Zur Kenntnis des Systems Silicium-Stickstoff

Preview:

Citation preview

Zur Kefintnis des Systems Silicium-Stickstoff

Von OSKAR GLEMSER, KLAUS BELTZ~) und PETER NAUMANN~)

Mit 5 Abbildungen

Inhaltsubersicht S&N4 wird erhalten durch Reaktion von elementarem Silicium mit Stickstoff oder

Ammoniak, bzw. durch thermische Zersetzuug von Si(NH), bei 1350' C. Es existieren zwei polymorphe Modifikationen, n-Si,N, und B-Si,N4. Reines a-Si,N, entsteht nur aus Si(NH),, alle auderen Praparate sind Mischungen der beiden Modifikationen. p-Si,N4 ist dem Phenakit isotyp, kristallisiert aber wegen der Gleichwertigkeit der Si-Atome in

2 der Raumgruppe C6h mit a = 7,59 0,01 b; c = 2,90 5 0,018; z = 2; dR = 3,21. a-Si,N, kristallisiert hexagonal rnit a = 7,76 f 0,Ol A; c = 5,62 i 0,01 b; Z = 4; d~ = 3,18; das Gitter ist dem des j3-Si,N4 verwandt, Dielektrizitatskonstante (a-Si,N4 + p-Si,N,) el80 = 9,4.

Das Verhalten gegeniiber verschiedeuen Sauren, Basen, Sauerstoff, Wasserdampf, Chlor und Eisen wird studiert. Ab 700' C zersetzt Eisen Si,N, nach

Si,N4 = 3 Si + 2 N,.

Die Menge des zersetzten Si,N4 wird durch den Si-Gehalt der bei der Reaktion entstandenen Fe-Si-Legierung begrenzt, der von der Temperatur abhangig ist. Die Versuche zeigen, da13 Si,N, als nichtmetalliseher EinschluB im Stahl nicht vorkommen kann.

Ober Verbindungen des Siliciums mit Stickstoff sind zahlreiche Untersuchungen bekannt. Bereits 1859 erhitzten DEVILLE und WOHLER 3,

kristallisiertes Silicium im Koksfeuer ; das entstandene Reaktionsprodukt betrachteten sie als kristallisiertes Siliciumnitrid. SCH~TZENBERGER und COLSON~) wiesen jedoch spater nach, dal3 diese Verbindung kohlen- stoffhaltig wars). Ihrer Meinung nach bildete sich aus Silicium beim Erhitzen mit Stickstoff Si,N3, wahrend sie durch Einwirkung von Ammoniak auf SiCl, und thermische Zersetzung der Reaktionsprodukte zu Si2N3H kamen, das dann bei hoher Temperatur in Si,N, ubergehen

l) Dissertation K. BELTZ, Techn. Hochschule Aachen 1953. ?) Diplomarbeit P. NAUMANN, Gottingen 1957.

4, P. SCH~TZENBERGER u. H. COLSON, C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 92,1508 (1881). 5, Nach unseren Versuchen ist die von den Autoren mitgeteilte Formel Si,C,N nicht

richtig, da im System Sic-Si,N, von uns bis 1300' weder Verbindungsbildung noch gegen- seitige Loslichkeit beobachtet werden konnte.

H. DEVILLE u. F. WOHLER, Liebigs Ann. Chem. 110, 248 (1859).

4*

52 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

sollte. BLIX und WIRBELHAUER~) stellten aus SiCl, und Ammoniak Si(NH), dar, das sich bei 900" in das eben erwahnte Si2N3H verwandelte; bei 1400" trat Si3N4 auf.

Geht man nach SCHWARZ und SEXAUER') von si,C1, am, dann falk bei der Reaktion mit Ammoniak zunachst Bisamido-imido-disilan Si,N,H, an, aus dem dann uber ein weiteres Zwischenprodukt bei 400" polymeres Silicocyan (Si,N,), gewonnen wird. Diese Silicium- Stick- stoffverbindungen enthalten Si-Si-Bindungen und sind gegen Sauer- stoff und Feuchtigkeit sehr empfindlich.

WEISS und ENGELHARDT~) erwahnen die Nitride Si3N4, Si2N3 und SiN. Ersteres tritt bei 'Istiindigem Erhitzen von Si mit Stickstoff bei 1300-1400" auf ; die beiden letzteren werden durch Reinigungsopera- tionen mit Kalilauge und FluBsaure bzw. Salpetersaure-FluBsaure eines Produkts erhalten, das durch lstundiges Erhitzen von Silicium im Stickstoffstrorn bei 1300-1400" entstanden war. Uns erschienen die nie bestatigten Angaben der beiden Autoren sehr unsicher; wie weiter unten dargelegt wird, konnten wir nur Si,N, bestatigen. Auch NASINI und CAVALLINI 9, konnten bei der Azotierung verschiedener Kiesel- saurearten nur Si3N, darstellen ; bei der rontgenographischen Verfolgung des Azotierungsvorgangs wurden Zwischenprodukte nicht beobachtet. Ebenso isolierten FuNKIO), sowie WOHLER und BOCK^^) nur Si3N4 bei der Einwirkung von Stickstoff auf erhitztes Silicium bzw. auf Calciumsilicid.

FRIEDRICH und S I T T I G ~ ~ ) benutzten Kieselsaure oder gemahlenen Quarzsand als Ausgangsmaterial, die sie mit Kohlenstoff vermengten, der Mischung fiigten sie noch 10% Eisenoxyd zu. Schon bei 1250 his 1300" bildete sich im Stickstoffstrom, der einige Prozent Wasserstoff enthielt, in guter Ausbeute Siliciumnitrid, das, nach Entfernung des Eisens mit Salzsaure, der Formel Si3N4 entsprach. Der Schmelzpunkt des Nitrids sol1 bei 1900" liegen, eine Angabe, die auch bei BECKER und E B E R T ~ ~ ) zu finden ist.

