diagnostik / US ablehnt und weglaufen will? Hilfe holen (Pflege, Ärzte, Polizei) und ihm genau erklären, dass wir im Notfall gegen seinen

Willen Diagnostik machen müssen (Labor, ggf. Bildgebung, Drogenurin)

wenn weiterhin starke Abwehr, aggressiv, ggf. schlagend: Fixierung und nötige Diagnostik veranlassen

im Verlauf ggf. Unterbringung nach PsychKG

Suizidalität

Suizidalität - Definitionen

Todeswunsch: Wunsch, nicht mehr zu leben

Suizidgedanke: Gedanke, sich das Leben zu nehmen

Suizidabsicht: Absicht, sich das Leben zu nehmen

Suizidversuch: Absichtliche Selbstbeschädigung mit der Möglichkeit des

tödlichen Ausgangs

Suizid: Absichtliche Selbstbeschädigung mit tödlichem Ausgang

Parasuizidale Geste: Selbstbeschädigung ohne tödlichen Ausgang – Appel

an die Umgebung. ERNSTNEHMEN – inadequate Problemlösestrategie!

Suizidalität

WHO: 2 % weltweit versterben durch Suizid

Männer : Frauen = 3:1

höhere Raten: > Alter, Männer, Stadt, Alleinlebend, Verwitwete, Geschiedene, getrennt lebende

ca. 98% sind beim Suizid körperlich oder psychisch krankSchmerz, progrediente Tumorerkrankung, Depression, Sucht, Schizophrenie

bei Suiziden überwiegen „harte“ Methoden (Erhängen, Erschießen…)

Depression: Suizidrate: 10 - 15 %

chronische Schmerzpatienten:

2-3 faches Risiko, an Tod durch Suizid zu versterben

Hinweise für akute Suizidalität

1. Pat. äußert suizidalen Gedanken

2. Beschäftigung mit Thema

(Internet)

3. Nach SV: Distanzierung nicht

möglich

4. kürzlicher SV in der Familie /

Freundeskreis

5. lang andauernde oder häufige

Suizidgedanken

6. automatischer / zwanghafter

Charakter der Suizidgedanken

7. Suizidmethode schon durchdacht

/ verfügbar

8. konkrete Vorbereitung getroffen

(Tbl. sammeln, Abschiedsbrief)

9. Pat. findet kaum Gründe zum

Weiterleben

10. keine Familie (oder diese „egal“)

11. Starke Schuld- und Wutgefühle

(cave: „Mitnahme“Suizid)

12. Schilderung der Suizidüberlegen

gelassen, (pseudo)-rationaler

Entscheidungsprozess

13. plötzliche, unerklärliche

Gelassenheit / Heiterkeit nach

Suizidüberlegung / Anspannung

Suizidalität

• Sehr häufige Fragestellung

• EILT!!! Bsp: Z.n. SV

Abklärung ob suizidal

Nein

Dokumentation: keine akute Suizidalität

Beratung Ärzte / Pflege

Abklärung, warum Suizidgedanken!

Schmerz?

Ja

Ursache klären!

Psychiatrische Erkrankung?

Nein

Sehr selten!!! Bilanzierend?

Patientenverfügung?

Ja

Therapie einleiten

Verlegung

Beratung

Suizidalität – was tun?

Abklärung von Suizidalität

bestehen Suizidgedanken oder gar –pläne?

Anamnese: Familienanamnese, Suizidversuche in Anamnese

Abschiedsbriefe, Regelung des Testamentes?

Zukunftsperspektive sowie soziale Einbindung überprüfen

„Ein bißchen suizidal gibt es genauso wenig wie „ein bißchen schwanger“ –

ABER: Distanzierung möglich?

Entlassung ohne psychiatrisches Konsil = Kunstfehler

Ggf. Sitzwache / Übernahme in psychiatrische Klinik

wenn Übernahme noch nicht möglich: Liaisonpsychiatrische Versorgung

Ggf. Benzodiazepine, sedierende Antidepressiva wenn Depression

Diagnosen bei Pat. mit SV – 2012 CBF

Tauch, Quante, 2013

Wie viele Pat. nach SV werden stationär psychiatrisch aufgenommen?

