WETTINGEN WOCHE NR. 02 5 DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020 ... · WETTINGEN WOCHE NR. 02 6 DONNERSTAG, 9....

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WETTINGEN 5WOCHE NR. 02DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020

Um 6.20 Uhr fährt Chauffeur Re-mo Walde mit dem AargauerStaatswagen, einem Mercedes SClass, in Wettingen ein. ZwischenWohnblocks und Einfamilienhäu-sern hält er in einem ganz norma-len Quartier mitten im Zentrumauf einem unauffälligen Garagen-vorplatz an. Er gehört zum Einfa-milienhaus der Familie Dieth. Einpaar Minuten später öffnet sichdas weisse hölzerne Gartentor.Markus Dieth kommt im dunklenAnzug mit Aktentasche in derHand aus dem Haus und nimmthinter dem Beifahrersitz Platz.Um 6.32 Uhr fährt der Wagen aufdie Autobahn Richtung Aarau.

«Wie geht es dir?», fragt Regie-rungsrat Dieth den Chauffeur,plaudert kurz mit ihm und wid-met sich dann seiner dicken gel-

ben Mappe, in der die Unterlagenzu den Themen und Terminen ge-sammelt sind, die an diesem Don-nerstag anstehen.

Dieth zieht ein halbes DutzendA5-Blätter aus der Mappe. Daraufist die Grussbotschaft abgedruckt,die er am Abend an der SwissStart-up Challenge im Campus-saal in Brugg-Windisch haltenwird. Er nutzt die knapp zwanzig-minütige Fahrzeit, um sie durch-zugehen, nimmt einen Kugel-schreiber und ändert den Schlusszu: «Seien Sie mutig, behalten Sieihre Kreativität und handeln Sie.Denn wer nicht handelt, wird be-handelt.» Damit gibt er der Rede,

die seine dreiköpfige Kommuni-kationsabteilung für ihn vorge-schrieben hat, seine persönlicheNote. Wer Dieth kennt, hat diesenAufruf zum Handeln, um nicht be-handelt zu werden, schon öftersgehört. Als Gemeindeammannschrieb Dieth die meisten Redenselber. Aus Zeitgründen sei dasheute nicht mehr möglich, sagt erund fügt an, dass alles mehr durch-getaktet sei: «Auf Kantonsebenewird eine Liga höher gespielt.» Undtrotzdem: Er lässt es sich nichtnehmen, seine Reden anzupassenund hin und wieder selber zuschreiben. «Wenn die Rede ganzpersönlich ist, wie zum Beispieldiejenige der Landammannfeier,schreibe ich sie auch heute selber»,so Dieth. Er freue sich auf das Jahrals Landammann, er ist der ersteWettinger, der dieses Amt innehat.

ALS LANDAMMANN wird MarkusDieth den Kanton dieses Jahr anrund 200 Anlässen vertreten. Dassind etwa doppelt so viele wie als«normaler» Regierungsrat. Diethfreue sich darauf. Als ehemaligerAmmann ist er es gewohnt, auchabends viel unterwegs und beiden Leuten zu sein. «Die Nähe zurBevölkerung habe ich als Regie-rungsrat am Anfang ein bisschenvermisst. Auf Kantonsebene istman etwas weiter weg als in derGemeinde, wo man fast allekennt», sagt er, während er ausdem Auto steigt, das mittlerweileim Aarauer Telli eingefahren ist.

Es mache ihm nichts aus, vonFremden angesprochen zu wer-den und wenig Privatsphäre zuhaben. Denn Markus Dieth magMenschen und die Menschen mö-gen ihn. Der Beweis dafür sind dieüber 60 000 Stimmen, die er alsNeuling bei den Regierungsrats-wahlen vor drei Jahren erhieltund den Einzug als einzigerNicht-Bisheriger im ersten Wahl-gang schaffte. Es sei ihm wichtig,auch als Regierungsrat am Bodenzu bleiben. «Ich bin immer nochderselbe, auch als Regierungsrat,oder nicht?», fragt er die Fotogra-fin und die Journalistin, die ihn andiesem Tag für den Zeitungsbe-richt begleiten und ihn schonkannten, als er noch als Anwalt ar-beitete und vor 18 Jahren seinepolitische Karriere im WettingerEinwohnerrat startete.