Die Bildungswarme des Siliciumnitrids Si3N4 wurde von MATIGNON 14)

zu -159,3 kcal/Mol, von HINCKE und B R A N T L E Y ~ ~ ) zu -176,3 kcal/Mol

6 , M. BLIX u. W. WIRBELHAUER, Ber. dtsch. chem. Ges. 36, 4220 (1903). 7) R. SCHWARZ u. W. SEXAUER, Ber. dtsch. chem. Ges. 59, 333 (1926). 8 ) 1,. WEISS u. T. ENGELHARDT, Z. anorg. allg. Chem. 65, 38 (1910). 9) A. G. NASINI u. A. CAVALLINI, Congr. int. quim. pura apl. 1934,280. lo) H. FUNK, Z. anorg. allg. Chem. 133, 67 (1924). 11) L. WOHLERU. C. BOCK, Z. anorg. allg. Chem. 134,221 (1925). 12) E. FRIEDRICH u. L. SITTIG, Z. anorg. allg. Chem. 143, 293 (1925). 13) K. BECKER u. F. EBERT, Z. Physik 31, 268 (1925). 1 4 ) C. MATIGNON, Bull. SOC. chim. France 4, 791 (1913). 15) W. B. HINCKE u. L. R. BRANTLEY, J. Amer. chem. SOC. 52, 48 (1930).

GLEMSER, BELTZ u. NAUMANN, Zur Kcnntnis des Systems Silicium-Stickstoff 53

und von SHUN-ICHI SAT OH^^) zu -163 kcal ermittelt, wiihrend ROTE und BORGER~') -168,O kcal angeben.

Interessant ist die Annahme vieler Autoren, der Stickstoffgehalt in siliciumhaltigen Stahlen sei auf einen Gehalt an Si,N, zuruckzufuhren 18). LESLIE, CARROLL und FISHER 19) beschreiben die Azotierung von Silicium- stahlen mit Ammoniak bei Temperaturen unterhalb 800" und die Ex- traktion des hierbei entstandenen Nitrids nach der von BEEGHLY 20)

fur Aluminiumnitrid gegebenen Methode. Die Forscher erreichten Stickstoffgehalte von 0,38% im Stahl. Da das Nitrid aber erst nach- traglich im Stahl gebildet wurde, lassen sich aus diesen Ergebnissen keine Schlusse auf die Nitride ziehen, die bei dem ublichen ProzeB beim Abkuhlen aus dem im Stahl gelosten Stickstoff entstehen konnen. LESLIE, CARROLL und FISHER untersuchten das von ihnen isolierte Nitrid nicht analytisch, sondern nur rontgenographisch. Nach der Bhnlichkeit des Rontgenbildes mit Ge,Nk21) vermuten sie in ihrem Produkt Si,N,.

Darstellung von Siliciumnitrid Als Ausgangsmaterial diente bei friiheren Untersuchungen (Arbeit B.) ,,Silicium

94,45y0 Si; 2,70Y0Fe; 0,80%Ca; 0,50%A1; 0,06y0C; 0,02y0Mn; 0,01%P; o ,oo4~0S . Das Praparat wurde zuerst durch ein Sieb mit 0,075mm Maschenweite von den

groberen Teilen getrennt und dann dreimal mit Salzsaure (1:2) unter haufigem Ruhren je l/& Stunde lang zum Sieden erhitzt und anschlieRend ofters mit Wasser dekantiert. Nach dem Abfiltrieren und Auswaschen bis zur C1--Freiheit wurde das Pulver getrocknet und dann in einer Platinschale mit 4Oproz. FluRsaure ubergossen und diese dann abge- raucht. War nach dem Abrauchen die unterste Schicht des Siliciums in der Platinschale durch Eisenoxyd noch braun gefarbt, wurde die Reinigung wiederholt. Die Analyse des gereinigten Siliciums ergab folgende Werte :

99,55% Si; 0,03% Fe; 0,07% Ca; 0,15% Al; 0,06% C; O,OO% Mn; O , O l % P ; O,O04%S. Spater stand uns (Arbeit N.) reines Silicium zur Verfiigung, das als Verunreinigung

gepulvert" Merck. Die Analyse ergab folgende Zusammensetzung :

O,ll% A1 enthieltZ2).

a) Reaktion von Silieium mit Sauerstoff Der der Bombe entuommene Stickstoff wurde im Kupferturm nach MEYER und

RONCEz3) und in manchen Fallen noch zusatzlich rnit einer flussigen Kalium-Natrium-

l6) SHUN-ICHI SATOH, Sci. Pap. Inst. Phys. Chem. Res. (Tokyo) 34, 144 (1938). 17) W. A. ROTH u. E. BORGER, Physik.-chem. Taschenbuch, herausg. v. H. STAUDE,

18) Literaturzusammenstellung bei K. BELTZ, Dissertation T. H. Aachen 1953. 19) W.C.LESLIE, K. G. CARROLLU. R.M.FIsHER, J. Metals 4,Trans AIME 204 (1952), 20) H. F. BEEGHLY, Analyt. Chem. 21, 1513 (1949). 21) R. JUZA u. H. HAHN, Z. anorg. allg. Chem. 244, 125 (1940). s2) Herru Prof. H. VON WARTENBERG danken wir sehr fur die Uberlassung des von

23) F. R. MEYERU. G. RONGE, Angew. Chem. 52, 637 (1939).

Leipzig 1949, S. 1142.

ihm hergestellten reinen Siliciums.

54 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

legierung z4) von Sauerstoff befreit. Das mit Blaugel und Phosphorpentoxyd getrocknete Gas wurde dann in ein Rohr aus Sinterkorund oder Pythagorasmasse geleitet, in dem sich Silicium in einem Schiffchen aus Sinterkorund befand. Das Rohr konnte bis auf 1450' erhitzt werden. Den AbschluB der Apparatur bildete eine Waschflasche mit konzen- trierter Schwefelsiure, die eine Beurteilung des austretenden Gasstroms gestattet.

Es wurde jeweils 4 Stunden im Stickstoffstrom angeheizt und auch in gleicher Weise das Praparat abgekuhlt. Im Durchschnitt lie0 man den Stickstoff etwa 10 Stunden lang uber das erhitzte Silicium bei Ternperaturen von 1230 bis 1450" streichen.