Verlegung in Psychiatrische nach SV

Stichprobe Charité, CBF, 2012

Z.n. Suizidversuch

Gliederung

Psychiatrischer Konsildienst

V.a. „Psyche“ - Ablauf in der Rettungsstelle

Der psychiatrische Notfall - Störungsbilder

Rechtliche Aspekte

Fallbeispiele

Rechtliche Aspekte – Aufgaben des Konsiliarius

Anregung einer amtlichen Betreuung (hierfür i.d.R.

psychiatrisches Konsil nötig)

Unterbringung nach PsychKG bei Möglichkeit durch

Konsiliarpsychiater

Überprüfung von Einwilligungsfähigkeit

„Original“ Fragestellung: bitte Beurteilung, ob Pat. entmündigt werden kann

Rechtliche Aspekte II - Einwilligungsfähigkeit

eine psychische Krankheit per se stellt keine Einschränkung

der Einwilligungsfähigkeit dar.

Wesen, Bedeutung und Tragweite der geplanten medizinischen Behandlung muss vom Patienten verstanden und kritisch eingeschätzt werden.

Überprüfung der Einwilligungsfähigkeit (in medizinisch notwendige

Maßnahmen): können Informationen zum Thema aufgenommen werden?

kann die Relevanz der Maßnahme richtig eingeschätzt werden?

kann die Information erinnert werden?

können adequate Schlussfolgerungen gezogen werden, die nicht durch die psychiatrische Diagnose verzerrt werden?

Situative Orientierung / Auffassung / Merkfähigkeit

Wenn Einwilligungsfähigkeit NICHT vorliegt: Eilbetreuung beantragen!

Übergesetzlicher / rechtfertigender Notstand § 34

Eine Straftat (Körperverletzung, Freiheitsberaubung) bleibt straffrei, wenn

1. ein höherrangiges Rechtsgut betroffen ist (Gesundheit, Leben)

2. Gefahr in Verzug besteht

3. die Tat ein angemessenes Mittel darstellt, um die Gefahr abzuwenden

4 Bereiche, die der Betreuer nicht alleine entscheiden kann,

sondern der Zustimmung des Amtsgerichtes bedarf:

Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist

Wohnungsauflösung

Medizinische Eingriffe mit Lebensgefahr oder mit besonders

hohem Risiko

Sterilisation

Betreuungsgesetz §1896

Gliederung

Psychiatrischer Konsildienst

V.a. „Psyche“: Ablauf in der Rettungsstelle

Wichtige Krankheitsbilder

Rechtliche Aspekte

Fallbeispiele

Fallbeispiele

Fall 1

88-jährige Pat. kommt in 1. Hilfe, ist soporös (auf Schmerzreiz nur Abwehrreaktion)

lt. Ehemann seit 8 Tagen zunehmend „paranoid“, fühle sich verfolgt, glaubt erschossen zu werden, versteckt sich nachts hinterm Vorhang, schließt sich im Bad ein, glaubt, dass Nachbarn bei Unfall ums Leben gekommen sind (lt. Fremdanamnese ist ein Bekannter vor Monaten bei Unfall ums Leben gekommen)

hat morgens von Hausärztin wegen starker Agitiertheit Lorazepam 1 mg erhalten

EKG: unauffällig, O2-Sättigung: 98 %

Fall 1

Was würden Sie als nächstes tun?

A) körperliche Untersuchung, Labor, dann warten, bis Pat. erwacht

B) körperliche Untersuchung, Labor und noch vor erwachen CCT und LP

C) körperliche Untersuchung, Labor, Flumazenil geben zur Exploration

D) körperliche Untersuchung, Labor, Eilbetreuung beantragen (Pat.

derzeit nicht einwilligungsfähig)

Fall 1 - Labor

Was fehlt hier wichtiges?

Fall 1

Glukose-Stix: 88 mg / dl

Fall 1 – körperliche Untersuchung

Haut: stehende Hautfalten, Lippen rosig

Lunge: VA, keine RGs

Cor: rhythmisch, keine Geräusche, HF 96 / Minute

Abdomen: weich, Druckschmerz Unterbauch, keine Resistenzen, Peristaltik lebhaft alle 4 Q

WS: LWK-Region Klopfschmerz

Pulse alle tastbar

Neurologisch: Kein Meningismus, Cornealrefelx intakt, Lichtreaktion direkt / indirekt intakt, MDR seitengleich schwach, Babinski negativ, Abwehrreaktion bei Schmerz (bewegt alle Gliedmassen, verzieht Gesicht)

Fall 1 - Medikamente

Fentanyl-Pflaster 12.5 Microgramm seit 3 Monaten

Bisoprolol 5 mg

ASS 100 mg

Fall 1 – und jetzt?

A) wenn nicht schon erfolgt, CCT unbedingt machen

B) unbedingt Blutsenkung noch machen

C) brauchen kein CCT / LP, aber EEG

D) CCT, LP, EEG unbedingt machen

E) Ursache ist aus Labor / US schon klar, daher

abwartende Haltung

Fall 1

Richtig wäre: A)

Ursache des soporösen Bewußtseinszustandes nicht klar!

