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WissenschaftsmanagementZ e i t s c h r i f t f ü r i n n o v a t i o n
G 21233
19. Jahrgang · Heft 4Juli/August 2013
Einzelpreis: 19,80 ISSN 0947-9546
SchWerpunktSocial Media
Beobachtungsverfahren
Nutzungsgewohnheit der Forscher
Wissenschaftliche Reputation und Relevanz
Praxisbeispiele
Wissens- und technologietransfer Softwareunterstützung im Technologietransfer
OrganisationsentwicklungGI:VE and take zwischen Wissenschaft und Praxis
chancen- und risikomanagementRisiken als Chancen verstehen – Teil 1
Wirtschaftskommunikation
Die Verbraucher von heute sind interessiert, die
Verbraucher von morgen sind kritisch. Immer häufiger
hinterfragen sie Produkte und Dienstleistungen.
Erkenntnisse der Wissenschaft können mit dem Ver-
trauen und der Autorität, die sie in der Gesellschaft
genießen, die Wertigkeit von Produkten und Dienst-
leistungen erhöhen, untermauern und kommunizieren.
Auf diesem Wege heben sich Anbieter im Wettbewerb
von ihren Konkurrenten ab.
Dafür stehen wir!
USBi economyusing science for business
Wirtschaftskommunikation
Die Verbraucher von heute sind interessiert, die Verbraucher von morgen sind kritisch. Immer häufiger hinterfragen sie Produkte und Dienstleistungen.
Erkenntnisse der Wissenschaft können mit dem Vertrauen und der Autorität, die sie in der Gesellschaft genießen, die Wertigkeit von Produkten und Dienstleistungen erhöhen, untermauern und kommunizieren. Auf diesem Wege heben sich Anbieter im Wettbewerb von ihren Konkurrenten ab.
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Durch USBi economy können Sie als Firma die Expertise und das Wissen der Wissenschaft und Forschung für Ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen nutzen.
USBi economy orientiert sich an den Bedürfnissen Ihres Unternehmens, an den Anforderungen, die Ihre spezi- fischen Produkte und Dienstleistungen stellen. Sie stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit.
Wirtschaftskommunikation: Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung für den Erfolg Ihrer Produkte
Kontakt:Ralf BohlsenRedaktion Wirtschaftskommunikation
Lemmens Medien GmbH – Bildung, Forschung, Technologie
Matthias-Grünewald-Straße 1-3 53175 BonnTelefon: +49 228 42137-23bohlsen@lemmens.dewww.lemmens.de
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Die Leichtigkeit des Netzes verleitet. Vermeintlich niedrige Kosten
gehen mit einer potenziell hohen Reichweite Hand in Hand. Welcher
Kommunikator entschiede sich hierbei nicht für ein Social-Media-Mar-
keting (SMM)? Das gilt auch für die Wissenschaftskommunikation. Aber
der Durchbruch ist trotz guter Beispiele noch längst nicht geschafft
– zumindest in Deutschland. Die Wissenschaftseinrichtungen stehen
deshalb mitten in einem Umbruch, weil die prinzipiellen Chancen offen-
baren, dass eine dazugehörige Kommunikationskultur noch nicht etab-
liert ist. Der einzelne Wissenschaftler könnte viel mehr beitragen, nutzt
aber die direkte Ansprache der Zielgruppen noch nicht gebührend. Der
aktuelle Schwerpunkt soll hier Anregungen liefern.
Die Leitungsebenen in Universitäten und Forschungseinrichtungen spüren förmlich den Druck.
Irgendwie müsse man, so ist zu hören, bei diesem Trend zur 24/7-Kommunikation unbedingt
mitmachen. Nicht zuletzt lebten vor allem die Studierenden nicht nur auf dem Campus, sondern
ebenso im Netz. In den meisten Fällen wurden und werden jedoch keine entsprechenden Analysen
vorgenommen, die eine Entscheidung für ein SMM seriös begründen. Das Wissenschaftsmanage-
ment muss aber die Frage stellen: Wenn wir Social Media betreiben wollen, welche Ziele haben wir,
welche Strategie benötigen wir, was und wie viel an Instrumenten ist erforderlich, um erfolgreich zu
sein? Die Reflexion der eigenen Ziele und der Erwartungen der Zielgruppen ist nötig.
Ein Autorenteam der Universität Mannheim um Hans H. Bauer, Jürgen Rösger und Boris Toma
bietet aktuell unter dem Titel „Social Media und Brand Community. Grundlagen, Strategien und
Erfolgskonzepte aus der Praxis“ auch der Wissenschaft eine Hilfestellung: „Social Media Mar-
keting stellt eine Form des Marketings dar, deren Ziel es ist, ‚eigene‘ Vermarktungsziele durch
die Nutzung von und Beteiligung an sozialen Kommunikations- und Austauschprozessen mittels
einschlägiger (Web 2.0-) Applikationen und Technologien zu erreichen.“ Unternehmen (und dies
gilt auch für wissenschaftliche Einrichtungen) nutzten soziale Medien zum Erreichen ihrer Kom-
munikations- und Reputationsziele. Ökonomische Ziele stünden beim Social-Media-Marketing
jedoch nicht im Vordergrund, da der Fokus auf dem Dialog mit dem Kunden liege. Dieser letzte
Punkt ist für die Wissenschaft von zentraler Bedeutung – er wird auch Kritiker erreichen.
Umgesetzt hat in dieser Richtung die Hochschule Aalen eine beispielhafte Social-Media-Praxis.
Im Rahmen eines mehrjährigen Prozesses wurden dort die strategischen Schritte abgearbeitet.
Bei einem „Treiber“ – Professorin Constance Richter – laufen alle Fäden zusammen. Vor allem
sei die Bereitschaft der Einrichtung erforderlich, so die Aalener-Erfahrung, die Informations-De-
mokratie – also den freien Fluss der Meinungen – auch zuzulassen. Hier stocke es bei vielen
Universitäten, die wohl auch deshalb noch zu selten eine offizielle SMM entwickelten. Vielmehr
tolerieren sie im Verborgenen eine gewisse „Guerilla-Haltung im Social Marketing“ und überlas-
sen intern einzelnen Wissenschaftlern oder Instituten die SMM-Aktivitäten. Dies sei aber nicht
ausreichend. Social Media kann viel mehr, wie unsere Beiträge zum Thema zeigen.
Markus Lemmens
19. Jahrgang · Heft 4 · Juli/August 2013 · Einzelpreis: 19,80 D
news & facts 4
personalia 9
wissenschaftsmanagerinnachgefragt 10 bei Claudia Müller, Projektkoordinatorin der Hybrid Plattform
aktuelle diskussion 12 Personalrekrutierung
managementSchWerpunkt Social Media
Beobachtungsverfahren 14
Nutzungsgewohnheit der Forscher 18
Wissenschaftliche Reputation und Relevanz 22
Praxisbeispiele 26
Wissens- und technologietransfer 30 Softwareunterstützung im Technologietransfer
Organisationsentwicklung 34 GI:VE and take zwischen Wissenschaft und Praxis
chancen- und risikomanagement 38 Risiken als Chancen verstehen – Teil 1
weiterbildungAktueller Begriff 42 Rücklagenmanagement an Hochschulen
buchbesprechungMichael Schleinkofer 44 Entstehung von akademischen Ausgründungen
Buchmarkt 45
Impressum 46
Dieser Ausgabe liegt der Flyer viertes Berliner symposium Wissenschaftsmarketing bei.
editorial 3
Social Media – Start mit Strategie
Wirtschaftskommunikation: Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung für den Erfolg Ihrer Produkte
AUSGRÜNDUNGEN
Forschungsorganisationen versus hochschulen Wer ist eher Ideenschmiede?Die RWTH Aachen verweist die Technischen Universitäten München und Dresden auf die Plätze
ausgründungen öffentlicher Wissenschafts- einrichtungen, sogenannte spin-offs, sind ein Dauerbrenner. es geht dabei um Unter-nehmensgründungen, bei denen hochschu-len oder forschungseinrichtungen direkt oder indirekt beteiligt sind. studierende und junge Wissenschaftler entwickeln immer häufiger eine Geschäftsidee und er-proben das Unternehmertum. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen den trend: es gibt immer mehr firmen, die von studierenden, absolventen oder Wissenschaftlern aus hochschulen heraus gestartet werden. Bei einer eigenen Geschäftsidee unterstützten die meisten forschungseinrichtungen die
Transferpipelines in die Wirtschaft: Spin-offs aus der Wissenschaft. Foto: Kurt Michel/pixelio
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
4 news & facts
Kreativen wie beispielsweise bei der start-
finanzierung, die beantragt werden muss.
neben der guten Geschäftsidee, dem Busi-
nessplan und der finanzierung spielt die
rechtsform eine entscheidende rolle. Wis-
senschaftsmanagement hat die Zahlen 2012
aktuell abgefragt.
Zum Hintergrund: Der Stifterverband erstellt
im Auftrag des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Technologie einen Gründungsra-
dar. Dieses Instrument untersucht, welche
Hochschule in Deutschland die besten Start-
bedingungen für Existenzgründungen von
Studierenden und Wissenschaftlern bietet.
Das Ziel der Studie ist, die Rahmenbedingun-
gen und Hilfen, die Hochschulen Gründern
anbieten, zu beleuchten. Ebenso werden die
Ausgründungsstrategien der Einrichtungen
gegenübergestellt. Auch Empfehlungen an
die Wissenschaftsförderer und die Politik, wie
zukünftig eine Förderung aussehen könnte,
werden erwartet. Die Auswertung des Radars
steht für Oktober 2013 an.
Vorab geben die aktuellen Vergleichszahlen
hinsichtlich der Ausgründungen aus For-
schungsorganisationen und Hochschulen
einen Anhaltspunkt, welcher Organisati-
onstyp im Beispieljahr 2012 dynamischer
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
news & facts 5
Abb. 1: Wissenschaftliche Institutionen im Vergleich: Ausgründungen 2012
63
15
17
12
25
35
5
15
18
9
10
3
9
RWTH Aachen
TU Berlin
TU Braunschweig
TU Darmstadt
TU Dresden
TU München
Universität Hannover
Universität StuHgart
KIT Karlsruhe
Helmholtz GemeinschaM
Fraunhofer-‐GesellschaM
Leibniz-‐InsStute
Max-‐Planck-‐GesellschaM Forschungseinrichtungen
Universitäten
war. Im Wintersemester 2012/2013 wurden
insgesamt 427 Hochschulen in Deutsch-
land gezählt: Deshalb wird eine Auswahl an
Hochschulen – die neun Technischen Univer-
sitäten, die in der Interessenvereinigung TU9
organisiert sind – mit den vier großen deut-
schen Forschungseinrichtungen verglichen.
Zu den Forschungsorganisationen gehört die
Max-Planck Gesellschaft (MPG) mit der Max-
Planck-Innovation (MI), die Fraunhofer-Gesell-
schaft (FhG), die Helmholtz-Gemeinschaft deut-
scher Forschungszentren (HGF) und die Wissen-
schaftsgemeinschaft Gottfried-Wilhelm-Leibniz
(WGL). Unter die TU9 fallen die RWTH Aachen,
die Technischen Universitäten Berlin, Braun-
schweig, Darmstadt, Dresden und München, die
Universitäten Hannover und Stuttgart sowie das
Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Ausgründungen der ForschungsorganisationenRückblick: Die MI betreut im MPG-Verbund
zurzeit rund 1.190 Erfindungen und 16 Fir-
menbeteiligungen. Jedes Jahr kommen
durchschnittlich 150 neue Projekte dazu.
Seit 1979 hat die MI etwa 3.400 Erfindungen
begleitet und ungefähr 2.000 Verwertungs-
verträge abgeschlossen. Bereits seit 1990
wurden ungefähr 100 Ausgründungen beglei-
tet. Der Gesamterlös für die Erfinder beläuft
sich bislang auf etwa 280 Millionen Euro.
Die FhG hat eine spezialisierte Gruppe für
die Ausgründungsprojekte ähnlich der MI, die
Fraunhofer Venture. Seit ihrer Gründung 1999
hat die Fraunhofer Venture über 400 Ausgrün-
dungsprojekte begleitet sowie über 150 Spin-
offs auf den Weg gebracht. Ebenso findet ein
Know-how Transfer mit über 5.200 Patent-
familien statt. Die Helmholtz-Gemeinschaft
hat bislang jährlich um die 400 neue Patente
angemeldet, ebenso erfolgten von 2005 bis
2012 aus Helmholtz-Zentren 80 Ausgrün-
dungen. Für die Ausgründungen der 86 Insti-
tute der WGL übernimmt die Beratungsstelle
Leibniz X – Science2market die Betreuung.
Seit 1990 wurden aus 38 Einrichtungen der
Leibniz-Gemeinschaft mindestens 123 inno-
vative Unternehmen gegründet. Diese Unter-
nehmen haben etwa 1.600 neue Arbeitsplätze
geschaffen und einen geschätzten Jahresum-
satz von über 150 Millionen Euro.
Universitäten liegen vornIm Jahr 2012 sind beispielsweise aus den 18
Helmholtz-Zentren neun High-Tech-Ausgrün-
dungen entstanden, im Jahr zuvor waren es
14. Zahlen für 2013 liegen noch nicht vor. Im
Schnitt werden laut Helmholtz-Darstellung rund
zehn Gründungen pro Jahr erreicht. Bei den
TU9 sehen die Zahlen anders aus: Die Innova-
tionskraft der RWTH Aachen drückt sich auch
in der hohen Zahl von 1.250 Existenzgründun-
gen in den letzten 20 Jahren aus. Damit hat die
RWTH Aachen eigenen Angaben zufolge rund
30.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Zahl
der Ausgründungen liegt bei 63 im Jahr 2012.
Die TU Braunschweig hat für den Zeitraum
2012 bis Anfang 2013 insgesamt 17 Neugrün-
dungen verbuchen können. Die TU Darmstadt
hat seit 2012 dagegen fünf Ausgründungen
weniger begleitet und gefördert: Es sind zwölf
Spin-offs. An der TU Dresden gab es im letzten
Jahr um die 20 bis 25 Ausgründungen, genau-
ere Zahlen sind zurzeit nicht bekannt. Im Jahr
2012 hat die TU München um die 35 Unterneh-
mungsgründungen verbucht. Die Universität
Hannover hat jedes Jahr ungefähr circa fünf
Ausgründungen erreicht; genaue Angaben für
2012 bis 2013 gibt es nicht. Bei der Universität
Stuttgart wurden von 2012 bis 2013 ungefähr
15 Unternehmen gegründet. Im Jahr 2012 wur-
den vom KIT ungefähr 18 Ausgründungen ver-
zeichnet.
Es zeigt sich also einmal eine hohe Diskrepanz
innerhalb der Gruppe der Hochschulen – und
zum anderen ein großer Unterschied zwischen
den Hochschulen und den außeruniversitären
Forschungseinrichtungen. Die RWTH Aachen
hat alleine mehr Ausgründungen im Jahr 2012
als die vier großen Wissenschaftsorganisati-
onen zusammen. Diese Zahlen lassen natür-
lich die Fragen der Vergleichbarkeit und der
unterschiedlichen Rahmenbedingungen offen.
Sicher ist aber, dass dieses Thema ein wich-
tiges Feld für Wissenschaftsmanagement und
Politik bleibt. Ein über alle Institutionen hinweg
höherer Output an innovativen Spin-Offs sollte
für alle Akteure ein Ziel sein.
Linn Petersen
Die Autorin ist Mitarbeiterin von Lemmens Medien.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
6 news & facts
BLOG
#Measuring Quality and performance “Not everything that can be counted counts, and not everything that counts can be counted.” Albert Einstein
Boston/Usa. there has been a rash of articles in the press about the ways we might measure the effectiveness of a university education, often judging the success of higher education by the em-ployment results of graduates. there have been several articles about the failure of higher education in china to guarantee jobs to graduates. the voluntary institutio-nal Metrics Project also emphasizes post-graduate employment among the items (below) to be evaluated that include:
u repayment and default rates on student
loans
u student progression and completion
The right numbers to judge the success of higher education? Foto: Evi Hartmann/pixelio
u institutional cost per degree
u employment of graduates
u student learning
Four of five items above are primarily quan-
titative measures. (Re-read Einstein quote
above.) I recognize the importance of look-
ing at higher education critically to determine
what impact the experience has on individu-
als and societies but we seem to repeatedly
resort to the same fallback strategies of
“counting what can be counted” for lack of an
effective methodology for an alternative.
Quantitative data are relatively easy to collect
and very simple to compare. This feeds into
the attraction of rankings—gather data, cre-
ate mechanisms for quantifying the informa-
tion, and compare. Rankings, like the infor-
mation that will be collected by the Voluntary
Institutional Metric Project, will (supposedly)
help us know which institution is better than
which other institution.
But most anyone who has collected data
knows that you can neatly summarize the
results but that those results often hide a
fair amount of messiness. Are all data from
all institutions collected and reported in the
same way? Are they truly comparable? Which
variables were factored into the analysis and
which were overlooked? Or ignored? We have
read over and over again that there are se-
rious methodological problems with the way
rankings are constructed. I suggest that there
are good reasons to doubt most comparative
data collected from the diverse array of insti-
tutions that make up higher education in any
country today. We are rarely comparing ap-
ples to apples. In fact, we are generally com-
paring apples to kumquats. So if we resort to
measuring common characteristics (number
of seeds, for example) just to have something
to compare, how useful is it?
Quantitative measures are appealing at so
many levels but they limit what we can meas-
ure as well as how accurately we can meas-
ure something as elusive as education. I once
read (I think it was Martin Trow) that to truly
measure the quality and impact of higher ed-
ucation, we would have to monitor someone
throughout their post-graduate lifetime. This
makes sense to me. Several decades after re-
ceiving my liberal arts degree that prepared
me for no job in particular, I am constantly
reminded of the value of what I learned dur-
ing those four years—it provided me with the
foundation skills for all of the work I’ve done
since. Now, how could I document that?
I recognize that in most modern societies,
most of us need to work to survive, but I do
wonder if the purpose of a college education
is to guarantee employment. Perhaps it is
time to separate the two. Perhaps we should
be getting an education at college and job
training somewhere else. What do employ-
ment statistics, or loan repayment data, or
institutional costs really tell us about the edu-
cation someone has experienced? Institutions
of all kinds need to be accountable but we
should be careful about what conclusions we
draw from the things that we can measure.
Liz reisberg
Liz Reisberg is an independent consultant in higher education. Themes of her research and other activi-ties include quality assurance in higher education, the challenges of access and equity, and new ap-proaches to university curriculum and pedagogy.
Diesen Beitrag finden Sie im englischsprachigen Blog http://www.insidehighered.com/blogs/world-view/.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
news & facts 7
JAHRESTAGUNG
ein Ziel – viele Wege: professionalisierung im WissenschaftssystemNetzwerk Wissenschaftsmanagement diskutiert Facetten der Wirkungen von Professionalisierung auf Personal, Steuerung und Strategie
haMBUrG. Der ruf nach stärkerer Profes-sionalisierung in Wissenschaftsorganisati-onen erschallt in variierender Lautstärke, in verschiedenen Zusammenhängen und von unterschiedlichen absendern seit längerer Zeit. Bildungspolitische reform-vorgaben, die veränderte steuerungspo-litik von Bund und Ländern im Zeichen von mehr autonomie und der national wie international anwachsende Wettbewerb um personelle und finanzielle ressourcen haben diesem Wunsch nachdruck verlie-hen. hinzu kommen interne überlegungen zur verbesserung der rahmenbedingun-gen für wissenschaftliches arbeiten in der eigenen institution.
Die Wege der Professionalisierung von Wissenschafts-management beschreiten.
Foto: Rolf van Melis/pixelio
Die Wissenschaftsorganisationen haben auf
diesen Ruf nach mehr Professionalisierung
längst reagiert. Einige Institutionen haben den
Ausbau des Managements und damit die Ent-
wicklung neuer Berufsfelder an der Schnitt-
stelle zwischen Wissenschaft und Verwaltung
aktiv vorangetrieben. Andere Institutionen
haben das „duale“ System von Verwaltung
und Wissenschaft beibehalten und innerhalb
dieser existierenden Struktur das Manage-
ment der Institution verbessert.
Die individuellen Umsetzungen in den einzel-
nen Wissenschaftsorganisationen haben zu
vielfältigen Ausprägungen geführt. Es lohnt
der Blick aus der Vogelperspektive auf das
System: Welche konkreten Wege der Profes-
sionalisierung an Hochschulen, Forschungs-
und Fördereinrichtungen lassen sich beob-
achten? Wie sind die strategische Planung
und Steuerung an den einzelnen Wissen-
schaftsorganisationen im Wissenschaftsma-
nagement verankert? Welche Herausforde-
rungen ergeben sich für die Personalpolitik,
für die Rekrutierung von wissenschaftlichem
wie administrativem Personal, für die Perso-
nalentwicklung? Welche Effekte und Wirkun-
gen zeigen sich für das Wissenschaftsma-
nagement in den einzelnen Organisationen?
Welche neuen Karrierewege eröffnen sich für
das Wissenschaftsmanagement als Beruf?
Um diese Fragen kreist die Diskussion auf der
diesjährigen, dritten Jahrestagung des Netz-
werks Wissenschaftsmanagement, die unter
dem Titel „Wege und Wirkungen der Profes-
sionalisierung im Wissenschaftssystem“ in
Hamburg stattfinden wird. Dort werden die
von öffentlichen und privaten Wissenschafts-
einrichtungen eingeschlagenen Wege der
Professionalisierung vorgestellt und damit
einhergehende Entwicklungen für das Wis-
senschaftsmanagement und die Wissenschaft
diskutiert.
andreas Mai und Ute symanski
Dr. Andreas Mai leitet das Zentrum für Universitäts-entwicklung der Bauhaus-Universität Weimar.
Dr. Ute Symanski arbeitet als Organisations- und Per- sonalentwicklerin für Hochschulen und Wissen-schaftsorganisationen (Hochschulcoaching, Köln).
4
3
Jahrestagung
26. und 27. September 2013 in Hamburg
Ort: buceriuS L aw ScHOOL
www.netzwerk-wissenschaftsmanagement.deweitere infOrmatiOnen & anmeLdung
Wege und Wirkungen der Professionalisierung im Wissenschaftssystem
Die Vielfalt der Positionen, die mit Führungs- und Leitungsaufgaben an Hochschulen verbun-
den sind, ist beträchtlich. Dies liegt am strukturellen Aufbau von Hochschulen: Hier � nden drei sehr unterschied-
liche, die Organisation konstituierende Prozesse statt, in denen Füh-rung und Leitung unterschiedlicher Ausprägung nötig sind: Forschung, Lehre
und Verwaltung. Vor allem in den Leistungsprozessen Forschung und Lehre fällt es den Leitungspersönlichkeiten nach wie vor schwer, ihre Führungsrollen authentisch und
und Leitungsaufgaben an Hochschulen verbun-den sind, ist beträchtlich.
Aufbau von Hochschulen: Hier � nden drei sehr unterschied-liche, die Organisation konstituierende Prozesse statt, in denen Füh-
rung und Leitung unterschiedlicher Ausprägung nötig sind: Forschung, Lehre und Verwaltung. Vor allem in den Leistungsprozessen Forschung und Lehre fällt es
Leadershipin Forschung und Lehre
EntwicklungBeispielePerspektiven
Max Dorando & Ute Symanski (Hrsg.)
136 Seiten, broschiert35,00 Euro
ISBN 978-3-86856-007-7
In anschaulicher Weise vermitteln die Autoren Wissen für die Praxis und für die Praktiker. Die Beiträge sind eine Mischung aus Praxis- und Erfahrungsberichten, aus theoretisch gestützten Grundlagen und begleitender Re� exion. Empfehlungen aus Coaching und Training für die Führungspraxis an Hochschulen werden sowohl von externen Beratern als auch von Hochschul-angehörigen dargestellt.
mit einem individuellen, für sie selbst passenden Stil auszufüllen.
NEUERSCHEINUNGReihe Edition Wissenschaftsmanagement
Lemmens Medien www.lemmens.de
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Verabschiedung und umstrukturierung
eine Studentin im präsidium
Nach 23 Jahren als Leiter
der Pressestelle der Ruhr-
Universität Bochum ver-
abschiedet sich Dr. Josef König in den Ruhestand.
König hat in seiner Zeit die
großen Veränderungen in
der Wissenschaftskommunikation miterlebt
und mitgestaltet: Zum Bespiel hat er den In-
formationsdienst Wissenschaft mit aufgebaut.