Die grauweiBen Reaktionsprodukte wurden im Achatmorser fein gepulvert und, falls die Umsetzung nicht vollstandig war, noch gereinigt. Dies geschah mit 2 n Kalilauge, mit der so lange erhitzt wurde, bis alles nicht umgesetzte Silicium gelost war. Nach Ab- filtrieren und Auswaschen wurde das Nitrid dann rnit Salzsanre (1 : 1) noch 10 Minuten gekocht, wobei Spuren von Eisen in Losung gingen. (Diese Operation entfallt bei Ver- wendung von reinem Silicium.) Wieder wird abfiltriert, gewaschen und getrocknet und das so erhaltene Pulver in einer Platinschale rnit 30 proz. FluBsaure vorsichtig etwa 3-4mal abgeraucht. Zuletzt wird das Nitrid noch im Hochvakuum auf 500" erhitzt, um letzte Reste fluchtiger Bestandteile zu entfernen.

b) Reaktion von Silicium mit Ammoniak Zur Reinigung wird das aus der Bombe stammende NH, durch mit Natronkalk,

Natriumdraht und Phosphorpentoxyd gefiillte Turme geleitet und anschliedend uber das erhitzte Silicium gefuhrt. Die hinter dem Ofen angebrachte Waschflasche enthalt in dem vorliegenden Falle Paraffinol. Nach lostundigem Erhitzen auf 1350" wird das Reaktions- produkt nur dann mit 30proz. FluRsaure 4mal abgeraucht, wenn die Umsetzung nicht voll- staudig abgelaufen war.

c) SiBNa als Abbauprodukt von Si(NH)g Durch Zersetzung von Si(NH), bei 1350" konnte ebenfalls Si,N4 gewonnen werdenZ5).

Eine Reinigung is$ bei sorgfaltiger Arbeitsweise nicht notig.

Analyse des Siliciumnitrids Zur Bestimmung des Si-Gehaltes wird das Nitrid entweder mit Natrium-Kalium-

carbonat oder schneller mit einem Gemisch von 1 Teil Borax mit 5 Teilen Natriumcar- bonat im Platintiegel oder mit Natriumperoxyd oder Atmatron im Nickeltiegel aufge- schlossen.

Die Bestimmung des Stickstoffs stoBt auf Schwierigkeiten. Der saure AufschluB mit einem Gemisch von konz. Schwefelsaure, Kaliumsulfat und Kupfersulfat nach KEMPF und ABRESCH~~) , bei dem das Nitrid in Ammoniumsulfat verwandelt werden soll, war unvollstandig und langwierig, Durch Schmelzen mit Natriumperoxyd erhalt man aus dem Nitrid Nitrat, das zu NH, reduziert und dann mit Wasserdampf in vorgelegte Schwefelsaure getrieben wird. Statt 39,96% N (fur Si,N4) wurden aber nur 10-15% N gefunden. Wir nehmen deshalb an, daB beim AufschluB des Nitrids nur ein Teil des Stickstoffs in Nitrat ubergeht.

24) E. R. HARRISON, J. sci. Instruments 29, 295 (1952). 2 5 ) Uber die Darstellung von Si(NH), und dessen Abbau wird gesondert berichtet. 26) H. KEMPB u. H. ABRESCH, Arch. Eisenhuttenwes. 13, 419 (1940).

GLEMSER, BELTZ u. NAUMANN, Zur Kenntnis des Systems Silicium-Stickstoff 55

Wir haben daher die yon alteren Autoren ,) 8)12) verwendete Methode ubernommen, das Nitrid mit einem Gemisch yon PbO, PbO, und PbCrO, aufzuschlieflen und den ge- bildeten Stickstoff gasvolumetrisch zu ermitteln. Dies geschah in einervakuumapparatur nach KLINGER27), die zur Stickstoffbestimmung in Stahl, Ferrolegierungen und saure- unloslichen Ruckstanden dient. Man erhitzt dabei ein Porzellanschiffchen mit der Probe und der AufschluRmasse in einem feuerfesten Rohr im Hochvakuum auf 900". Das ent- stehende Gas geht durch ein Quarzrohr mit gluhenden Kupferspiralen und ein Rohr mit Natronasbest und wird mit Hilfe eiuer Quecksilbertropfpumpe abgepumpt und gesammelt. Nach beendetem AufschluR wird das Gas, in dem sich der gesamte Stickstoff in elemen- tarer Form befindet, in einen Mikrogasanalysator uberfuhrt, wo zunachst die Gesamt- menge und dann die Verunreinigungen wie O,, CO und CO, festgestellt werden. Der verbleibende Gasrest ist N,,

Die Einwaage betrug etwa 40 mg. Als AufschluRmittel diente ein Gemisch von 2 g Pb,O, nnd 1 g PhCrO,.

Analysenwerte: Gefunden 39,5; 39,s; 39,s; 38,O; 39,6% N. Berechnet fur Si,N, 39,96% N.

Gefunden 59,s; 59,s; 59,9% Si. Berechnet fur Si,N, 60,04% Si.

Azotierung des Siliciums in Abhangigkeit von Temperatur und Zeit

Es wurden jeweils 8 g Silicium in Sinterkorundschiffchen im N,- Strom (2-3 Blasen pro Sek.) 7 Stunden lang bei verschiedenen Tem- peraturen erhitzt. Das Schiffchen wurde vor und nach der Reaktion gewogen. Da die Reaktionsgeschwindigkeit sehr von der KorngroBe. abhangt, wurde immer das gleiche Ausgangsmaterial verwendet. In Tab. 1 und 2 sind die Ergebnisse der Versuchsreihen zusammen- gestellt. Aus Tab. 2 ist ersichtlich, daf3 nach 17stundiger Einwirkung von N, keine Gewichtszunahme mehr festzustellen ist.

Die in den beiden Versuchsreihen erzielten Ergebnisse zeigen, daf3 die Aufnahme von Stickstoff durch Silicium bei 1200" C beginnt und ab 1230" mit merklicher Geschwindigkeit vor sich geht. Im Temperatur- bereich zwischen 1230 und 1450" bildet sich in allen Fallen ein Nitrid, das der Zusammensetzung Si,N, ziemlich nahe kommt. Die beste uber- einstimmung rnit der theoretischen Zusammensetzung haben Praparate, die bis zur Sattigung mit Stickstoff behandelt werden und daher keiner besonderen Reinigung mehr bedurfen. Wenn die Azotierung nicht bis zum volligen Umsatz durchgefuhrt wurde, vor allem bei niedrigen Tem- peraturen, sind die Praparate nach den Reinigungsoperationen offenbar nicht ganz frei von Siliciumdioxyd, wodurch die beobachteten Minder- befunde an Silicium und besonders an Stickstoff zu erklaren sind. Schon WEISS und ENGELHARDT~) und ebenfalls FUNK lo) stellten fest, daB geringe Unterschiede in der Behandlungsweise oft den Kieselsaure- gehalt erstaunlich variieren und da13 andrerseits einmal entstandene

27) P. KLINGER, Arch. Eisenhuttenwes. 5, 29 (1931).