Ausschluß Blutung / Hirninfarkt

EEG: selten nonkonvulsiver Status, andere Ursachen

häufiger. Wenn status, dann welcher Grund? CCT daher

erstmal wichtiger

LP: Ausschluss akutes entzündliches Geschehen

(unwahrscheinlich bei keinen Entzündungswerten im Labor).

Senkung unspezifisch!

CCT

leichte Atrophie global, sonst kein richtungsweisender

pathologischer Befund

Ihre Diagnosen:

A) hypoaktives Delir

B) Intoxikation

C) Intoxikation akut, davor delirantes Syndrom

D) noch unklar, weitere Diagnostik

Fall 1: Auflösung

• C) ist am ehesten richtig!

klassisches delirantes Syndrom seit 8 Tagen

zunehmend

Ursache: Exsikkose und Harnwegsinfekt

Therapie: Rehydrierung, Antibiose

akut: Intoxikation mit Lorazepam (ggf. kumulativ mit

Fentanyl)

Fall 2

18-jährige Pat. wird von Mutter in 1. Hilfe gebracht

sie sei seit 2 Tagen „verändert“ – rede „wirres Zeug“, weint ganz viel

ist extrem misstrauisch, macht kaum angaben

Mutter: war bis vor 5 Tagen auf Klassenfahrt. Dort seien auch Drogen (THC) konsumiert worden, von Pat. allerdings nicht (sagen beide)

nach Klassenfahrt sei sie aber „normal“ gewesen

ist ihren Hobbys (Sport) nachgegangen

Vorstellung Neurologie: kein richtungsweisender pathologischer Befund in der neurologischen US

Fall 2

Psychiatrisches Konsil in 1. Hilfe: sagt immer wieder: ihr wollt mich doch „verarschen“

drängt darauf, nach Hause zu gehen

im PPB: Pat. wirkt ratlos, sie ist wach, zeitlich unscharf orientiert, sonst gut orientiert, im formalen Denken verlangsamt, teilweise gehemmt und Vorbeireden, dann Konfabulationen, fraglich Beobachtungserleben im inhaltlichen Denken, fraglich Ich-Störungen (Gedanken seien eventuell nicht ihre). Stimmung sei "neutral", wirkt jedoch ängstlich ,misstrauisch, im Affekt ratlos, psychomotorische Unruhe, Halluzinationen werden verneint (Pat. dreht sich jedoch immer wieder um). Keine Phobien, keine Zwänge, Durchschlafstörungen, Appetit sei gut, keine Suizidalität.

Fall 2: was ist als nächstes zu tun?

A) Labor

B) Labor und Drogenscreening

C) Labor, Drogenscreening und CCT

D) Labor, Drogenscreening, CCT / LP

Fall 2: Labor

Fall 2: Drogenscreening

Schnelltest Urin: THC positiv

Fall 2: was ist zu tun?

A) Zusammenhang THC-Konsum und akute Exacerbation

eines psychotischen Syndroms ist relativ eindeutig, daher

Aufnahme in psychiatrische Klinik

B) Fall noch unklar, weitere Diagnostik mittels CCT / LP

Zusatzinfo: Pat. lehnt eine Einnahme von Lorazepam ab und auch die Aufnahme

in einer psychiatrischen Klinik.

Wenn A) gewählt: jetzt Unterbringung nach PsychKG gerechtfertigt?

Fall 2: Verlauf

CCT durchgeführt:

Kein Nachweis einer intrakraniellen Blutung.

Kein Hinweis auf Ischämiefrühzeichen.

In nativer Untersuchungstechnik kein Nachweis einer

intrakraniellen Blutung.

A.e. Lipom von 6 mm dorso-superior der Sella turcica.

Kalotte unauffällig. Hyperplastische Frontalhöhle. Geringe

Schleimhautschwellung im Sinus sphenoidalis.

LP: ja oder nein?

Fall 2: Verlauf

Nächster Schritt??

Mikrobilogische Untersuchung des Liquors

Bakterien, Viren, TBC, NMDA-AK

Fall 2: Verdachtsdiagnose:

Encephalitis

Weiteres Vorgehen: cMRT, Mikrobiologie abwarten

und anbehandeln mit Aciclovir, Ceftriaxon, Ampicillin

Symptomatisch: antipsychotisch, anxiolytisch

Vielen dank für die Aufmerksamkeit……

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