Mit dem Ausscheiden von König geht eine
Strukturänderung innerhalb der Universität
einher. Die Pressestelle wird Teil des neuen
Dezernats 8 für „Hochschulkommunikati-
on“, das von Dr. Barbara Kruse geleitet wird,
die zuvor die Stabsstelle Strategische PR und
Markenbildung leitete. Das neue Dezernat soll
die verschiedenen Kräfte der Öffentlichkeits-
arbeit an der Universität bündeln.
Als Studierende ein voll-
wertiges und hauptamtli-
ches Mitglied der Universi-
tätsleitung: Michelle Mall-witz ist die neue studenti-
schen Vizepräsidentin der
Zeppelin Universität (ZU).
Nach ihrem Bachelor-Studium in Lüneburg,
wo Mallwitz bereits studentische Prodekanin
war, studiert sie nun Kultur- und Kommunika-
tionswissenschaften an der ZU und empfindet
es als wichtige und interessante Aufgabe,
studentische Interessen zu vertreten: „Ich
freue mich darauf, gerade hier an der ZU mit-
gestalten zu können, da diese Uni viel Raum
für Neues lässt und großen Wert auf studen-
tische Mitbestimmung legt.“ Das Amt der
studentischen Vizepräsidentin ist auf ein Jahr
befristet.
„eine ausgewiesene Verwaltungsexpertin“
Neue Kanzlerin der Univer-
sität Mainz wird Dr. Wal-traud Kreutz-Gers und tritt
somit die Nachfolge von
Götz Scholz an, der an die
Mainzer Universitätsmedi-
zin gewechselt ist. „Mit Dr.
Waltraud Kreutz-Gers wird eine ausgewiesene
Verwaltungsexpertin sowie Bildungs- und Wis-
senschaftsmanagerin Kanzlerin unserer Univer-
sität“, freut sich der Präsident der Universität,
Georg Krausch. Die Ministerialdirigentin war
zuvor im Wissenschaftsministerium von Nord-
rhein-Westfalen tätig. Dabei reichten ihre Ver-
antwortungen von der Hochschulmedizin über
die Hochschulplanung bis hin zur Hochschul-
finanzierung und Haushaltsangelegenheiten.
Auch in verschiedenen Senatskommissionen
konnte sie ihre Expertise bereits einbringen.
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Ab dem 1. Oktober über-
nimmt der Sprachwissen-
schaftler Prof. Dr. Óscar Loureda den Posten des
Prorektors für Qualitätsent-
wicklung der Universität
Heidelberg. Der Leiter der
Spanischen Abteilung am Institut für Übersetzen
und Dolmetschen und Direktor des Iberoamerika-
Zentrums der Universität promovierte 2001 in La
Coruña (Spanien), wo er auch lehrte und forschte,
bis er nach Heidelberg kam. 2005 und 2007 war
er jeweils als Forschungsstipendiat der Hum-
boldt-Stiftung in Deutschland. Loureda, geboren
1974, war Gastdozent in Europa, Asien und La-
teinamerika und ist stellvertretender Vorsitzender
des Deutschen Hispanistenverbandes. Das Amt
des Prorektors für Qualitätsentwicklung über-
nimmt Loureda von Prof. Dr. Karlheinz Sonntag.
Einstimmig haben Hoch-
schulrat und Senat Prof. Dr. christian schröder zum
neuen Vizepräsident für
Forschung, Entwicklung
und Transfer der Fachhoch-
schule Bielefeld gewählt.
Der Professor für Mathematik und Informatik
am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und
Mathematik hat 1999 in Osnabrück promo-
viert und unterhält gute Verbindungen in die
USA, nach Wales und Japan. Schröder ist Lei-
ter des „Bielefelder Instituts für Angewandte
Materialforschung“ sowie Projektleiter in der
DFG-Forschergruppe „Nanomagnete“. Schrö-
der: „Ich freue mich sehr über die Wahl und
werde das Amt mit voller Kraft angehen.“ Er
tritt die Nachfolge von Joachim Bahndorf an,
der im Alter von 56 Jahren verstorben war.
Von La coruña nach heidelberg
Forschung, entwick-lung und transfer
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Prof. Dr. sibylle Baumbach
ist die neue Sprecherin der
Jungen Akademie. Die Juni-
orprofessorin für Anglophone
Cultures an der Universität
Mainz ist seit 2011 Mitglied
und war 2012 und 2013 im
Vorstand der Jungen Akademie tätig. Sie studier-
te in den USA, promovierte 2006 und ging dann
als Teaching Fellow, Forschungskoordinatorin
und Wissenschaftliche Mitarbeiterin nach Eng-
land. Die Junge Akademie ist weltweit die erste
Akademie des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Ihre wichtigsten Aufgaben sind die Förderung des
interdisziplinären Diskurses sowie von Initiativen
an den Schnittstellen von Wissenschaft und Ge-
sellschaft. Ihre Forschungsschwerpunkte sind
unter anderem englische und europäische Litera-
tur und Kultur der Frühen Neuzeit.
Interdisziplinären Austausch stärken
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personalia 9
Die Vielfalt der Positionen, die mit Führungs- und Leitungsaufgaben an Hochschulen verbun-
den sind, ist beträchtlich. Dies liegt am strukturellen Aufbau von Hochschulen: Hier � nden drei sehr unterschied-
liche, die Organisation konstituierende Prozesse statt, in denen Füh-rung und Leitung unterschiedlicher Ausprägung nötig sind: Forschung, Lehre
und Verwaltung. Vor allem in den Leistungsprozessen Forschung und Lehre fällt es den Leitungspersönlichkeiten nach wie vor schwer, ihre Führungsrollen authentisch und
und Leitungsaufgaben an Hochschulen verbun-den sind, ist beträchtlich.
Aufbau von Hochschulen: Hier � nden drei sehr unterschied-liche, die Organisation konstituierende Prozesse statt, in denen Füh-
rung und Leitung unterschiedlicher Ausprägung nötig sind: Forschung, Lehre und Verwaltung. Vor allem in den Leistungsprozessen Forschung und Lehre fällt es
Leadershipin Forschung und Lehre
EntwicklungBeispielePerspektiven
Max Dorando & Ute Symanski (Hrsg.)
136 Seiten, broschiert35,00 Euro
ISBN 978-3-86856-007-7
In anschaulicher Weise vermitteln die Autoren Wissen für die Praxis und für die Praktiker. Die Beiträge sind eine Mischung aus Praxis- und Erfahrungsberichten, aus theoretisch gestützten Grundlagen und begleitender Re� exion. Empfehlungen aus Coaching und Training für die Führungspraxis an Hochschulen werden sowohl von externen Beratern als auch von Hochschul-angehörigen dargestellt.
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NEUERSCHEINUNGReihe Edition Wissenschaftsmanagement
Lemmens Medien www.lemmens.de
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
10 wissenschaftsmanagerin
NACHGEFRAGT
Mit transparenz und vertrauensvoller Zusammenarbeit Claudia Müller, Projektkoordinatorin der Hybrid Plattform, einem Pilotprojekt der Universität der Künste Berlin und der Technischen Universität Berlin
Claudia Müller liegt die interdisziplinäre Forschung am Herzen.
rischen und der naturwissenschaftlich-tech-
nischen Disziplinen profitieren. Andererseits
trägt er der Erkenntnis Rechnung, dass aktu-
elle Fragestellungen nicht mehr allein durch
einzelne Disziplinen zu bearbeiten sind.
Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erklä-
ren: Für die Entwicklung von benutzerfreund-
licher Software sind neben technologischen
Fragestellungen auch designspezifische und
soziologische Disziplinen gefragt, denn diese
können die zugrundeliegenden Arbeitsprozes-
se analysieren. Mit den Erkenntnissen aller
beteiligten Disziplinen können die Anforderun-
gen an die zu entwickelnde Software so kla-
rer definiert werden, als wenn daran alleine
Softwareentwickler arbeiteten.
Welche beruflichen Ziele haben sie?
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass Diszip-
linen übergreifende Arbeit für die einzelnen Be-
teiligten außerordentlich bereichernd sein kann.
Mir liegt am Herzen, für solche Konstellationen
die richtigen Bedingungen zu schaffen. An den
Hochschulen möchte ich daran mitwirken, dass
angehende Wissenschaftler schon früh damit
beginnen können, ihre Arbeit auch mit Vertretern
anderer Disziplinen zu diskutieren. Daher sollten
meines Erachtens auch bereits in der Lehre in-
terdisziplinäre Aspekte eine Rolle spielen.
ihr gelungenstes Projekt?
Um neue Ideen entwickeln zu können, ist es
manchmal notwendig, Abstand vom täglichen
Wissenschaftsbetrieb zu nehmen. Dazu haben
Wie sind sie Wissenschafts- managerin geworden?
Ich habe Biologie studiert, ein Studiengang, der
Einblick in viele Disziplinen erlaubt und damit
meinen Interessen für fachübergreifende The-
men entgegenkam. Schon damals war für mich
klar, dass ich mich nicht gerne auf ein Spezial-
gebiet konzentrieren, sondern vielmehr die Viel-
falt der Disziplinen im Blick behalten möchte.
Daher habe ich nach dem Studium nach einer
Tätigkeit an der Schnittstelle von Hochschule
und Wirtschaft gesucht und konnte bei der da-
maligen Technologiestiftung Hessen beginnen,
an der ich das Hessische Technologietransfer-
Netzwerk mit aufgebaut habe. Anschließend
habe ich verschiedene weitere hochschulüber-
greifende Projekte koordiniert, darunter die Zu-
rich Graduate School in Mathematics, eine ge-
meinsame Einrichtung der ETH und der Univer-
sität Zürich. Um mir ein theoretisch fundiertes
Wissen anzueignen, habe ich berufsbegleitend
einen Master in „Higher Education“ absolviert.
Worin besteht ihre aktuelle tätigkeit?
Derzeit arbeite ich für die Technische Uni-
versität Berlin und koordiniere zusammen
mit einer Kollegin der Universität der Künste
Berlin das Projekt „Hybrid Plattform“. Die-
ses hat zum Ziel, Disziplinen übergreifende
Kooperationen zu fördern. Dem Ansatz liegt
einerseits der Gedanke zugrunde, dass die
komplementären fachlichen und methodi-
schen Kompetenzen beider Universitäten ein
Spannungsfeld bilden, in dem Wissenschaft-
ler und Künstler von den unterschiedlichen
Arbeitsprinzipien der künstlerisch-gestalte-
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Foto
: priv
at
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
wissenschaftsmanagerin 11
dieses Berufsfeld hin ausbilden und Wissen-
schaftsmanagement wird als ein eigenes Feld
der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen.
Daneben etablieren sich Fachverbände und
Foren, in denen sich Wissenschaftsmana-
ger organisieren und damit ihrem Berufsfeld
Sichtbarkeit verschaffen.
Dies wirkt sich auf das Selbstverständnis
der Wissenschaftsmanager, aber auch deren
Wahrnehmung durch Dritte aus: Der Wis-
senschaftsmanager ist nicht mehr länger
nur ein Dienstleister, der im Wesentlichen
für reibungslose Abläufe im Wissenschafts-
betrieb sorgt und dessen Service ansonsten
möglichst unbemerkt abläuft. Vielmehr sind
die modernen Manager Akteure, die an der
Entwicklung ihrer Einrichtungen maßgeblich
beteiligt sind und deren professionelle Dienst-
leistungen als solche anerkannt und nachge-
fragt werden.
ihre Botschaft an die Kolleginnen und Kollegen?
An den vielen komplexen Aufgaben einer
Hochschule arbeiten unzählige Beschäftigte
in den Verwaltungen mit, vom Studienser-
vice über Personal- und Mittelverwaltung bis
hin zum Gebäudemanagement. Wir als Wis-
senschaftsmanager sind als Teil von ihnen
einerseits auf ihre Erfahrung und ihre stetige
Zuarbeit angewiesen. Andererseits ist es häu-
fig unsere Aufgabe, Neuerungen einzuführen.
Dies kann nur in vertrauensvoller Zusammen-
arbeit geschehen und braucht ein Gespür für
Change Management in der Institution. Wich-
tig ist es daher, alle Verwaltungsmitarbeiter
in Reformen einzubinden und Änderungspro-
zesse transparent zu machen. Dabei kann es
helfen, sich an einer Corporate Culture aus-
zurichten und mit ein wenig mehr Selbstbe-
wusstsein Stolz auf unsere meist traditions-
reichen Institutionen zuzulassen.
wir das Hybrid Retreat entwickelt, eine zweitä-
gige Tagung, bei dem sich eine interdisziplinär
zusammengesetzte Gruppe zum Austausch über
ihre Arbeitsfelder und zur gegenseitigen Inspira-
tion trifft. Dass solche zufälligen Begegnungen
tatsächlich manchmal verborgene Zusammen-
hänge aufdecken, bestätigte uns zum Beispiel
ein Informatikprofessor, der auf ein philosophi-
sches Thema aufmerksam gemacht wurde und
sich daraufhin näher damit auseinandersetzte. In
einem völlig anderen Zusammenhang kam spä-
ter ein Soziologe mit einer Kooperationsanfrage
auf ihn zu. Durch das vorherige Zusammentref-
fen war es ihm möglich, die entscheidenden
Zusammenhänge zu erkennen. Nun arbeitet er
in einem Projekt mit, das die Prozesse bei der
Entstehung von Artefakten in künstlerischen Pro-
zessen versus der Entstehung derselben in tech-
nischen Prozessen untersucht.
Die größte herausforderung für das Wissenschaftsmanagement?
Wissenschaftsmanagement ist eine junge
Profession, die in ein System hineingeboren
wurde, das sich wie kaum ein zweites im
Wandel befindet. Angefangen bei Wettbewerb
und Profilbildung der Hochschulen über die
zunehmende Drittmittelorientierung bis hin
zur Bologna-Reform. Hier ist ein professio-
nelles Management durch ausgebildete Spe-
zialisten notwendig, auf deren Arbeit sich die
Hochschul- und Fakultätsleitungen stützen
können. Daher steht das Wissenschaftsma-
nagement vor der Herausforderung, einerseits
auf die flexible Umwelt zu reagieren und den
Bedürfnissen der Hochschulen und Wissen-
schaftseinrichtungen zu begegnen und sich
andererseits als junges Arbeitsfeld weiter zu
etablieren. Die Wissenschaftsmanager haben
dabei eine zunehmend gestaltende Rolle.
Wohin wird sich das Wissenschafts- management entwickeln?
Schon jetzt zeigt sich, dass sich das Manage-
ment von Hochschulen weiter professiona-
lisiert. Es gibt Studiengänge, die eigens auf
57
Kontakt:
Claudia Müller Projektkoordinatorin Hybrid Plattform c/o Universität der Künste Berlin Einsteinufer 43 10587 Berlin Tel.: +49 30 3185-2721 E-Mail: claudia.mueller@hybrid-plattform.org
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Der Wissenschaftsmana-ger ist nicht mehr länger nur ein Dienstleister, der im Wesentlichen für reibungslose Abläufe im Wissenschaftsbetrieb sorgt und dessen Service ansonsten möglichst un-bemerkt abläuft. Vielmehr sind die modernen Mana-ger Akteure, die an der entwicklung ihrer einrich-tungen maßgeblich be-teiligt sind…
”
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
12 aktuelle diskussion Personalrekrutierung
Geld rekrutiert keine Spitzenforscher Uwe Bott, Leiter der Personalentwicklung im Helmholtz Zentrum München
herausragende Köpfe sind das elementare Kapital wissenschaftlicher einrichtungen. Wir brauchen exzellente forscher und Wissenschaftler, aber auch kompetente und motivierte Mitarbeiter im Wissen-schaftsmanagement und in der administ-rativen und technischen infrastruktur. Das erfordert wettbewerbsfähige Gehälter, ein systematisches Personalmarketing und attraktive arbeitsbedingungen. Klassische Personalverwaltung reicht nicht mehr, ein strategisches Personalmanagement ist das Ziel.
Ein derartiger Managementansatz:
a) evaluiert gemeinsam mit der Geschäfts-
führung, welche Potenzialträger und Kom-
petenzen in den Instituten und Organisati-
onseinheiten benötigt werden, um die Ziele
der Einrichtung zu erreichen,
b) analysiert, inwieweit aktuell und mittel-
fristig diese Personalressourcen in ausrei-
chender Menge und Qualität sichergestellt
sind,
c) entwickelt differenzierte Personalmarke-
tingkonzepte für diejenigen Zielgruppen,
für die Engpässe erkennbar sind, und
d) schafft Rahmenbedingungen (Personalent-
wicklung, Karriereperspektiven, Vereinbar-
keit von Beruf und Familie, Arbeitskultur,
Vertragspolicy etc.) für die Attraktivität als
Arbeitgeber.
Lange Zeit wurde beklagt, dass die Bezahlung
des öffentlichen Dienstes nicht konkurrenzfä-
hig sei. Seit 2007 ermöglichen außertarifliche
Ermächtigungen (BMBF, BMWi) die Zahlung
von Gewinnungs-, Halte- und Leistungszula-
gen für Wissenschaftler und wissenschafts-
spezifisch Beschäftige (Planung, Vorbereitung,
Durchführung, Aus- und/oder Bewertung von
Forschungsvorhaben). Das Ende 2012 in Kraft
getretene Wissenschaftsfreiheitsgesetz er-
weitert diese Möglichkeiten noch.
Doch Geld rekrutiert keine Spitzenforscher,
es macht uns lediglich konkurrenzfähig. Ein
effizientes Personalmarketing bietet den High
Potentials eine herausragende personelle,
räumliche und wissenschaftlich-technische
Infrastruktur, Vereinbarkeit von Beruf und
Familie (Telearbeit, Kinderbetreuung etc.),
individualisierte Personalentwicklungsange-
bote, verlässliche Karriereperspektiven, gute
wissenschaftspolitische Rahmenbedingungen
sowie eine exzellente regionale, nationale
und internationale Vernetzung. Dual Career
Angebote und Relocation Services mit Unter-
stützung der gesamten Familie ergänzen das
Spektrum.
Kulturelle Aspekte prägen die MarkeAuch kulturelle Faktoren tragen wesentlich
zur Arbeitgebermarke bei: etwa wertschät-
zende und kooperative Führungskräfte, gutes
Arbeitsklima und Teamorientierung, inter-
kulturelle Ausrichtung, verlässliche soziale
Spielregeln. Zunehmend wichtiger werden
effiziente elektronische Rekrutierungsprozes-
se, Online-Bewerbungsportale, Präsenz in den
Social Media, schnelle Reaktionszeiten sowie
transparente und professionelle Auswahlver-
fahren. Nur wer diese internen Hausaufga-
ben gemacht hat, wird hoch qualifizierte und
motivierte Mitarbeiter rekrutieren können, die
Nachteile des TVöD in Kauf nehmen.
Problematisch bleibt die Gewinnung von
hoch qualifizierten Mitarbeitern mit Admi-
nistrations-, Infrastruktur- und Querschnitts-
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at
aufgaben. Sie sind von der außertariflichen
Zulagensystematik abgekoppelt, obwohl sie
selbstverständlich zum Erfolg wissenschaft-
licher Einrichtungen beitragen. Zunehmende
Dynamik, Komplexität und Internationalisie-
rung der Forschung erfordern professionali-
sierte Unterstützungsprozesse mit Kunden-
und Dienstleistungsorientierung. Führungs-
kräfte müssen entsprechende Prozess-, Pro-
jekt- und Change-Management-Kompetenzen
mitbringen. Derartige Potenzialträger sind am
Arbeitsmarkt zum TVöD-Gehalt kaum zu rek-
rutieren, trotz Einsatz von Personalagenturen
und Headhuntern. Notwendig ist vor allem
ein internes Talentmanagement, das Poten-
zialträger frühzeitig erkennt, über systemati-
sche Personalentwicklung an die Einrichtung
bindet und prospektiv auf Führungsaufgaben
vorbereitet.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Personalrekrutierung aktuelle diskussion 13
Brauchen wir das? und warum? Anke Diez, Leiterin der Personalentwicklung des Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Wissenschaftseinrichtungen sind immer auf der suche nach qualifizierten füh-rungskräften oder Mitarbeitenden im Wissenschaftsmanagement: Leitung der Bereiche Personal und recht, steuerrecht-ler… Die aufzählung könnte noch lange weitergeführt werden. Doch kurz gefasst: es wird in der Praxis immer schwieriger führungs- und schlüsselpositionen zu be-setzen.
Doch woran liegt dies? Wenn wir die Anfor-
derungen für diese Stellen näher betrachten,
fällt auf: Neben fachlichen Voraussetzungen
wie ein einschlägiges BWL-Studium, Erstes
und Zweites juristisches Staatsexamen oder
eine vergleichbare Ausbildung wird meist
eine mindestens fünfjährige Berufs- und
Führungserfahrung, vorzugsweise in einer
universitären oder außeruniversitären Wissen-
schaftseinrichtung, gefordert. Dazu werden
fundierte Kenntnisse in den entsprechenden
Rechtsgebieten erwartet. Eine Person, die
dieses Gesamtpaket mitbringt, ist gefragt
und eben auch nicht „als Stangenware“ zu
finden. Daneben kommt erschwerend hinzu,
dass auch die Aufgaben in der Administration
sich gewandelt haben: vom bloßen Verwalten
hin zu einem aktiven Management. So sollte
aus der Perspektive einer Personalentwick-
lerin die passende Person zusätzlich noch
über eine Generalmanagement-Ausbildung
verfügen, das heißt, sich in dem Bereich der
Managementinstrumente und deren Anwen-
dung zuhause fühlen, aber auch Leadership-
Kompetenzen leben und diese in die Kultur
der Organisation als Vorbild hineintragen.
Gerade Universitäten sind dezentral organi-
siert und können als „lose gekoppeltes Sys-
tem“ beschrieben werden. Das universitäre
Arbeitsumfeld ist hochdynamisch und einem
steten Wandel unterworfen. Der gesuchte Mit-
arbeitende muss sich in solch einem bunten
Treiben innerhalb einer Universität wohlfühlen
und dies zu schätzen wissen. Hinzu kommt,
dass die Bezahlung im öffentlichen Dienst
immer noch sehr viel bescheidener ist, als
bei einer gleichwertigen Position in der freien
Wirtschaft.
Gestaltungsfreiheit und Sicherheit
überzeugen
Jetzt könnte man denken, dass es ja nahezu
aussichtslos ist, einen passenden Kandida-
ten zu finden. Nein. Es ist schwer, wird auch
immer schwerer, aber ist durchaus möglich.
Personen, denen es nicht egal ist, für was
oder wen sie arbeiten, oder auch Personen,
denen Sicherheit und Gestaltungsfreiheit von
großer Bedeutung sind, finden sich an einer
Universität sehr schnell ein. Wir suchen also
Menschen, die mit ihrer Arbeit einen gesell-
schaftlichen Nutzen schaffen wollen. Dazu
versuchen wir Personalentwickler an Uni-
versitäten die Instrumente unseres Faches
gezielt einzusetzen: Nachfolgeplanung im
Bereich Wissenschaftsmanagement wird zum
Normalfall. So werden mit den Dezernenten
alle Mitarbeitende bezüglich ihres Kompe-
tenzprofils „durchgesprochen“ mit der Ziel-
setzung, Potenzialträger zu identifizieren und
diese in ihrer Entwicklung durch vielfältige
Maßnahmen (on the job, near the job, off the
job) zu unterstützen, um sie für freiwerdende
Führungs- oder Schlüsselpositionen vorzu-
bereiten. Sollte kein interner Potenzialträger
vorhanden sein, wird in der Praxis auch ganz
gezielt die Methode des Headhuntings ein-
gesetzt: Listen mit passenden Kandidaten
von anderen Universitäten und Forschungs-
einrichtungen und deren Stellvertretungen
werden zusammengestellt, ausgewertet und
dann greifen die Chefs aller Ebenen durch-
aus persönlich zum Telefon und versuchen,
Menschen für ihre Einrichtung zu gewinnen.
Oftmals handverlesen und handgestrickt,
maßgeschneidert und damit erfolgreich. Da
finanziell der Rahmen im Gespräch schnell
ausgeschöpft ist, werden die Rahmenbedin-
gungen umso wichtiger: Flexible Arbeitszeit-
modelle, spannende und erweiterbare Auf-
gaben, Weiterbildung in allen Facetten, Kita-/
Kindergartenplätze et cetera sind dabei ein
Muss für jede öffentliche Organisation.