56 Zeitschrift fur anorganicche und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

I -~

. . . . . . . . . . . . 'Zeit in Stunden

IN-Gehalt in % berechnet aus Gewichtszu- 1 nnhme

/ A i i l d e s E z k t s ohne besondere 1 Reinigung

~ -

. . . . . . . . . . . . . . . -~

. . . . . . . . . . . .

Kieselsaure aus solchen Produkten auch durch Behandlung mit Flul3- saure nur schwer oder gar nicht wieder zu entfernen ist.

Die Farbe der gereinigten Produkte war in keinem Falle rein weil3, selbst das durch Zersetzung von Si(NH), entstandene Produkt hatte einen grauen Stich. Die pulverige Beschaffenheit der Praparate ist recht unterschiedlich und hangt sehr von der Darstellungstemperatur ab. Das bei niedriger Temperatur gewonnene Nitrid ist leicht und schwammig und kann mit Zigarrenasche verglichen wcrden. Beim ubergang zu hoheren Azotierungstemperaturen sind die Praparate nach der Reini- gung schwerer und pulveriger.

Unsere Untersuchungen ergeben eindeutig, da13 im Temperatur- bereich von 1250-1450" nur ein Nitrid Si3N4 entsteht. Es war uns daher auch nicht moglich, die von WEISS und ENGELHARDT~) noch beschrie- benen weiteren Nitride Si,N3 und SiN nachzuweisen.

- I

3 10 1 17 1 24

29,5 I 38,3 ' 38,9 I 3 8 9

~~ - 1 ~- -

~ ~ ~ _ _ _ _ _ _

Tabelle 1 A z o t i e r u n g von S i l i c i u m bei v e r s c h i e d e n e n T e m p e r a t u r e n

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

Temp. " C

1150 1200 1220 1230 1240 1250 1260 1300 1400 1450

Gewichts- zunahme

in g

-0,ll 0,oo 0,21 0,55 0,50 0,68 1,13 3,04 4,61 4,78

l/oN imEndprod ber. a m Ge-

wichtszunahme

0,oo 0,oo 2,55 6,43 5,89 7,84

12,4 27,5 36,6 37,4

Ausbeute an Nitrid nach Reinigung in

g

- - - 0,52 0,57 0,70 1,76 3.30

11,s 11,4

Analyse der ger. Prapara te

(Durchschni tt) % Si

58,3 58,7 58,8 59,l

59,6 59.5

-

%N

38,O 38,3 38,O 39,4

38,9 39,l

-

GLENSER, BELTZ u. NAUMANN, Zur Kenntnis des Systems Silicium-Stickstoff 57

Zur Nachprufung wurde gereinigtes Silicium 1 Stunde la.ng iin N,-Strom erhitzt, wobci die Temperatur von 1300-1400" gleichmalJig anstieg. Das Reaktionsprodukt ent- hielt noch vie1 nicht umgesetztes Silicium; es wurde irn AchatmGrser fein gepulvert. Zur Entfernung des Siliciums wurde im ersten Falle mit 2 n Kalilauge erhitzt, bis die Gas- entwicklung becndet war. Nach Abfiltrieren und Auswaschen wurde das Praparat dann mit konz. FluBsanre iibergossen und 36 Stunden stehen gelassen. Nach Verdunnen wurde clic FluBsaure abfiltriert und das Produkt anschlieBend gewaschen und get'rocknet.

Das so erhaltene Produkt sollte Si,N, sein. I m zweiten Falle wurde das gleiche Rohprodukt zur Reinigiing tropfenweise mit

4Oproz. Flullsaure und konz. Salpetersaure abwechelsend so lange versetzt, bis keine Reaktion mehr eintrat und das gesamte metallische Silicium ent,fernt war; dann wurde mit einem UberschuB von FluBsaure vorsichtig eingedampft,, die Ammoniumsalze ab- sublimiert und hierauf mit Salzsaure und mit Wasser gewaschen. Auf diese Weise sollte SiN entstehen.

Die analytische Untersuchung ergab in beiden Fellen eine Zusam- mensetzung, die der fiir Si,N, errechneten sehr nahe kommt und sehr verschieden ist von den Zusammensetzungen SiN und Si,N,.

Analyse Praparat ,,SizN3": 39,4% N; 58,9% Si. Xnalyse Praparat ,,SiN": 39,1% N; 59,6% Si.

Die DEBYE- ScHmRER-Diagramme der beiden Praparate waren mit denen der Mischung von a- Si,N, und 8- Si3N4 identisch (vgl. die rontgeno- graphischen Untersuchungen).

Dichte der Praparate Die Dichte der Praparate wurde mit Nitrobenzol als Sperrflussigkeit

pyknometrisch bestimmt. Die Ergebnisse bringt, Tab. 3.

Tabelle 3 Di c h t c w e r t e v on Si,N,-Pr a pa r a ten (Mi t t,e 1 we r te)

1 1230 ~ 1400 ~ 1450

3,18, ~ 3,19,

. I ' Darstellungstemperatur . . . . . . . ~- p -

df' . . . . . . . . . . . . . . . . . i 3 , 0 8 F p 1 ~- -~ ~

Dielektrizitatskonstante (DEK)

Die DEK eines Praparates, das bei 1350" gewonnen wurde (Ge- misch aus a- und 8- Si,N,; vgl. die rontgenographischen Untersuchungen) wurde nach der Immersionsmethode 28) 29) unter Verwendung von Benzol- Nitrobenzol als Flussigkeitsgemisch bei 18" bestimmt. Die Eichung

28) H. STARXE, Vcrh. dtsch. physik. Ges. 15, 69 (1896). 29) S. KNOKE, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 43, 749 (1937).

2. anorg. allg. Chemie. Bd. ?9l. 4b

58 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

des Kondensators wurde mit reinsten Praparaten von Benzol, Chlor- benzol, Athylenbromid und Athylenchlorid vorgenommen. Nach Ein- fiillen des Praparats wurde eine Stunde gewartet, um gleichmafliges Absitzen im Kondensator zu gewahrleisten. Man erhielt

E1*0r = 9,4.