«BIS SPÄTER», verabschiedet sichMarkus Dieth beim Gehen vom

Chauffeur. Den Fahrdienst desKantons nimmt er in dieser De-zemberwoche an drei Tagen inAnspruch. Immer dann, wenn erwie heute auswärtige Termine hatund froh ist, die Zeit während derAutofahrt zum Arbeiten nutzenzu können.

Kurz vor sieben Uhr tritt der Re-gierungsrat im 21. Stock des Telli-Hochhauses in sein Büro. Darinstehen Digitalpiano und dunkleBüromöbel, auf dem Pult je einSchweizer-, Bündner- und Aargau-erfähnlein und ein Meter mitWettinger Logo. Es sind Diethspersönliche Sachen, die ihn anDavos, wo er aufwuchs, und Wet-tingen, «wo meine Heimat ist», er-innern. Das Mobiliar hat er sich

als Anwalt gekauft, von 2008 bis2016 ins Gemeindeammann-Büromitgenommen und tut nun seitdrei Jahren auch in Aarau seineDienste.

Seine persönliche AssistentinSonja Huber hat ihm bereits einDutzend in der Nacht eingegange-ne Mails auf den Schreibtisch ge-

legt. Bevor er um halb acht die Ab-teilungsleiter zur Sitzung trifft,notiert er, welche Mails wie bear-

beitet werden müssen, und gibtsie zur Erledigung wieder ans Se-kretariat zurück.

Anderthalb Stunden dauert dasanschliessende Treffen mit den Lei-tenden der Abteilungen Finanzen,Human Ressource, Immobilien, In-formatik, Landwirtschaft, Statis-tik, dem kantonalen Steueramtund der Generalsekretärin PatriciaKettner. Gesamthaft sind die achtAbteilungen des Departements Fi-nanzen und Ressourcen für rund650 Mitarbeiter und 5,9 MilliardenFranken verantwortlich. Weil dasFinanzdepartement besonders vie-le Schnittstellen hat, ist es wichtig,dass Dieth sein Kader auch darüberinformiert, was bei den anderenRegierungsräten ansteht. An die-

sem Morgen gibt eine Mitarbeite-rin zudem Auskunft über den Ver-lauf des Digitalisierungsprojekts«smart Aargau».

Nach einer kurzen Kaffeepauseverschwinden die Kaderleute wie-der und Dieth trifft sich im Büroder Generalsekretärin zum Rap-port mit der AbteilungsleiterinStatistik, Andrea Plüss. Sie und ihr14-köpfiges Team arbeiten in ei-nem anderen Gebäude. Einmal imMonat trifft Dieth sie zum Rap-port, wie er die Arbeitsbespre-chung nennt. Die Sitzung ist klarstrukturiert. Anträge und Unterla-gen zu den Sitzungsthemen hatDieth vorgängig erhalten. Er habeim Militär gelernt, strukturiert zuarbeiten und zu führen: Aussage,Erkenntnis und Konsequenz sindzu seinen Leitfragen geworden.Die Menschlichkeit geht trotz-dem nicht unter, wie die Arbeits-besprechung zeigt. Er hört Plüsszu, fragt nach und sagt amSchluss: «Die Mitarbeitenden mer-ken, ob man ehrlich zu ihnen ist.»