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14 schwerpunkt Social Media
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
claudia Gunkel
Monitoring und Analyse in hochschulen und universitäten Social-Media-Forschung und deren Anwendungen
social Media ist im alltag vieler Unterneh-men angekommen. sie spielen nicht nur im Marketing, vertrieb und Pr-Bereich eine entscheidende rolle, sondern gewinnen auch zunehmend in der Marktforschung an Bedeutung. Dennoch wird social Media eher weniger in verbindung mit Wissen-schaft und universitärer Lehre gebracht. Die anwendungen von social-Media-Moni-toring und -analysen zeigen jedoch deut-liche Potenziale für die integration in den universitären Betrieb sowohl in qualitati-ver als auch in quantitativer hinsicht.
Dieser Artikel gibt zum einen eine Übersicht
der Anwendungsfelder im Bereich der Social-
Media-Forschung. Zum anderen stehen Social-
Media-Monitoring und -Analysen im Mittel-
punkt, wobei sowohl die Grundsätze als auch
Einsatzbereiche und Handlungsmöglichkeiten
für Hochschulen und Universitäten näher be-
leuchtet werden sollen.
Überblick: Social-Media-ForschungDas Social Web bietet ein riesiges Meer an Daten zur Erforschung der unterschiedlichsten Fra-
gestellungen. Um diese Daten zu erfassen und auszuwerten, wurden in den letzten Jahren un-
terschiedliche Verfahren entwickelt. Als Beobachtungsverfahren unterscheidet man zwischen
Screening, Monitoring und Social Media Analytics beziehungsweise Webanalytics (vgl. Abb. 1).
Zudem kann auch die Befragung im Social Web als Datenerhebungsform zum Einsatz kommen.
1. Das Screening besteht im Wesentlichen aus einem überblicksartigen „Scannen“ der Beiträ-
ge, in dem in diversen Suchmaschinen Stichworte erfragt und auffindbare Kommunikation
durchforscht werden. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Entdeckung neuer Quellen und die
Einschätzung möglicher Potenziale für professionelle Analysen.
2. Unter Social-Media-Monitoring wird die systematische Beobachtung und Erfassung von Bei-
trägen, Gesprächen und Dialogen auf fest definierten Quellen verstanden. Für Anwender be-
steht der Vorteil darin, sich einen schnellen Über- oder Einblick in Themen und Meinungen
aus den Gesprächen über Marken, Produkte, Themen, Problemfelder et cetera im Social Web
Der genaue Blick in die Sozialen Medien kann sich lohnen. Mit den richtigen Verfahren und Tools können Hochschulen vieles über ihre Stakeholder erfahren.
Foto: S. Hofschlaeger/pixelio
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Beobachtungsverfahren 15
Sowohl unternehmen als auch Verbände und poli- tische einrichtungen nut-zen Social-Media-Monito-ring, um einen Überblick über die zeitnahen Mei-nungen, kritiken und An-regungen zu produkten oder Dienstleistungen zu erhalten.
”
StichwörterSocial-Media-ForschungSocial-Media-MonitoringSocial-Media-AnalyseIntegrierte Forschung
zu verschaffen. Diese so erhobenen Quellen können im Anschluss sowohl qualitativ als auch
quantitativ untersucht werden.
3. Das Datenerhebungsinstrument Webanalytics fokussiert sich auf das tatsächliche Verhalten
der Besucher der zu beobachtenden Seiten. Analysen geben beispielsweise Auskunft über
die Veränderung von Kennzahlen wie Besucher der Webseite, Aufenthaltsdauer, Abbruchquo-
ten oder Usability-Veränderungen.
4. Eine Befragung in Form eines Online-Fragebogens mittels Einbindung in eine im Social Web
genutzte Plattform bildet den zweiten großen Teil und gleichermaßen den vierten Bereich
der Social-Media-Forschung. Diese richtet sich in den meisten Fällen an eine ausgewählte
Zielgruppe, die zum Beispiel in spezifischen Foren und Communities agieren. In Abhängigkeit
der Zusammensetzung der Stichprobe können die Daten dieses Erhebungsinstruments eine
unterschiedliche Repräsentativität aufweisen.
Screening
Monitoring
Webanalytics
Befragung
Über Suchmaschinen auffindbare Kommunikation
Entdeckung neuer Quellen zur Aufnahme in das Monitoring
Potenzialanalysen
Autoren, die sich auf den beobachteten Quellen äußern
Alle Fragestellungen, über die sich die Menschen im Social Web äußern
Kommunikation kann ggf. durch Moderation angestoßen werden
Beo
bach
tung
Tatsächliches Verhalten auf den beobachteten Seiten
Verhalten sichtbar machen
Abhängig von Zusammensetzung der Stichprobe
Alle Fragestellungen, die sich mittels einer Befragung und der speziellen Zielgruppe ermitteln lassen
Mit diesen Erhebungsformen können sowohl Fragestellungen bezüglich Verhalten, Meinungen,
Einstellungen, Präferenzen und Vorzügen relevanter Zielgruppen beantwortet werden. Je nach
Untersuchungsanforderungen und Fragestellung sind diese einzeln oder in Kombination ein-
setzbar. Social-Media-Monitoring kann einerseits als kontinuierliche Messung und anderseits
als einmalige Ad-hoc-Studie aufgesetzt werden. Hauptbestandteil des Monitorings ist es, Stim-
mungen im Web zu erkennen und nach ihrer Tonalität und Relevanz zu bewerten. Eingesetzt
wird das kontinuierliche Monitoring vor allem, um Krisen- oder Problemsituationen rechtzeitig
zu erkennen. Alerts werden folglich zeitlich definiert und so eingesetzt, dass sie in vordefinierten
Situationen (z.B. sehr negatives Sentiment) einen Alarm an den Ersteller liefern.
Sowohl Unternehmen als auch Verbände und politische Einrichtungen nutzen Social-Media-Moni-
toring, um einen Überblick über die zeitnahen Meinungen, Kritiken und Anregungen zu Produkten
oder Dienstleistungen zu erhalten. Neben der Wettbewerbsbeobachtung kann das Monitoring auch
zur Social-Media-Erfolgsmessung oder zur Identifizierung von Meinungsführern eingesetzt werden.
Der Anbietermarkt ist dabei durch zahlreiche Monitoring-Tools und Anbieter sehr diversifiziert.
Gegenüber kostenlosen Werkzeugen haben sich die professionellen, kostenpflichtigen Dienst-
leister positioniert. Wenig Transparenz und Aufklärung führt jedoch dazu, dass Nutzer häufig vom
Kauf oder gar Einsatz einer Monitoring-Software abgeschreckt werden. ForschungsWeb hat sich
daher auf die Monitoring-Beratung und Toolevaluation spezialisiert und verknüpft das daraus
resultierende Wissen zur Strukturierung der Anbieter-Landschaft im Social-Media-Monitoring.
Abb. 1: Datenerhebungsinstrumente in der Social-Media-Forschung (Quelle: ForschungsWeb 2013)
16 schwerpunkt Social Media
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Claudia Gunkel ist Social Media Analyst und Consultant bei der ForschungsWeb GmbH für Social-Media-Forschung und -Beratung.
keywordsSocial Media reasearchSocial Media monitoringSocial Media analysisintegrative research
Social-Media-AnalysenSocial-Media-Analysen werden im Unterschied zum kontinuierlich betriebenen Social-Media-
Monitoring einmalig oder in regelmäßigen größeren zeitlichen Abständen durchgeführt. Auch die
Social-Media-Analyse muss sich wie die klassische Marktforschung an den gleichen Qualitäts-
kriterien orientieren, um einerseits valide und aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten sowie an-
dererseits im klassischen Forschungskonstrukt akzeptiert zu werden. Diese beinhalten:
1. Repräsentativität: Für was sind die Daten der Instrumente repräsentativ?
2. Validität: Wurde das erfasst, was erfasst werden sollte?
3. Reliabilität: Wie zuverlässig sind die Ergebnisse der Methode?
4. Objektivität: Sind die Ergebnisse unabhängig vom Durchführenden?
Diese Faktoren sind somit unabhängig vom Datenmaterial, sondern vorrangig abhängig von der
Methoden- und Verfahrenskompetenz des Durchführenden. Dabei kann sich die Analyse auf die
verschiedenen Stakeholder-Gruppen beziehen (z.B. Nicht-Studenten/Studenten, Wettbewerber,
Meinungsführer, Mitarbeiter, Lieferanten, Presse).
Der Prozess einer Social-Media-Analyse besteht aus der Datenerhebung, -aufbereitung und
-bereitstellung, -analyse und den abschließenden Handlungsempfehlungen (vgl. Abb. 2). Wäh-
rend in der Phase der Datenerhebung die relevanten Quellen und Gespräche identifiziert wer-
den, dient die zweite Phase (Aufbereitung und Bereitstellung der Daten) der Bereinigung von
Spam, Dubletten und irrelevanten Beiträgen sowie gegebenenfalls der Integration zuerst nicht
gefundener Beiträge. In der Datenanalyse gilt es, die einzelnen Gespräche und Meinungen hin-
sichtlich der zu bearbeitenden Thematik zu verstehen. Zu einer professionellen Analyse gehören
abschließend umfangreiche Handlungsempfehlungen, um mögliche Potenziale abzuschöpfen
und in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Somit kann die Social-Media-Analyse sowohl einen
wertvollen Beitrag zur qualitativen als auch quantitativen Forschung leisten.
Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang eine Imageanalyse aufgezeigt (vgl. Abb. 3). In der
links dargestellten sogenannten „Buzz-Sentiment-Matrix“ ist die Tonalität ins Verhältnis zum
Share of Buzz (Anzahl der Beiträge) dargestellt. Diese Abbildung zeigt zum einen, über welches
…
Datenerhebung
Review Sites
Identifizieren
Datenaufbereitung und -bereitstellung
Spam
Dubletten Ir-
relevantes Clusterung Meta-Daten
Stemming
Tokenization
Korrektur
Relevanz
Extrahieren
Datenanalyse
Verstehen
Handlungs-empfehlungen
Bewerten
Abb. 2: Der Monitoring-Prozess einer Social-Media-Analyse (Quelle: ForschungsWeb 2013)
Beobachtungsverfahren 17
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
summary
This article will show application fields and pos-sibilities of social media research for colleges and universities. It will also focus on the imple-mentation of social media monitoring and analy-sis as well as give some ideas of the latest devel-opments in social media research.
Kontakt:
Claudia Gunkel Social Media Analyst & Consultant ForschungsWeb GmbH Social Media Forschung & Beratung Kleinreuther Weg 87 90408 Nürnberg Tel.: +49 911 132 39 60 77 E-Mail: c.gunkel@forschungsweb.com
Preis
Erreichbarkeit
Service
Zuverlässigkeit
Informations-verhalten
Image
Produktauswahl
Qualität
Öffnungszeiten
Mitarbeiter-freundlichkeit
Tonalität
Buzz
Abb. 3: Buzz-Sentiment-Matrix zur Marke X. Beispiel Imageanalyse (Quelle: ForschungsWeb, Potentialanalyse 2013)
Themengebiet der Marke am meisten gesprochen wird, zum anderen über welches Thema posi-
tiv beziehungsweise negativ gesprochen wird. Demnach ist die Qualität ein sehr positives Krite-
rium. Im Gegensatz dazu ist der Service ein eher negatives Thema, zudem jedoch viele Beiträge
im Social Web auftauchen.
Social-Media-Monitoring für Universitäten und HochschulenSocial-Media-Monitoring kann folglich auch an Hochschulen und Universitäten angewendet
werden. Dies betrifft vor allem das Marketing und die Kommunikation (z.B. im Bewerberprozess)
aber auch diverse universitäre Disziplinen. Einsatzfelder für Hochschulen können in den folgen-
den Bereichen liegen:
u Planungswissen zur Konzeption neuer Studiengänge
u Beobachtung der eigenen Universitätsmarke im Social Web
u Aufdeckung möglicher Verbesserungspotenziale für die Errichtung neuer Fächerkombinatio-
nen und Universitätsdisziplinen
u Identifizierung von relevanten Zielgruppen (z.B. Wissenschaftler in Spezialgebieten)
u Planungswissen zur Durchführung von Studierenden- und Absolventenmessen sowie anderer
universitärer Veranstaltungen
u Planungs-, Umsetzungs- und Erfolgsmessungswissen zur Einführung und Implementierung
einer Social-Media-Strategie für diverse universitäre Einrichtungen
u Wissensmanagement- und Recherche-Tool.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
18 schwerpunkt Social Media
StichwörterWissenschaftskommunikationOnline-MedienSocial MediaMotivation
Alexander Gerber und Janine neuhaus
revolution mit hindernissen Studie zu den Perspektiven von „Social Media“ in der Wissenschaft
stellen sie sich vor, die Wissenschaftskommunikation sei mitten in einem historischen Umbruch – und keiner macht mit. so ähnlich müssen sich online-evangelisten wie etwa die Us-Biologin christie Wilcox fühlen, die in ihren vorträgen nicht müde wird zu fordern: „Jedes Labor solle twit-tern!“ (horstein 2013). in Wirklichkeit fehlt Wissenschaftlern (zumindest
in europa) nicht nur das Wissen um die Möglichkeiten neuer interaktiver online-Medien, sondern sie sind überwiegend auch gar nicht bereit oder motiviert, sich näher mit dem thema „social Media“ auseinanderzusetzen, wie die vor-liegende studie zeigt.
Mit der unter anderem von Krotz (2007) und Fuller (2010) beschrie-
benen „Mediatisierung“ hat sich auch in der Wissenschaft die institu-
tionalisierte Kommunikation maßgeblich professionalisiert – allerdings
vorrangig in der Instituts-PR und dem Hochschulmarketing sowie sonstigen
populärwissenschaftlichen Angeboten in Form von Science Centern und Festi-
vals. Weitaus weniger stark entwickelt hat sich die Kommunikation der einzel-
nen Wissenschaftler selbst. Gerber (2011, 2013) führt dies vor allem auf sys-
temische Ursachen zurück. Während einerseits von Wissenschaftlern erwartet
werde, dass sie immer offener und immer stärker auch über Online-Medien mit
Laienöffentlichkeiten kommunizieren, seien die beruflichen Rahmenbedingungen
nahezu unverändert geblieben: Populärwissenschaftliches Engagement habe nach
wie vor nur in Ausnahmefällen einen positiven Einfluss auf Entscheidungen in Beru-
fungsverfahren, Akkreditierungen oder bei der Vergabe von Fördermitteln.
Unterdessen lässt sich die reine Forschung und Lehre weniger denn je trennen von politischen
und ethischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekten (Gerber/Linke 2013). Eine der
Ursachen hierfür ist die wachsende Kommunikationsmacht von Lobbygruppen, Nichtregierungs-
organisationen und der Laienöffentlichkeit allgemein, die zu einer „Horizontalisierung“ der Kom-
munikation führt. Ein Beispiel ist der Doktorand, der nach Feierabend über seinen Blog mehr
Leser erreicht als etablierte populärwissenschaftliche Magazine.
Der strukturelle Medienwandel versetzt im Prinzip jedermann, also auch jeden Forscher, jeden
Umweltaktivisten und jeden Bürger zumindest technisch in die Lage, zu wissenschaftlichen Fra-
gen mit jenen zu kommunizieren, die wir früher einmal als „Leser“, „Zuschauer“ und „Zuhörer“
bezeichneten. Dass dies völlig neue Fragen der Qualitätssicherung sowie der gesellschaftlichen
Informationskompetenz und Mündigkeit aufwirft, liegt auf der Hand. Während jedoch das Po-
tenzial der neuen Kommunikationstechnologien in der Wissenschaft noch weitestgehend unge-
nutzt ist (Allgaier et al. 2013, Bader et al. 2012, Procter et al. 2010), steigt deren Nutzung durch
Unternehmen seit Jahren (Zerfaß et al. 2012), womit sich der Abstand zwischen Academia und
Wirtschaft sogar noch weiter vergrößert.
Nicht hier entlang! Die Academia verweigert sich noch größtenteils den Sozialen Medien.
Foto: innokomm-Akademie
Nutzungsgewohnheit der Forscher 19
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Studie „Social Media in Science“ (SMS)In einem gemeinsamen Projekt des INNOKOMM Forschungszentrums mit dem Masterstudien-
gang Wissenschaftsmarketing der Technischen Universität (TU) Berlin wurden im Frühjahr 2012
die Nutzungsgewohnheiten und die Nutzungsmotivation von Wissenschaftlern untersucht. Im
Rahmen der Studie wurden Daten auf Basis einer bundesweiten Onlinebefragung, Interviews
und Webanalysen ermittelt und ausgewertet. In diesem Artikel werden die wichtigsten Ergebnis-
se der Onlinebefragung vorgestellt.
An der im April 2012 umgesetzten Onlinebefragung haben insgesamt 540 Wissenschaftler im
Alter von 20 bis 72 Jahren (Altersdurchschnitt: 38,6 Jahre) aus dem gesamten Bundesgebiet
teilgenommen. Mit 57 Prozent war die Beteiligung unter männlichen Wissenschaftlern etwas
höher als unter Wissenschaftlerinnen. Die größte Gruppe der Befragten stammt aus den Natur-
wissenschaften (35 Prozent), gefolgt von den Lebenswissenschaften (30 Prozent), Geistes- und
Sozialwissenschaften (26 Prozent) und Ingenieurswissenschaften (9 Prozent). 42 Prozent der
Befragten waren zum Zeitpunkt der Befragung Doktoranden, 30 Prozent in der PostDoc-Phase
und 28 Prozent als Professoren tätig. Hinsichtlich der Repräsentativität war der Anteil der Pro-
fessoren – gemessen am Anteil der PostDocs und Doktoranden – in der vorliegenden Stichpro-
be überhöht, was jedoch beabsichtigt war, um eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den drei
Statusgruppen zu gewährleisten. Das Sinken des Anteils an Wissenschaftlerinnen mit steigender
beruflicher Hierarchie bei gleichzeitigem Anstieg des Anteils ihrer männlichen Kollegen (vgl. Abb.
1) muss als systemtypisch betrachtet werden.
StudienergebnisseDie Ergebnisse im Hinblick auf die Nutzungsgewohnheiten von Wissenschaftlern zeigen, dass zehn
der 14 abgefragten – und zugleich gängigsten Online-Werkzeuge und -Plattformen – weitestge-
hend unbekannt in der deutschen Academia sind (von 36 Prozent Bekanntheit im Falle von Re-
searchGate bis hin zu 16 Prozent bei Slideshare). Andererseits gibt es auch Social-Media-Instru-
mente, die in der Wissenschaft zwar bekannt sind, aber ganz bewusst nicht genutzt werden. So
wird Twitter von 81 Prozent der Befragten abgelehnt, Google+ von 51 Prozent, während im Falle
von Facebook einer ablehnenden Mehrheit von 58 Prozent zumindest auch 27 Prozent aktive Nut-
zer gegenüberstehen. Zu jenen Social-Media-Werkzeugen, die zwar bekannt, aber dennoch mehr-
heitlich abgelehnt werden, zählt vor allem der oben erwähnte Microblogging-Dienst Twitter (mit
einem Verhältnis Nichtnutzer/Nutzer von 8:1).
In Bezug auf die Nutzungsmotivation wird im Polaritä-
tenprofil deutlich, dass Wissenschaftler Soziale Medien
stärker mit negativ als mit positiv konnotierten Begrif-
fen verbinden (vgl. Abb. 2). Durchschnittlich positive Be-
wertungen erfolgten in Bezug auf die Erreichbarkeit der
Zielgruppe (ZG), die berufliche Vereinbarkeit und den
Erkenntnisgewinn. Die übrigen sieben Bewertungen
liegen im negativen Bereich. Das heißt, Wissenschaftler
verbanden zum Zeitpunkt der Befragung mit der Nut-
zung Sozialer Medien eher Zeitverlust, geringe Seriosi-
tät, wenig Gemeinnützigkeit und Chaos. Deutlich wird,
dass die Befragten ein vergleichbar starkes Misstrau-
en in Bezug auf den Datenschutz hegen; ein Ergebnis,
das von allen drei akademischen Statusgruppen geteilt
wurde. Alle drei Statusgruppen bewerteten das Anse-
25%
13%
5%
17% 17%
23%
Doktorand/inn/en PostDocs Professor/inn/en
weiblich männlich
Abbildung 1 Anteil der Befragten nach Status und Geschlecht
N = 540
Abb. 1: Anteil der Befragten nach Status und Geschlecht
Deutlich wird, dass die Befragten ein vergleich- bar starkes Misstrauen in Bezug auf den Daten-schutz hegen; ein ergeb-nis, das von allen drei akademischen Status-gruppen geteilt wurde.
”
20 schwerpunkt Social Media
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Abb. 2: Ergebnisprofil: „Was verbinden Sie mit dem Begriff Soziale Medien?“
hen Sozialer Medien in ihrer wissenschaftli-
chen Community eher negativ.
Statistisch bedeutsame Unterschiede zeigen
sich dagegen in den anderen Bewertungsbe-
reichen, wobei diese vor allem auf eine – den
Sozialen Medien stärker zugewandte Seite
der Doktoranden – zurückzuführen sind. Im
Vergleich zur Gruppe der Doktoranden und
derjenigen der PostDocs assoziierten Profes-
soren mit der Nutzung Sozialer Medien einen
stärkeren Zeitverlust. Mit diesem Ergebnis
übereinstimmend gaben Doktoranden und
PostDocs an, Soziale Medien für seriöser zu
halten als Professoren. Auch sehen sich Dok-
toranden in der Nutzung Sozialer Medien we-
niger dem Zwang zur Selbstoffenbarung aus-
gesetzt als dies die Einschätzungen der Post-
Docs und Professoren nahelegen. Insgesamt werden Soziale Medien von den Befragten stärker
mit Marktorientierung als mit Gemeinnützigkeit verbunden; allerdings war diese Wahrnehmung
zum Zeitpunkt der Befragung bei Professoren und PostDocs ausgeprägter als bei Doktoranden.
Professoren verbinden weiterhin mit der Nutzung Sozialer Medien eher „Chaos“ als dies die
PostDocs und Doktoranden tun.
Vergleichsweise positiv bewerteten die drei Statusgruppen den Nutzen Sozialer Medien im Hin-
blick auf die Erreichbarkeit der Zielgruppe, den Erkenntnisgewinn und die Vereinbarkeit mit dem
Beruf. Allerdings zeigten auch hier Doktoranden positivere Bewertungen als die anderen beiden
Statusgruppen: Sie stuften die Erreichbarkeit ihrer Zielgruppe mittels Sozialer Medien günstiger
ein als die Gruppe der PostDocs und die der Professoren. Gleichermaßen beurteilten Doktoran-
den den Erkenntnisgewinn durch Soziale Medien wohlwollender als dies PostDocs und Profes-
soren taten. Doktoranden sehen sich zudem besser als PostDocs und Professoren in der Lage,
Soziale Medien mit ihrer beruflichen Tätigkeit vereinbaren zu können.
InterpretationInsgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Wissenschaftler vergleichsweise distanziert, um nicht zu
sagen skeptisch, mit dem Thema „Soziale Medien“ umgehen. Obgleich der Erkenntnisgewinn,
die zielgruppenspezifische Erreichbarkeit und die grundsätzliche Vereinbarkeit mit der berufli-
chen Tätigkeit von den Befragten vergleichsweise positiv beurteilt wurden, haben Soziale Me-
dien in der wissenschaftlichen Gemeinschaft keinen guten Ruf. Am deutlichsten wird dies am
starken Misstrauen der Befragten in Bezug auf Datenschutzaspekte, das möglicherweise gera-
de in Deutschland der kritischen Medienberichterstattung in den letzten Jahren zugeschrieben
werden kann. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse aber auch, dass sich die Befragten von der
Nutzung Sozialer Medien wenig Anerkennung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft verspre-
chen und somit kaum Anreize bestehen, Wissenschaftskommunikation über Soziale Medien zu
betreiben.