Itontgenographische Untersuchungen Von den verschiedenen Praparaten wurden Pulverdiagramme mit

dem NoRELco-Diffraktometer (Kupfer-K a- Strahlung ; 1/80 pro Minute Laufgeschwindigkeit) sowie zum Vergleich STRAUMANIS-Aufnahmen (mit Chrom-K a-Strahlung) verfertigt. Aus den Nonmco-Diagrammen (Abb.5) ergab sich eindeutig, daB die meisten Praparate nicht einphasig waren, sondern aus einer Mischung von zwei verschiedenen polymorphen Modifikationen des Si,N4 bestehen mufiten, die wir a- und p-Si,N4 nennen wollen. oc-Si,N4 entstand in reiner Form bei der Zersetzung von Si(NH), bei 1350"; in Mischung rnit wenig p-Si,N, bei der Azotierung von Sili- cium mit NH, bei der gleichen Temperatur. Silicium und Stickstoff geben bei 1350" stets eine Mischung von etwa gleichen Teilen a- und p- Si,N4. Systematische Versuche zeigen weiter, da13 a- Si,N,-reiche Gemische bevorzugt bei niedrigen, p- Si,N,-reiche Gemische bei hoheren Darstellungstemperaturen erhalten werden. Man kann demnach auch oc-Si,N4 als Tieftemperatur- und B-Si,N4 als Hochtemperaturmodifikation betrachten.

Die Pulverdiagramme von @-Si,N, wurden so ausgewertet, da13 von den Interferenzen des Gemisches beider Modifikationen die von a- Si,N4 nicht beriicksichtigt wurden. Wie aus Tab. 4 zu ersehen ist, lassen sich alle beobachteten Reflexe hexagonal (Spalte 5 ) bzw. rhomboedrisch (Spalte 7) indizieren. Mit Z = 18 (hexagonale Zelle) ergibt sich die rontgenographisch errechnete Dichte zu d, = 3,21, die gut mit der pyknonietrisch gefundenen di5 = 3, l 8,O) ubereinstirnmt.

Die Abmessungen der hexagonalen Zelle betragen a = 13,15 f0,OlA; c = 8,71 3 0,Ol A; cia = 0,66; die der rhomboedrischen Zelle a =

8,13 & 0,Ol A; cc = 108" 10'. p-Si,N, ist isotyp rnit Phenakit Be,Si04, der in der Raumgruppe

Cii kristallisiert. Mit den Idealpunktlagen des Phenakits31) ermittelten wir die in der letzten Spalte der Tab. 4 aufgefuhrten Intensitaten, deren Ubereinstimmung rnit den gefundenen Intensitaten nicht gut,

30) Wir haben die Dichte des 1450°-Praparats gewahlt (Tab. 3). 31) Da nur Pulverdiagramme bei unseren Praparaten gemacht werden konnten,

waren andere Unterlagen nicht zuganglich.

GLEMSER, BELTZ u. NAUMANN, Zur Kenntnis des Systems Silicium-Stickstoff 59

Hex* Ind.

xl. Zelle

aber auch nicht schlechter ist als die berechneten und gefundenen Znten- sitaten beim Phenakit 32).

Bewertet man Beryllium und Silicium im Phenakitgitter gleich, dann ist nach BRAGG und Z A C H A R I A S E N ~ ~ ) die Indizierung mit einer kleineren Elementarzelle moglich. Unsere Reflexe lassen sich zwanglos transformieren, wie Tab. 4, Spalte 6 zeigt. Die ebenfalls hexagonale Zelle der Raumgruppe Cih hat die Abmessungen a = 7,59 & 0,01 A; c = 2,90 & 0,Ol a; cla = 0,38; Z = 2.

Rhomb. Ind.

Tabelle 4 P u l ve r d i a g r a m m v on B- Si,N4

I I

Nr.1 2 8

-

1 3 4 6 9

I lo

113

1 11

14 15

' 17 I

I 20 I l8

~

13,4 23,3 27,l 33,7 36,2 39,O

41,4

48,2 50,O 52,3 58,O 59,9 61,4 64,2

65,O

25 ' 70,3 26 ' 70,9

sin2 8 . lo3 gef.

13,6 40,8 54,9 84,O 96,5

111,4

124,9

166,7 178,6 194,2 235,O 249,2 260,7 282,4

288,7

331,5 336,4 358,O 371,4 378,4

sin2 8. l o 3 ber.

13,7 41,2 55,O 84,2 96,2

111,7

125,5

166,6 178,6 194,2 235,4 249,2 261,O 281,9

/288,5\ 129031 331,5 336,9 359,O 371,O 378,l

Hex. Ind.

gr. Zelle

11.0 30.0 22.0 11.3 41.0 30.3

{ti::) 41.3 52.0 33.3 60.3 52.3 71.0 00.6

{ ikl) 71.3 22.6 63.3 90.0 41.6

10.0 ' o i i 11.0 20.0 10.1 21.0 11.1

130.0 21.1 31.0 30.1 22.1 31.1 32.0 00.2

32.1 20.2 41.1 33.0 21.2

.~

112 022 120 123 221

032 232 13& 142 333 242 235 222

345 240 253 33G 341

I ber.

- ~-

8,7

23,7 12,7 23,3

7,1

0,3

8,4

0,17 0,07 624 0,6 0,35

5,7

1,3

1,75 1,35 0,6 2,15 2,4

1,7

I gef.

sin2# = 0,00458 (h2 + hk + k2) + 0,00783 (12) Grolje Zelle: a = 13,15 8; c = 8,71 8; Kleine Zelle: a = 7,59 8; c = 2,90 8; Rhomboedr. Zelle: a = 8,13 8; 01 = 108" 10'; Z = 18; Rontgenogr. Dichte: dE = 3,21 g .em-3.

JUZA und H A H N ~ ~ ) beschrieben das Nitrid Ge,N, als isotyp mit Phenakit; es gelang ihnen aber nicht, die Interferenzen der Verbindung in die oben erwahnte kleinere Zelle

32) W. BRAGG u. W. ZACHARIASEN, Z. Kristallogr., Mineralog. Petrogr., Abt. A 78, 518 (1932).

60 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

1 2 3 4 5 G 8 9

11 1 2 13 14 15 16 1 7 18 19 20 22 23 26 27 28 29 30 31 32 33 35 37 38 39

Tabelle 5 P u 1 ve r d i a g r a mm v on a- Si,N,

2 8

13,2 20,6 22,9 26,5 31,O 31,s 34,6 35,3 38,9 39,5 40,3 41,9 43,5 46,9 48,3 48,9 50,5 51,7 56,2 5 7 3 61,5 62,5 64,7 65,” 66,5 68,2 69,6 71,4 72,s 74,9 77,l 77,6

sin2 8. lo3 nef.

