W I R M A C H E N B A D E N B E I N E Auf der Spur von...

Preview:

Citation preview

b a d i s c h e z e i t u n g mittwoch, 30 . apr il 2008

W I R M A C H E N B A D E N B E I N E

Auf der Spur von Faust, Mephisto und Karl MayW A N D E R N F Ü R W I S S B E G I E R I G E ( 1 4 ) : Von Bollschweil nach Staufen und zurück in Erinnerung an Schriftsteller und literarische Gestalten / Von Peter Gürth

Was hat Wandern mit Lite-ratur zu tun? Zumindestim südlichen Breisgaueine Menge. Um das zu

beweisen, benennen wir einfach denBettlerpfad von Bollschweil nach Staufenin einen Literaturweg um und suchen beiunserer Wanderung nach Schriftstellernund Dichtern, die im südlichen Breisgaugelebt und gearbeitet haben.

Wir beginnen mit Bollschweil, weil esals „Beschreibung eines Dorfes“ von Ma-rie Luise Kaschnitz (1966) einen beson-deren Platz in der modernendeutschen Literatur einnimmt.Die Dichterin benutzt einenKunstgriff. Sie beschreibtdas Dorf, seine Umgebung,seine Menschen und ihreSchicksale nicht direkt, son-dern sie berichtet, worü-ber sie an 21 einzelnenTagen schreiben wird.

Und sie wusste, wovon sie schrieb!Als Tochter des Freiherrn Max von Hol-zing-Berstett und seiner Frau Elsa 1901geboren, war sie im Schloss von Boll-schweil aufgewachsen und bis zu ihremTod in Rom 1974 immer wieder in dieHeimat zurückgekommen. Die Familieund das Schloss treten freilich nur in ver-deckter Form in ihrer Erzählung auf.

Am kleinen Alten Rathaus erinnert ei-ne Tafel an ihre Trauung mit dem WienerArchäologen Guido Kaschnitz von Wein-berg im Jahre 1925.

Auf dem Dorffriedhof ruhen beide imFamiliengrab derer von Holzing-Bers-tetts. Wir wandern von der Kirche in Boll-

schweil am Schloss vorbei, immer derLandstraße entlang bis Gütighofen. Dortüberqueren wir die Landstraße nach Os-ten (Wegweiser) und treffen kurz nachdem Waldrand auf den Bettlerpfad (gelbeRaute). Durch einen schönen Eichenwaldkommen wir zur Schopbachhütte mitRast- und Spielplatz. Danach überquerenwir die Wiesen des Ehrenstetter Grundes.Hinten im Tal sehen wir die alte Streicher-kapelle.

Über den Bach und am Schützenhausvorbei erreichen wir den Lehen-

hof. Der gehörte seit etwa1890 als Jagdhaus demFreiburger VerlegerFriedrich Ernst Fehsen-

feld. Der hatte die Reise-erzählung „Im Schattendes Großherrn“ (später

„Durch die Wüste“) eines nochwenig bekannten Schriftstel-lers namens Karl May gelesenund war Feuer und Flamme. Er

wurde Mays Verleger, und durch die 33„Grünen Bände“ aus seinem Verlag wur-de Karl May zum Bestsellerautor und bei-de zu wohlhabenden Leuten. Kein Wun-der, dass sich die beiden Ehepaare auchbefreundeten.

Karl May besuchte Fehsenfeld mehr-fach in Freiburg. Bei einem dieser Besu-che fuhren die Freunde zum Lehenhof.Und dort rauchten sie bei ihrem Herren-abend so viele Zigarren, dass man amnächsten Morgen den Kanarienvogel totin seinem Käfig fand.

Vom Lehenhof führt der Bettlerpfaddurch Wald und Wiesen, über mehrere

Bäche (an einem davon eineLourdesgrotte), am Rothof vorbeizum St. Gotthardhof mit der St.Gotthardkapelle oberhalb vonStaufen. Über den Bötzen geht eshinunter in die idyllische Altstadt.

Hier lebte und starb der Helddes bedeutendsten deutschenDramas – Faust. In der Chronikder Herren von Zimmern wird be-richtet: „Es ist auch umb die Zeit(1539) der Faustus zu oder dochnit weit von Staufen, dem stetlinim Breisgew, gestorben.“ Der sei,wie die Inschrift am Hotel Löwensagt, ein „wunderbarlicher Nigro-manta“ (Schwarzkünstler) gewe-sen.

Im heutigen Zimmer Nummer5 des Löwen soll ihm der Mephis-topheles, „der obersten Teufel ei-ner, den er in seinen Lebzeitennur seinen Schwager genannt“,das Genick gebrochen haben.

Den Schriftstellern und Dichtern, diein unserer Zeit Staufen zum Wohnsitz ge-wählt haben, ist es viel besser ergangen..Der heitere Feuilletonist Helmuth Holt-haus (1909–1966) sprach von einerMärchenstadt, „mitten im großen, son-nenhellen Park zwischen Schwarzwaldund Oberrhein“. Peter Huchel(1903–1981), der großen Einfluss auf diejüngere deutsche Lyrik hatte, wohntehier, nachdem er 1971 die DDR verlassen

konnte. Er war mit Erhart Kästner(1904–1974) und seiner Frau Anita be-freundet, der als junger Mann SekretärGerhart Hauptmanns gewesen war.Durch seine Griechenlandbücher wurdeKästner bekannt. In seinem letzten Werkklagt er den „Herrenwahn der Wissen-schaft“ an, die nichts zur Humanisierungbeigetragen habe.

Wir steigen den Staufener Schlossbergzur Burgruine hinauf. Am westlichen Fuß

der Ruine, beim Gutleuthaus, führt einmit der gelben Raute markierter Rad- undFußweg zum Jugend-Reitstall „Wasen-haus“. Von dort gehen wir weiter gerade-aus. Kurz vor der Landstraße nach Ehren-stetten biegen wir rechts ab und laufenauf der Höhe links abwärts durch einenkleinen Hohlweg bis zu einem Kreuz amPanoramaweg. Geradeaus weiter zumSportplatz von Ehrenstetten, links in denOrt. Dort rechts entlang der Straße nachBollschweil, nach der Mattenmühle linksüber die Straße und am Fuß des Ölbergs(Steinzeithöhlen!) über Gütighofen unddas Kuckucksbad zurück nach Boll-schweil.

D I E T O U RTageswanderung 15 Kilometer:Rundweg, wenig Steigung.Anfahrt nach Bollschweil über Merz-hausen–Sölden oder über Staufen.Parken beim Rathaus. Mit dem Busvon Freiburg oder Staufen nach Boll-schweil. Abkürzung: Rückfahrt mitdem Bus ab Staufen.Einkehr: In Bollschweil China-

Restaurant Löwen , (t07633/6151);unterwegs Gasthaus Zum St. Gotthard(RT: Mo, Di, t07633/7420); in Stau-fen viele Gasthäuser und Hotels, zumBeispiel Hotel Löwen (Fauststube;t 07633/9089390), Café Decker,(t07633/5316).

Alle bisher erschienenen Teileder BZ-Wanderserie finden Sie unterwww-badische-zeitung.de/wandern

���������

������������

����� ���

������������

�������

����������

��������

��������

������

������ ������

�����

�����������

����������

����������

�����

����

������

���

� !��

������������

Im Gebäude des Gasthauses Zum Löwen soll Faust gewohnt haben – wäh-rend es sicher ist, dass die Dichterin Marie Luise Kaschnitz immer wieder inBollschweil gelebt hat. F O T O : T H O M A S K U N Z / D P A

Recommended