Die Ergebnisse der Tiefeninterviews und der Webanalyse unterstützen die zuvor beschriebenen
Ergebnisse. So wurden in den Interviews vielfach beträchtliche Bedenken deutlich, dass die
Geschwindigkeit der neuen Medien zu Lasten von Präzision und fachlicher Tiefe gehen könne,
Doktorand/inn/en PostDocs Professor/inn/en
+2 -2 -1 +1
Berufliche Unvereinbarkeit
Zeitverlust
Geringes Ansehen
Misstrauen Datenschutz
Unseriosität
Selbstoffenbarungszwang
Marktorientierung
Schlechte ZG-Erreichbarkeit
Chaos
Erkenntnisverlust
Vertrauen Datenschutz
Zeitgewinn
Seriosität
Freie Entfaltung
Gemeinnützigkeit
Gute ZG-Erreichbarkeit
Hohes Ansehen
Ordnung
Berufliche Vereinbarkeit
Erkenntnisgewinn
Anmerkungen N = 540. ZG = Zielgruppe. Antwortformat im Original mit siebenfacher Stufung (von Wert -3 bis +3)
Literatur:
Allgaier, J. et al., Journalism and Social Media as Means of Observing the Contexts of Science. BioScience, Vol. 63 (4) 2013. S. 284-287, doi:10.1525/bio.2013.63.4.8.
Bader, A. et al., Digitale Wissenschaftskommunikation 2010-2011 – Eine Online-Befragung. Giessener Elektronische Bib-liothek: Linguistische Untersuchungen 04/2012.
Fuller, S., The mediatisation of science. Biosocieties, Vol. 5 (2) 2010, S. 288-298, doi:10.1057/biosoc.2010.11.
Gerber, A., Vorhang auf für Phase 5 – Chancen, Risiken und Forderungen für die nächste Entwicklungsstufe der Wissen-schaftskommunikation. Berlin 2011, edition innovare, doi:10.978.39814811/05, http://stifterverband.de/wk-trends.
Gerber, A., Online Trends in Science Communication, in: Tokar, A. et al. (Hrsg.), Science and the Internet, S. 13-18, Düsseldorf 2012.
Gerber, A., Linke, A., Auslaufmodell ‚Verpackungskünstler‘: Der Medienwandel erzwingt und ermöglicht neue Perspekti-ven in der Wissenschaftskommunikation. Wissenschaftsma-nagement special 2/2013.
Horstein, Ch., Jedes Labor sollte twittern, Frankfurter Rund-schau 29.07.2013.
Krotz, F., Mediatisierung – Fallstudien zum Wandel von Kom-munikation, VS Verlag für Sozialwissenschaften. 2007.
Procter, R. et al., If you build it, will they come? How resear-chers perceive and use web 2.0, London 2010, http://www.rin.ac.uk/our-work/communicating-and-disseminatingre-search/use-and-relevance-web-20-researchers.
Zerfaß, A., Fink, S., Linke, A., Social Media Delphi 2012, Universität Leipzig/FFPR 2012.
Nutzungsgewohnheit der Forscher 21
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Kontakt:
Alexander Gerber innokomm Forschungszentrum Institutsleitung, Geschäftsstelle Berlin Postfach 80455 10004 Berlin Tel.: +49 30 577 076 141 E-Mail: a.gerber@innokomm.eu http://innokomm.eu/home/geschaeftsfuehrung/
Dr. Janine Neuhaus Freie Universität Berlin FB Erziehungswissenschaften & Psychologie Arbeitsbereich Public Health Habelschwerdter Allee 45 14195 Berlin Tel.: +49 30 83856 956 E-Mail: janine.neuhaus@fu-berlin.de www.ewi-psy.fu-berlin.de/einrichtungen/arbeits-bereiche/ppg/index.html
dass der Zeitaufwand überfordern und die Reputation leiden könne. So können eventuell sogar
die Inhalte in den Hintergrund und die persönliche Selbstdarstellung in den Vordergrund rücken
und bestimmte Disziplinen noch stärker als bisher den populärwissenschaftlichen Raum beherr-
schen, während bewährte Instrumente der fachlichen Qualitätssicherung unterminiert werden.
Auch wird eine Umschichtung zeitlicher Ressourcen als Problem gesehen, da die klassischen
Publikationsformen des Peer-Reviews nicht in gleichem Maße an Relevanz verlören, wie die
neuen Formen an Relevanz gewinnen.
In der Webanalyse zeigte sich zudem, dass zwar die Startseiten und Landingpages der Ein-
richtungen meist vergleichsweise stark nach außen gewandt, ja oft zielgruppenspezifisch und
mitunter gar interaktiv angelegt sind, dies aber auf die große Mehrzahl der darunter liegenden
Internetangebote (also Fachbereichs- oder Projektseiten etc.) nicht zutrifft. Denn diese sind vor-
rangig noch nach innen gerichtet und versorgen zunächst die eigenen Mitarbeiter oder Studie-
renden einseitig mit Informationen. Dies entspricht einem um etliche Jahre überholten Online-
Verständnis und birgt die beträchtliche Gefahr, als Institution die über die „Fassade“ gemachten
Versprechungen in der Tiefe des eigenen Online-Angebots nicht zu halten.
AusblickDer in der Academia bisher weitestgehend verpasste Medienwandel lässt sich keineswegs al-
lein durch technisch-handwerkliche „Aufklärung“ in Gang setzen, sondern verlangt im Grunde
genommen nicht weniger, als die Wissenschaftskommunikation systemisch neu zu erfinden. So-
lange mit Ausnahme der einen oder anderen Auszeichnung keinerlei Anreizsysteme den oben
geforderten Wandel zu einer „Kultur der Kommunikation“ auf breiter Basis fördern, sind gewisse
systemische Veränderungen unabdingbar und ohne politische Weichenstellungen nicht zu be-
wältigen. Auch wenn ein Mindestmaß an öffentlicher Vermittlung der eigenen Forschung inzwi-
schen immer häufiger direkt mit der Mittelzuwendung gefordert wird, besteht doch in der Regel
keinerlei Konsens zur Mess- und somit zur Vergleichbarkeit der jeweiligen Kommunikationsleis-
tung. Erwogen werden sollten deshalb Mindestanforderungen oder sogar Normen und standar-
disierte Ergebnismessungen bis hin zu speziellen Audits.
Eine weitere Entwicklungschance für die Wissenschaftskommunikation durch interaktive On-
line-Medien besteht darin, die in klassischen Massenmedien etablierte Konzentration auf For-
schungsergebnisse aufzubrechen, insbesondere die Veröffentlichung ausschließlich signifikanter
oder vermeintlich erwartungskonformer Ergebnisse. Online ließe sich also das mediale Zerrbild
wissenschaftlichen Arbeitens möglicherweise korrigieren (Gerber 2011, 2012). Die Herausforde-
rung liegt darin, Kommunikationsformate zu entwickeln, mit denen sich authentischer zwischen
ergebnis- und prozessorientierter Perspektive hin- und herschalten lässt. Wissenschaftler wer-
den sich somit zwangsläufig darauf einstellen müssen, Weg und Ergebnis ihrer wissenschaftli-
chen Arbeit sowie die immer nur eingeschränkte Sicherheit des von ihnen erzeugten Wissens
auch in der Öffentlichkeit transparenter zu machen als bisher. Ausgehend davon, dass Social
Media eine radikal neue Kultur der Kommunikation ermöglicht oder gar erzwingt, womit eine ak-
tive Einbeziehung der ganzen Bandbreite gesellschaftlicher Gruppen im Sinne einer „Scientific
Citizenship“ denkbar wird, dürfte künftig Transparenz in der Wissenschaft weit mehr als nur ein
Gebot der Legitimation öffentlicher Mittelverwendung sein.
Alexander Gerber ist Infor-mationswissenschaftler und Geschäftsführer des Deutschen Forschungszen-trums für Wissenschafts- und Innovationskommuni-kation (INNOKOMM). Er lehrt an der TU Berlin, an der Hochschule Rhein-Waal und an der Hoch-schule Rhein-Sieg.
Dr. Janine Neuhaus, Dip-lom-Psychologin und Wis-senschaftskommunikato-rin, ist als wissenschaftli-che Mitarbeiterin an der FU Berlin im Fachbereich Er-ziehungswissenschaft und Psychologie tätig. Sie lehrt und forscht im Bereich der Bildungs- und Sozialfor-schung.
22 schwerpunkt Social Media
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
ulrich herb und Daniel Beucke
Die Zukunft der Impact-Messung Social Media, Nutzung und Zitate im World Wide Web
Wissenschaftliche Karrieren und Publikati-onen benötigen reputation und möglichst viel Beachtung. Literatur, die diese auf-merksamkeit findet, wird – so die gängige annahme – häufig zitiert. ausgehend von dieser überlegung wurden verfahren der Zitationsmessung entwickelt, die auskunft über die relevanz oder (wie im- und expli-zit oft auch postuliert wird) gar die Qualität einer Publikation oder eines Wissenschaft-lers geben sollen.
Zu nennen sind dabei vorrangig der Journal Im-
pact Factor (JIF), der vom Datenbankanbieter
Thomson Reuters auf Basis einer kostenpflich-
tigen und proprietären Datenbank berechnet
wird, oder der, nach seinem Erfinder Jorge E.
Hirsch benannte, Hirsch- oder h-Index. Auch
wenn der Schaffer des JIF, Eugene Garfield,
stets betonte, dieser sei nicht als Bewertungsinstrument für Wissenschaftler gedacht (Monastersky
2005), wird dieser, genau wie der h-Index, intensiv genutzt, um wissenschaftliche Arbeit zu evaluie-
ren. Allerdings unterliegen zitationsbasierte Verfahren derart heftiger Kritik durch Wissenschaftler (im
Überblick Brembs/Button/Munafò 2013), dass diese sich gegen die Verwendung von JIF und h-Index
zur Bewertung ihrer Publikationen organisieren. Ausdruck dieses Protestes ist unter anderem die
mittlerweile von über 9.000 teils äußerst renommierten Wissenschaftlern und Wissenschaftseinrich-
tungen unterzeichnete Online-Petition der San Francisco Declaration on Research Assessment DORA.
Impact in Zeiten digitalisierter WissenschaftSind Zitationen noch maßgebend zur Relevanzbestimmung? Zitationsbasierte Verfahren der Wir-
kungsmessung wissenschaftlicher Tätigkeit werden jedoch nicht nur wegen ihrer Anwendung in
Evaluierungen oder methodischer Mängel in Frage gestellt. Es wird zudem diskutiert, inwiefern
eindimensionale Verfahren, die allein auf Zitationen basieren, noch geeignet sind, wissenschaft-
lichen Einfluss zu messen – und das in einer digitalen, vernetzten Welt, in der wissenschaftliche
Arbeit nicht mehr nur in wissenschaftlichen Zeitschriften, sondern über eine Vielzahl von Platt-
formen produziert, rezipiert, bewertet, mitgeteilt und verbreitet wird. Sind die erwähnten Zitati-
onsverfahren also noch zeitgemäß? Oder etwas schonender formuliert: Können sie weiterhin als
alleiniger Relevanz-Indikator gelten?
Das wissenschaftliche Arbeiten hat sich durch die Entfaltung des Internets fundamental ver-
ändert. Dieser Wandel vollzieht sich sicherlich sehr fachspezifisch und dadurch nicht überall
gleich schnell, aber die Orientierung zur Kommunikation im World Wide Web (WWW) ist nicht zu
Die Kommunikationswege im Internet fordern ein neues Denken bei der Zitationsmessung von wissenschaftlichen Publikationen. Aber wie sollen Tweets oder Blogeinträge bewertet werden?
Foto: JMG/pixelio
Wissenschaftliche Reputation und Relevanz 23
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Abb. 1: Wissenschaftlicher Impact
stoppen. Das WWW wird als Werkzeug zum kollaborativen Schreiben von Texten, als Publikati-
onsorgan, zum Ablegen von Forschungsergebnissen oder zum internationalen Austausch in der
Community genutzt. Dadurch werden jedoch zwangsweise die Bemessungsgrundlagen, wie sie
JIF und h-Index nutzen, nicht weiterhin uneingeschränkt bedient. Es gibt nicht mehr das Journal,
das in regelmäßigen Abständen veröffentlicht wird und für das im Anschluss ein Impact-Wert
ermittelt werden kann. Vielmehr finden die Veröffentlichungen in Weblog-Beiträgen statt, die
unmittelbar nach ihrem Erscheinen via Twitter oder Pinterest verbreitet werden. Kollegen aus
der Fachcommunity retweeten diese beziehungsweise kommentieren im Tweet oder im Weblog
selbst. Möglicherweise nutzen sie die Ergebnisse ihres Kollegen, um eigene Beiträge zu schrei-
ben, und verlinken auf dessen Seite. Auch andere Spielarten der Nutzung wissenschaftlicher In-
formation, etwa Downloads oder ihr Abspeichern in Online-Literaturverwaltungen wie CiteULike
oder Mendeley, geben Aufschluss über die Relevanz einer Publikation.
Altmetrics: Social Media Impact als Relevanz-IndikatorDiese neuen vielfältigen Arten, wissenschaftliche Inhalte zu benutzen, erfordern adäquate und
ebenfalls neue Methoden, um die Wirkung oder den Impact der Inhalte zu erfassen und zu do-
kumentieren. Dieser Ansatz wird als „Altmetrics“ bezeichnet und stellt nach Priem et al. (2011)
eine vierte Säule der Impact-Messung und Relevanz Bestimmung von wissenschaftlichem Out-
put dar (vgl. Abb. 1).
Altmetrics versuchen die Nutzung, Verwendung und Erwähnung wissenschaftlicher Objekte im
WWW möglichst umfangreich zu erfassen. Dazu können völlig unterschiedliche Datenquellen,
mittels derer diese Objekte (oder Informationen über sie) verbreitet oder gespeichert werden,
ausgewertet werden. In Frage kommen zum einen eher allgemeine, sowohl von Laien als auch
von Wissenschaftlern genutzte Services (wie etwa Twitter, Facebook, Google+, Pinterest, Blogs),
zum anderen Dienste, die wissenschaftsnah und deren Nutzer vermutlich überwiegend Forscher
sind (wie z.B. die erwähnten wissenschaftlichen Literaturverwaltungssysteme CiteULike und
Mendeley). Neu an den Altmetrics ist zudem, dass das Objekt der Messung nicht eine Veröf-
fentlichung im klassischen Sinne sein muss, sondern für die jegliche Form wissenschaftlichen
Outputs berücksichtigt werden kann. So können beispielsweise neben den Publikationen auch
Forschungsdaten, Präsentationen und Programmcode erfasst werden.
Folglich sind Altmetrics in mancherlei Hinsicht offener als die traditionellen Zitationsmaße:
u Sie erfassen die Wirkung einer wissenschaftlichen Arbeit auf vielerlei Kommunikations-
plattformen/-kanälen, nicht nur in Zeitschriften.
StichwörterAltmetricsImpactSocial MediaAlternative Impact-Metriken
Zurzeit gibt es eine über-schaubare Anzahl von Diensten, die sich mit dem erfassen und Anbie-ten von Altmetrics-Werten beschäftigen und diese haben wiederum teilweise unterschiedliche Vorge-hensweisen und Metho-den zur ermittlung der Relevanz von Objekten.
”
Nutzung Peer Review Zitationen Altmetrics
24 schwerpunkt Social Media
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
u Sie erfassen die Wirkung einer Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten oder Objekten (Arti-
kel, Monographien, Konferenzbeiträge, Software, Forschungsdaten etc.), letztlich jeder online
verfügbaren Information.
u Sie beziehen ihre Daten meist über offene Schnittstellen und sind daher eher zu überprüfen
als die Informationen aus Zitationsdatenbanken, deren Ergebnisse nicht immer zu verifizieren
sind (Rossner/Van Epps/Hill 2007, 2008).
Darüber hinaus erlauben Altmetrics eine, verglichen mit den Zitationsverfahren, wesentlich be-
schleunigte Impact-Messung. Wo die Bestimmung des JIF-Wertes für ein bestimmtes Journal
das Verstreichen von mehreren Jahren erfordert, können Werte der Altmetrics nahezu live be-
rechnet werden. Weiterhin erlauben Altmetrics, anders als der JIF, der sich auf indexierte Jour-
nale bezieht, die Relevanzbestimmung auf Ebene einzelner Objekte, wie zum Beispiel Artikel.
Altmetrics: einige DiensteZurzeit gibt es eine überschaubare Anzahl von Diensten, die sich mit dem Erfassen und Anbie-
ten von Altmetrics-Werten beschäftigen und diese haben wiederum teilweise unterschiedliche
Vorgehensweisen und Methoden zur Ermittlung der Relevanz von Objekten. So bietet der Open-
Access-Verlag Public Library of Science (PLoS) mit seinem Service Article-Level Metrics (ALM)
zu jedem einzelnen Artikel eine Vielzahl von Metriken an, die dessen facettenreiche und mehrdi-
mensionale Bewertung ermöglichen. Die ALM von PLoS umfassen Nutzungsinformationen (z.B.
PDF-Downloads und HTML-Downloads), Zitationen (z.B. aus dem Web of Science und Scopus),
Impact aus Sozialen Netzwerken (z.B. Mendeley, CiteULike, Twitter) und Erwähnungen in Blogs
und Medien (z.B. Nature Blogs, Wikipedia).
Dagegen zielt der kommerzielle Dienst Altmetric vor allem auf Publikationsangebote und bie-
tet folglich (anders als PLoS) kostenpflichtige Altmetrics-Information für einzelne Artikel unter-
schiedlicher Verlage. Altmetric bietet allerdings zusätzlich freie Programmierschnittstellen für
Open-Access-Repositorien, auf denen bereits verlagsgebunden erschienene Artikel zusätzlich
publiziert werden und mittels derer man die von Altmetric ermittelten Scores in Publikations-
listen oder ergänzend zu bibliographischen Angaben anzeigen lassen kann. Die Besonderheit
bei diesem Angebot ist der so genannte Altmetric Score. Diese Zahl ist ein quantitativer Be-
achtungswert, den die Software anhand von drei Faktoren berechnet: Häufigkeit (umso mehr
Erwähnungen gezählt werden, desto höher steigt der Wert), Quellen (je nach Quelle der Erwäh-
nung ist der Wert höher oder geringer), Herkunft und Verlässlichkeit des Autors (Erwähnungen
bzw. Verwendungen durch Wissenschaftler werden höher bewertet als Laiennutzung).
Einen wiederum anderen Ansatz verfolgt das Unternehmen PLUM Analytics, das Metriken für
gesamte Institutionen anbietet. Hier sind eher die Wissenschaftler im Mittelpunkt, die in der je-
weiligen Institution arbeiten. So können Bewertungen für verschiedene Einheiten wie Lehrstühle
erstellt werden; die Perspektive ist eher administrativ.
Den Fokus auf den einzelnen Wissenschaftler legt das Non-Profit-Unternehmen ImpactStory.
Hier steht das wissenschaftliche Profil einer Person im Vordergrund, die sich ihren Lebenslauf
inklusive Publikationsliste erstellen kann. Diese Liste wird mit Erwähnungen der darin nachge-
wiesenen Texte (oder Objekte) in Social-Media-Diensten angereichert. ImpactStory vergleicht für
jedes erfasste Objekt die ermittelten Werte mit denen anderer Objekte und stellt diese in Rela-
tion zueinander dar. Für den Wissenschaftler ist dabei von Vorteil, dass bei ImpactStory stärker
als in den anderen Diensten nicht nur klassische Publikationen Beachtung finden, sondern auch
Forschungsdaten, Präsentationen, Software und Webseiten.
Weiterführende Links:
San Francisco Declaration on Research Assess-ment (DORA): http://am.ascb.org/dora/
Public Library of Science (PLoS) – Article-Level Metrics: http://article-level-metrics.plos.org/
Altmetric: http://www.altmetric.com/
PLUM Analytics: http://www.plumanalytics.com/
ImpactStory: http://impactstory.org/
Ulrich Herb ist Open-Ac-cess-Referent an der Saar-ländischen Universitäts- und Landesbibliothek.
Daniel Beucke ist Mitglied der Gruppe Elektronisches Publizieren an der Nieder-sächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göt-tingen.
Wissenschaftliche Reputation und Relevanz 25
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Kontakt:
Ulrich Herb Open-Access-Referent Universität des Saarlandes Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek Gebäude B1 1 66123 Saarbrücken Tel. +49 681 302-2798 E-Mail: u.herb@sulb.uni-saarland.de www.sulb.uni-saarland.de
Daniel Beucke Gruppe Elektronisches Publizieren (EPU) Niedersächsische Staats- und Universitäts- bibliothek Göttingen Platz der Göttinger Sieben 1 37073 Göttingen Tel. +49 551 39-13432 E-Mail: beucke@sub.uni-goettingen.de www.sub.uni-goettingen.de
Literatur:
Brembs, B., Button, K., Munafò, M., Deep impact: unintended consequences of journal rank. Frontiers in Human Neurosci-ence, 7. Digital Libraries; Physics and Society, 2013, doi:10.3389/fnhum.2013.00291.
Monastersky, R., The Number That’s Devouring Science. The Chronicle of Higher Education, 2005, URL: http://chronicle.com/article/The-Number-That-s-Devouring/26481.
Priem, J., Taraborelli, D., Groth, P., Neylon, C., Altmetrics: A manifesto. Version 1.01, 28.09.2011. URL: http://altmetrics.org/manifesto.
Rossner, M., Van Epps, H., Hill, E., Show me the data. The Journal of cell biology, 179, 2007 (6), 1091–2. doi:10.1083/jcb.200711140.
Rossner, M., Van Epps, H., Hill, E., Irreproducible results: a response to Thomson Scientific. The Journal of experimental medicine, 205, 2008 (2), 260–1. doi:10.1084/jem.20080053.
Wouters, P., Costas, R., Users, narcissism and control - tra-cking the impact of scholarly publications in the 21st centu-ry, 2012, URL: http://www.surffoundation.nl/nl/publicaties/Documents/Users narcissism and control.pdf.
Methoden und StandardisierungDie Unterschiede in der Perspektive spiegeln sich allerdings leider ebenso in den ungleichen
Methoden der Erfassung der Daten wieder. Mit der Folge, dass die erwähnten Dienste für diesel-
ben Dokumente teils verschiedene Werte ausgeben. Auch aus anderen Gründen sind die Werte
der Dienste nicht vergleichbar: Während Altmetric Tweets, die von Wissenschaftlern stammen,
höher bewertet als beispielsweise Tweets von Laien oder automatisch erzeugte Tweets, wie sie
etwa von aggregierenden Nachrichtenplattformen erstellt werden, verzichten andere Dienste
auf diese Unterscheidung. Leider ist es überdies unklar, wie man Laien- und Wissenschaftler-
Tweets unterscheidet. Zudem ist Altmetric der einzige Service, der versucht, auf Basis der aus
den ausgewählten Quellen gewonnen Werten einen eigenen Impact-Wert, den erwähnten Alt-
metric Score, zu destillieren, ohne allerdings publik zu machen, wie diese Index-Bildung erfolgt.
So bleibt etwa offen, mit welcher Gewichtung einzelne Werte in die Berechnung des Scores
eingehen. Auch andere Fragen, wie die der eindeutigen Dokumentidentifikation, sind ungeklärt.
Zu guter Letzt unterscheiden sich alle vorgestellten Dienste in der Auswahl der ausgewerteten
Datenquellen, anhand derer Impact und Relevanz ermittelt werden sollen.
Dennoch wird den Altmetrics das Potenzial attestiert, die bekannten zitationsbasierten Verfah-
ren als Werkzeuge der Relevanzbestimmung zu ergänzen. Eine im Auftrag der SURF Foundation,
des wichtigsten niederländischen Forschungsförderers, durchgeführte Studie formuliert entspre-
chend: „Altmetrics are booming and they are starting to be seen as alternatives to more conven-
tional citation measures. Metrics on the number of readers, tags used, bookmarks, comments
and threads, blogging, tweets, etc. are starting to be suggested as new tools to assess the im-
pact and influence that researchers have over their colleagues and society-at-large.“ (Wouters/
Costas 2012).