13.2 32,O 39,4 52,s 71,4 75.1 88,4 91,9

110,9 114,2 118,i 127,9 137,3 158,4 167,4 171,4 182,O 190,l 221,9 233,6 261,5 269,2 286,3 294,2 300,6 314.3 325.7 340,4 352,l 369,s 388,4 392,6

sin2 8. lo3 ber.

I3,2 32,o 39,6 52,8 71,6 75,2 88,4 92,4

111,2 114,8 118,s 128,O 137,6 158,4 167,6 171,6 182,4 190,4 222,o 233,6 261,6 269,6 286,4 294,O 300,s 314,O 326,O 340,5 352,4 369,6 388,4 393,%

Kleine Zelle: a = 7,76A; c = 5,62 8: GroBe Zelle: a = 13,42if; c = 16,86A; Rhomboedr. Zelle: a = 9,65 8; a; = 88”; Fur kleine Zelle: Z = 4; Rontgenogr. Dichte: d& = 3.18 g - ~ m - ~ ; sinZ 6 = 0,00132 (he + h k + k2) + 0,00188 ( I2) .

h ttl

10.0 10.1 11.0 2 0.0 2 0.1 0 0.2 1 0.2 2 1.0 2 1.1 1 1.2 3 0.0 2 0.2 3 0.1 2 2.0 2 1.2 3 1.0 10.3 3 1.1 2 0.3 2 2.2 2 1.3 3 2.1 4 0.2 4 1.1 0 0.4 10.4 3 2.2 1 1.4 4 1.2 4 2.0 4 2.1 2 1.4

zu transformieren, da sich 9 schwache Linien nicht indizieren liel3en. Die beiden Autorei. vermuten deshalb, daB die Punktlagen des Ge,N, nicht ganz mit denen des idealen Phena- kitgitters ubereinstimmen und so AnlaB zu Oberstrukturlinien geben. Nach unseren Er- gebnissen ist es sehr wahrscheinlich, daB auch Ge,N, in zwei polymorphen Modifikationen

GLEMSER, BELTZ u. NAUMANN, Zur Kenntnis des Systems Silicium-Stickstoff 61

auftritt und da13 die 9 Uberstrukturlinien eiuer anderen Modifikation angehoren. Die von LESLIE, CARROLL und FISHER1') mitgeteilte orthorhombische Indizicrung der Rontgen- aufna.hmen eines aus einem mit NH, azotiertem Stahl isolierten Nitrids, ist nach unsereri Ergebnissen mit einer Mischung der beiden Si,N,-Modifikationen durchgefuhrt worden. Sie kann daher, wie ihre Indizierung des Ge,N, nicht richtig sein.

Die Indizierung des Pulverdiagramms von a- Si,N4 fuhrt zunachst zu einer hexagonalen Zelle mit a = 13,42 f 0,Ol a; c = 16,86 0,Ol a; c/a = 0,80. Mit Z = 36 ergibt sich die roritgenographische Dichte zu dl , = 3,18, der die pyknometrisch gefundene mit d:5 = 3,0933) gegen- iibersteht. Die rhoniboedrische Zelle hat die Abmessungen a = 9,65 & 0,01 A; a = $8". Die in Tab. 5 gebrachte Indizierung bezieht sich auf eine kleinere Zelle mit a = 7,76 & 0,Ol A ; c = 5,62 i 0,Ol a; cia = 0,72. z = 4.

Weitere Angaben sind uber a-Si,N, nicht miiglich, da Einkristall- aufnahmen nicht gemacht werden konnten. Aus den Abmessungen der Elementarzelle verglichen mit der des /3- Si,N, - sie ist pra.ktisch doppelt so groB - mu13 auf eine enge Verwandtschaft beider Gitter geschlossen werden. Vielleicht ist a- Si,N, eine Uberstruktur zu /3-Si3N,, doch konnen hieruloer erst weitere Untersuchungen AufschluB bringen").

Mikroskopische und elektronenmikroskopische Untorsuchung Siliciumnitrid34) ist, wie lichtmikroskopische Untersuchungen er-

geben, nicht doppeibreehend, die einzelnen Teilchen sind aber der geringen GroBe wegen nicht in ihrer Form zu erkennen. Abb. 1 gibt eine elektronenmikroskopische Aufnahme wieder. Es sind diinne Lamellen zu erkennen, die Schlie- renerscheinungen zeigen, wie sie schon OfterS bei MoO,-Kristallen Abb. 1. E]ektronenmikroskopische Auf-

besclirieben wurden ,j). nahme von Si3N,20 700: 1 (mchvergroBert von 8300: 1)

33) Aus Tab. 3 wurde der niederste Wert gewahlt. *) A n m e r k u n g b e i d e r K o r r e k t u r : B. VASSILIOU und F. G. WILDE be-

richten [Nature 179, 435 (1957)l iiber eine hexagonale Modifikation des Si,N, mit a = 7,60 a; c L- 15,70 -4. Die Struktur sol1 der des Willemit (Phenakittyp) ahnlich sein. Dies deckt sich einerseits mit den hier angefiihrten Berechnungen iiber das (j-Si3N,, andererseits konnte beim Nachrechnen mit Hilfe der angegebenen Netzebenen- abstande der c-Weit nicht mit 15,70A bestatigt werden.

34) Es wurden fur diese Untersuchungen Praparate verwendet, wie sie bei der Azo- tierung mit Stickstoff anfallen. Es handelt sich also um ein Gemisch aus etwa gleichen Teilen a- und @-Si3Na.

36) 0. GLEMSER u. G. LUTZ, Kolloid-Z. 119, 99 (1950).

