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Psychologie des Anlagebetrugs

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Page 1: Psychologie des Anlagebetrugs

Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Rechtsanwalt

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Büro: ARENDTS ANWÄLTE, Perlacher Str. 68, 82031 Grünwald

Tel. 089 / 64 91 11 75; E-mail: [email protected]

Die Psychologie des Anlagebetrugs

- Gliederung -

1. Einleitung

- neue Studie der Bertelsmann-Stiftung: „Finanzieller Analphabetismus in Deutsch-

land“ (März 2004) > eigenverantwortliche Vorsorge nicht unproblematisch

- fehlende Transparenz vieler Anlageprodukte

- die Problematik der Verarbeitung komplexer Situationen, Vereinfachung durch

selektive Wahrnehmung und sog. „Alltagstheorien“, Ersatzkriterien

> Schriftliche Unterlagen (Emissionsprospekt etc.) spielen eine viel geringere Rolle

als mündliche Zusagen.

- Manipulationstechniken unseriöser Telefonverkäufer/Anlagevermittler

- Verlust der Fähigkeit von Anlegern, rationale Entscheidungen zu treffen

2. Die Akteure

2.1. Die Anleger/Opfer und deren Motive

zwei Studien im Auftrag des Bundeskriminalamtes (BKA):

Motivanalyse bei Opfern von Kapitalanlagebetrug (1992)

Täter-Opfer-Interaktion bei Kapitalanlagebetrug (Replikationsstudie 2000)

Ergebnis: Ausschlaggebend ist nicht – wie vielfach verkürzt dargestellt – die Gier

der Anleger, sondern häufig Grundbedürfnisse nach Sicherheit, nach sozialem

Akzeptiertwerden und nach Anerkennung.

„Mythen“: nur „Besserverdiener“, v. a. „Schwarzgeld“, „dumme Anleger“

meine These: Anleger mit einem „gesunden Halbwissen“ sind besonders gefähr-

det (Gefahr der Selbstüberschätzung). Wer meint, nicht auf einen Betrüger herein-

fallen zu können, ist vielleicht gerade deswegen ein potentielles Opfer.

relativ hohe Wahrscheinlichkeit für Mehrfachviktimisierung (u. a. durch den Ver-

kauf von Adressenlisten)

2.2. Die Betrüger und deren Auffassung über die Opfer

selbstsichere Persönlichkeitsfassade, seriöser Eindruck (vielfach durch Thematisie-

rung der Angst vor Risiken oder Betrug), redegewandt

besondere Fähigkeit, sich auf das Opfer einzustellen (Empathie)

> Aufbau von Vertrauen

> Ansatzpunkte für das weitere Vorgehen

vielfach arbeitsteiliges Vorgehen auf der Täterseite (Opener, Loader, Broker, „Psy-

chologe“)

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vielfach fehlendes Unrechtsbewusstsein, so etwa der EFB-Millionenbetrüger Heinz

Heinrich Hensley-Piroth (geb. Knöpfl) in einem Interview mit „Capital“ (Heft

10/1994):

„Ach wissen Sie, unsere Kunden waren kranke Menschen. Ihre Krankheit: Geld-

gier, Dummheit und Schwarzgeld. Wer mir sein Geld gab, war selbst dran schuld.

Ich befriedigte nur ein Bedürfnis, ähnlich einer Spielbank. Allerdings boten wir un-

seren Kunden einen besseren Unterhaltungswert als ein Croupier.“

3. Täter-Opfer-Interaktion:

Beeinflussung des Kunden durch Manipulationstechniken

3.1. Techniken zur Manipulation des Kunden

a) Scheinbare Beratung

Provozieren von Antworten (z.B. durch einen in einem Telefonleitfaden

enthaltenen Fragenkatalog), Behandlung von Einwänden, Steuerung

durch Lob oder Nichtbeachtung

b) Verstärkung

- Bestätigung des eigenen Selbstbildes

(z.B. intelligenter Anleger, erfolgreicher Unternehmer)

z.B. „Sie sind doch Profi, Sie kennen sich aus im Geschäftsverkehr.“

- Rollenzuschreibung (z.B. für seinen Kinder sorgender Vater)

- Zuschreiben von erstrebenswerten Eigenschaften (Traumrollen),

wie z.B. Erfolg, Intelligenz

c) Ausnutzung der selektiven Wahrnehmung des Kunden

„Einbettung“ von Risikohinweisen in ein positives Umfeld (Beispielsrech-

nung mit Gewinnen, angebliche Beherrschbarkeit der Risiken durch Erfah-

rung und Technik etc.)

3.2 Die „Waffen der sozialen Beeinflussung“

weapons of social influence (Cialdini): reciprocation, commitment and consis-

tency, social proof, liking, authority, scarcity

kulturelle Unterschiede bei der Gewichtung: USA (Gegenseitigkeit), China

(Autorität), Spanien (Freundschaft/Sympathie), Deutschland (offizielle

Regelungen)

a) Konsistenz

- die „Fuß-in-der-Tür-Technik“: das kleine Einstiegsgeschäft

„Testgeschäft“

b) Reziprozität

- die „Erst-Wohltäter-dann-Bettler-Strategie“

- scheinbare „Geschenke“, wie z.B. „exklusive Insiderinformationen“

oder angebliche „Position, die bereits im Gewinn ist“

- die Konzessionsfalle („Tür-ins-Gesicht-Technik“)

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c) Konformität

Hinweis auf das Verhalten anderer Anleger

(z.B. „Viele Anleger nützen die Terminmärkte.“)

d) Knappheit

Hinweis auf eine „einmalige Situation“ oder „außerordentliche Marktsitua-

tion“ - „Sie müssen sich sofort entscheiden.“

e) Autorität

- Weitervermittlung an „Direktor“, „Chef-Händler“ etc.

- Hinweise auf Berichterstattung in Fernsehen und in Zeitungen

- Gutachten von Professoren (z.B. bei der Göttinger Gruppe)

- „Prospekt ist bei der Aufsichtsbehörde hinterlegt.“

f) Sympathie

klassisches Beispiel: Die Tupperparty

- Vermischung von Sach- und Beziehungsebene, z.B.

„Sie vertrauen mir doch?“

- (vermeintliche) Gemeinsamkeiten, z.B.

„Ich verdiene nur, wenn Sie verdienen.“

- Kontaktaufnahme häufig über Bekannte

- scheinbare Solidarisierung gegen Dritte (z.B. gegen Banken: „Die

wollen nur auf ihre Kosten Gewinne machen.“

„Wir können Ihnen Geschäfte anbieten, die die Banken sonst nur

unter sich tätigen“.)

- Thematisierung der Betrugsgefahr

3.3. Die „Verstrickung“ des Anlegers

eingeschränktes Blickfeld („Tunnelblick“)

Verlust des Realitätssinns und der Fähigkeit, rational Entscheidungen zu treffen

(typische Falle: Verluste zurückholen durch neue „Investitionen“ und darauf ein-

gehende Taktik der Betrüger – Einsatz von „Psychologen“)

4. Fazit

- erhöhte Transparenz von Finanzprodukten

- verbesserte Prävention

- effektivere Verfolgung

- Schlussfolgerung der Bertelsmann-Studie: finanzielle Bildung stärken

Literatur:

Cialdini, Influence – Science and Practice

Liebel u. a., Motivanalyse bei Opfern von Kapitalanlagebetrug, 1992 (Hrsg. BKA)

Liebel u.a., Täter-Opfer-Interaktion bei Kapitalanlagebetrug, 2002 (Hrsg. BKA)