Die PerspektiveUm zur Reife zu gelangen, müssen Altmetrics-Forscher und -Entwickler eine Lösung für die ge-
nannten Defizite der Methoden und Standardisierung finden. Diese Problematik ist jedoch be-
kannt und wird angegangen. So gab die National Information Standards Organization (NISO) im
Juni bekannt, ein durch die Sloan Foundation gefördertes Projekt zu „Standards and Recom-
mended Practices for Altmetrics“ durchzuführen. Können die diagnostizierten Mängel behoben
werden, bieten die alternativen Metriken, verglichen mit den Zitationsinformationen, eine Viel-
zahl von Vorteilen, die oben beschrieben wurden, wie zum Beispiel die erwähnte mehrdimensi-
onale, facettenreiche Erfassung der wissenschaftlichen Relevanz einzelner Objekte in einer sich
diversifizierenden Publikationslandschaft, in der eine Veröffentlichung längst kein Text mehr sein
muss, sondern auch die Gestalt von Forschungssoftware, Forschungsdaten oder eines Blog-
Postings annehmen kann. Allerdings öffnen Altmetrics die Wissenschaftskommunikation auch in
einer weiteren Hinsicht: Wollen JIF und h-Index Relevanz allein durch Auswertung rein wissen-
schaftsinterner Quellen messen, können Altmetrics zusätzlich den Widerhall einer wissenschaft-
lichen Arbeit in mehr oder minder öffentlichen Medien beschreiben. Sie dürften darum auch ein
wichtiges Werkzeug zur zivilgesellschaftlichen Begründung und Erklärung von Wissenschaft
sein, ebenso wie ein Baustein des im anglo-amerikanischen Kontext längst etablierten Modells
der Citizen Science, der von Bürgern betriebenen und unterstützen Wissenschaft.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
26 schwerpunkt Social Media
Fiorina Schulz, Kolja Kröger und Andrada Catranici
„Gute kommunikation beginnt mit aktivem Zuhören“ Social Media an der Technischen Universität München
soziale netzwerke, Blogs und Wikis – viele Univer-sitäten sind bereits im Web 2.0 angekommen. sie eröffnen sich damit neue Kommunikationswege und treten in direkten Dialog mit ihren studierenden, Mitarbeitenden, alumni oder der breiten Öffentlich-keit. Das bringt neue herausforderungen mit sich: für eine gelungene Kommunikation im social Web müssen Universitäten die community gezielt beob-achten, ihr gut zuhören und auf sie reagieren. Die technische Universität München (tUM) ist seit meh-reren Jahren auf verschiedenen Kanälen im Web 2.0 aktiv. Die tUM betreibt unter anderem eine der größ-ten facebook-seiten deutscher Universitäten.
Lange Zeit haben Hochschulen fast nur auf traditionellem Weg mit ihren Stakeholdern kommuni-
ziert: an einem Tag der offenen Tür, über Messeauftritte, Vorträge, mit Plakaten und Flyern, über
ihre Homepage oder Newsletter. Ein Dialog findet auf diesem Weg selten statt, denn die Kommu-
nikation verläuft in der Regel nur in eine Richtung. Doch das hat sich geändert. Das Web 2.0 bie-
tet heute verschiedene Möglichkeiten, in einen direkteren Austausch mit den eigenen Zielgruppen
zu treten – am Campus und weltweit. Vor allem sind es Social-Media-Angebote und ganz speziell
Soziale Netzwerke wie Facebook, die interaktive Kommunikation ermöglichen. Diese Sozialen
Medien sind aus der strategischen Unternehmenskommunikation kaum noch wegzudenken.
Ein professioneller Social-Media-Auftritt kann die Identifikation der Studierenden, Mitarbeiten-
den und Alumni mit ihrer Universität stärken. Außerdem tragen Soziale Netzwerke dazu bei, die
internationale Bekanntheit einer Universität zu steigern und ihre Stärken in Forschung und Lehre
herauszustellen. Denn Informationen verbreiten sich dort im Idealfall viral: Fans kommentieren,
was sie bewegt – ob Forschungsmeldungen, Videos oder Bilder vom Campusleben. Sie klicken
„gefällt mir“ und teilen die Posts virtuell mit ihrem Freundeskreis. Sie machen also andere Men-
schen darauf aufmerksam, die diese Nachrichten wiederum in ihrem Netzwerk weiter verbreiten
können. Voraussetzungen für einen gelungenen Social-Media-Auftritt sind Offenheit gegenüber
Sozialen Medien, Aufmerksamkeit und Gespür für die Interessen der Fans. Denn Social Media ist
vor allem eines: Kommunikation. Und gute Kommunikation beginnt mit aktivem Zuhören.
Seit 2010 bei Facebook Facebook, YouTube und Twitter: Diese Social-Media-Plattformen gehören zu den beliebtesten
an deutschen Hochschulen. Fast jede von ihnen ist bereits mindestens auf Facebook vertreten.
Die TUM nutzt mehrere Social-Media-Kanäle. Ihren offiziellen Facebook-Auftritt startete sie im
Jahr 2010. Heute gehört die Seite zu den größten in der deutschen Universitätslandschaft: Über
28.000 Fans hatten sie bei Redaktionsschluss „geliked“ – seit Sommer 2012 hat sich die Zahl
Social Media als Teil der Öffentlichkeitsarbeit: An der TUM steuert das Team Web Communications (im Bild) die offiziellen Präsenzen der Universität in den sozialen Medien.
Foto: Astrid Eckert/TUM
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Praxisbeispiele 27
der Fans fast verdoppelt. Täglich kommen neue dazu, es findet ein kontinuierliches und organi-
sches Wachstum statt. Die Fans zeigen damit unter anderem ihre Verbundenheit mit der Univer-
sität und lassen es gleichzeitig ihren eigenen Facebook-Freundeskreis wissen. Im Idealfall teilen
sie auch die Meldungen der TUM in ihrem Netzwerk.
Immer wieder bietet sich den Fans die Gelegenheit, ihre Identifikation mit der TUM zu zeigen
und mit der virtuellen Community zu interagieren – wie im Sommer 2013 der Kurzfilm „Ty-
pisch TUM“. Der Zweiminüter nimmt sich augenzwinkernd Klischees und Stereotype über die
TUM vor – und betont gleichzeitig die Vielfalt der Menschen, die dort studieren und arbeiten. Am
Lehrstuhl für Datenverarbeitung produziert, auf YouTube hochgeladen und auf Facebook geteilt,
entwickelte das Video schnell einen viralen Effekt. Es verbreitete sich hundertfach und seine
Reichweite stieg stetig. Nicht nur viele „Likes“ räumte es ab – die Fans kommentierten den Film
gleich mit Zitaten ihrer Lieblingsszenen. Vor allem aber teilten sie das Video in ihrem eigenen
Netzwerk. So konnten sie zeigen: „Das ist meine Uni!“
Interne Vernetzung ist wichtig – auch offlineSchon vor dem Dreh aber hatte die TUM ihre Userschaft eingebunden. Sie rief die Leute auf, im
Film mitzuspielen – und fragte: „Wer, wie, was ist die TUM für Euch?“ Die Antworten flossen in
den Film ein. Zu diesem Erfolg hat auch die interne Vernetzung der Facebook-Redaktion an der
Universität beigetragen: Vor Produktion und Verbreitung über die sozialen Kanäle verständigten
sich die einzelnen Beteiligten über den optimalen Ablauf.
Einzelne Einrichtungen der TUM pflegen ebenfalls Seiten auf Facebook, darunter Fakultäten,
Lehrstühle, die Universitätsbibliothek, der AStA oder studentische Forschungsgruppen. Auch sie
interagieren miteinander – so teilt die Redaktion der zentralen TUM-Seite Meldungen über neue
Webinare der Bibliothek, den Aufruf der studentischen Vertretung zu den Hochschulwahlen oder
spannende Fernsehinterviews mit den Forschenden einer Fakultät.
Im Mittelpunkt stehen die FansDiese ungezwungene, schnelle und interaktive Art der Kommunikation ist für viele der heutigen
Studierenden – und nicht nur für sie – selbstverständlich. Oft sind sie nach 1990 geboren und
damit Teil einer Generation, die gerne als Digital Natives bezeichnet wird: Sie sind mit digita-
len Medien aufgewachsen, holen sich ihre Informationen aus dem Internet und sind in Sozialen
Netzwerken aktiv; manche von ihnen ständig, andere schauen zumindest einmal am Tag auf
ihrem virtuellen Profil vorbei. Sie abonnieren Nachrichten von Institutionen und Personen, für die
sie sich interessieren. Sie twittern, posten, liken oder teilen mit- und untereinander, was sie für
beachtenswert halten. Sie stellen Fragen und sagen offen, was ihnen gefällt und was nicht.
Ein Ereignis von großer Relevanz für Studierende der TUM fand im Dezember 2012 statt; und ent-
sprechend erfolgreich durchlief es die Sozialen Netzwerke: Es war die Entscheidung, dass es künf-
tig ein Semesterticket für Studierende in und um München geben soll. Auf einer Urabstimmung
an den drei größten Münchner Hochschulen hatte die Mehrheit der Studierenden dafür gestimmt
– nach mehreren Anläufen und Abstimmungen zu verschiedenen Modellen über zwei Jahrzehnte
hinweg. Nur wenige Minuten nachdem das Ergebnis auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben
wurde, postete die TUM die Nachricht auf ihrer Facebook-Seite. Die Zahl der Likes stieg schnell so
hoch wie nie zuvor, und viele Fans verbreiteten die Nachricht sofort weiter. Die Facebook-Redaktion
der TUM ist ihrer Community sehr dankbar dafür, dass sie sich so aktiv beteiligt.
Einige Fans brachten in den Kommentaren ihre Freude zum Ausdruck – manche aber auch, dass
sie eigentlich kein Geld für ein Semesterticket ausgeben möchten, wenn sie doch nur selten mit
Fiorina Schulz, M.A., leitet das Team Web Communi-cations im Corporate Com-munications Center der TUM.
Andrada Catranici, M.A., ist Social Media-Redakteurin im Team Web Communica-tions.
Kolja Kröger, M.A., ist On-line-Redakteur im Team Web Communications.
StichwörterSoziale Medien an universitätenSoziale netzwerkeWeb 2.0channel kommunikation
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
28 schwerpunkt Social Media
Bus und Bahn fahren. Der Präsident der TUM kommentierte die Nachricht ebenfalls: „Ich gratu-
liere uns allen zu diesem überzeugenden Votum pro Semesterticket!“ Zuvor hatte er sich offiziell
immer wieder für ein solches Ticket ausgesprochen – unter anderem, weil die TUM über drei große
und mehrere kleine Standorte im Großraum München verteilt ist.
Ein verlässliches Rezept gibt es nichtDiese Erfahrung zeigt: Bei den Fans kommt das an, was aus ihrer Sicht relevant ist. Mal bringt
eine Meldung wichtige Informationen, mal weckt sie Emotionen, befriedigt eine wissenschaftli-
che Neugier, erzeugt ein Aha-Erlebnis, gibt einen interessanten Terminhinweis oder macht ein-
fach nur Spaß. Was aber genau den Nerv der Fans einer Universität trifft, muss die Redaktion
eines Social-Media-Auftritts selbst erschließen. Auch der Ton spielt eine Rolle. Meist herrschen
in Sozialen Netzwerken informellere Umgangsformen als in der Kommunikation per Pressemit-
teilung – doch auch diese müssen nicht immer angemessen sein.
Ein verlässliches Rezept gibt es nicht – denn die Geschmäcker, und damit die richtigen Zutaten für
eine erfolgreiche Facebook-Meldung, verändern sich ständig. Das verlangt nach hoher Aufmerk-
samkeit und Sensibilität für die Interessen der Fans. Die Seiten-Verantwortlichen müssen beobach-
ten, zuhören, ihre Themenauswahl immer wieder selbst hinterfragen und mit der gesamten Kom-
munikationsstrategie der Universität abgleichen. Welche Posts erfolgreich sind, hängt auch von der
Zusammensetzung der jeweiligen Community ab. Bei der TUM haben die Fans ganz unterschiedli-
che Hintergründe: Manche studieren, haben hier studiert oder arbeiten hier. Andere möchten sich
um einen Studienplatz bewerben und haben Fragen zum Ablauf. Einige interessieren sich einfach
nur dafür, was an der TUM in Forschung und Lehre geschieht.
Die Fans kommen aus aller Welt – was für die internationale Reichweite des Social-Media-Auftritts
spricht. Zum einen leben Alumni der TUM auf allen Kontinenten und sind häufig gut untereinander
vernetzt. Zum anderen genießt die Universität weltweit eine hohe Reputation. So stufte die jüngste
Ausgabe des internationalen Shanghai-Rankings die TUM erneut als beste deutsche Universität ein.
Auch dadurch werden viele Menschen auf die TUM aufmerksam – und wollen zum Beispiel über
Facebook mehr über Forschung, Lehre und Uni-Leben erfahren.
YouTube und TwitterNeben Facebook können Fans der TUM auch über den offiziellen YouTube-Kanal und das Twitter-
Profil folgen. Über den Microblogging-Dienst Twitter werden regelmäßig über 6.000 Follower mit
aktuellen Meldungen vom Campus und aus der Forschung versorgt. Im YouTube-Kanal zeigen
mehr als 140 Videos die Vielschichtigkeit der Universität in Studium, Lehre und Forschung. Es
werden unter anderem Filme über Forschungsprojekte, Studiengänge oder Stipendienangebote
gezeigt. Die Videos können Studieninteressierten als Orientierungshilfe dienen und erleichtern
den Zugang zu Arbeit und Studium an der TUM. Viele der Filme hat die Universität selbst produ-
ziert. Andere Filme sind über Themenplaylists verlinkt – wenn etwa Fernsehsender über die TUM
berichten und diese Beiträge auf YouTube hochladen. Die Mischung kommt an. Über 139.000
Mal wurden die Videos im YouTube-Kanal der TUM bisher abgespielt. „Nice channel“ schrie-
ben einige Fans in die Kommentare, „amazing“, „looking forward for more updates“ oder auch
„i badly wanna come and study in TUM!!“.
Den Aufwand nicht unterschätzenWie viel ein professioneller Social-Media-Auftritt kostet, lässt sich nur schwer beziffern. Zwar
entstehen keine monetären Kosten, um auf Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube
Abb. 1: München bekommt ein Semesterticket: Diese Nachricht vom Dezember 2012 war bedeutsam für die Studierenden der TUM – und auf Facebook entsprechend erfolgreich.
Social Media an der TU München:
www.tum.de/socialmedia
www.facebook.de/tu.muenchen
www.youtube.de/tumuenchen1
https://twitter.com/TU_Muenchen
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Praxisbeispiele 29
eine Seite anzulegen. Doch es erfordert mindestens ausreichend Zeit, einen Kanal zu betreu-
en. Viele Aufgaben stehen dahinter: die Community beobachten, ihr zuhören, passende Themen
recherchieren, mit verschiedenen Fachabteilungen kommunizieren, interne Absprachen treffen,
mit den Fans interagieren und Interaktionen moderieren. Diese Aufgaben laufen an der TUM im
Team „Web Communications“ der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Corporate
Communications Center) zusammen. Dieses Team steuert den zentralen Internet-Auftritt der
TUM und gestaltet ihn redaktionell. Dazu gehört die Homepage www.tum.de sowie andere Ka-
näle, die crossmedial bespielt werden.
So kann die Universität aktuelle Themen schnell aufgreifen und wichtige Informationen verbrei-
ten – zum Beispiel über die Sperrung der U-Bahnlinie 6 im Sommersemester 2013, eine der
wichtigsten Verkehrsverbindungen nach Garching nördlich von München. Dort liegt der größte
Standort der TUM, mehrere tausend Menschen pendeln täglich dorthin. Das Web-Team recher-
chierte und gestaltete dafür schnell eine eigene Info-Website mit Details zur Sperrung und alter-
nativen Verkehrsverbindungen. Über Info-Bildschirme, einen Newsletter und die Facebook-Seite
machte die TUM Studierende und Mitarbeitende auf die Info-Seite aufmerksam. Kurz darauf or-
ganisierten Studierende auf Facebook eine „Schienenersatz-Fahrradtour“ von München nach
Garching – was wiederum crossmedial verbreitet wurde.
Wikis und BlogsSocial Media ist allerdings mehr als die großen bekannten Plattformen Facebook, YouTube und
Twitter. Die TUM setzt auch Wikis und Blogs zu verschiedenen Zwecken ein. An Wikis können
mehrere Personen komfortabel gemeinsam arbeiten und ihr Wissen einfließen lassen – und
so mit anderen teilen. Die Universität stellt damit Fakultäten oder Lehrstühlen, Arbeitsgruppen
genau wie einzelnen Studierenden oder Mitarbeitenden einen kostenlosen individuellen Arbeits-
bereich zur Verfügung. Wikis sind ein praktisches und oft genutztes Instrument der internen
Kommunikation und Zusammenarbeit.
Blogs dienen als Social-Media-Instrument an der TUM zum Beispiel dazu, Themen aus For-
schung und Lehre bekannter zu machen: etwa www.blog.lehren.tum.de, der sich speziell an
Lehrende richtet. Hier finden sie Beiträge über neue didaktische Methoden, den Einsatz von
Online-Kursen und mehr – und sind zum Diskutieren eingeladen. In eine ganz andere Richtung
geht www.chemnixblog.de, ins Leben gerufen vom Chemiker Thomas Letzel und betrieben in
seiner Freizeit. Hier stellen Kinder die Fragen: Wie schlafen Fische? Kann Cola Fleisch „verdau-
en“? Oder: Ist Make-up für den Körper gefährlich? Die Antworten geben Profis aus der Wissen-
schaft. Das Ziel: Kindern und Jugendlichen Spaß an Wissenschaft vermitteln.
Ein eigenes Netzwerk für Alumni, Studierende und MitarbeitendeZurzeit geht die Social-Media-Kommunikation an der TUM sogar noch einen Schritt weiter – mit
einem eigenen Sozialen Netzwerk, das noch entwickelt wird. Das Angebot richtet sich speziell
an die über 100.000 Alumni der TUM in mehr als 100 Ländern. Gleichzeitig sind Studierende,
Forschende und andere Mitarbeitende der Universität willkommen. Alle TUM-Mitglieder können
die Community nutzen, um alte und neue Kontakte zu finden, Veranstaltungen und Treffen zu
organisieren, Videos oder Bilder miteinander zu teilen. Alumni und Studierende können auf die-
sem Weg schneller in Kontakt treten und die Ehemaligen werden noch stärker in das Leben der
Universität integriert – und können ihre Erfahrungen an die aktuelle Generation von Studieren-
den weitergeben. Wie andere Social-Media-Plattformen, lebt auch diese von der Interaktion der
Community. Denn das Internet ist vor allem eines: Kommunikation.
Kontakt:
Fiorina Schulz M.A. Technische Universität München Corporate Communications Center Web Communications Tel.: +49 89 289-22391 E-Mail: fiorina.schulz@tum.de www.tum.de/webcommunications
Social Media ist allerdings mehr als die großen be-kannten plattformen Face-book, Youtube und twit-ter. Die tuM setzt auch Wikis und Blogs zu ver-schiedenen Zwecken ein.
”
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
30 management Wissens- und Technologietransfer
Wissenschaftseinrichtungen sollen ihre forschungsergebnisse zunehmend effekti-ver verwerten. hierfür ist eine Professiona-lisierung der internen innovationsprozesse notwendig. Der einsatz von software, so genannter computer-aided-innovation-tools, spielt eine immer größere rolle. Der artikel beleuchtet deren einsatz in öffentli-chen forschungseinrichtungen.
Computer-Aided-Innovation-Tools, kurz CAI-
Tools genannt, sind speziell für Innovations-
prozesse erstellte Software-Tools. Zu un-
terscheiden sind sie von standardisierten
Software-Angeboten, also klassischen und
frei verfügbaren Programmen für reine Office-
Anwendungen. Abbildung 1 zeigt eine übliche
Kategorisierung von CAI-Tools nach Kohn und
Hüsig (2009). Der Aufbau besteht aus drei
Hauptkategorien, welche sich jeweils in ver-
schiedene Unterkategorien aufteilen. Die drei Hauptkategorien sind das „Strategy Management“,
das „Idea Management“ und das „Patent Management“. Dazu kommen „Holistic Solutions“, das
heißt, ganzheitliche Tools, welche funktionelle Bestandteile aus allen drei Hauptkategorien dar-
stellen. Das Ideenmanagement enthält Tools für den Prozess der Ideenfindung bis hin zur Bewer-
tung und Auswahl. Diese Ideen werden im Prozess anschließend durch das Patentmanagement
geprüft und bei Schutzfähigkeit beim jeweiligen Patentamt angemeldet. Das darauf folgende
strategische Management beinhaltet dann die weitere Projekt- und Verwertungsplanung.
Umfrage „Software-Tools im Wissens- und Technologietransfer“Der Nutzen und Gebrauch dieser Tools wurde in der Vergangenheit bereits in verschiedens-
ten Studien im Wirtschaftsbereich beleuchtet. Jedoch existiert bisher keine Forschungsarbeit,
welche sich mit Softwareunterstützung in öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtungen
auseinandersetzt. Zur Beseitigung der bestehenden Forschungslücke wurde die Umfrage „Soft-
ware-Tools im Wissens- und Technologietransfer“ von den für Wissens- und Technologietransfer
zuständigen Arbeitskreisen der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und der
Wissensgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, unter Führung des Karlsruher Institut für Tech-
nologie (KIT) und des Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), Anfang 2012 durchge-
führt. An der Umfrage nahmen 27 Forschungseinrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft und
der Leibniz-Gemeinschaft (Sektionen C-E) teil. Der erste Teil der Umfrage beinhaltete die Erfah-
rungen mit dem Einsatz kommerzieller oder selbst erstellter Tools in den Bereichen Ideenbewer-
tung und Wertermittlung, Verwaltung von Patenten, Projektmanagement und Customer Relati-
Effektiveres Innovationsmanagement durch Computer-Aided-Innovation-Tools (CAI-Tools).
Foto: Rainer Sturm/pixelio
StichwörterInnovationsprozesse
technologietransfer
computer-Aided-Innovation-tools
Öffentliche Wissenschafts- einrichtungen
Thomas Neumann, André Heller und Björn Wolf
Softwareunterstützung im technologietransfer Eine Umfrage in Forschungseinrichtungen zeigt noch mangelnde Verbreitung von passenden Software-Tools
Wissens- und Technologietransfer management 31
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Abb. 1: Innovation Circle (Quelle: In Anlehnung an Hüsig, S., Kohn, S.,Computer Aided Innovation – State of the Art from a New Product Development Perspective, in: Computers in Industry 60 (2009), S. 551 – 562.)
onship Management (CRM). Für die einzelnen Tools wurden jeweils Nutzungsintensität und
Zufriedenheit auf einer Skala von „1“ bis „3“ abgefragt, wobei „1“ das Minimum und
„3“ der Bestwert war. In zwei folgenden Umfrageabschnitten wurde nach dem
zukünftigen Einsatz von Tools und der Verwendung von Informationsquellen
gefragt.
Überblick der UmfrageergebnisseEin Hauptergebnis der Umfrage ist, dass bisher nur wenige spezialisier-
te Tools im Technologietransfer an Forschungseinrichtungen eingesetzt
werden, welche zudem die Anforderungen der Nutzer bei weitem nicht in
vollem Umfang erfüllen. Im Bereich der Patentverwaltung wurden zwölf
verschiedene Tools genannt. Im CRM kommen 14 Tools und im Projektma-
nagement acht Tools zum Einsatz. Ganzheitliche Lösungen werden bisher in
keiner Einrichtung eingesetzt. Die Bereiche Ideenbewertung und Wertermitt-
lung finden nahezu ohne Tool-Einsatz statt. Abgesehen von der Patentverwaltung,
wo überwiegend spezialisierte Software-Tools genutzt werden, sind zumeist Tools
im Einsatz, die wenig Installationsaufwand verursachen oder reine Online-Angebote
darstellen.
Einige Prozessabschnitte laufen aufgrund mangelnder Softwareunterstützung beziehungs-
weise hoher Kosten bisher fast bei allen Einrichtungen ohne Tool-Einsatz ab. Es besteht aber
durchaus Interesse an einer Qualifizierung durch Nutzung und Erweiterung von einsetzbaren
Instrumenten. Der Einsatz professioneller Tools ist allerdings kostenintensiv und bringt zum Teil
umfangreiche organisatorische Umwälzungen für Technologietransferstellen mit sich. Verwen-
det werden daher momentan vorwiegend Komponenten des MS-Office-Paketes als rudimentäre
Lösungen. Bei der Beurteilung der Zufriedenheit mit diesen Tools wurde im Durchschnitt ein
neutraler Wert vergeben. Die wenigen eingesetzten professionellen Tools kommen zwar nur in
wenigen Einrichtungen zum Einsatz, sind aber bei der Zufriedenheitsbeurteilung den Office Tools
weit überlegen.
Die Umfrage zeigt weiterhin, dass die Mehrheit der Teilnehmer eine Professionalisierung und
Spezialisierung in den angesprochenen Bereichen anstrebt. Nur sechs Einrichtungen wollen zu-
künftig keine zusätzlichen Tools einsetzen, während sich zwölf Einrichtungen einen kurzfristigen
Einsatz prinzipiell vorstellen können. Bei neun Einrichtungen gibt es bereits konkrete Planungen
und Auswahlprozesse zur Identifizierung von geeigneten Tools. Primär werden für Dokumenten-
und Vertragsmanagementsysteme, Patentdatenbanken und für das CRM Lösungen gesucht.