62 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

Chemische Eigcnschaften des Siliciu~nnitrids'~) Die groBe Bestandigkeit des Siliciumnitrids gegenuber chemischen

Reagenzien ist im Schrifttum bereits mehrfach erwahnt worden. Zur Prufung des Einflusses von Salzsaure und Alkalilosungen wurden ein- gewogene Proben Si3N4 mehrere Stunden mit konzentrierter Salzsaure bzw. mit 50proz. Natronlauge gekocht. Nach dieser Behandlung wiesen die abfiltrierten und getrockneten Proben keinen merklichen Gewichts- verlust auf. Konzentrierte Salpetersaure und FluIjsaure wirken schwach suf Si3N4 ein. Zur Prufung der Bestandigkeit gegen FluBsaure wurden 2 Proben von je 10 mg in Mikroplatinschalen 17mal mit je 1 ml 40proz. Fluljsaure langsam abgeraucht ; zwischendurch wurde jedesmal schwach gegliiht und gewogen. Nach Beendigung der Operation waren noch 40 % des Ausgangsmaterials vorhanden. Bei jedem Abrauchen wurden also im Durchschnitt 4,s % der vorliegenden Meiige Nitrid zerstort.

B e s t a n d i g k e i t gegeni iber S a u e r s t o f f : Proben von etwa 10 mg Si3N4 wurden in einem Silitstabofen jeweils 11/, Stunden lang bei steigenden Temperaturen in1 Sauerstoffstrom erhitzt. Nach Beendi- gung des Versuchs wurde das Reaktionsprodukt in eine Mikroplatin- schale ti berfuhrt. Durch Abrauchen mit FluBsaure wurde festgestellt, wieviel von der eingewogenen Menge Si3N4 sich bereits zu SiO, umge- setzt hatte.

Tabelle 6. E i n w i r k u n g yon S a u e r s t o f f au f SiJVd

Die Bestandigkeit von Si3N4 gegenuber Sauerstoff ist also erheblich : selbst bei einer Temperatur von 1400" ist nach anderthalbstundiger Einwirkung von Sauerstoff erst die Halfte der eingewogenen Menge ox ydiert .

B e s t a n d i g k e i t gegenuber W a s s e r d a m p f : Es wurde 4 Stunden lang Wasserdampf uber Si,N4 geleitet. Vor und nach dem Versuch wurden die Proben gewogen. Nach

mufiten die Produkte nach dem Versuch schwerer als vorher sein. In Tab. 7 findet man das Ergebnis. Auch hier wird die groBe Restandigkeit des Siliciumnitrids demonstriert : Bei 4stundigem Erhitzen mit Wasser- dampf auf 1200" sind etwas mehr als 60% der Verbindung zersetzt worden.

Si,N, + 6 H,O = 3 SiO, + 4 NH,

Tabelle 7. B e s t a n d i g k e i t von Si,N, g e g e n W a s s e r d a m p f ~~ - -~ ~~

I

1 Erhitzungstemperatur C . . . . . . . . . . . . . . i 1000 1200 I Zersetzte Menge Si,N, in % . . . . . . . . . . . . 11,9 ' 62,9

~ ~ _. - -~

GLEMSER, BELTZ u. NAUMANN, Znr Kenntnis des Systems Silicium-Stickstoff 63

B e s t a n d i g k e i t gegenuber Chlor : In einer geschlossenen Ap- paratur la13t man Chlorgas je 2 Stunden lang bei 350 und 420" C auf Si3N, einwirken. Im ersten Fall wurde ein Gewichtsverlust von 0,77 %, im zweiten Fall von 0,95% (bezogen auf die eingesetzte Menge) ermittelt. Si,N, wird also durch Chlor bei mittleren Temperaturen nur wenig a ngegriffen.

Verhalten gegeniiber Eisen Vorversuche hatten gezeigt, da13 bei Temperaturen oberhalb 700" C

Si,N, von Eisen zersetzt wird, wobei nach Si,N4 = 3 Si + 2 N,

Stickstoff frei wird. Es wurden daher Mischungen aus Eisen und Si3X4 im abgeschlossenen Volumen bei konstantem Druck erhitzt36). Der jeweilige Stand der Reaktion lie13 sich aus der entbundenen, auf Normal- bedingungen umgerechneten Stickstoffmenge berechnen.

In Abb. 2 ist die verwendete Apparatur angegeben. Das Reaktionsgemisch befindet sich in einem einseitig verschlossenen Quarzrohr, das iiber ein Kapillarrohr mit einer MeBburette nebst Niveaugefafi verbunden ist; aIs Sperrfliissigkeit dient Quecksilber. Der Reaktionsraum wird vor dem Versuch evakuiert und dann mit reinem Stickstoff gefiillt. Durch entsprechende Stellung des NiveaugefaBes kann jetzt immer auf Atrnospharendruck eingestellt werden.

I n das Quarzrohr wurde nun eine Mischung mit je 50g, bestehend aus Eisen und 0,OO; 4,OO; 1,OO und 0,40% Si3N4 eingefiillt. Nach Evakuierung wurde die Apparatur mit Stickstoff ge- fullt und man lie13 hierauf die Tempe- ratur im Ofen langsam und gIeichmaBig ansteigen. Bei den in Abb. 3 ange- gebenen MeBpunkten wurde nicht bis zur Einstellung des Gleichgewichtes ge- wartet, so dafi die gemessenen sicher etwas kleiner als die wahren Gasvolumina sind.

In Abb. 3 ist die graphische Auswertung der Versuchsergeb- nisse zu finden. Die Kurve 1 mit reinem Eisen stellt die Leerwerts-

- f

L

U

Abb. 2. Apparatur zur Untersuchung der Reaktion Si,N, + Fe. a) Regeltransformator,

d) Burette mit NiveaugefaB, e) AnschluB zur Vakuumpumpe, f ) AnschluB zum Fiillen

der Apparatur mit Stickstoff

b) Reaktionsofen, c ) 4-Wege-Hahn,

kurve der Apparatur dar. Ihr Verlauf ist bedingt durch die thermische Ausdehnung des eingeschlossenen Gases und die vom Eisen abgegebene

36) Es wurde auch bei diesen Versuchen das Gemisch der beiden polymorphen Modifikationen des Siliciumnitrids verwendet. Das nach den Versuchen nichtzersetzte Si3N4 bestand ebenfalls aus dem Gemisch der a- und j3-Modifikation.