NACH EINER DREIVIERTELSTUNDE, solange dauert eine Arbeitsbespre-chung in der Regel, steht bereitsdie nächste an. An diesem Arbeits-tag ist es die Besprechung zum Re-formvorhaben Immobilien mitUrs Heimgartner. Er ist seit einemJahr Kantonsbaumeister und so-mit für alle kantonalen Liegen-schaften zuständig. 2,3 MilliardenFranken beträgt das Portfolio derkantonalen Immobilien. Auf einerLandkarte zeigt Heimgartner, wel-che Projekte anstehen. 75 Prozentaller Gebäude seien älter als 40Jahre, der Sanierungsbedarf ent-sprechend gross. «Nun ist fertigmit Pflästerlipolitik, wir müssenviel Geld investieren», sagt Dieth.

Im Anschluss trifft sich der 52-Jährige mit einem Mitarbeiterzum Koordinationsgespräch.Währenddessen sagt Generalse-kretärin Patricia Kettner, mit demWechsel des Departementsvorste-hers habe sich das Arbeitstempoim Betrieb erhöht: «Markus Diethist extrem schnell und hat einengrossen Gestaltungswillen. Für ei-nige Mitarbeiter war das anfäng-lich recht anstrengend. Dank sei-ner wertschätzenden, leiden-schaftlichen Art kommt er trotz-dem sehr gut an.» Sie muss es wis-sen, denn sie arbeitet seit elf Jah-ren im Finanzdepartement. Diethhat sie vor zwei Jahren zur Gene-ralsekretärin befördert. Sie ist die

erste Frau, die in der kantonalenVerwaltung eine solche Stelle be-setzt.

MITTLERWEILE ist es Mittag. Rund60 Mitarbeitende haben sich imPersonalrestaurant zum Weih-nachtsessen eingefunden. FürDieth eine Selbstverständlichkeit,sich unter die Mitarbeitenden zumischen. Mit vielen ist er per du,rühmt den Wein, den ein Mitar-beiter aus seinem eigenen Reb-berg zur Weihnachtsfeier mitge-bracht hat, und antwortet auf dieFrage der Journalistin, was ihn imBerufsleben am meisten geprägthat: «Als Student habe ich bei derFlughafenpolizei gearbeitet. Dahabe ich viel fürs Leben gelernt.»Auch in einer Gärtnerei habe erdamals gejobbt, das sei ihm liebergewesen, als mit den anderen Stu-denten zu fachsimpeln.

Zwei Stunden dauert das Mittag-essen. Trotzdem reicht es nichtfürs Dessert. Im Büro der General-sekretärin wartet bereits SandraThut. Die Standortförderin der Ge-meinde Wettingen organisiert dieLandammannfeier mit und gehtdie Tischordnung mit Dieth durch.Zusammen mit seiner Tochter Ari-ane hat er am Vorabend einen Ent-wurf gemacht. Nun folgt der Fein-schliff. Dieth ist wichtig, dass sichdie Gäste wohlfühlen, und er wägtab, welche Tischkonstellationpasst. Nach einer Stunde steht derPlan und er verabschiedet sich vonThut mit den Worten: «Ich schlafenochmals darüber und maile siedir morgen.»

In der Zwischenzeit hat das Se-kretariat alle Unterlagen für diewöchentlich stattfindende Regie-rungsratssitzung auf Dieths Pultgelegt. Ein gut gefüllter Ordnervoller Akten. Bevor der Regie-rungsrat für die Fahrt nach Bruggabgeholt wird, ist Zeit fürs Akten-studium eingeplant. Doch erkommt nicht dazu, weil diverseTelefonate anstehen und er die Be-sucher aufs Telli-Hochhausdachführt. Hier, auf dem höchsten Aar-gauer Gebäude, in 85 Metern Hö-he, ist die ganze Region bis überdie Kantonsgrenze hinaus zu se-hen. «Eindrücklich», sagt der Fi-nanzdirektor nachdenklich, wäh-rend sein Blick über die Land-schaft schweift: «Eigentlich scha-de, dass ich so selten hier obenbin.» Kurz darauf sitzt er wiederhinter den Akten. Er kommt nichtweit und nimmt sie deshalb nach

Hause, um sie am Wochenende zustudieren und sich auf die Sitzun-gen vorzubereiten.