IdeenbewertungDas Ideenmanagement hat die Aufgaben, Ideen zu identifizieren, Informationen zu beschaffen und
auf deren Basis eine Bewertung für Auswahlentscheidungen durchzuführen. Gemäß den Ergeb-
nissen der Umfrage bewerten nur fünf Einrichtungen Ideen mit Softwareunterstützung. Nur eine
CAI-Software und vier Office-Tools kommen zum Einsatz, wobei letztere lediglich in der Phase der
Bewertung zum Einsatz kommen, das CAI-Tool hingegen auch bei der Identifikation von Ideen sowie
beim Einholen von Informationen unterstützt. Anstelle eines softwaregestützten Auswahlprozesses
erfolgt die Entscheidungsfindung aktuell bei den meisten Einrichtungen „offline“ in Zusammenar-
beit mit beteiligten Wissenschaftlern, Innovationsmanagern, Patentmitarbeitern und externen Be-
ratern oder Agenturen. Mit MS Office als unspezifisches Tool sind die Nutzer bei einem vergebe-
nen Durchschnittswert von 2,7 durchaus zufrieden. Löst man das Problem der Beschaffung valider
Informationen, so kann zum Beispiel MS Excel ohne weiteres mit einem geeigneten Template zu
ScenarioManagement
IdeaGeneration
IdeaCollection
IdeaClassification
IdeaPortfolio
IdeaAnalysis
IdeaEvaluation
PatentPortfolio
ManagementPatent
EvaluationPatent
Administration
PatentAnalysis
PatentSearch
InventionReport
BusinessIntelligence
ProjectManagement
PortfolioManagement
StrategyManagement
IdeaManagement
PatentManagement
HolisticSolutions
keywordsinnovation processes
technology transfer
computer-Aided-Innovation-tools
public (non profit) scientific institutions
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
32 management Wissens- und Technologietransfer
Thomas Neumann ist der Leiter Business Develop-ment am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
André Heller ist Student der Wirtschaftswissen-schaften.
Dr. Björn Wolf ist der Leiter der Stabsabteilung Techno-logietransfer und Recht am Helmholtz-Zentrum Dres-den-Rossendorf (HZDR).
einem wertvollen Tool für die Ideenbewertung eingerichtet werden. Am HZDR sowie am KIT werden
beispielsweise bereits solche angepassten Templates eingesetzt.
PatentverwaltungDas einzige Einsatzgebiet innerhalb der Umfrage, bei der die Teilnehmer hauptsächlich CAI-Tools
verwenden, ist die Patentverwaltung. Trotz des hohen Aufwandes für Beschaffung und Unter-
haltung weist diese Gruppe höchste Werte bei der Nutzungsintensität und Zufriedenheit auf. Die
Akzeptanz und der Anspruch an solche Tools resultieren aus der Komplexität und Bedeutung des
Patentmanagements für die Verwertung von Forschung und Entwicklung. Eine Substitution durch
Standardtools scheint nicht ohne Niveauverlust möglich zu sein. Insgesamt wurden elf verschiedene
kommerzielle Programme benannt. Am weitesten verbreitet sind demnach PatInForm mit vier und
EIDOpat mit drei Nennungen. Neben den CAI-Tools kommen MS-Office-Komponenten wie Access
und Excel zum Einsatz. Während bei MS Office die Zufriedenheit eher neutral ist, wurde PatInForm
mit dem Höchstwert eingestuft. Betrachtet man bei den Nennungen nur die CAI-Tools, so ergibt sich
eine durchschnittliche Zufriedenheit mit den eingesetzten Programmen von 2,6. MS Office weist
einen Wert von 2,2 auf. Die Nutzungsintensität ist bei beiden Softwaregruppen ähnlich.
ProjektmanagementBeim Management von Transferprojekten wurden 19 selbsterstellte und zehn professionelle
Tools benannt, wobei mit PromanNG nur ein professionelles CAI-Tool zu finden ist. Sieben Ein-
richtungen setzen aktuell keine Tools für das Projektmanagement ein. Bei den standardmäßigen
MS-Office-Komponenten werden vorwiegend MS Excel und Access mit eigenen Templates ge-
nutzt, diese werden allerdings bei der Zufriedenheitsabfrage nur neutral bewertet. Aber auch
die beiden professionellen Programme werden im Durchschnitt nur neutral eingestuft. Gerade
im Projektmanagement konnte demnach von allen befragten Einrichtungen noch kein Tool ge-
funden werden, welches die spezifischen Prozessanforderungen von Technologietransferstellen
abbilden kann.
Nutzwertanalyse und ihre ErgebnisseAuf Grundlage der Umfrageergebnisse wurde zur Bewertung einzelner Tools eine Nutzwert-
analyse vorgenommen. Ziel war die Identifikation von Best-Practice-Lösungen in spezifischen
Einsatzbereichen. Die Nutzwertanalyse ermöglicht die Anwendung und Erfassung einer Vielzahl
quantitativer und qualitativer Entscheidungskriterien. Bewertet wurden im vorliegenden Fall die
wirtschaftliche, technische und sachliche Eignung. Die verwendete Punkteskala für Ziele und
Kriterien hatte eine Reichweite von 0 bis 4 Punkte, wobei der höchstmögliche Gesamtnutzwert
bei 4 lag. Die Gewichtung einzelner Ziele und Kriterien ermöglicht die Ausrichtung der Nutz-
wertanalyse nach Schwerpunkten, unterliegt aber den jeweiligen individuellen Prämissen des
Bewertenden. Evaluiert wurden die jeweils fünf meist genannten Tools in den drei Prozessab-
schnitten. Weiterhin wurde untersucht, welche Präferenzen und Tendenzen bei der Auswahl von
Tools eine Rolle spielen.
Eine Ideenbewertung hat einem hohen Anspruch gerecht zu werden. Sie ist das Entscheidungs-
mittel zur Durchführung von Projekten und somit am Front-End des Innovationsprozesses ver-
antwortlich für die Minimierung von Ausfallrisiken. Die Nutzwertanalyse der wenigen Tools zeigt,
dass HYPE hinsichtlich der Entscheidungsunterstützung als professionelles Tool besser als MS
Office abschneidet. Neben dem Einsatz professioneller Tools können aber auch selbst erstellte
Tools auf Basis einer Office Suite eine adäquate Lösung darstellen. Voraussetzung ist eine be-
darfsgerechte Programmierung und fachgerechte Anwendung.
summary
An enquiry among public scientific institutions showed that there is no comprehensive use of software-tools within technology transfers. Rea-sons and possible practice solutions have been reviewed.
Wissens- und Technologietransfer management 33
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Kontakt:
Thomas Neumann Leiter Business Development Karlsruher Institut für Technologie Herrmann-von-Helmholtz-Platz 1 76344 Eggenstein-Leopoldshafen Tel.: +49 721 60829056 Fax: +49 721 60824814 E-Mail: t.neumann@kit.edu www.kit.edu
André Heller Tel.: +49 351 2602161 E-Mail: andre.heller@hzdr.de
Dr. Björn Wolf Leiter Stabsabteilung Technologietransfer und Recht Tel.: +49 351 2602615 Fax: +49 351 26012615 E-Mail: b.wolf@hzdr.de
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf Bautzner Landstrasse 400 01328 Dresden www.hzdr.de
Literatur:
Hüsig, S., Kohn, S., Computer Aided Innovation – State of the Art from a New Product Development Perspective, in: Com-puters in Industry 60 (2009), S. 551-562.
Soll ein Patentmanagement mittels Software stattfinden, so ist aufgrund der Kosten und des
Aufwandes für Installation und Implementierung dabei von einer langfristigen Entscheidung
auszugehen. In der Nutzwertanalyse für das Patentmanagement wurden die Tools EIDOpat, MS
Office, PatInForm, Invention Navigator und WiNPAT evaluiert. In der Endauswertung erreicht MS
Office den letzten Platz. Die Nutzwerte der vier anderen Programme unterscheiden sich margi-
nal. Welches Tool letztlich eingesetzt wird, hängt davon ab, welche Funktionen erwartet werden.
Durch die Möglichkeit einer modularen Zusammenstellung können Programme individuell, ent-
sprechend dem Bedarf des Anwenders, gestaltet werden.
Im Projektmanagement werden in der Umfrage 19 selbst erstellte Tools eingesetzt, wobei allein MS
Office 16-mal genannt wurde. Der Umfrage zur Folge lassen sich vor allem die Arbeits- und Ressour-
cenpläne einfach mit Office darstellen. Den höchsten Nutzwert erzielte mit 3,6 aber MS Project, ein
Standardtool, welches nicht zur Office-Familie gehört. Im Gegensatz zu MS Project ist PromanNG ein
CAI-Tool, welches direkt für Forschungsprojekte entwickelt wurde. PromanNG erzielt einen Nutzwert
von 3,2. Neben der einfachen Nutzbarkeit bestehen die Vorzüge dieses Tools in der verfügbaren Res-
sourcen- und Finanzmittelplanung und den Steuerungs- und Auswertungsfunktionen. Darüber hin-
aus ist eine Formularschnittstelle zur Beantragung entsprechender Fördermittel integriert.
Einfache selbst erstellte Tools als Alternative zu CAI-Tools?Im Vorfeld der Nutzwertanalysen wurden Recherchen zu Anforderungen an Tools in Innovati-
onsprozessen und Tests zur Funktionalität durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass auch einfache
selbst erstellte Tools für einzelne Aufgaben zufriedenstellende Ergebnisse liefern können. Je-
doch weisen allgemeine Software-Tools eine weit höhere Substituierbarkeit in Technologietrans-
ferprozessen auf. Der Markt professioneller Tools ist demgegenüber sehr unübersichtlich und
eine Vielzahl von Softwareprodukten ist den Befragten bisher nicht bekannt.
Aufgrund der fehlenden Spezifität bieten Office-Komponenten eher rudimentäre Funktionen für
die betrachteten Prozesse. Obwohl die Zufriedenheit mit Office übergreifend eher neutral ist, ist
es das von den Teilnehmern meist verwendete Programm. Diese Programme zeichnen sich in
erster Linie dadurch aus, dass sie ohne großen Kosten- und Installationsaufwand genutzt wer-
den können, oder dass sie in der Regel standardmäßig in jedem Rechner installiert sind. Vielfach
dient Office aber auch als Ergänzung zu einem professionellen Tool. Es ist jedoch davon auszu-
gehen, dass die Verwendung mehrerer Tools zu einem Zweck letztendlich zu erhöhtem Zeitbedarf
aufgrund von Mehrfacherfassungen von Daten, Schnittstellenproblemen oder geringerer Bedien-
freundlichkeit führt. Eine Integration aller Funktionen in einem Tool wäre demnach vorzuziehen.
SchlussfolgerungenDie Umfrage „Software-Tools im Wissens- und Technologietransfer“ zeigt, dass in den teilnehmen-
den Einrichtungen bisher kein flächendeckender Einsatz von CAI-Tools in Technologietransferpro-
zessen stattfindet. Einige Einrichtungen arbeiten bisher sogar gänzlich ohne professionelle Tools. Ist
ein Einsatz von neuen Produkten angedacht, so hängt die Auswahl eines Tools in jedem Fall von den
persönlichen Präferenzen beziehungsweise den individuellen Anforderungen des Anwenders ab.
Aufgrund einer großen Anzahl von verfügbaren spezialisierten Softwareleistungen ist eine wei-
tere Überprüfung und Nutzenwertermittlung dieser Lösungen zu empfehlen. Die Anbieter sind
meist auf einen Anwendungsbereich ausgerichtet und spezialisiert. Ein Schwerpunkt bei der
Auswahl dürfte neben den Kosten und dem Installations- und Implementierungsaufwand auch
die Kompatibilität zu weiteren Softwareschnittstellen sein. Die von den Umfrageteilnehmern an-
gestrebte Professionalisierung des Tooleinsatzes ist in diesem Zusammenhang zu begrüßen.
Der nutzen und Gebrauch dieser tools wurde in der Vergangenheit bereits in verschiedensten Studien im Wirtschaftsbereich be-leuchtet, jedoch existiert bisher keine Forschungs-arbeit, welche sich mit Softwareunterstützung in öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtun-gen auseinandersetzt.
”
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
34 management Organisationsentwicklung
Stephan Bedenk, Sebastian kunert, Wolfgang Scholl, Sandra tirre
GI:Ve and take zwischen Wissenschaft und praxis
Survey-Feedback-Prozesse als Maßnahmen einer wissenschaftlich gestützten Organisationsberatung
organisationsberatung stellt einen schwierigen spagat zwischen profunder organisationsfor-schung und anwendungsorientierter intervention dar. Denn während sich die „Wissenschaftlich-keit“ von analyseinstrumenten zur organisati-onsdiagnose in erster Linie an Gütekriterien wie objektivität, reliabilität und validität bemisst, sind die Maßstäbe der Praxis für gelungene instrumen-te andere: Unternehmen sind vor allem an einem hohen direkten nutzen interessiert; analysen sol-len situative implikationen und spezifische inter-ventionen erlauben. Wissenschaftlich gestützte organisationsberatung steht also vor der heraus-forderung, diesen spagat anzunehmen, ohne aus der Perspektive der forschung die wissenschaft-liche fundierung oder aus sicht der Praxis die anwendbarkeit aufzugeben (vgl. Kunert/Bedenk 2012; scholl 2012).
Vor einer ähnlichen Herausforderung stand auch das Projekt GI:VE, ein vom Bundesministeri-
um für Bildung und Forschung (BMBF) zwischen 2009 und 2013 gefördertes Verbundprojekt
aus Wissenschaft, Beratungs- und Wirtschaftspraxis (vgl. www.vertrauenskultur-innovation.de).
GI:VE steht für „Grundlagen nachhaltiger Innovationsfähigkeit: Vertrauenskultur und Evolutionäre
Wissensproduktion“. Auftrag und Ziel des Projekts war es, nicht nur über einen Fragebogen zur
Innovationsfähigkeit die organisationalen Bedingungen von erfolgreichen Innovationen weiter zu
erforschen, sondern im Anschluss daran Interventionsmaßnahmen mit wissenschaftlicher Fun-
dierung für die unternehmerische Praxis zu entwickeln (Scholl et al., im Druck). Um in der Kon-
zeption der jeweiligen Instrumente wechselseitig die Perspektiven von Wissenschaft und Praxis
zu berücksichtigen, bestand das GI:VE-Projektteam gleichermaßen aus Organisationsforschern
der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) als auch aus Organisationsberatern eines An-Instituts
der HU (artop GmbH).
Das Survey-Feedback-VerfahrenEin wichtiger Grundsatz im GI:VE-Projekt bestand darin, den angestrebten Praxistransfer mög-
lichst spezifisch zu gestalten: Unternehmen, die an der Fragebogenuntersuchung beteiligt
waren, sollten direkt von den von ihnen zur Verfügung gestellten Daten und Informationen profi-
tieren. Realisiert wurde dies durch einen Survey-Feedback-Ansatz, der die Verzahnung von Da-
tenerhebung und anschließender Diskussion, Nutzung und Weiterverarbeitung der Daten in den
Organisationen ermöglichte. Die grundsätzliche Idee von Survey-Feedback-Prozessen ist dabei
nicht neu, sondern wurde bereits von dem Psychologen Kurt Lewin in den 1940er-Jahren ange-
stoßen. Im Kern forderten er und seine Arbeitsgruppe eine enge Verkopplung von (wissenschaft-
Alle an einen Tisch: Wissenschaftler und Berater bringen die Kompetenz von außen, Management und Mitarbeiter liefern die Daten. Gemeinsam arbeiten sie an der Organi-sationsentwicklung.
Foto: S. Hofschlaeger/pixelio
StichwörterSurvey Feedback
Anwendungsorientierte Forschung
Wissenschaftlich gestützte Organisationsberatung
praxistransfer
Organisationsentwicklung management 35
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
licher) Analyse und anschließender Intervention, um einen sukzessiven Prozess der Datenerhe-
bung, -auswertung und -nutzung im Sinne einer „Aktionsforschung im Feld“ zu ermöglichen
(vgl. Lewin 1946, 1948). Das Gerüst von Survey-Feedback-Prozessen bilden dabei zumeist drei
grundlegende Elemente: Mitarbeiter werden zu bestimmten Phänomenen und Problemstellun-
gen mündlich oder schriftlich befragt. Anschließend werden den Befragten die eigenen Daten
zurückgemeldet und, aufbauend auf den Ergebnissen und den Ergebnisreaktionen, Verbesse-
rungsvorschläge erarbeitet. Mittlerweile stellen Survey-Feedbacks weitestgehend etablierte
Maßnahmen der Organisationsentwicklung dar, obwohl insbesondere die Diagnose zu Beginn
des Prozesses nicht immer mithilfe wissenschaftlich fundierter Instrumente geschieht.
Für die Zielsetzungen des GI:VE-Projekts stellte der Survey-Feedback-Ansatz daher eine gute
Basis dar, um die Ansprüche an wissenschaftlich profunde Analyseverfahren einerseits und
Praxistauglichkeit andererseits zusammen in ein Konzept zur wissenschaftlich gestützten Orga-
nisationsberatung zu integrieren. Der gesamte Survey-Feedback-Prozess im GI:VE-Projekt soll
anhand von sechs aufeinanderfolgenden Prozessschritten genauer beschrieben werden.
1. Schritt: Entwicklung des AnalysefragebogensGrundlage der wissenschaftlichen Analysen im Allgemeinen und des Survey-Feedback-Prozesses
im Speziellen war ein Online-Fragebogen, der auf Basis bisheriger Erkenntnisse und Forschungs-
arbeiten aus Innovationsprojekten sowohl allgemeine Merkmale der Unternehmenskultur als
auch spezifische Faktoren einzelner Innovationsprozesse erfasste (vgl. Scholl et al., im Druck).
Für diesen ersten Schritt des Survey-Feedback-Prozesses, also der Erstellung des Analyse-
instruments, hat sich im GI:VE-Projekt insbesondere der Rückgriff auf Fragebogenelemente frü-
herer wissenschaftlicher Innovationsprojekte (u.a. Scholl 2004) ausgezahlt. Zum einen konnte
so sichergestellt werden, dass sich die eingesetzten Skalen empirisch bewähren. Zum anderen
konnten Erfahrungen mit dem Einsatz der Fragebogenelemente aus früheren Praxisprojekten mit
einbezogen werden. Letztes ist insbesondere wichtig, da Forschungsinstrumente oftmals nur
ungenügend die speziellen Anforderungen der Praxis berücksichtigen: Komplexität und Abstrak-
tionsniveau der Formulierungen sollten nicht zu hoch sein, die Fragebogenitems stattdessen ver-
ständlich und nachvollziehbar und der Umfang des gesamten Designs insgesamt übersichtlich.
2. Schritt: Durchführung der Datenerhebung im UnternehmenWährend der erste Schritt, die Entwicklung eines Fragebogens, noch unternehmensübergreifend
stattfindet, beginnt mit dem zweiten Schritt, der Datenerhebung, die unternehmensspezifische
Prozessphase. Dabei gilt es, insbesondere zwei Grundlagen für einen guten Survey-Feedback-
Prozess zu legen: Zum einen sollten idealerweise alle Mitarbeiter einer Organisation die Gele-
genheit haben, an der Umfrage teilzunehmen. Nur so ist ein repräsentatives Meinungsbild im
Unternehmen möglich. Zum anderen sollte die Datenerhebung anonym ablaufen, das heißt, Mit-
arbeitern sollte zugesichert werden, dass individuelle Daten nicht an Kollegen oder gar Vorge-
setzte weitergereicht werden.
Als besonders hilfreich erwies sich im GI:VE-Projekt vor allem die Zusammenarbeit mit einem
Prozesspromotor. Prozesspromotoren sind einzelne Mitarbeiter, die Veränderungsprojekte be-
gleiten, zwischen Mitarbeitern und Management vermitteln und zum Beispiel bei Change-Pro-
jekten dafür Sorge tragen, dass die Interessen aller Mitarbeiter mit eingebracht werden können
(vgl. Hauschildt/Chakrabarti 1988; Kunert/Rudinger/Tirre/Bedenk 2012). Sie unterstützen den
Survey-Feedback-Prozess insbesondere dadurch, dass sie Mitarbeiter zur Beteiligung an der
Umfrage und damit zur Mitgestaltung des Unternehmens motivieren.
Dipl.-Psych. Stephan Be-denk forscht an der HU zu Innovationsförderung, Ent-scheidungsprozessen und Kreativität. Er ist als Dozent an Hochschulen und als freiberuflicher Berater in der Organisationsentwick-lung tätig.
Prof. Dr. Sebastian Kunert forscht und lehrt an der Hochschule für Gesundheit & Sport Berlin zu Methoden angewandter Sozialpsy-chologie, Innovationsförde-rung und Kompetenzmes-sung. Er ist Trainer und Be-rater bei der artop GmbH.
Prof. Dr. Wolfgang Scholl war wissenschaftlich tätig in den Bereichen Psycholo-gie, BWL und Sozialwis-senschaften an den Uni-versitäten Mannheim, München, Göttingen und an der HU, dort auch nach der Pensionierung 2009.
Sandra Tirre, M.A. arbeitet als Trainerin und Beraterin bei der artop GmbH. Im Rahmen Ihrer Tätigkeit berät und begleitet sie Or-ganisationen in Verände-rungsprozessen und ge-staltet Weiterbildungsfor-mate und Workshops.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
36 management Organisationsentwicklung
3. Schritt: Analyse und Aufbereitung der DatenDer dritte Schritt umfasst zunächst die Analyse der Daten auf Unternehmensebene und an-
schließend deren Aufbereitung für die spätere Rückmeldung. Durch die Verwendung einer For-
schungsplattform können die Daten aller Mitarbeiter automatisch einbezogen und entsprechend
eines vorab programmierten Algorithmus ebenso automatisch ausgewertet werden. Neben einer
ökonomischen und schnellen Auswertungsstrategie liegt diese Form der Automatisierung zudem
der Gedanke einer anonymen Datenhandhabung zu Grunde.
Die unternehmensspezifischen Daten werden anschließend – wiederum automatisch – in einen
Management-Reader eingespeist. So können die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst
den Unternehmen zurückgemeldet werden. Für jeden der im Fragebogen erhobenen innovati-
onsrelevanten Aspekte (wie etwa Kundenorientierung, Mitarbeiterpartizipation und Konflikthand-
habung) sind in dem Reader die über alle Mitarbeiter gemittelten Werte einsehbar. Ein besonde-
rer Zusatz des GI:VE-Readers ist dabei ein Vergleichswert (Benchmark), der sich aus den Mittel-
werten von knapp 100 ebenfalls untersuchten Unternehmen ergibt, die bereits am GI:VE-Projekt
teilgenommen haben. So ist ein Abgleich der eigenen Daten mit den gemittelten Daten anderer
Unternehmen möglich.
Der Management-Reader übernimmt damit in weiten Teilen die Funktion eines leicht verständli-
chen Manuals: Er erklärt, was die einzelnen Fragebogenelemente messen, wie sie in Beziehun-
gen stehen und welche Werte tendenziell „innovationsförderlich“ oder „innovationshinderlich“
sind. Neben dieser Beschreibung des Status quo werden alle Auswertungen im Text begleitet
durch Handlungsempfehlungen, mit denen die einzelnen Aspekte jeweils in eine „innovations-
förderliche“ Richtung verändert werden könnten.
4. Schritt: Präsentation der DatenIm vierten Schritt wird schließlich die Rückmeldung der Daten im Unternehmen inklusive einer
ausführlichen Diskussion durchgeführt. Idealerweise geschieht dies im Rahmen von Rückmel-
de-Workshops, die allen (teilnehmenden) Mitarbeitern offen stehen. Dies entspricht dem Kern-
gedanken von Survey-Feedbacks, dass die Auswertungen nicht alleine exklusiven Interessen-
tenkreisen (etwa den obersten Managementebenen) vorgelegt werden, sondern die Ergebnisse
in einem ersten Schritt mit jenen Mitarbeitern diskutiert werden, die selbst die Daten produziert
haben (vgl. Winter 1989).