61 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemic. Band 291. 1957

bzw. aufgenommene Gasmenge. Die UmwandIung von 01- in y-Eisen (908" C) macht sich in der Leerwertskurve durch einen Abfall bemerk-

dbb. 3. lieaktion von Fe mit Si,K4. 1. 50 g Fe; '3. 48,O g Fe + 2,0 g Si3N4; 3. 49,5 g Fc f 0,s g

Si,N4; 4. 49,s g Fc: + 0,2 g Si,N,

bar, d. h. Stickstoff wird von Eisen absorbiert, eine Beob- achtung, die auch schon MARTIN,') machte. Die Kur- ven 2, 3 und 4 zeigen bei 700" die Zersetzung von %,hi, durch einen starken Anstieg der Stickstoffentwicklung ; bei etwa 750" trennt sich aber Kurve 4 von 2 und 3 . 4 verliiuft a b 900" mit der Leerwertskurve von reinem Eisen parallel, wcil, wie an- schliefiende $nalysen ergaben, alles Si,N, zersetzt war. Da- gegen decken sich die Kurven 2 und 3 his 1200'.

Aus den Versuchen ist zu entnehmen, daB die von Eisen zersetzte Menge an Si,N,

unabhangig ist von dcr Gesamtmenge Si,N, im Gemisch. Sie ist aber gleich fur vcrschiedene Gemische bei einer bestimmten Temperatur

Abb. 4. Reaktion von Fe mit Si,NI. 1. Leerwert: VolumenHnderung bcim Eihitzen von 27 g Eisen; 2. VolumenHnderung bci Reaktion von 2 7 g Eisen rnit 3 g Siliciunmitrid; 3. Diffcrcnzwerte von 1. und 2. entsprechend em3 Stickstoff aus der Re- aktion von Fe mit SI,N,*; 4. Siliciumgehalt der

met.allischen Phase im Gleichgewicht

(Kurve 2 und 3 ) . l h bei der Zersetzung des Si,K, das frein-erdende Silicium von Eisen unter Legierungsbil- dung aufgenommen wird, ist es denkbar, dalS dcr Betrag a n zersetztem Si& durch die Menge an Silicium be- stimmt wird, die im Eisen enthalten und die von der Temperatur abhangig ist (vgl. auch Zustandsdiagramm Fe-Si).

Es wurde nun weiter das Erhit'zuiigsdiagramm fur ein

hut,tenwcs. 3, 411 (1929). 37) E. MARTIA-, Arch. Eisen-

GLEMSER, BELTZ u. NAUMANN, Zur Kenntnis des Systems Silicinm-Stickstoff 65

Gemisch aus 27,O g Eisen und 3,O g Si,N,, d. h. fur eine loproz. Mischung aufgenommen, in der auch nach der Reaktion das Nitrid in grogem fiberschul3 vorhanden sein mugte. Bei dieser Versuchsreihe wurde ab 600" wieder von 50 zu 50" gemessen, aber jedesmal so lange gewartet, bis keine Volumanderung mehr eintrat und die Reaktion vollstandig beendot war. Dies erforderte oft sehr lange Wartezeiten, besonders in der Nahe des Umwandlungspunktes von a- in y-Eisen.

Kurve 1 in Abb. 4 ist die Leerwertskurve mit dem bereits geschil- derten Abfall am Umwandlungspunkt des Eisens. Kurve 2 gibt den Reaktionsverlauf wieder, wahrend Kurve 3 die Differenzwerte von 1 und 2 darstellt, also die bei der Reaktion entstan- denen Gasmengen ent- halt. Als Kurve 4 ist im Diagramm der Si- Gehalt der im Gleich- gewicht neben dem Nitrid B jeweils vorliegenden me- tallischen Phase in Ab- hangigkeit von der Tem- peratur eingetragen .

Wie bei der ersten Versuchsreihe macht sich bei 700" die Zersetzung von Si3N4 durch starke

A

Xtickstoffentwicklung be- merkbar; die Stickstoff- menge steigt dann konti- nuierlich mit der Tempe- ratur an. Am Umwandlungspunkt des Eisens tritt ein kleiner Sprung auf. Aus dem Diagramm ist ersichtlich, daB z. B. bei 730" Si,N4 neben einer Legierung von mindestens 0,24 % Si bestandig ist; bei 1200" muB die Legierung aber 0,50% Si enthalten. Wir verstehen jetzt, warum bei der ersten Versuchsreihe (Abb. 3) die Kurve 4 der Leer- wertskurve a b etwa 900" parallel geht. Bei 900" ist der maximale Si- Gehalt der Legierung 0 , 2 i % ; die Mischung enthalt aber 0,40% Si3N4, also nur 0,24% Si.

Die vorstehenden Untersuchungsergebnisse beweisen, da13 Si3iX4 entgegen einer weit verbreiteten Ansicht als nichtmetallischer Ein- %. anorg. sllg. Chemie. Bd. 201.

Abb. 5. Norelco-Diffra ktometer-$ufnahmen yon Si,N,. A B-Si,N, + a-Si,h',; B a-Si,N, + wenig P-Si,N,;

C a-Si,N,

5a

66 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

schlul3 im Stahl nicht vorkommen kann, da die Si-Gehalte zu klein sind. Einschrankend mul3 dabei erwahnt werden, da13 Si3N4 aus dem zur Desoxydation verwendeten Ferrosilicium38) dann unzersetzt im Stahl verbleiben kann, wenn die Abkuhlung der Schmelze so schnell vor sich geht, daB ein Gleichgewichtszustand nicht erreicht wird. Dieser Fall tritt jedoch bei der praktischen Stahlerzeugung nicht auf. Dagegen kann das sich zersetzende Kitrid des Ferrosiliciums den Gehalt an im Stahl gelosten Stickstoff erhohen. Auch S C H E N C K ~ ~ ) spricht die Vermutung aus, da13 Ferrosilicium dann groBere Mengen Stickstoff ins St.ahlbad briiigt, wenn es langere Zeit in Heizgasen vorgewarmt wird.

Bestatigt und vervollstandigt werden unsere Ergebnisse durch Untersuchungen iiber die elektrolytische Isolierung von Si3N, aus Stiihlen, die erfolglos I ~ l i e b ~ ~ ) .

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemie danken wir fur Unterstutzung .

3*) Vgl. Dissertation von K. BELTZ, T. H. Aachen 1953. H. SCHENCK, Einfuhrung iri die phys. Chemie der Eisenhuttenprozesse, Bd. 1,

S. 193, Springer-Verlag, 1932 Berlin.

Gottingen, Anorganisch-chemisches Institut und Duisburg-Huckingen, Chemisches Laboratorium der Munnesmunn-Huttenwerlce.

Bei der Redaktion eingegangen am 15. Dezember 1956.

Recommended