UM ZWANZIG NACH FÜNF UHR steigter wieder in den Staatswagen undgeht die Rede ein letztes Maldurch, ehe er den Chauffeur an-weist, ein paar Schritte vor demCampussaal anzuhalten. Bevor ervor versammeltem Publikum sei-ne Grussbotschaft überbringt, gehter an den Ständen der Jungunter-nehmer vorbei und lässt sich ihreProdukte und Ideen zeigen. AmStand des Habsburger Start-upsGluehweinwerk unterhält sich derRegierungsrat mit Student MirkoHess, der ihm seine Glühweinmi-schung zum Probieren mitgibt. Diebeiden ahnen noch nicht, dass die-ses Projekt den Wettbewerb kurzdarauf gewinnt. Die Jungunterneh-mer haben Dieths Ratschlag, mu-tig und kreativ zu handeln, umnicht behandelt zu werden, umge-setzt, noch bevor sie seine Redehörten. Nach der Prämierung gra-

tuliert Dieth den Gewinnern,mischt sich beim Apéro unter dieGäste, ehe er um halb neun denCampussaal verlässt und nachHause gefahren wird. Auch wenner als Regierungsrat nicht mehr inWettingen wohnen müsste,kommt für ihn ein Umzug nichtinfrage: «Wettingen ist und bleibtneben Davos meine Heimat. Hierhabe ich meine Basis, hier wohnenmeine Freunde.»

Um neun Uhr abends öffnetMarkus Dieth sein Gartentor er-neut und verabschiedet sich mitden Worten: «Heute war ein eherlockerer Tag, normalerweise ste-hen mehr Termine an.» Und siewerden auch im Jahr als Landam-mann nicht weniger – im Gegen-teil. Doch Markus Dieth freut sichdarauf: «Auf die vielen Begegnun-gen mit den Menschen, die ichdieses Jahr als Landammann ha-ben werde.» Sagts und verschwin-det im Haus.

Wahlfeier für die Bevölkerung in derDoppelturnhalle Bezirksschule,Dienstag, 14. Januar, ab 17.30 Uhr.

Wettingens erster Landammann Markus Dieth freut sich auf die MenschenDer ehemalige Wettin-ger Gemeindeammannund heutige Regie-rungsrat Markus Diethist seit dem 1. JanuarAargauer Landammann.Am Dienstag findet inWettingen die Wahlfeierstatt. Die Limmatwellehat ihn vorgängig einenTag lang begleitet.MELANIE BÄR

«Die Nähe zur Bevölke-rung habe ich als Regie-rungsrat am Anfang einbisschen vermisst.»MARKUS DIETH, REGIERUNGSRAT

«Markus Dieth istextrem schnell.»PATRICIA KETTNER, GENERALSEKRETÄRIN

«Wettingen ist undbleibt neben Davosmeine Heimat.»MARKUS DIETH

Markus Dieth im Finanzdepartement im Telli in Aarau. Gaby Kost

Limmatwelle, 09. Januar 2020

WETTINGEN 6WOCHE NR. 02DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020

Ankunft im Telli im Staatswagen.

Urs Heimgartner informiert übers Reformvorhaben.

Aktenstudium während der Autofahrt.

Arbeitsbesprechung mit Andrea Plüss.

Sitzung mit den Geschäftsleitungsmitgliedern um halb acht.

Mittagessen mit Mitarbeitenden. Die Wettinger Standortförderin Sandra Thut bespricht die Tischordnung.

Daheim in Wettingen kurz vor neun Uhr.Grussbotschaft im Campussaal überbracht.

Kurze Pause fürs Aktenstudium.

Mirko Hess (l.) an der Swiss Start-up Challenge im Gespräch mit Dieth.

Markus Dieth tauscht sich mit Mitarbeitenden aus.

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