Im Sinne einer wissenschaftlich gestützten Organisationsberatung findet im GI:VE-Projekt die
Moderation der Ergebnisrückspiegelungen zumeist in „Tandems“ statt: Jeweils ein Wissen-
schaftler der HU und ein Berater präsentieren gemeinsam die Ergebnisse, um einerseits auf
analytisch-inhaltliche Fragen eingehen und andererseits die Diskussion praktisch-methodisch
bestmöglich begleiten zu können. Während der Ergebnisrückspiegelung werden dazu die sub-
jektiven Anmerkungen und Kommentare der Teilnehmenden zu den Ergebnissen mittels Meta-
plan-Technik (Flipcharts, Pinnwände) dokumentiert. Denn Survey-Feedbacks können vor allem
Perspektivenunterschiede deutlich machen: Den objektiven Daten stehen oftmals sehr unter-
schiedliche subjektive Wahrnehmungen der Teilnehmer („Das überrascht mich jetzt.“ vs. „Das
wundert mich jetzt gar nicht.“) und gegebenenfalls noch einmal differierende Interpretationen
von Seiten des Managements gegenüber. Im Anschluss an die Datenrückspiegelung werden die
gesammelten Anmerkungen besprochen, Themenschwerpunkte identifiziert und diese dann in
kleineren Arbeitsgruppen diskutiert, so dass gegen Ende des Rückmelde-Workshops ein klare-
res Bild entsteht, welche Problemfelder in der Organisation priorisiert angegangen werden müs-
sen. Alle Ergebnisse werden abschließend in einem Protokoll festgehalten, welches als Themen-
summary
Using the example of a science-practice-project the article illustrates how survey feedback pro-cesses can be a valuable tool for science-based consulting.
Mittlerweile stellen Sur-vey-Feedbacks weitest-gehend etablierte Maß-nahmen der Organisati-onsentwicklung dar, ob-wohl insbesondere die Diagnose zu Beginn des prozesses nicht immer mithilfe wissenschaftlich fundierter Instrumente geschieht.
”
keywordssurvey feedbackapplied researchscience-based consultingtheory-practice-transfer
Organisationsentwicklung management 37
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
speicher sowie zur Verbreitung der Resultate dient. Letzteres ist von entscheidender Bedeutung.
Denn nur, wenn die Erkenntnisse aus dem Rückmelde-Workshops adäquat in die Organisation
getragen werden, wenn sie Beachtung auf den oberen Managementebenen finden und auch an
jene Mitarbeiter weitergetragen werden, die nicht am Survey-Feedback-Prozess beteiligt waren
und dennoch von den Themenfeldern betroffen sind, entsteht eine breite Veränderungseinsicht
und -bereitschaft.
5. Schritt: ProzessberatungWie können die Ergebnisse aus der Mitarbeiterumfrage für weitere Interventionen genutzt wer-
den? Wie werden Erkenntnisse in die Organisation hineingetragen? Wie können Diskussions-
punkte und Kommentare aus dem Rückmelde-Workshop so berücksichtigt werden, dass sie
tatsächlich zu Veränderungen und Verbesserungen führen?
Die anfängliche Aufbruchsstimmung im direkten Anschluss an Survey-Feedback-Prozesse
verpufft schnell. Bei den von GI:VE betreuten Unternehmen wurden daher innerhalb weniger
Wochen zu einzelnen identifizierten Problembereichen längerfristig angelegte Arbeitsgruppen
gebildet, in die sich interessierte Mitarbeiter aus verschiedenen Hierarchiestufen und Abteilun-
gen einbringen können. Deren Arbeit wird wiederum von einer Steuerungsgruppe begleitet, un-
terstützt und in die Organisation getragen. Damit dies wirkungsvoll und nachhaltig geschehen
kann, sind in der Steuerungsgruppe Mitglieder oder Vertreter der Geschäftsleitung, die Leiter der
einzelnen Arbeitsgruppen, gegebenenfalls ein Betriebs- oder Personalrat sowie externe Berater
vertreten. So stehen auch die Mitarbeiter des GI:VE-Projekts als Prozessbegleiter zur Verfügung,
um sowohl wissenschaftliche Impulse zu geben als auch einen unverstellten Blick von außen
einzubringen.
6. Schritt: Evaluation Um letztendliche Fortschritte zu überprüfen, ist eine Evaluation des gesamten Prozesses sinn-
voll. Neben Evaluationsgesprächen mit zentralen Akteuren, wie etwa Vertretern der Geschäfts-
führung, dem Prozesspromotor oder den Innovationsbeauftragten, bietet sich eine Wiederho-
lungsmessung mit Hilfe des Analysefragebogens an. Der Abgleich der Daten aus der Erst- und
Zweitbefragung ermöglicht einerseits Einsichten, an welchen Stellen im Prozess Nachbesse-
rungsbedarf besteht, und lässt andererseits Erfolge deutlich werden, etwa wo sich die Zusam-
menarbeit in wichtigen unternehmensinternen Prozessen bei den Mitarbeitern bereits nachweis-
bar verbessert hat.
FazitSurvey-Feedback-Prozesse stellen ein wirkungsvolles Tool zur wissenschaftlich gestützten Or-
ganisationsberatung dar. Einerseits können mit diesem Format die Stärken wissenschaftlicher
Untersuchungsmethoden voll zur Anwendung gebracht werden, indem wissenschaftlich fundier-
te Analyseinstrumente zum Einsatz kommen und die Ergebnisse in den Diskussionsworkshops
erklärt werden können. Gleichzeitig berücksichtigen Survey-Feedback-Prozesse den Wunsch
der meisten Unternehmen nach direkten und spezifischen Implikationen, die mittels des partizi-
pativen Ansatzes bei der Rückmeldung aus dem Wissens- und Erfahrungsschatz der Mitarbeiter
gehoben werden können.
Kontakt:
Dipl.-Psych. Stephan Bedenk Humboldt Universität zu Berlin Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II Institut für Psychologie Rudower Chaussee 18 12489 Berlin Tel.: +49 30 2093-9340 Fax: +49 30 2093-9342 E-Mail: stephan.bedenk@hu-berlin.de www.vertrauenskultur-innovation.de
Literatur:
Avison, D.E., Lau, F., Myers, M., Nielsen, P.A., Action research. In:. Communications of the ACM, 42, 1999, 94-97.
Bowers, D. G., OD Techniques and Their Results in 23 Orga-nizations - The Michigan ICL Study, in: Journal of Applied Behavioral Science, 9, 1973, 21-43.
Hauschildt, J., Chakrabarti, A., Arbeitsteilung im Innovations-management – Forschungsergebnisse, Kriterien und Model-le, in: Zeitschrift für Organisation, 57, 1988, 378–388.
Hodgkinson, G. P., Herriot, P., Anderson, N., Realigning the Stakeholders in Management Research: Lessons from In-dustrial, in: Work and Organisational Psychology. British Journal of Management, 12(1), 2001, 41-48.
Kunert, S., Bedenk, S., Die Wissenschaft als Wegweiser zur Professionalisierung der Organisationsberatung, in: Wirt-schaftspsychologie, 4, 2012, 17-19.
Kunert, S., Rudinger, G., Tirre, S., Bedenk, S., Innovationspro-motoren - Möglichkeiten und Grenzen einer individualisier-ten Förderung von Innovationsprozessen, in: Ideenmanage-ment. 38(4), 2012, 107-109.
Lewin, K., Action Research and Minority Problems, in: Jour-nal of Social Issues, 2, 1946, 34-46.
Lewin, K., Resolving Social Conflicts, New York 1948, Harper and Row Publishers.
Scholl, W., Innovation und Information. Wie in Unternehmen neues Wissen produziert wird, Göttingen 2004, Hogrefe.
Scholl, W., Möglichkeiten, Probleme und Grenzen wissen-schaftlich gestützter Organisationsberatung. Ein Werkstatt-bericht, in: Wirtschaftspsychologie, 4, 2012, 5-11.
Scholl, W., Schmelzer, F., Kunert, S., Bedenk, S., Hüttner, J., Pullen, J., Tirre, S., Mut zu Innovationen – Impulse aus For-schung, Beratung und Ausbildung, Wiesbaden, im Druck.
Winter, R., Learning From Experience: Principles and Practi-ce in Action-Research. Philadelphia 1989, The Falmer Press.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
38 management Chancen- und Risikomanagement
Arnd Wiedemann, helena Gerding, Johann peter Schäfer, Andreas Düngen und thomas Wienkamp
risiken als chancen verstehen
Implementierung eines Chancen- und Risikomanagements an der Universität Siegen
Teil 1: Auslöser zur Implementierung des Chancen- und Risikomanagements, Theoretische Grundlagen und Praxisbeispiele
Die deutsche hochschullandschaft befindet sich seit einigen Jahren im Wandel: Mit ihrer gestiegenen autonomie, wie sie zum Beispiel in nordrhein-Westfalen (nrW) durch das hochschulfreiheitsgesetz ver-ankert wurde, erlangen die hochschulen viele Gestaltungsmöglich-keiten. Um im Wettbewerb um studierende, Professoren, Mittel und eliteförderung bestehen zu können, spielt nicht nur die Qualität von forschung und Lehre eine entscheidende rolle, sondern auch die wirt-schaftliche ausstattung. Gleichzeitig gehen mit den neu gewonnenen rechten auch Pflichten einher, die sich beispielsweise in vorschriften für die rechnungslegung niedergeschlagen haben. Die erfüllung der gesetzlichen anforderungen ist aber nur eine der vielen notwendigen Bedingungen, die eine hochschulleitung zwecks effektiver hochschul-steuerung zu erfüllen hat. Darüber hinaus sollte sie nicht zuletzt auf-grund der langen reaktionszeiten an einem internen informationssys-tem interessiert sein, das ihr frühzeitig signale und hinweise gibt, ob sich die hochschule in die gewünschte richtung bewegt.
Hochschulen in NRW müssen gemäß §10 der Hochschulwirtschaftsfüh-
rungsverordnung (HWFVO) die Regelungen des Handelsgesetzbuches an-
wenden, sofern sie sich für eine Wirtschaftsführung und Rechnungslegung
nach kaufmännischen Grundsätzen entscheiden. In den Verwaltungsvor-
schriften zur Verordnung zu §11 HWFVO wird konkretisiert, dass der Jah-
resabschluss auch einen Lagebericht gemäß den Vorschriften des §289
Handelsgesetzbuch (HGB) zu enthalten hat, der unter anderem auf die Ri-
siken der zukünftigen Entwicklung eingehen soll (vgl. Fahl 2011). An der
Universität Siegen wurde erstmals zum 31.12.2009 ein im Sinne dieser Re-
gelungen kaufmännischer Jahresabschluss erstellt.
Es waren jedoch nicht nur rechtliche Gründe, die den Prozess zur Entwicklung eines Risikoma-
nagements an der Universität Siegen angestoßen haben, sondern vielmehr auch der Wunsch
nach genauerer Kenntnis der internen Prozesse und der mit ihnen verbundenen, respektive der
aus ihnen resultierenden Herausforderungen an die wirtschaftliche Führung einer Universität.
Die Sensibilisierung für spezifische Risiken sowie die Erhöhung des allgemeinen Risikobewusst-
seins auf allen Ebenen der Hochschule sind weitere Ziele, um das in einer öffentlichen Ein-
richtung häufiger anzutreffende Vertrauen auf die (vermeintlich unbeschränkte) Sicherung durch
das Land aufzubrechen. Die Stärkung des „ressourcenoptimierten Handelns“ kann nur gelingen,
wenn sämtliche Beteiligten von der Notwendigkeit einer Verhaltensänderung überzeugt sind.
Aufgrund des gemeinwohlorientierten Bildungsauftrags wäre es nicht angemessen, den Risi-
Chancen, Risiken und Gefahren für eine Institution müssen identifiziert und analysiert werden.
Foto: Rolf van Melis/pixelio
Chancen- und Risikomanagement management 39
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
kobegriff auf eine reine Verlust- und Schadensbetrachtung zu beschränken. Vielmehr bedeutet
die Implementierung eines ressourcenoptimierten Handelns in einer Hochschule, stets in beide
Richtungen zu denken.
Die gebotenen oder gewonnenen Freiheiten gehen einher mit der Pflicht zu einem verantwor-
tungsvollen Umgang mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen und zu einem steten Abwä-
gen der zu treffenden Entscheidungen unter der Perspektive von Chancen und Risiken. Daher
wird statt dem mit negativen Assoziationen belasteten Wort „Risiko“ die zweiseitige Definition
des Begriffs betont und das „Chancen- und Risikomanagement“ in den Vordergrund gestellt
(vgl. Dembeck/Heinemann 2011). Des Weiteren eröffnet diese Definition die Möglichkeit, dass
die Mitarbeiter der Universität das Projekt nicht als zusätzliche Einschränkung oder Mehrbelas-
tung, sondern auch als Weiterentwicklung in ihrem Arbeitsalltag oder die Möglichkeit des per-
sönlichen Beitrags zur Weiterentwicklung ihrer Universität sehen.
Übertragung klassischer RisikomanagementsystemeZum Einstieg in die Thematik bietet es sich an, zu prüfen, inwiefern ein Transfer bestehender
Systeme aus der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre oder speziell der Bank- oder Versiche-
rungswirtschaft möglich ist, die sich aufgrund ihrer Ausrichtung schon länger mit Fragen des Ri-
sikomanagements auseinandersetzen (vgl. z.B. Romeike/Hager 2013; Johanning/Rudolph 2000;
für Beispiele der Einführung von Risikomanagementsystemen der öffentlichen Hand siehe z.B.
Scholz/Schuler/Schwintowski 2009).
Im Allgemeinen sind zwei Perspektiven zu unterscheiden: Die Risikotragfähigkeit und das Risiko-
Chancen-Kalkül (vgl. Schierenbeck/Lister/Kirmße 2008). Im Rahmen der Risikotragfähigkeit wird
gefordert, dass eine Institution nur solche Risiken übernehmen darf, die sie tragen kann. Entspre-
chend reicht es für eine Hochschule nicht aus, nur ihre Risiken zu identifizieren, sondern sie muss
diese auch hinsichtlich der potenziellen Wirkungen auf das langfristige Bestehen der Universität
hin untersuchen. Zur Steuerung der Risiken stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Ist es beispielweise möglich, die Risiken bereits ursächlich zu erfassen. So können diese Risiken
vermieden, vermindert oder begrenzt werden. Ersteres geht im Allgemeinen mit dem Verzicht auf
das jeweilige Betätigungsfeld einher. Zum Beispiel könnten operationelle Risiken, die aus der Ver-
arbeitung von Lebensmitteln entstehen, durch die Schließung eigener Versorgungseinrichtungen
vermieden werden. Ist dies nicht möglich oder erwünscht, kann eine Verminderung der Risiken
durch entsprechende Schadensverhütungsmaßnahmen erfolgen, beispielsweise durch eine hohe
Qualifikation der Mitarbeiter oder eine strukturierte, vorgegebene Ablauf- und Aufbauorganisati-
on. Eine Risikobegrenzung wäre durch die Überwälzung der Risiken möglich, zum Beispiel durch
die Vergabe an Drittanbieter (vgl. Schierenbeck/Lister/Kirmße 2008; Romeike/Hager 2013).
Insbesondere in öffentlichen Institutionen ist es jedoch oftmals nicht möglich, die Risiken ursa-
chenbezogen zu steuern. Aufgrund der Gemeinwohlorientierung ist die Bereitstellung der Diens-
te nicht in Frage zu stellen. Stattdessen kann die Institution lediglich prüfen, inwiefern Risiken
auf Versicherungen transferiert werden können. Sämtliche nicht transferierbaren Risiken sind
letztlich zwingend selbst zu tragen, in letzter Konsequenz durch die darüberstehende Instanz
(Kommune, Land, Bund). Da dies jedoch tatsächlich lediglich die letzte Konsequenz darstellen
kann und für eine Hochschule mit schmerzhaften Einschnitten verbunden sein dürfte, ist die
Identifikation, Quantifizierung und Steuerung der zu tragenden Risiken (prozesssteuernd oder
schadensausgleichend, z.B. in Form von zu bildenden Rückstellungen) unumgänglich. Diese drei
Stufen, ergänzt um die Überwachung der Risiken, bilden den Prozess des Risikomanagements
(vgl. Groth et al. 2012).
Prof. Dr. Arnd Wiedemann, Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanagement, Univer-sität Siegen
Dipl.-Kffr. Helena Gerding, wissenschaftliche Mitar-beiterin von Prof. Wiede-mann, Universität Siegen, war mit der Entwicklung des Projekts betraut.
Andreas Düngen, Diplom-Kaufmann, Finanzdezernent der Universität Siegen seit 2008.
Thomas Wienkamp, Diplom-Verwaltungswirt und Personalfachkaufmann, Abteilungsleiter Rechnungs-wesen der Universität Siegen seit 2003.
Dr. Johann Peter Schäfer war von 1993 bis April 2013 Kanzler der Universi-tät Siegen und führte dort in den Jahren 2009 bis 2013 die kaufmännische Buchführung auf der Basis von SAP ein.
Stichwörterrisiko- und chancen- management
prozess des risiko- managements
chancen- und risikokarte
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
40 management Chancen- und Risikomanagement
Die zweite Perspektive, die im Rahmen des Risikomanagements die Risikotragfähigkeit ergänzt,
ist das Risiko-Chancen-Kalkül. Dieses analysiert, ob sich das Tragen der Risiken überhaupt
lohnt. In der klassischen betriebswirtschaftlichen Anwendung wird eine monetäre Performance-
Kennzahl den Kosten, die durch die Vorhaltung von Eigenkapital zur Abdeckung der Risiken ent-
stehen, gegenübergestellt (vgl. Schierenbeck/Lister/Kirmße 2008). Diese rein quantitative Sicht-
weise ist aufgrund der auf keinen Fall vorrangig ökonomischen Orientierung einer Hochschule
nicht unmittelbar anwendbar. Dennoch lässt sich die Idee des Konzeptes übertragen: Welche
monetären und nicht-monetären Chancen ergeben sich aus den von einer Hochschule bewusst
eingegangenen Risiken?
Umsetzung des RisikomanagementsDer Großteil derjenigen Hochschulen, die ihre Konzepte zum Risikomanagement veröffentlicht
haben, befasst sich lediglich mit dem klassischen Risikomanagementprozess. So definieren
die schweizerischen Hochschulen ETH Zürich und die Universität Bern das Risikomanagement
gemäß COSO (The Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission) wie
folgt: „Unternehmensweites Risikomanagement ist ein Prozess, ausgeführt durch Überwa-
chungs- und Leitungsorgane, Führungskräfte und Mitarbeiter einer Organisation, angewandt
bei der Strategiefestlegung sowie innerhalb der Gesamtorganisation, gestaltet um die die Or-
ganisation beeinflussenden, möglichen Ereignisse zu erkennen, und um hinreichende Sicherheit
bezüglich des Erreichens der Ziele der Organisation zu gewährleisten.“ (vgl. Risikomanagement-
konzept Bern 2007; Risikomanagement an der ETH Zürich 2009).
Beide Universitäten verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, das heißt, es wird eine Vielzahl ope-
rationeller, strategischer und taktischer Risiken betrachtet. Diese werden im Falle der ETH Zü-
rich in einem Risikokatalog, im Falle der Uni Bern auf 20 Kernrisiken konsolidiert. Die Bewertung
erfolgt dann mittels einer Risikomatrix, die die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Risiken den
finanziellen Auswirkungen gegenüberstellt. Aufgrund der Einordnung der Risiken in diese Risi-
komatrix bestimmt die ETH Zürich ebenfalls 20 Kernrisiken. Im Anschluss werden Maßnahmen-
Die Stärkung des „res-sourcenoptimierten han-delns“ kann nur gelingen, wenn sämtliche Beteilig-ten von der notwendigkeit einer Verhaltensänderung überzeugt sind.
”
summary
The development and application of a risk-and-opportunities-map for the University of Siegen covering the entire risk management process is presented.
Um auf Risiken angemessen reagieren zu können, müssen deren Ursachen auch auf die Wechselwirkungen mit anderen Chancen- und Risikofeldern hin untersucht werden. Foto: Rolf van Melis/pixelio
Chancen- und Risikomanagement management 41
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Kontakt:
Prof. Dr. Arnd Wiedemann Lehrstuhls für Finanz- und Bankmanagement Universität Siegen 57068 Siegen Tel.: +49 271 740 2664 Fax: +49 271 740 3142 E-Mail: wiedemann@bank.wiwi.uni-siegen.de www.banklehrstuhl.de
kataloge erstellt und deren Durchführung sowie die Entwicklung der Risiken über regelmäßige
Reportings des jeweiligen Risikoeigners überwacht.
An den Universitäten Göttingen und Duisburg-Essen wird ein ähnlicher Ansatz verwendet. Die
Universität Göttingen hat 2006 mit der Bestimmung von Risikobeauftragten, deren Aufgabe die
Risikoidentifikation und -erfassung ist, ein Risikomanagementprojekt angestoßen. Im Ergebnis
wurden bis zum Jahre 2010 31 Risiken identifiziert, die in die Kategorien „wesentlich“, „über-
wachen“ und „übrige“ eingeteilt wurden. Auch hier wurde ein ganzheitlicher Risikoansatz ge-
wählt, der strategische, operative, politische, rechtliche und Marktrisiken betrachtet. Im Rah-
men des Risikomanagementprozesses wurden anschließend Indikatoren zur Risikofrühwarnung
identifiziert sowie Maßnahmen und Strategien zur Überwälzung, Minderung oder Vermeidung
der Risiken entwickelt. Dieser Prozess wird durch regelmäßige Berichte der Risikobeauftragten
an übergeordnete Organe ergänzt (vgl. Kreysing 2010).
Die Universität Duisburg-Essen hat mithilfe von Gesprächen mit ausgewählten Einheiten sechs
Kernrisiken erfasst, die anschließend auf Risikoblättern hinsichtlich Beschreibung, Bewertung,
Zeitbezug, Indikatoren und Tendenz präzisiert wurden. Im Anschluss wurde für jede Einheit ein
Risikobeauftragter benannt, der weitere Risiken erfassen und bewerten soll. Aus den dezentral
erfassten Risiken fertigt ein übergeordneter Risikomanager einen Risikobericht an, der zur wei-
teren Diskussion an die übergeordneten Instanzen geht (vgl. Risikomanagement an der Universi-
tät Duisburg-Essen 2012).
Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat einen Ansatz gewählt, der in Bezug auf Risikoidentifikation
und Bewertung ähnlich aufgebaut, jedoch um die Chancenperspektive erweitert ist. Auch sie
bezieht ganzheitlich sämtliche Chancen und Risiken der strategischen Ziele, der externen und
internen Einflussfaktoren sowie der Wertschöpfungskette mit ein. Die anschließende Priorisie-
rung der Chancen- und Risikofelder beschränkt das Risikomanagement dann auf die Risiken der
Priorisierung 1 und 2 sowie alle Felder der Kategorie „Wertschöpfungskette“. Für diese Risiken
werden Risikoerfassungsbögen erstellt, die neben den Ursachen auch die Wechselwirkungen
mit anderen Chancen- und Risikofeldern sowie Chancennutzungs- und Risikobewältigungsmaß-
nahmen erfassen. Darüber hinaus wird die Gesamtbedeutung des Chancen- und Risikopoten-
zials für die Hochschule bestimmt (vgl. Chancen- und Risikomanagement an der Hochschule
Bonn-Rhein-Sieg, 2011; Groth et al. 2012).
Implementierung des Chancen- und Risikomanagementprozesses mittels der Chancen- und Risikokarte an der Universität SiegenAngeregt von diesen Beispielen wurde an der Universität Siegen in Zusammenarbeit mit dem
Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanagement ein Konzept entwickelt, welches das Konzept des
Risikomanagementprozesses mit dem des Chancen- und Risikomanagements verbindet. Die resultierenden chancen- und risikokarten werden in der nächsten ausgabe detailliert vorgestellt.
Literatur:
Chancen- und Risikomanagement an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Sankt Augustin 2011: http://www.fh-bonn-rhein-sieg.de/fhbrsmedia/Downloads/Verwaltung/dezer-nat+4 /Abschlussbericht+zur+Arbeitsgruppe+CRM.pdf.
Dembeck, H./Heinemann, S., Auf dem Weg zu einem hoch-schulischen Risikomanagement, in: Breithecker, V./Lickfett, U. (Hrsg.), Handbuch Hochschulrechnungslegung, Berlin 2011, S.477-528.
Fahl, S., Risikomanagement an Hochschulen, in: Breithecker, V./Lickfett, U. (Hrsg.), Handbuch Hochschulrechnungslegung, Berlin 2011, S. 447-476.
Groth, R./Melcher, P. R./Uth, M./Rinne, M., Neue Freiheit er-folgreich nutzen, in: Wissenschaftsmanagement 18 (2012) 2, S. 44-49.
Johanning, L./Rudolph, B., Handbuch Risikomanagement, Band 2, Bad Soden/Ts. 2000.
Kreysing, M., Risikomanagement an der Universität Göttin-gen, 2010, URL: http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/agfortbildung/10_10_29_kreysing.pdf.
Risikomanagement an der Universität Duisburg Essen, Vor-trag am 05.06.2012, Hagen.
Risikomanagementkonzept Bern, http://www.risiko.unibe.ch/unibe/verwaltungsdirektion/ risiko/content/e4154/e4391/e4392/files4770/KonzeptRisikomanage-ment1.012.11.2007.pdf.
Risikomanagementkonzept an der ETH Zürich, http://www.sicherheit.ethz.ch/docs/files/ risikomanagement/Risikoma-nagement_an_der_ETH_Zuerich.pdf.
Romeike, F./Hager, P., Erfolgsfaktor Risiko-Management 3.0, 3. Auflage, Wiesbaden 2013.
Schierenbeck. H./Lister, M./Kirmße, S., Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 2, 9. Auflage, Wiesbaden 2008.
Scholz, F./Schuler, A./Schwintowski, H., Risikomanagement der öffentlichen Hand, Heidelberg 2009.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
42 weiterbildung Aktueller Begriff
Andrea Güttner und rainald Manthe
rücklagenmanagement an hochschulen Sparen zur Risikoabsicherung und das strategische Planen
Das thema rücklagen ist kein neues thema für hochschulen. im Zuge der zunehmenden autonomie von hochschulen wird die eigen-ständige finanzplanung als Grundlage der Umsetzung strategischer Zielsetzungen und damit häufig verbunden der schließung von fi-nanziellen Lücken immer wichtiger. ein bedeutender Bestandteil der finanzplanung ist das vorhalten von Mitteln für zukünftige finanzie-rungsnotwendigkeiten, also die Bildung von rücklagen. Drei formen von rücklagen lassen sich unterscheiden: (1) solche, die für die vor-sorge für finanziell relevante risiken gebildet werden, (2) solche für bestehende verpflichtungen sowie (3) strategische rücklagen für die eigene Profilbildung der hochschule.
Rücklagenmanagement bezeichnet den geplanten Umgang mit Rückla-
gen: Dies umfasst das „Beplanen“ vorhandener Rücklagen, das gezielte
Vorhalten von Geldern für bestimmte Zwecke sowie das Controlling und
Monitoring der Rücklagen.
Rücklagenmanagement, Finanzplanung und Risikomanagement stehen in Wechselwirkung zuei-
nander und sind eng miteinander verbunden. Zum einen ist das Rücklagenmanagement Teil der
Finanzplanung. Zum anderen ist Rücklagenmanagement Bestandteil des Risikomanagements,
da für finanziell relevante Risiken auch abhängig vom Finanzierungssystem der jeweiligen Bun-
desländer größere Summen angespart werden müssen.
Die Möglichkeiten der Rücklagenbildung beziehungsweise des Umgangs mit Resten und Gewin-
nen sind unterschiedlich. Neben landespolitischen Regelungen ist die Art der Haushaltsführung
maßgebliches Kriterium. Sind die Hochschulen in der reinen Kameralistik geführt (ausschließlich
der Fall in Bayern), dann ist eine punktuelle Übertragbarkeit von Resten ins nächste Haushalts-
jahr aus Landesmitteln nach Beschlussfassung des zuständigen Ministeriums möglich. Reste
aus Drittmitteln verbleiben an der Hochschule.
Werden die Hochschulen nach der erweiterten Kameralistik geführt, dann verfügen diese über
ein Globalbudget, das kameral geführt wird. Die Hochschulen mit dem System der erweiterten
Kameralistik haben die Möglichkeit, über die Übertragung von Bewirtschaftungsresten beispiels-
weise Mittel für die Finanzierung von Berufungen vorzuhalten, deren Übertragbarkeit teilweise
jedoch zeitlich begrenzt ist (ggf. nur für das nächste Haushaltsjahr). Hierbei handelt es sich um
Reste aus Landeshaushaltsmitteln und Reste aus Drittmitteln. Zusätzlich können sie teilweise
Rücklagen aus Zuwendungen und Gewinnen aus wirtschaftlichen Tätigkeiten bilden.
Hochschulen mit Globalhaushalten und dem kaufmännischen Rechnungswesen können Rückla-
gen bilden (Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen, statuarische Rücklagen) sowie Rückstellungen
veranlagen. Auch hier sind die Landesregelungen unterschiedlich. Während in Niedersachsen
beispielsweise Rücklagen mit einer Fünfjahresgrenze versehen sind, gibt es in Hessen keiner-
lei Regelungen. Der Begriff Rücklagen wird formal gesehen ausschließlich dort verwendet, wo
Hochschulen müssen gut rechnen. Die Bedingungen für Rücklagen machen es ihnen nicht einfach, sich gegen Risiken abzusichern.
Foto: GG-Berlin/pixelio
Literatur:
Arbeitskreis Fortbildung im Sprecherkreis der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands (Hrsg.), Rückla-genmanagement und Liquiditätssteuerung: Finanzen planen – Hochschulautonomie nutzen, Weimar 2012.
Niemeyer, C., Organisationswissenschaftliche Ansätze zum Risikomanagement am Beispiel von Hochschulen, Zürich 2011.
Härtsch, N., Müller, R., Risk Management an Hochschulen, Ein Praxishandbuch für Universitäten, Fachhochschulen und weitere Bildungsinstitutionen, Flawil/Staad 2009.
Hilgers, D., Hochschulen im Reformprozess des öffentlichen Rechnungswesens, in: Verwaltung und Management, 14. Jg, Heft 4, S. 180-188, 2008.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
Aktueller Begriff weiterbildung 43
Kontakt:
Andrea Güttner Verwaltungsleiterin Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Freie Universität Berlin Ihnestraße 21 14195 Berlin Tel.: +49 30 838-59340 Fax: +49 30 838-56347 E-Mail: Andrea.Guettner@FU-Berlin.de
Wichtig ist, dass zwischen
hochschulen und Län-
dern eine Verständigung
darüber erfolgt, wie mit
rücklagen umzugehen ist:
nur so kann gegenseitiges
Vertrauen aufgebaut
werden.
”
Rücklagen als solche auch verbucht werden können. Es handelt sich entsprechend um einen
Terminus aus der kaufmännischen Buchführung. Die Funktion von beplanten Resten gleicht fast
der der Rücklagen. Allerdings wird in der kaufmännischen Buchführung die Art der Rücklage
wesentlich transparenter aufgedeckt als im „Reste-“ oder „Dispositionstopf“ im Rahmen der
Verbuchung im kameralen System.
In einer bundesweiten Befragung Ende 2011 hat CHE-Consult die Hochschulen nach der Umset-
zung von Finanzplanung, Rücklagen- und Risikomanagement befragt. Knapp mehr Fachhoch-
schulen (27) als Universitäten (23) geben an, Rücklagen bilden zu können. Mit planerischen An-
sätzen ist die Rücklagenbildung an beiden Hochschultypen relativ stark verbunden. Die Gründe
für ein Rücklagenbildungsmodell sind unterschiedlich. Universitäten wie auch Fachhochschulen
geben den Grund der Planungssicherheit am häufigsten an. Bei Universitäten sind noch 3 weite-
re Gründe herauszuheben:
u effizientes Wirtschaften
u Risikomanagement
u Unabhängigkeit vom unsicheren Landeshaushalt
Im Rahmen zusätzlicher Interviews mit Kanzlern aus vier verschiedenen Bundesländern wurde
von einem Großteil der Interviewten unterstrichen, dass die Hochschulen zumeist direkt auf
Sachzwänge reagieren müssten, um die „Hochschule am Laufen zu halten“. Hierfür würden die
Rücklagen und Reste genutzt. So wird ein Großteil der Rücklagen etwa für Bauunterhaltungen
und -sanierungen sowie für die Budgetdeckung zum Beispiel im Rahmen von anstehenden Be-
rufungen, Tarifsteigerungen, personellen Ablöseverpflichtungen durch Drittmittelprojekte oder
mitzufinanzierenden Bauprojekten genutzt.
Länderspezifische Regelungen sowie die Haltung der Politik hemmen nach Aussagen der in-
terviewten Kanzler die Möglichkeiten, gezielte Rücklagen zu bilden beziehungsweise Reste zu
beplanen. So gab es Fälle wie in Brandenburg, wo Rücklagen als Konsolidierungsbeitrag der
Hochschulen zum Schuldenabbau des Landes abgezogen wurden. Rücklagen und Reste werden
von der Politik häufig als nicht verwendete und damit nicht benötigte Finanzressource interpre-
tiert. In diesem Zusammenhang berichtet ein Kanzler, dass die kamerale Denkweise der Planung
von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr insbesondere in den Parlamenten und Ministerien noch stark
verankert sei. Die Tatsache, dass die meisten Hochschulen ihre Rücklagen auf Jahre beispiels-
weise für Baumaßnahmen, steigende Bewirtschaftungskosten et cetera verplanen, finde dabei
kaum Berücksichtigung.
Die interviewten Kanzler sind sich einig, dass von Seiten der Ministerien und der Politik die Si-
cherheit ihrer systematisch aufgebauten Rücklagen zu gewährleisten ist. Nur dann können sie
Risiken planen und deren negative Konsequenzen zumindest punktuell abfedern, ohne direkt
strukturelle Einsparungen vorzunehmen, welche die Studienplatzkapazitäten betreffen würden.
Wichtig ist, dass zwischen Hochschulen und Ländern eine Verständigung darüber erfolgt, wie
mit Rücklagen umzugehen ist: Nur so kann gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden. Ob
man sich dabei auf Volumengrenzen, Jahresgrenzen oder auf keine Begrenzung der Rückla-
genbildung einigt, hängt von der jeweiligen Hochschulsituation in den Ländern und den damit
verbundenen Anforderungen ab. Eine mehrjährige, verbindliche Finanzplanung der Länder und
damit die Realisierung von Planungssicherheit für die Hochschulen sowie eine politische Akzep-
tanz von Rücklagen sind weitere wichtige Voraussetzungen für ein Rücklagenmanagement, das
Hochschulen ermöglicht, mit den unterschiedlichen Risikoarten umzugehen.
Andrea Güttner war Pro-jektleiterin bei CHE Consult und beschäftigte sich u.a. mit dem Thema Rückla-genmanagement im Rah-men mehrerer Projekte. Seit April 2013 ist sie Ver-waltungsleiterin des Fach-bereichs Politik- und So- zialwissenschaften der Freien Universität Berlin.
Rainald Manthe ist freier Mitarbeiter von CHE Con-sult. Er promoviert an der Universität Bielefeld.
Beide erarbeiten zurzeit ein CHE-Arbeitspapier, das unter dem Titel „Risikomanagement? Rücklagenmanagement und Finanzplanung an deutschen Hochschulen“ in Kürze erscheinen wird.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
44 buchbesprechung
Michael Schleinkofer
entstehung von akademischen AusgründungenEine empirische Untersuchung zu fördernden und hemmenden Faktoren im Prozess der Gründungsvorbereitungen
Dem autor Michael schleinkofer ist mit dem Band „entstehung von akademischen aus-gründungen“ eine umfassende studie rund um ausgründungen gelungen. in zehn um-fangreichen Kapiteln wird eine wissenschaftliche auseinandersetzung im Bereich der Gründungsforschung dargelegt.
In dem vorliegenden Band erfolgt eine Analyse des Entstehungsprozesses akademischer Spin-offs,
die von der Idee bis zur Realisierung der Gründung reicht. Fragen aus dem Zweig der Forschung
werden im ersten Kapitel aufgegriffen und aus themenspezifischen Blickwinkeln beantwortet. Da-
rauf erfolgt eine themenübergreifende Auswertung: Die empirische Studie hilft eine Forschungs-
lücke zu schließen. Akademische Ausgründungen aus Hochschulen, insbesondere aus Universitäten
und Fachhochschulen, sind in Deutschland erst seit kurzem verstärkt in den Fokus gerückt. Diese
werden von der Wirtschaftspolitik als auch von der Wirtschaftswissenschaft nun stärker wahrge-
nommen. So erläutert der Autor, dass die Spin-offs eine direkte Form des Wissens- und Technolo-
gietransfers aus den Hochschulen in die Wirtschaft sind. Von ihnen werden besonders positive in-
novations- und beschäftigungspolitische Effekte erwartet. Die Spin-offs sollen den wirtschaftlichen
Strukturwandel unterstützen und, falls nötig, beschleunigen sowie einen Beitrag zur Verbesserung
der kritischen Lage des Arbeitsmarkts leisten. Hierbei betont Schleinkofer, der wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) in
Nürnberg ist, dass nicht jede Geschäftsidee in einem neuen Unternehmen mündet.
So zeigen empirische Befunde, dass nur ein geringer Teil der zu einer Gründung entschlossenen
Personen, tatsächlich ein Unternehmen gründet. Die Untersuchungen von Schleinkofer analysieren
die Einflussfaktoren auf die Gründungsrealisierung von akademischen Spin-offs. Dabei spielt die
Darstellung der hemmenden und fördernden Faktoren in der Phase der Gründungsvorbereitung eine
große Rolle. Daneben wird die Art der Entscheidungsfindung und die subjektive Sicht der werden-
den Gründer auf Probleme im Gründungsprozess thematisiert. Laut Autor sind für die Realisierung
einer Unternehmungsgründung besonders die Charakteristika der Gründerperson und des Gründer-
teams wichtig. Untersucht werden die Wirkungsmechanismen von Aktivitäten, Entscheidungsstrate-
gien und Problemen in Abhängigkeit von spezifischen Ausgangsbedingungen.
Michael Schleinkofer zeigt mit seiner Studie Chancen und Ziele einer Ausgründung. Darüber
hinaus wird deutlich, dass die vorliegende Arbeit auch Ansatzpunkte für weitergehende Unter-
suchungen bietet. Dies erfolgt durch offene Fragestellungen, die für zukünftige Forschungs-
arbeiten interessant sein können. Da die Arbeit einen Beitrag zur Forschung leistet, indem sie
die thematisierte Entstehungsphase von akademischen Ausgründungen untersucht, hebt sie
sich von anderen Studien ab. Der Autor gibt Handlungsempfehlungen für werdende Gründer,
Gründungsinteressierte sowie unterstützende Gründungsinitiativen an Hochschulen. So wird der
Band für diese Zielgruppe eine informative und somit lesenswerte Hilfestellung. Er stellt eine
umfangreiche Zusammenstellung von Tabellen und Statistiken zur Verfügung und hilft somit
dem Leser, die komplexen Daten besser zu verstehen, die sich aus dem EXIST-Programm des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie speisen. Linn Petersen
Michael Schleinkofer entstehung von akademischen Ausgründungen eine empirische untersuchung zu Förderung und hemmenden Faktoren im prozess der Gründungsvorbereitung
reihe: IAB-Bibliothek, Band 341 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (hrsg.)
2013, broschiert, 277 S., 32,90 Euro, W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, ISBN 978-3-7639-4070-7
Die Autorin ist Mitarbeiterin von Lemmens Medien.
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
buchmarkt 45
christopher Gresse Wissensmanagement im technologietransfer einfluss der Wissensmerkmale in F&e- kooperationen
2012, broschiert, 300 Seiten, 54,99 Euro, Gabler Verlag, Baden-Baden, ISBn 978-3-8349-2381-3
reinhard k. Sprenger radikal führen
2012, gebunden, 296 Seiten, 24,99 Euro, campus Verlag, Frankfurt am Main, ISBn 978-3-593-39462-6
Christopher Gresse
Wissensmanagement im technologietransfer
Einfluss der Wissensmerkmale in F&E-Kooperationen
2012, broschiert, 300 S., 54,99 Euro, Gabler Verlag, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8349-2381-3
Im Transfer von Technologie und Wissen aus der Grundlagenforschung in die industrielle Anwen-
dung liegen erhebliche Chancen, vor allem in den besonders technologieorientierten Branchen.
Bei diesem Transfer kann es allerdings zu deutlichen Schwierigkeiten kommen, die oftmals nicht
von den bekannten Managementkonzepten behoben werden können. Das Buch befasst sich ge-
zielt mit Wissensmerkmalen in Technologietransferprojekten und es integriert erstmals neben
der Merkmalsdimension der Explizitheit (implizites vs. explizites Wissen) auch die Dimension
der Mehrdeutigkeit (kanonisches vs. äquivokes Wissen), um die sozialen Bereiche des Wissen-
stransfers hervorzuheben. Außerdem liefert das Buch, mittels quantitativer und qualitativer Fall-
studien ein Instrument für Entscheider zur besseren Steuerung von Transferprojekten.
Martina N. Mansfeld
Innovatoren
Individuen im Innovationsmanagement
2012, broschiert, 246 S., 54,99 Euro, Gabler Verlag, Wiesbaden, ISBN: 978-3-8349-2735-4
Martina Mansfeld, studierte Innovationsmanagerin und selbst in der zentralen Organisationsent-
wicklung eines internationalen Unternehmens tätig, beschreibt in ihrem Buch die wichtige Rolle
des Innovators und zeigt dessen Persönlichkeitsmerkmale. Einem ersten theoretischen Teil, in
dem verschiedene Innovatoren-Rollen erläutert werden, folgt ein empirischer Teil, in dem Mans-
feld aus 190 Fragebögen von Mitarbeitern aus forschungsintensiven Industrien, konkrete Ergeb-
nisse und Handlungsempfehlungen ableitet. Das Buch richtet sich insbesondere an Fach- und
Führungskräfte aus dem Bereich Innovationsmanagement, aber auch an Studenten und Dozen-
ten der Betriebswirtschaftslehre und der Ingenieurswissenschaften. Ein gelungener Handlungs-
leitfaden.
Reinhard K. Sprenger
radikal führen
2012, gebunden, 296 S., 24,99 Euro, Campus Verlag, Frankfurt am Main,
ISBN: 978-3-593-39462-6
Das Buch „Radikal führen“ des Managementberaters Reinhard K. Sprenger behandelt die fünf
Kernaufgaben von Führung: Zusammenarbeit organisieren, Transaktionskosten senken, Konflikte
entscheiden, Zukunftsfähigkeit sichern und Mitarbeiter führen. Sprengers Konzept von Führung
basiert dabei auf Klarheit und Konsequenz. Dies stellt er schon in der Einleitung heraus. Indem
er darüber schreibt, worum es in seinem Buch nicht gehen soll, nämlich um Anekdoten, Fallbei-
spiele oder irgendwelche Leadership-Moden, wird auch deutlich, wobei es in „Radikal Führen“
gehen soll: nämlich um die Wurzel der Führung, aus der sie wächst und in der sie verankert ist.
Dabei geht Sprenger gut strukturiert und sprachlich ausgefeilt vor – ein gutes Buch!
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2013
46 buchmarkt
Adelheid Schumann (Hrsg.)
Interkulturelle kommunikation in der hochschuleZur Integration internationaler Studierender und Förderung Interkultureller Kompetenz
2012, broschiert, 258 S., 29,80 Euro, Transcript Verlag, Bielefeld, ISBN 978-3-8376-1925-6
Der Sammelband „Interkulturelle Kommunikation in der Hochschule“ ist im Rahmen des For-
schungsprojektes MuMiS: „Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium“ entstanden,
das an den Universitäten Siegen, Kassel und Hamburg durchgeführt wurde. Es befasst sich mit
den durch fortschreitende Internationalisierung des Studiums neu entstandenen Kommunika-
tionsstrukturen. Dabei geht es um die Analyse interkultureller Missverständnisse in der Hoch-
schulkommunikation und gleichzeitig auch um passende Methoden und Programme, um solche
Missverständnisse zu lösen oder zu verhindern. Durch die theoretische und praktische Herange-
hensweise bietet der Band eine ganzheitliche Sicht und liefert schließlich ein komplettes Modell
zum interkulturellen Training für die praktische Anwendung.
Judith Winand
Zusammenarbeit zwischen Venture capital-Gesellschaften und Investmentbanken 2012, broschiert, 338 S., 64,- Euro, Josef Eul Verlag, Lohmar, ISBN 978-3-8441-0135-5
Venture Capital-Gesellschaften und Investmentbanken nehmen in Investmentprozessen oft-
mals eine ähnliche Rolle als Finanzintermediär zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern
ein. Dadurch entstehen in unterschiedlichen Bereichen potenzielle Kooperationsmöglichkeiten,
von denen beide Akteure profitieren können. Die im Rahmen dieser Dissertation durchgeführ-
te empirische Untersuchung ist bisher einmalig und besitzt gerade aufgrund der anhaltenden
finanzwirtschaftlichen Krise eine brisante Aktualität. Die sehr komplexe, aber übersichtlich ge-
gliederte Arbeit ist für jeden mit bereits fundierten wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnissen zu
empfehlen.
Nina Möllers, Karin Zachmann (Hrsg.)
past and present energy Societies How Energy Connects Politics, Technologies and Cultures
2012, broschiert, 338 S., 37,80 Euro, Transcript Verlag, Bielefeld, ISBN: 978-3-8376-1964-5
Das Buch behandelt das Thema Energie als komplexen Einflussfaktor in der Geschichte. Es be-
leuchtet die Energie als Symbol, als Konsumgut und Ressource in verschiedenen Kulturen und
betrachtet, wie sie Technologie, Politik und Denken der Menschen beeinflusst. Der breite, inter-
nationale und interdisziplinäre Ansatz des Buches analysiert politische Konzepte, Diskurse und
Medienbetrachtung über verschiedene Energieformen – von fossilen Brennstoffen bis Bioener-
gie. Die Thematik wird dabei anhand von Beispielen in einzelnen Artikeln aufbereitet, die in drei
größere Abschnitte, zur kulturellen Repräsentation von Energie, zu Konsumgewohnheiten von
Energie und zur sozialen Wahrnehmung von Energie, eingeteilt sind. Zusammen mit einer gelun-
genen Visualisierung durch Fotos und Karten kann das Buch dadurch der Herausforderung der
breiten inhaltlichen Ausrichtung gerecht werden.
Luis Padberg
www.wissenschaftsmanagement.de
Impressum
Geschäftsführende herausgeberDr. Markus Lemmens, Lemmens Medien GmbH, Bonn
Prof. Dr. Ada Pellert, Deutsche Universität für Weiterbildung, Berlin
Dr. Johannes Neyses, Universität zu Köln
Prof. Dr. Frank Ziegele, Centrum für Hochschul entwicklung, Gütersloh, und Fachhochschule Osnabrück
herausgeberbeiratProf. Dr. Hans-Jörg Bullinger, Fraunhofer-Gesellschaft, München
Dr. iur. Dietmar Ertmann, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Prof. Dr. Cornelius Herstatt, Technische Universität Hamburg-Harburg
Prof. Dr. Péter Horváth, IPRI International Performance Research Institute gGmbH und Universität Stuttgart
Dr. Volker Meyer-Guckel, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Hanns H. Seidler, Zentrum für Wissenschaftsmanagement e.V., Speyer
Dr. Horst Soboll, Union des Industries de la Communauté Européenne (UNICE)
redaktionsleitungMarkus Lemmens (verantw.) Telefon: +49 228 42137-14 E-Mail: lemmens@lemmens.de
redaktion BonnBruni Köppen Telefon: +49 228 42137-11 E-Mail: koeppen@lemmens.de
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verlag und anzeigenLemmens Medien GmbH Matthias-Grünewald-Str. 1-3, 53175 Bonn Telefon: +49 228 42137-0 Telefax: +49 228 42137-29 E-Mail: info@lemmens.de Internet: www.lemmens.de
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herstellung Kössinger AG, Schierling
ISSN 0947-9546
Hinweis: Wegen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet, welche die weibliche inkludiert.
citizenscience:germanyBürger forschen mit
Große Themen brauchen viele Köpfe, die denken, sammeln und sortieren.Gesundheit, Flora und Fauna, Meeresbiologie und Astronomie sind solche Felder. Hier schaffen Bürger im Dialog mit Wissenschaftlern Großes – die Citizen Scientists arbeiten an wichtigen Forschungsthemen mit.
citizenscience:germany zeigt, welchen wichtigen Beitrag die Bürger beim Weiterentwickeln von Forschungsthemen leisten. Das Wissen beider Seiten wächst zusammen – das methodisch in der Forschung entwickelte und das durch engagierte Bürger gesammelte.
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